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Wahrheit und Kompromiss in der Demokratie

Hello, Freunde der großen und kleinen Koalitionen,

eine Koalition ist ein Zusammenschluss, eine Zusammenkunft. Demokratie ist nichts anderes als eine Zusammenkunft auf dem Marktplatz oder in der Volksversammlung, um die Probleme des Volkes zu debattieren. Kann man sich mit Worten verständigen, sind Abstimmungen überflüssig.

Verständigung ist Abstimmen per Argumentieren. Kann man sich nicht verständigen und ein Problem wartet auf seine Lösung, muss so schnell wie möglich abgestimmt werden. Abstimmungen sind vorläufige Verständigungen per kompromisslerischer Mehrheitsmethode.

Die Mehrheitsmethode ist ein ritualisierter Kompromiss. Ein Kompromiss aus zeitunabhängiger Wahrheitssuche und dringlicher Entscheidungsnotwendigkeit. Mehrheitsbeschlüsse sind nicht identisch mit der Wahrheit, sie verschieben die Wahrheitssuche auf die Zeit nach der Entscheidung und übergeben die Suche zurück an die Grundsatzdebatten im Volk.

Der demokratische Findungsprozess besteht aus ad hoc beschließender Volksversammlung (in repräsentativer Demokratie das Parlament) und dauer-reflektierendem Volk, das auf dem Marktplatz seine Diskurse, Gespräche, Debatten und Streitigkeiten durchführt. In Athen war der Marktplatz das Zentrum der Öffentlichkeit mitten in der Polis. In modernen Riesendemokratien verwandelt sich der Marktplatz in digitales Netz und Medien, bestehend aus Gazetten, Radio- und TV-Kanälen.

Der Kompromiss der Mehrheitsmethode spricht: die Meinung der Majorität ist nicht

das Gelbe vom Ei – unendliches Denken und Grübeln können wir uns in „Stunden der Not“ nicht leisten –, sie könnte aber mit hoher Wahrscheinlichkeit der gesuchten Wahrheit am nächsten kommen. Denn viele Augen sehen besser als wenige. Was nicht bedeutet, dass Mehrheit die Wahrheit gepachtet haben muss. (Dazu der drastische Spontispruch: fresst Scheiße, Millionen Fliegen können nicht irren.)

Wären Mehrheitsbeschlüsse identisch mit der Wahrheit, müsste das Volk nur Mehrheitsentscheidungen herbeiführen und alle Rätselfragen der Menschheit wären „ohne unendliches philosophisches Geschwätz“ im Nu beantwortet.

Dass Mehrheit gleich Wahrheit ist: diesem Motto folgt die gesamte kapitalistische Werbung und die Ideologie der Quoten und Auflagen in den Medien. Diesem Motto folgt die komplette Moderne, die sich den Gesetzen des Fortschritts, des Erfolgs, des Geldes und der Macht unterwirft, weil die herrschenden Mächte verführbare Majoritäten fast nach Belieben herzustellen verstehen.

Was in Machtzentralen – Wallstreet, Silicon-Valley, Medien und Think-Tanks – entschieden wird, erhebt den Anspruch, die Meinungen nationaler und internationaler Mehrheiten zu repräsentieren.

Die hegelianische Formel für dieses Mehrheitsprinzip lautet: Zeitgeist. Mehrheiten entwickeln sich in der Zeit, und Zeit verbindet Mehrheit und Wahrheit miteinander, sie verknüpft Mehrheit und Wahrheit (Quantität und Qualität) zur Einheit. Zeit ist kein äußerliches Abspulen von Stunden, Tagen und Jahren, sondern bringt nach und nach die Wahrheit an den Tag.

Nicht die Sonne bringt es an den Tag, sondern die Zeit. Sonne war griechisches Symbol für zeitlose Wahrheit, Zeit steht für die Wahrheit eines Gottes, der sich in der Zeit offenbart. Offenbarung in der Zeit ist Heilsgeschichte. Zeitgeistphilosophie ist nur ein unverfängliches Wort für die Wahrheit der Heilsgeschichte – unverfänglich deshalb, damit auch „Ungläubige“ den Lockrufen des Zeitgeistes folgen können, ohne sich korrumpieren zu müssen.

Hegels System will christliche Zeitphilosophie und zeitlose Griechenphilosophie zur zeitlos-gültigen Wahrheit vereinigen. (Vom Resultat her hätte zeitlose Wahrheit ein gewisses Übergewicht.) Hegel musste scheitern, weil göttlicher Welthass und weltliebende Vernunft nicht kompatibel sind. Auch nicht kompromissfähig. Was wäre der Kompromiss aus Henker und Opfer?

Die Welt, die Gott erschaffen haben will, hat er eine kurze Weile agieren lassen. Doch längst hat er sie zum Tode verurteilt. Nur der Hinrichtungstermin steht noch nicht fest. Wer glaubt, Welt und jenen Gott gleichzeitig zu lieben, der die Welt massakrieren will, der liebt seinen Untergang.

Seine Zeitphilosophie bringt Hegel auf die Formel: „Was vernünftig ist, das ist wirklich, was wirklich ist, das ist vernünftig“. Wirklich ist die Zeit, die nach und nach aus der Tiefe ihrer Unfehlbarkeit das Vernünftige hervorbringt. Wenn Vernünftiges zur Wirklichkeit, Wirkliches zur Vernunft kommt, erhalten wir Wahrheit.

Es genügt nicht, im eigenen Kopfe Wahrheiten entdeckt zu haben und seien sie noch so genial. Kopfwahrheiten müssen die Wirklichkeit durchdrungen haben, erst dann haben sie ihre Wahrheitsfähigkeit erwiesen.

Umgekehrt ist nicht jede „schlechte“ Wirklichkeit schon vernünftig, nur weil sie existiert und groß in den Gazetten erscheint. Als ein Student den berühmten Hegel darauf aufmerksam machte, dass eine seiner Behauptungen nicht mit der empirischen Realität übereinstimmte, sagte er: umso schlimmer für die Wirklichkeit. Seine Idee hielt er für realer als die Realität.

Bevor man darüber spottet, sollte man an die vielen Genies denken, die einen absurd scheinenden Gedanken als Lösung eines Welträtsels propagierten – und siehe, nach ihrem Tode stellte sich die Wahrheit der Idee heraus. Wenn ein Staat den Anspruch erhöbe, größtmögliche Menschenwürde durch Massakrieren der meisten Menschen zu erreichen, müsste man ihm ins Angesicht widerstehen: weiche von mir, Satan, du bist eine totalitäre Idee.

Wer bestimmt, wann Idee und Wirklichkeit sich gefunden haben und heilige Hochzeit feiern? Der Philosoph, der die Entwicklung der Ideen und der Wirklichkeit in allen spiraligen Schwierigkeiten, Widersprüchen, Synthesen, erneuten Widersprüchen vom Punkte Null bis zur Gegenwart so lebendig, skurril, trefflich und phantastisch erzählen kann, dass man vor lauter Staunen den Mund nicht zukriegt.

Der Schwabe war eine Mischung aus biblischem Propheten und griechischem Philosophen. Als junger Mann kritisierte er den Messias in aller Schärfe, auf der Höhe seines erwachsenen Systems wollte er Jesus und Sokrates zur Einheit verschmelzen.

Hegel erzählt die Geschichte der Wahrheit als embryonales Geschehen. Als intrauterine Biografie. Wer Wahrheit verstehen will, muss ihr Werden verstanden haben. Die Wahrheit einer Sache hat man nur kapiert, wenn man die Genese – den Ursprung, die Entstehung – der Sache verstanden hat. Dieses Prinzip gilt für Sachen und Menschen.

Wer einen Menschen glaubt verstanden zu haben, ohne dessen Werden, dessen biografische Entwicklung, zu verstehen, der hat nichts verstanden. Das ist ein wichtiger Punkt, ohne ihn wäre Freud nicht möglich gewesen. Jeder glaubt heute jeden beurteilen zu können, ohne die geringste Ahnung von seiner Entstehung zu haben.

Das gilt auch für die politische Situation. Wer nicht verstanden hat, warum Deutsche grölen und lärmen, wenn sie ihre Seele baumeln lassen, der hat ihre abgründige Seele noch nicht zur Kenntnis genommen.

Man könnte sagen, Hegel hat die Kunst des Verstehens – verstanden. Verstanden die Leute vor Hegel nichts vom Verstehen? Also die Aufklärer, die Anhänger Kants? Das warf man ihnen vor. Religionskritische Aufklärer verspotteten dermaßen das Objekt ihrer Kritik – die Religion – und „zerrten sie in den Dreck“, dass man ihnen vorwarf, sie könnten nur verurteilen. Das Heilige verstehen – das könnten sie nicht.

Die Aufklärer traten wie Oberlehrer auf, um scharfe Zensuren zu verteilen. Religion, stehen Sie auf! Schon wieder muss ich Ihnen die Note sechs wegen Begriffsstutzigkeit geben. Die Klasse müssen Sie solange wiederholen, bis Sie Vernunft angenommen und Ihrem Hokuspokus Ade gesagt haben. (Viele Lehrer beurteilen und verurteilen ihre Schüler, ohne den geringsten Versuch zu unternehmen, sie zu verstehen. Verstehen gilt als Verzeihen, also darf nichts verstanden werden.)

Upps, das war hart, war es auch gerecht? Vergessen wir nicht, wie Religion jahrhundertelang die weltliche Vernunft traktierte. Da ging es nicht um Hohn und Spott, sondern um ewige Verdammnis in einem Feuer, das nie unter 100 Grad sein sollte. Dann doch lieber eine schlechte Note mit Sitzenbleiben.

Den Aufklärern warf man vor, dass sie nur verurteilen, aber nichts verstehen. Wenn Religion schon ein irrationales Gebilde sein soll, muss sie ihren Ursprung nicht im Menschen haben? Konnte es Priester geben, die so herrschsüchtig waren, dass sie Religion als Ammenmärchen erfanden, um normale Menschen der Kirche in die Arme zu treiben? War diese Entstehungslegende nicht selbst ein Mythos, kaum anders als die Erfindung dubioser Erlösungsmythen?

Indem die Aufklärer alles der Prüfung ihrer Vernunft unterwarfen, war das Ergebnis stets ein Ungenügend. Ihr Beurteilen war gnadenloses Verurteilen. Wo blieb das Verständnis für menschliche Dinge, und wenn sie noch so abstoßend wären? Sollten vernünftige Leute nicht dem uralten Motto folgen: Nichts Menschliches ist mir fremd?

Wie etwa Thomas Mann Hitler zu verstehen versuchte, indem er den Aufsatz schrieb: Bruder Hitler? Wenn alle Menschen Hitler-Keime in sich tragen, müssten alle Menschen nachvollziehen können, was Hitler zu seinen Verbrechen trieb – auch wenn es ihnen selbst gelang, die Keime des Bösen in sich zu bezwingen.

Beurteilen – Verstehen: das war die große Kontroverse zwischen Aufklärern und ihren philosophischen Nachfolgern, die immer mehr das sanftmütige Verstehen und immer weniger das hartherzige Beurteilen in den Mittelpunkt ihres Denkens stellten.

Dilthey gilt als Begründer des systematischen Verstehens, somit als Begründer der geisteswissenschaftlichen Methode. Geisteswissenschaften verstehen, Naturwissenschaften erklären. Natur konnte man mit Rechnen und Experimenten nur von außen erklären, verstehen konnte man sie nicht. Verstehen konnte man nur Wesen mit Geist, weil man als Mensch selbst Geist hatte.

Natur bestand aus geistlos-mechanischen Gesetzen, die man unter Kontrolle kriegen und beherrschen, aber niemals empathisch nachempfinden konnte. Natur wurde bei den Deutschen, die für Wald und Flur schwärmten, zu einer domestizierbaren Dirne, nicht zu einem liebenswerten Vollblutweib. Das gilt bis heute.

Bei neoliberalen Naturverwüstern machen sich grüne Froschwächter und Naturflüsterer lächerlich, bei sentimentalen Naturverstehern machen sich hartherzige Naturberechner verhasst. Die Grünen haben es nie geschafft, das komplexe Phänomen Natur den Deutschen nahe zu bringen.

Als die Deutschen das Verstehen verstanden hatten, pendelten sie von einem Extrem ins andere. Allmählich verstanden sie alles – Heidegger verstand sogar Sein und Zeit –, aber sie urteilten nicht mehr. Vor lauter sentimentaler Anempfindung vergaßen sie, sich ein Urteil zu bilden und Position zu ergreifen. (Trittin war als besserwissender und unempathischer Beurteiler in der Öffentlichkeit wenig beliebt. Der Zeitgeist bevorzugt das schweifende Vielleicht und die weichmütige Meinungslosigkeit.)

Sie verstanden die Geschichte, aber sie beurteilten sie nicht. Alles war paletti, wenn es nur faktisch war. Auch wenn es der größte Mist war – es muss sinnvoll gewesen sein. Hegel hatte sich durchgesetzt: Faktisches war immer wahr, sonst hätte es nicht real werden können.

Als die NS-Schergen real und ideell geworden waren, hatte Heidegger keine Probleme, das Vorhandensein als Gottesbeweis zu betrachten und den Führer anzubeten. Der aber hatte keine Lust, sich von einem verstiegenen Philosophen führen zu lassen und also zog sich der Gekränkte in seinen geliebten Schwarzwald zurück.

Das war die deutsche Version der Zeitgeistphilosphie. Wenn Zeit als Medium der Offenbarung stets die neuesten Wahrheiten herausbringt, kann es kaum Zeitgemäßes geben, das nicht wahr wäre.

Die amerikanische Zeitgeistphilosophie ist fast identisch mit der deutschen. Natürlich kommt sie nicht so gestelzt daher und formuliert biblizistischer. Auch für Bibelgläubige gibt es nichts Zeitliches, das nicht durch Gottes Willen entstanden wäre. Wenn die Mehrheiten in Gottes Land Erwählte sind, wie sollte das demokratische Mehrheitsprinzip in die Irre führen können? Dies ist ausgeschlossen, so wahr der Heilige Geist im neunen Kanaan sein Wesen treibt.

Aber hallo, jetzt muss der große Einwand kommen! War Demokratie kein heidnisches Gewächs? Wie kann eine christogene Zeitgeistphilosophie das Mehrheitsprinzip im ungläubigen Athen legitimieren? Natürlich kann sie das nicht.

In Griechenland standen sich zwei Philosophien gegenüber, die sich nicht miteinander vertrugen. Die eine war das Naturrecht der Starken, die andere das Naturrecht der Schwachen, aus dem peu à peu die späteren Menschenrechte hervorgingen: alle Menschen sind gleich und besitzen gleiche Rechte. Unabhängig von Rasse und Geschlecht.

(Aristoteles dachte in diesem Punkt wie ein Reaktionär. Doch Aristoteles ist nicht die griechische Philosophie, wie heute gern getan wird, um die Griechen zu versenken und die Frohe Botschaft hochzupreisen.

Ja, die Frauen waren ziemlich rechtlos, dennoch begann ihre Gleichberechtigung in Hellas. Man schaue sich die kräftigen und vor Selbstbewusstsein strotzenden Frauenfiguren in den Komödien und Tragödien an. Dies ins Stammbuch heutiger Feministinnen, die dem absurden Märchen hinterherlaufen, die Emanzipation der Frauen wäre unter der Herrschaft eines allmächtigen Mannes entstanden.)

Das Naturrecht der Starken verachtete die Schwachen und hielt – wie später Nietzsches Philosophie des Übermenschen – den demokratischen Pöbel für dumm, träge und anmaßend. Zu ihrem eigenen Besten sollten sie an die Kette gelegt werden. Dieses Naturrecht der Herren taugte sicherlich nicht zur Verteidigung der Demokratie und der Weisheit der Menge. Wie bei den deutschen Gelehrten vor und nach dem Ersten Weltkrieg war die demokratische Mehrheit eine trostlose, irrationale und unberechenbar chaotische Masse.

Typisch das Werk des in Deutschland ausgebildeten spanischen Philosophen Ortega y Gasset: „Der Aufstand der Massen“. Massen müssen von Weisen und Klugen regiert werden, damit sie nicht zugrunde gehen. Dies war purer Platonismus. Platon hatte die philosophische Urform des Faschismus erfunden.

Nehmt alles in allem, so setzte sich weniger das faschistische Naturrecht der Starken durch, sondern der sokratische Glaube an die Wahrheits- und Moralfähigkeit jedes einzelnen Menschen. Die Aufklärungsbewegungen der Neuzeit und die Verbreitung der Demokratien waren der Triumph des griechischen Naturrechts der Schwachen.

In jedem Menschen ist die Anlage des Guten als Gabe der Natur, die er in lebenslangem Lernen entfalten muss. Das Entfalten geschieht in Gesprächen, die das Gute ans Licht bringen, damit es sich in die Wirklichkeit einmischen kann. Die Philosophie der Demokratie war geboren. Wenn jedes Individuum von Natur aus gut ist, können viele Individuen in der Volksversammlung kein Haufen Dummköpfe sein, die man entmündigen muss, um den Staat vor dem Mob zu retten.

Es war die Tragik des Sokrates, dass er von einer athenischen Mehrheit, die er für wahrheitsfähig hielt, zum Tode verurteilt wurde. Doch Sokrates war kein Schwärmer oder blauäugiger Gutmensch. Er spürte, dass die athenische Demokratie aus vielen Gründen degenerierte und die Menschen verdarb, weshalb er sich den persönlichen Gesprächen auf der Agora verschrieb, um seine Mitbürger zu guten Demokraten zu verlocken.

An eine automatische Entwicklung des Menschen zum Guten und Wahren hatte er nie geglaubt. Werde, der du bist: das war sein pädagogischer Appell an die Menschen, ihr natürliches Potential nicht verkümmern zu lassen. Nicht Erwerbsarbeit, (die Aristoteles für Sklaverei hielt), sondern die Erkenntnisarbeit war die vornehmste Arbeit des Demokraten. Heute ist es umgekehrt. Erwerben müssen alle im Schweiße ihres sündigen Angesichts, Denken gilt als dekadenter Müßiggang.

Der Glaube an die Wahrheitsfähigkeit jedes Menschen konnte kein Selbstläufer sein. Ständig musste er neu erarbeitet werden. Demokratien besitzen keine eingebaute Ewigkeitsgarantie. Sie verfallen und vermodern, wenn überzeugte Demokraten aussterben.

Weder Mehrheiten noch elitäre Minderheiten sind im Besitz der Wahrheit, die stets aufs neue erkämpft und erstritten werden muss. Dabei spielt es keine Rolle, ob es in einem Land nur zwei Parteien gibt wie in Amerika oder viele Parteien wie in Deutschland (Siehe Erik T. Hansen in der ZEIT)

Langfristig spielt es auch keine Rolle, welche Partei mit welcher koaliert. Große Koalitionen können irren und versagen, deshalb müssen kleine noch lange nicht im Besitz unfehlbarer Wahrheiten sein.

Die Anzahl der Bataillone spielt beim Suchen nach der menschenwürdigsten Lebensweise keine Rolle. Von allen Staaten ist Demokratie die bislang vorbildlichste Gemeinschaftsbildung, um nicht nur zeitlosen Wahrheiten nachzuspüren, sondern auch kompromisslerischen Entscheidungen den notwendigen Raum zu schaffen.

Wenn Merkel, die gewählte Königin der Herzen, sich dem Prinzip Durchwursteln und Duchlavieren hingibt, hat sie unbedingt Recht – sofern sie das Prinzip Kompromissbilden zur unerlässlichen demokratischen Tugend erklärt.

Sofern sie aber in schweigender Überheblichkeit kompromisslose Wahrheitssuche und bedingungslose Debatten auf dem Marktplatz unterläuft, richtet sie langfristig die Demokratie zugrunde.

Ein mündiges Volk muss auch seine Königinnen erziehen.