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Mathias Döpfner

Hello, Freunde Döpfners,

es ist passiert. Erneut passiert. Ein Deutscher winselt vor einem Mächtigen. Vor amerikanischen Mächtigen. Vor einem Amerikaner, der nicht nur mächtig, sondern allmächtig sein will. „Man hat die Deutschen entweder an der Gurgel oder zu Füßen“, hatte ein englischer Premier gesagt.

Hier küsst ein Deutscher die Füße des Überlegenen. „Ich bewundere Dich“, wird der Deutsche nicht müde zu greinen und zu jaulen, Du bist so groß und stark, so erfolgreich in der Welt wie niemand sonst. Neben Dir kenne ich keine Götter, die Dir gleich kämen. Zwar bin ich größter Medienmogul in Deutschland, verglichen mit Dir aber bin ich ein Nichts.

Ich bin nicht würdig, Dir die Schuhriemen zu lösen, sagt der bibelfeste Deutsche, der die amerikanische Realität wie ein fleischgewordenes Evangelium bestaunt. Wie das Goldene Jerusalem in Walt-Disney-Ausgabe. Wie Campanellas Sonnenstaat, wie Thomas Morus‘ Utopia. Wie Platons perfekten Staat auf neukanaanäischem Boden.

Nein, auf hoher See. Mit unbegrenztem Horizont, nur Gott über den intelligenten Maschinen und sonst niemand. Und er maß Googles Stadt und siehe, die Mauer maß nach Engelmaß 144 Ellen. Und ihre Mauer ist aus Jaspis gebaut und die Stadt ist reines Gold gleich reinem Glas und himmlischen Dollars. Und die Stadt bedarf nicht der Sonne noch des Mondes, dass sie ihr scheinen. Denn der Lichtglanz Eric Schmidts erleuchtet sie und ihre Leuchte ist der Algorithmus. Und die Völker werden in ihrem Lichte wandeln und

die Könige der Erde bringen ihre Geheimnisse und Herrlichkeiten in sie.

Und der Deutsche sah die heilige Stadt, die neue Google-Politeia, von oben aus dem Himmel herabkommen, gerüstet wie eine Braut, die für ihren Mann geschmückt ist. Und der Deutsche hörte eine laute Stimme vom Throne sagen. Siehe da, die vollkommene Stadt unter den Menschen. Da wird der Tod nicht mehr sein – dank meines treuen Knechtes Ray Kurzweil – und kein Leid noch Geschrei noch Schmerz wird sein, denn der Mensch ist zur fühlenden und denkenden Maschine geworden, die unsterblich sein wird. Denn das Erste ist vergangen. Das Erste aber ist die alte verbrauchte Natur.

Und Schmidt, der auf dem Throne saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu. Gebt mir all eure Daten. Wie ein Vater werde ich über euch wachen, für euch sorgen und euch nie mehr aus den Augen lassen. Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang werde ich euch beobachten und darauf achten, dass ihr den wahren Kurs nicht aus dem Auge verliert.

Tu mir nichts, bettelte der Deutsche, ich flehe Dich an. Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn. Gegen Dich bin ich ohnmächtig. Nur Du kannst mich vor Dir retten. Nemo contra Deum nisi Deus ipse: nur Google kann gegen Google helfen. Nur Google heilt die Wunde, die es selber schlägt. Von Google kommt alles, Gutes und Böses: der Name Google sei gepriesen.

Die Spitzen der deutschen Medien waren nach Amerika gepilgert und hatten wie die drei Weisen aus dem Morgenland Huldigungen und Anbetung mitgebracht. Die Drei hießen Mathias, Frank und Kai, die in Deutschland die Frohe Botschaft von Silicon Valley und Google verkündet hatten. Nun liegen sie auf dem Boden und heulen.

Doch Reue und Buße üben sie nicht. Ein deutscher Mann schaut nicht zurück. Er macht keine Fehler und schaut stets nach vorn. Täglich erfindet er sich neu, gedenkt nicht seiner früheren Schandtaten, also tat er nichts Schändliches. Zur Strafe müssen sie nun zu Schmidt pilgern und um Gnade betteln.

Wenn deutsche Wirtschaftshelden Einkehr halten und weise werden wollen, gehen sie ins Kloster, wo listige Gottesmänner sie zum Knien auf harten Kirchenbänken verdonnern. Womit sie straften, damit müssen sie bestraft werden.

(Brief von Mathias Döpfner an Eric Schmidt in der FAZ)

Google baut die neue Stadt, nicht hoch auf dem Berg, sondern weit draußen auf dem unendlichen Meer.

Wir bauen eine neue Stadt,
die soll die allerschönste sein,

Gibst du mir Steine, geb ich dir Sand.
Holst du mir Wasser, rühr ich den Kalk.
Wir bauen die Häuser. Wir setzen Dächer drauf.
Wir bauen Straßen. Wir baun die Straßenbahn.
Wenn wir uns alle helfen, steht unsere Stadt bald da.

Nein, das ist Kinderkram. Sie bauen eine neue Stadt aus Chips und Chips, Daten und Daten, Wissen und Wissen. Die neue Stadt soll Big Data heißen. Es ist keine Stadt aus Sand und Kalk, sondern aus Wissen. Alles, was die Welt weiß, will Big Data wissen.

He, willst du alles über mich wissen?  

Klar!

Willst du wissen, was ich denke?      

Klaro, hörst du schlecht?

Hast du mich schon jemals gefragt, du Kasper, was ich denke?

Nö, so weit kommt‘s noch, dass ich andere frage.

Wie willst du dann alles über mich herauskriegen, wenn du mich nicht fragst?  

Nimmst du mich auf den Arm? Das weiß doch inzwischen jedes Kind. Ich geh zu Google, zur NSA – und hör dich ab, du Vollpfosten. Dann weiß ich alles über dich.

Google besteht also nur, weil die Menschen nichts mehr voneinander wissen und nicht miteinander reden? Warum fragst du mich nicht direkt, welchen Joghurt ich am liebsten esse, wie hoch mein Blutdruck ist, wie oft ich Sex habe oder Pornos gucke – du könntest dir den ganzen Google-Unfug sparen!          

Ei, du Schlaumeierchen. Schon mal was von Datenschutz gehört? Nicht alle sind so redselig wie Du. Die meisten machen aus ihrer Persönlichkeit ein Geheimnis. Und dieses Geheimnis müssen wir knacken. Außerdem: wir wollen Dinge über dich wissen, die du gar nicht weißt. Du kannst nur für dein Bewusstsein sprechen. Wir aber wollen in dein Unbewusstes eindringen. Du weißt doch nichts über dich. Eben dies wollen wir von dir wissen – was du nicht über dich weißt.

Jetzt versteh ich. Ihr seid eine Bande technischer Freudianer und digitalisierter Psychoheinis? Euer Motto scheint zu sein: wo Es war, soll Google werden. Ihr interessiert euch nicht für unser rationales Ich, sondern nur für unsere triebgesteuerten Dunkelheiten. Was wir bei Tageslicht schreiben, lest ihr nicht. Was wir öffentlich debattieren, hört ihr nicht. Ihr wollt nur den irrational-abgründigen Menschen abschöpfen. Der homo sapiens rationalis interessiert euch nicht die Bohne. Die ganze Menschheit ist für euch eine gigantische Horde bedürfnisgesteuerter Unvernunft? Dann wollt ihr ja gar nicht alles von uns wissen. Was wir euch freiwillig mitteilen, ist für euch uninteressant. Da würde nämlich unsere Ratio mitreden und die würde alles verfälschen, stimmt’s?        

Selbstredend. Was wollen wir mit euren gezinkten, Über-Ich-verfälschten Plattitüden und politischen Korrektheiten? Wir wollen wissen, was ihr versteckt und verbergt. Das ist, was euch ausmacht, nicht die von oben genehmigten und zensierten Allerweltsweisheiten.

Es ist eine Fama, dass Google alles über den Menschen wissen will. Dann müssten die Algorithmiker ja lesen lernen. Bis jetzt können sie nur rechnen. Alles, was sich nicht in Zahlen umwandeln lässt, kann von Google nicht erfasst werden.

Den Satz beispielsweise: Google ist ein strunzdummes, aber mathematisch versiertes Unternehmen, das sich nicht im Geringsten dafür interessiert, was die Menschheit selbst will, sondern sie zu einer lenkbaren Bedürfnismasse degradieren will: diesen Satz kann keine Google-Maschine verstehen.

Was Google überhaupt nicht wissen will, ist die Meinung von immer mehr Menschen über ihre eigene ehrenwerte Firma. Dass sie nämlich eine Verbrecherbande ist, die sich nicht an Gesetze halten will – und dies in aller Öffentlichkeit. Eine Verbrecherbande? Ja, wie nennst du, was sich nicht an Gesetze hält? Verbrecher, Faschisten, Terroristen, Putschisten, Mafiosi?

Upps, das klingt hart. Eric Schmidt und seine Leute sind aber doch immer so nett und überaus höflich – wie Mathias Döpfner sagt? Stimmt, sagt er, indem er immer hinzufügt: aber nicht auf gleicher Augenhöhe. Despoten können überaus charmante und gewinnende Menschen sein.

Mit dem Begriff Faschismus haben viele Menschen Schwierigkeiten. Besonders Deutsche unter ihnen. Was schlagen sie stattdessen vor?

Nichts schlagen sie vor. Sie lassen das gefährliche Phänomen unbenannt und unbegriffen. Wer keinen Begriff hat, will nichts erkennen, bewerten und beurteilen.

Das ist die absurde comedie humaine in Deutschland. Die Nachfahren der Völkerverbrecher wollen verhindern, dass ihr NS-Debakel sich wiederholt. Doch mit Begriffen dürfen sie nicht präzis aufspießen, was sie angeblich verhindern wollen. Freiwillig verkleben sie sich den Mund, um nicht Feuer rufen zu können, wenn Feuer ausbricht.

Entweder ist Google eine ehrenwerte Gesellschaft oder eine Faschistenbande, die vor aller Augen gesetzlose Anarchie für sich fordert. Wie begann der Nationalsozialismus in Deutschland? Als Hitler Gegner ermorden ließ und die Untaten in aller Öffentlichkeit verteidigte.

Hui, jetzt hast du Google mit Hitler verglichen, bist du außer Rand und Band?

Eric Schmidt ist nicht Hitler, dennoch muss man beide vergleichen. Vergleichen ist nicht gleichsetzen. Es gibt enorme Differenzen, aber es gibt immer mehr Ähnlichkeiten.

Wer Faschismus verhindern will, muss gefährliche Entwicklungen unter dem Kriterium Faschismus beobachten und beurteilen. Wer nicht vergleichen will, will nicht erkennen. Erkennen ist nichts anderes als vergleichen.

Natürlich gibt es riesige Unterschiede in den Schlimmheitsgraden des Verbrechens. Doch quantitative Unterschiede dürfen kein Hindernis sein, die gemeinsame qualitative Kategorie festzustellen. Wer eine Bulette klaut, ist gewiss kein Serienkiller – und doch sind beide Verbrecher und haben gegen das Gesetz verstoßen.

Man höre sich folgende Sätze an:

„Wir wissen, wo du bist. Wir wissen, wo du warst. Wir können mehr oder weniger wissen, was du gerade denkst.“

„Wenn es Dinge gibt, von denen Sie nicht wollen, dass irgendjemand etwas darüber erfährt, dann sollten Sie so etwas nicht tun.“

Als jemand auf einer Konferenz die Frage stellte, wie Facebook es mit der Speicherung von Daten und dem Schutz der Privatsphäre halte, sagte Zuckerberg: „Ich verstehe Ihre Frage nicht. Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.“

Diese Sätze sind von göttlicher Selbstautorisierung. Hier schwebt alles über den Wassern des Rechts und reklamiert für sich gesetzlose Privilegien. Das aber ist die Definition des Faschismus oder Totalitarismus: wer sich an kein Recht gebunden fühlt, steht über allen Gesetzen. Das ist der Tod der Demokratie.

Döpfner spricht es selbst an, wenn er über Larry Page berichtet:

„Er träumt von einem Ort ohne Datenschutzgesetze und ohne demokratische Verantwortung. «Es gibt eine Menge Dinge, die wir gern machen würden, aber leider nicht tun können, weil sie illegal sind», verkündete Page schon 2013. «Weil es Gesetze gibt, die sie verbieten. Wir sollten ein paar Orte haben, wo wir sicher sind. Wo wir neue Dinge ausprobieren und herausfinden können, welche Auswirkungen sie auf die Gesellschaft haben.» Heißt das, Google plant für alle Fälle die Operation im rechtsfreien Raum, ohne lästige Kartellämter und Datenschutz? Eine Art Überstaat, der sein schwimmendes Reich ungestört an allen Nationalstaaten vorbeinavigiert?“

Wie kommt Döpfner dazu, Menschen zu bewundern, die ungesetzliche Projekte realisieren wollen? Pardon, der Vergleich muss sein: auch Hitlers Kriegspläne nahm anfänglich niemand ernst. Warum nicht? Weil alle sagten: das ist ein Angeber und Phantast. Würde er‘s ernst meinen, würde er seine verbrecherischen Pläne verheimlichen.

Dummes Zeug. Das beste Mittel, Gefährliches in die Tat umzusetzen ist noch immer, es in aller Öffentlichkeit zu propagieren und an alle Glocken zu hängen.

Nicht nur, dass Google eine exterrestrische faschistische Plattform plant, die Superfirma plant auch einen eigenwilligen Kapitalismus: eine Monopolwirtschaft ohne Wettbewerb. Früher nannte man das eine totalitäre Staats- und Planwirtschaft.

„Das Wort Wettbewerb kommt im Vokabular der Amerikaner nicht vor. Zum Thema befragt, entgegnete Eric Schmidt lediglich: «Our business strategy is not to compete»«Unsere Strategie besteht darin, nicht zu konkurrieren»“. (Philipp Klöckner in der WELT)

Schon jemandem aufgefallen, dass in keiner Talkshow über Big Data ein Google-Vertreter sitzt und Rechenschaft vor der demokratischen Polis ablegt? Letzte Woche sagte Beckmann so nebenbei: wie immer haben wir Google zur Debatte eingeladen. Wie immer erhielten wir eine überaus höfliche – Absage.

Zeugt diese aberwitzige Selbstherrlichkeit von demokratischem Bewusstsein? Es zeugt von einer antinomischen Frechheit, die einem den Atem verschlägt.

Vor diesen Übermenschen haben unsere medialen Spitzenvertreter wie lange auf dem Bauch gelegen und die Propheten dieser Götter gespielt? Schirrmacher hat es bis heute nicht nötig, in Sack und Asche Buße zu tun. Edelschreiber sind inzwischen so sakrosankt wie Franziskus beim Hochamt.

Jetzt auf einmal beginnen sie zu jammern und zu zetern, wo es angeblich zu spät ist und Google alle möglichen Gesetze mit der allerneuesten Supertechnik sofort unterlaufen könnte. Also weiter im Text und Gott im Regiment walten lassen? Und das alles in Deutschland, das aus seinen Sünden lernen wollte?

Wenn ich von einem Menschen etwas wissen will, um ihn besser kennen zu lernen und vertraut mit ihm zu werden, muss gesagt werden: Google will über Menschen nichts wissen. Die Firma will den Menschen nicht erkennen. Sie will den Menschen beherrschen, ihn einschüchtern, ihn nach Belieben lenken und leiten.

Was der Mensch von sich aus preisgibt, interessiert den Konzern kein Jota. Er will das Unbewusste freilegen, das in der Religion als Sünde gilt. Wer das Sündige eines Menschen kennt, das er aus Furcht und Scham zu verstecken pflegt, der hat Macht über den Menschen. Er will im Pfuhl wühlen, um den Menschen auf seinen Auswurf zu reduzieren.

Der stolze, selbstbewusste, autonome, rationale Mensch ist dem Konzern gleichgültig. Er erniedrigt den Menschen zum christlichen Sündenkrüppel, der vor ihm auf dem Bauch kriecht und um Gnade winselt. Die kaputte Kreatur, die nicht einmal das Ausmaß ihrer Defektheit kennt. „Zwar bin ich mir nichts bewusst, aber darum bin ich nicht gerecht gesprochen. Vielmehr ist es der Herr, der mich richtet. Darum richtet nichts vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen wird.“

Womit klar sein dürfte, welche Prophezeiung Google selbst erfüllt: der Konzern will das Jüngste Gericht vorwegnehmen und Gottes Bücher aufschlagen, in denen die geheime Bilanz aller Menschen verzeichnet ist. „Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsches Zeugnis, Lästerung. Das ist es, was den Menschen verunreinigt.“

Google und Gott interessieren sich nicht für das Lichte und Unverborgene des Menschen, sondern für sein Verborgenes, für seine Schlimm- und Bosheiten. „Denn der Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“ „Denn nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt werden wird und nichts verborgen, was nicht bekannt werden wird.“ „An dem Tage, wann Gott das Verborgene der Menschen richten wird nach meinem Evangelium“.

Amerika, du hast Deutschland unter vielen Opfern gerettet und uns die Demokratie gebracht. Zum Dank zeigen wir dir, was wir von dir lernten: wir kritisieren dich.

Du gehst einen gefährlichen Gang. Dein christliches Menschenbild verleitet dich, die Menschheit mit theologischer Zwangsbeglückung zu retten. Du willst alles wissen, um die Menschen zu deinem Glück zu nötigen.

Du bist auf dem besten Weg, jenen Kurs einzuschlagen, den die Deutschen in den 30er Jahren begannen und der in die schlimmste Katastrophe führte.

Wehret den Anfängen, die schon lange keine mehr sind.