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… zum Logos XXIII

Tagesmail vom 24.01.2022

… zum Logos XXIII,

am 31. Oktober 1517 schlug Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Papst an die Schlosskirche zu Wittenberg.

Ein Ruf wie Donnerhall erscholl in deutschen und europäischen Landen. Das mittelalterliche Christentum zerbrach in zwei Teile. Deutschlands Rolle als führende Macht in der Mitte Europas ging zu Ende.

Kaum 100 Jahre später zerlegten Religionskrieger das Heilige Römische Reich Deutscher Nation in eine bedeutungslose Wüstenlandschaft. Die verhängnisvolle Rolle der verhassten heidnischen Vernunft konnte aus der Renaissance Italiens über die Alpen nach Deutschland eindringen und die ersten Fundamente für die spätere Aufklärung legen.

Am 23. Januar 2022 veröffentlichte Heribert Prantl einen Brandartikel gegen den verrotteten Katholizismus in der SZ. Das Donnerhällchen drang weit über Münchens Grenzen bis zu den Regensburger Domspatzen, wo des Papstes Bruder unter seinen jugendlichen Sängern ebenfalls nichts gesehen und gehört haben wollte. Ein einig geschlossenes Brüderpaar.

Unerhört werden die Folgen sein. Die christlich-soziale Union wird zerbrechen, der Freistaat Bayern geschlossen den preußischen Denker Kant studieren und die Aufklärung über den Main endlich ins Land der Marterl eindringen lassen.

„Wir erleben einen Jahrtausendskandal, auf den mit einer Jahrtausendreform reagiert werden muss.“ (Sueddeutsche.de)

Deutschland muss an Haupt und Gliedern reformiert werden. Das Land, innerlich vergiftet durch einen religiösen Virus, blutet aus allen Poren. Obwohl die Krankheit uralt ist, hat das Land noch immer nicht den Zustand der religiösen Endemie erreicht.

Ego me absolvo, ich vergebe mir selbst, hatte der ehemalige Ministrant seinen Artikel in heiligem Zorn überschrieben.

Im Eifer seiner Erregung hatte er übersehen, dass seine satirisch gemeinte Wutformel exakt den Nerv der Religion getroffen hatte. Warum wurden die Geschichten vom leidenden und siegenden Erlöser erfunden? Weil man die Last seiner Gebrechen und die Schuld seiner Sünden nicht mehr ertrug.

Ergo erfand man einen Erlöser, der dem reuigen Sünder vergab, um sich selbst zu vergeben. Menschen, die mit ihrem Leben nicht mehr zurechtkamen, halluzinierten wunderbare Ereignisse, um sich, wie Münchhausen, am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Doch ihr kühner Wille zur Selbstrettung verwandelte sich in blinden Gehorsam gegen ihre phantastischen Heilsgeschichten.

Das ist das tiefste Geheimnis christlicher Esoterik, weshalb heute alle gottlosen Straßenesoteriker von den Gazetten verflucht werden. Man könnte von einer indirekten Kritik an der eigenen Religion sprechen, damit man sie nicht offiziell ans Kreuz nageln muss.

„Ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder.“ „Genauso freuen sich die Engel Gottes über einen einzigen Sünder, der bereut.“

Die reuigen Büßer zu spielen, ist nur eine instrumentelle Selbsterniedrigung der Frommen. Denn mit Hilfe dieser Show wollen sie Herrschaft über alle Völker erringen und die ganze Welt richten:

„Oder wisst ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? Wisst ihr nicht, dass wir über Engel richten werden? Wie viel mehr über Dinge des täglichen Lebens.“

Warum wurden die Verbrechen der Kirche gegen die Kinder nicht längst geahndet? Sie waren beileibe nicht unbekannt.

„Manchmal schäme ich mich auch, dass wir eine solche Vergangenheit gehabt haben.“ Bätzing betonte: „Vertuscht, verdeckt wurde lange genug.“ (ZEIT.de)

Weil es die Kirche gar nicht nötig fand, diese uralten Sünden zu tilgen. Das wäre existenzgefährdend gewesen. Gäbe es keine Sünder mehr, könnten die Priester ihren Job aufgeben. Also muss es Sünder geben, um die Gnaden- und Vergebungsfunktion des Heilands stellvertretend auszuüben.

Jedem Menschen steht es frei, sich eine selbsterfüllende Religion auszudenken, ebenso, wie es ihm freisteht, zu träumen, was ihm gefällt.

Niemand aber hat das Recht, die Prinzipien dieser Religion an anderen auszuüben und gegen die Gesetze zu verstoßen.

Genau dies geschieht in Deutschland seit Einführung der Demokratie mit den Kirchen. Warum ermittelten nicht längst die regulären Organe der Justiz – wie bei anderen Verstößen gegen das Gesetz?

Es wird doch nicht mit den Sonderrechten der Kirchen zusammenhängen, die unter dem Deckmantel religiöser Selbstbestimmung glauben, hinter ihren Mauern tun zu können, was ihnen als versucherische Sünden einfällt?

Es wird doch nicht mit den Sonderparagraphen des Klerus zusammenhängen, die man unter dem Begriff des „Selbstbestimmungsrechts der Kirchen“ kennt?

„“Geteilte“ Gerichtsbarkeiten – in Deutschland existierend im Bereich Kirche, aber auch in den Bereichen Sport und Berufsverbände (Vereinsgerichtsbarkeit) – unterliegen nicht der staatlichen Aufsicht, was immer wieder Anlass zur Kritik gibt,[122] insbesondere im Hinblick auf den lange von den Verwaltungsgerichten vertretenen Ausschluss des Rechtswegs zu staatlichen Gerichten in Kirchensachen. „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!“ „Ist es nicht überhaupt schon ein Versagen, dass ihr miteinander Prozesse führt? Warum leidet ihr nicht lieber Unrecht? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen.““ (Wikipedia)

Was Glaubensfragen betrifft, verlangt die Kirche eine eigene Gerichtsbarkeit, die dem Staat nicht untersteht. Das aber betrifft keine ätherischen Jenseitsfragen, sondern die gesamte Praxis der Kirchen, die alles, was sie tun, im Namen ihres Glaubens verrichten. Glaubensfragen also sollen sich dem Zugriff des säkularen Staates entziehen – durch Berufung auf Sonderrechte der Kirche im Namen des Glaubens.

Aber auch die Schändung der Jugend sind Glaubensfragen und unterstehen den zitierten Richtlinien: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.“ Wer seine Sünden vor Gott bereut, dem sind sie vergeben. Also: worum geht’s?

Wie kann sich der irdische Staat erkühnen, den Ablasshandel der Kirchen zu kriminalisieren? Ja, es geht erneut um Ablass. In Luthers Zeiten war Ablass der Deal mit den Kirchen, sich mit Geld seine ewige Seligkeit zu kaufen.

Bei frommen Kapitalisten ist das noch heute der Fall. Wer Erfolg hat im Leben, auf dem ruht der Segen des Herrn. Die Absolution vor dem Altar wird ersetzt durch den üppigen Kontostand des Sünders. Arbeiten und erfolgreich sein entspricht der tätigen Reue und Buße der Sünder, denen Gott ihre Sünden vergeben hat. Gott wirkt nicht mehr im Geheimen, sondern will, dass seine profitable Kunst aller Welt kundig werde. Kapitalismus wird zum politischen Gottesdienst einer frommen Nation – der schon Hier und Jetzt die Herrschaft über die Welt zusteht.

„Oder wisst ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? Wenn nun die Welt von euch gerichtet werden soll, seid ihr dann nicht gut genug, über so geringe Sachen zu richten? Wisst ihr nicht, dass wir über Engel richten werden? Wie viel mehr über Dinge des täglichen Lebens.“

Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich? Denkste: mit Ausnahme der Erleuchteten und Erwählten. Mit Sonderrechten für Religiöse beginnt jede Regression der Demokratien ins Theokratische.

Heribert Prantl, einem führenden Kommentator in Rechtsfragen, Honorarprofessor für Jura, scheint dies alles unbekannt. Er attackiert die Kirche, ohne ihre Lehre zu durchleuchten und ihre demokratiefeindlichen Sonderrechte zu erwähnen.

Luthers Thesen beurteilten das päpstliche Ablassgeschäft mit biblischen Maßstäben der Urkirchen, die sich auf das unverfälschte Wort der Heiligen Schrift beriefen. Das Wort, sie sollen lassen stahn.

Prantl lässt die gesamte Theologie beiseite. Der Grund ist einfach: diese Glaubenssätze hält er selbst für richtig. Würde er sie für falsch halten, hätte er dennoch keinen Anlass, sie anzugreifen. Denn solches haben moderne Fromme nicht mehr nötig: sie interpretieren die Texte nach Belieben im Geiste der Moderne – hier der Demokratie – und schon ist das Problem gelöst.

Alle westlichen Demokratien beruhen auf christlichen Fundamenten. Die amerikanischen Frommen sind die rabiatesten und haben sich dran gemacht, den Staat, der sich viel zu sehr den verhassten Normen der Humanität und Menschenrechte unterworfen habe, zu destruieren und dem intoleranten Geist des biblischen Urtextes zu unterwerfen.

Die anderen Nationen haben sich – äußerlich – mit dem Geist der irdischen Vernunft abgefunden. Sollten die amerikanischen Frommen sich aber international durchsetzen, werden sie zum Vorbild der lauen Nationen werden.

Prantls Beschränkung der Anklage auf Päderastie übersieht großzügig die Kreuzzüge, die Ketzerverfolgung, die Inquisition, den ewigen Judenhass, die Hexenverbrennungen, den Kampf gegen die Aufklärer – und die leidenschaftliche Unterstützung totalitärer Messianismen wie das Reich der NS-Schergen.

Warum? Bei diesen Schandtaten wurde bereits öffentliche Buße geübt, womit alle Schuld getilgt wäre. Christen haben keine Probleme mit Sünden begehen. Luthers Gebot: Sündige tapfer – wenn du nur glaubst, heißt auf gut augustinisch-katholisch: Liebe – und tu, was du willst. Da sie alles lieben, was sie der Welt antun, um sie unter Biegen und Brechen zum Glauben zu zwingen, wird Gottes Botschaft allen ein lieblicher Geruch – auch wenn die Frommen aus lauter Liebe die Welt in eine Hölle verwandeln.

Auch Luthers grässlicher Antisemitismus wird von seinen Parteigängern mit großzügiger Handbewegung vom Tisch gewischt. Wissen wir doch alle selbst. Daran arbeiten wir schon lange. In wenigen Jahren werden die ersten neuen Erkenntnisse in Buchform vorliegen, in denen haarscharf bewiesen wird, dass alle an diesen Verbrechen schuldig waren, die Lutheraner aber am wenigsten.

Mit denselben pfiffigen Deutungskünsten beweisen sie, dass Demokratie und Menschenrechte auf dem blutigen Boden Golgathas und nicht in der vitalen Polis Athen entstanden sind.

Das Erbe Griechenlands – Demokratie, autonome Vernunft und kosmopolitische Ethik – ist in Deutschland fast völlig getilgt worden. In der heutigen Krise wird es final gemeuchelt.

„Unser „European Way of Life“ würde ohne christliche Werte seine Seele verlieren. Als CDU und CSU dürfen wir die tiefgreifende Krise der katholischen Kirche nicht achselzuckend verfolgen, sondern müssen kirchliche Reformen anmahnen und klarmachen: Das Christliche, die christlichen Werte sind notwendiger denn je. Ich stehe zum „C“. Jetzt erst recht! Gläubige Christen und ihre Kirchen waren immer Anwalt, gesellschaftliche Gräben zu überwinden und Konflikte zwischen Ländern friedlich zu lösen. Gerade in einer Zeit, in der wir immer mehr Spaltungstendenzen in Europa sehen – zum Beispiel zwischen Ost und West, Stadt und Land, Alt und Jung, Globalisierungsgewinnern und -verlierern –, brauchen wir wertebasierte Institutionen, die zusammenführen.“ (WELT.de)

Welche Werte hätten‘s denn gern, Herr Weber? Die christlichen Parteien schnorren an allen Werten, die in die Zeit zu passen scheinen – und nennen sie christlich. Wie kann auf diesem vergifteten Boden noch Gesundes wachsen?

Wie sie die landwirtschaftlichen Böden mit Chemie vergiften, vergiften sie die demokratischen Fundamente mit himmlischen Giften. Wollen sie damit die irdische Polis retten? Im Gegenteil:

„Denn wir haben hier keine bleibende Polis, sondern die zukünftige suchen wir“.

Von der schlimmsten Sünde der Kirchen in jüngster Vergangenheit haben wir noch gar nicht gesprochen. In messianischem Fieber der Wiederkehr ihres Herrn haben sie jenes Reich unterstützt, dessen Führer sich als Sohn des Himmels vorgestellt hatte.

Heute haben sie die Wahrheit schon wieder wie durch Wunder ins Gegenteil verkehrt und deklarieren sich als vorbildliche Widerständler.

In den Anfängen der NS-Bewegung waren die katholischen Bischöfe noch skeptisch gegen den österreichischen Katholiken.

„Fünf Tage später widerrief der deutsche Episkopat seine früheren Verordnungen, in denen er den Beitritt zur NSDAP verboten hatte und forderte die Gläubigen zu Treue und Gehorsam gegenüber dem neuen Regime auf. Als Tausende von Deutschen, die sich den Nationalsozialisten widersetzten, in Hitlers Konzentrationslagern zu Tode gequält wurden, als man die politische Intelligenz niedermetzelte, als Hunderttausende von Russen sterben mussten, weil sie als slawische Untermenschen behandelt wurden und als man sechs Millionen Menschen hinmordete, weil sie „Nichtarier“ waren, unterstützten Amtsträger der katholischen Kirche in Deutschland das Regime, das diese Verbrechen beging. Der Papst in Rom, das geistliche Oberhaupt und die höchste moralische Autorität der römischen römisch-katholischen Kirche, schwieg. Angesichts dieses Ausmaßes an moralischer Verderbtheit, die die Menschheit in den letzten Jahrhunderten erfahren musste, war die moralische Stimme der Kirche, die Nächstenliebe predigt, einzig in Form von unbestimmten Verallgemeinerungen zu hören.“ (Guenter Lewy, Die katholische Kirche und das Dritte Reich)

Moralische Verfehlungen? Heute gibt’s nichts Wichtigeres in deutschen Gazetten, als Moral in jeder Form zu verspotten und zu verhöhnen.

Bis heute hat sich nicht herumgesprochen, dass es just das christliche Ethos war, mit dem Hitler seine judenfeindlichen Vernichtungsorgien begründete.

„Bischof Hudal, Rektor der deutschen Kirche in Rom, bezeichnete die Nürnberger Gesetze als eine unumgängliche Notwehrmaßnahme gegen die eindringenden ausländischen Elemente. Die Kirche habe in der Judenfrage eine radikale Stellung eingenommen. Vom Standpunkt der Kirche aus gebe es keine Einschränkungen gegen Verordnungen zur Diskriminierung der Juden.“ (ebenda)

Der katholische Dogmatiker Michael Schmaus erinnerte seine Leser daran, dass katholisches und liberales Denken nie miteinander vereinbar war. Die neue nationalsozialistische Autorität im Staat sei das Gegenstück zur kirchlichen Autorität im übernatürlichen Bereich. Das in Blut und Boden wurzelnde Schicksal des Volkes habe die Kirche schon immer als Offenbarung der göttlichen Vorsehung angesehen.

„Der weltberühmte Theologe Karl Adam stellte fest, dass Nationalsozialismus und Katholizismus zusammengehörten wie Natur und Gnade. In Adolf Hitler hätte Deutschland einen wahren Volkskanzler gefunden. Da prominente Theologen wie Adam, Lortz und Schmaus sich der Linie des neuen Regimes und der Bewegung anschlossen, sagten sich viele Katholiken, dass der Nationalsozialismus trotz einiger Fehler gar nicht so schlecht sein könne.“ (ebenda)

Jesus selbst giftete gegen die Juden, die ihn nicht als Heiland und Herrn anerkennen wollten:

„Ihr Schlangen, ihr Otterngezücht! Wie wollt ihr der höllischen Verdammnis entrinnen? Darum: Siehe, ich sende zu euch Propheten und Weise und Schriftgelehrte; von ihnen werdet ihr einige töten und kreuzigen, und einige werdet ihr geißeln in euren Synagogen und werdet sie verfolgen von einer Stadt zur andern, auf dass über euch komme all das gerechte Blut, das vergossen ist auf Erden, vom Blut Abels, des Gerechten, bis zum Blut Secharjas, des Sohnes Berechjas, den ihr getötet habt zwischen Tempel und Altar. Wahrlich, ich sage euch: Das alles wird über dieses Geschlecht kommen.“

Und die beste aller lutherischen Pastorentöchter: hat sie jemals den geringsten Versuch unternommen, in diese Verwirrkünste der Kirchen Wahrheit und Ordnung zu bringen? Im Gegenteil. Dem deutschen Trümmerhaufen, den sie in Wohlfahrtsverfettung vorfand und in fortgeschrittenem Verfall zurückließ, hat sie sich inzwischen mit grauer und verbitterter Miene ins Private entzogen und will mit ihren Dämonen von gestern nichts mehr zu tun haben.

Kein Wörtchen der Kritik an den Kirchen in Vergangenheit und Gegenwart war je von ihr zu hören. Ja, den Papst Franziskus besuchte sie häufiger als jeder andere Regierungschef.

„Warum suchte Merkel die Nähe des argentinischen Jesuiten? Was schätzt Franziskus an Merkel? Sie sei beeindruckt vom „Verkündigungseifer“ des Papstes, der durch „einfache und berührende Worte“ die Menschen erreichen könne, sagte Merkel nach ihrem ersten Gespräch mit Franziskus.“ (FAZ.net)

Ihre eigene Partei hatte nie große Sympathien für sie. Angeblich, weil Merkel die Grundsätze der CDU allzu sehr sozialdemokratisiert habe. Schließlich akzeptierte man sie, weil ihre Macht und ihr demütiges Charisma das Volk für sich und die Partei gewannen. Jetzt, wo sie die Macht verlor, wurde sie unverzüglich ins Abseits geschoben.

Die CDU will sich grunderneuern. Mit mehrdeutigen, in sich widersprüchlichen Offenbarungen wird ihr das nie gelingen.

Fast ist sie zu bedauern, die arme Angela. Ihre einstigen Untertanen scheinen vergessen zu haben, dass sie sich nicht selbst gewählt hat, sondern gewählt wurde. Das Volk benötigte ihren opiaten Regierungsstil zur nationalen Selbstberuhigung.

Nicht sie allein ist schuld am Debakel der letzten Jahrzehnte, es ist das bewusstseinslose deutsche Volk, das sie für ihre Bedürfnisse instrumentalisierte. Die verhängnisvolle Symbiose allerdings wurde von ihr mit allen Fasern ihres Geliebtseinwollens verteidigt.

Die deutsche Presse, objektiv und unparteilich wie immer, schaut unbewegt zu, wie das Land ruiniert wird. Gleichwohl war sie mit der Ex-Kanzlerin derart verbunden, dass sie erst am Ende ihrer Amtszeit spärliche Worte der Kritik fand.

Heute wollen sie daran nicht mehr erinnert werden. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Was hat noch vor kurzem der neue katholische Reformator Prantl mit Bewunderung über sie geschrieben?

„Das ist Angela Merkel. Das unterscheidet sie von ihren Vorgängern: die selbstverständliche Selbstverständlichkeit der Pflicht. Sie regiert und regiert und regiert nach ihrem gewohnten Takt. Sie macht keine Mätzchen, dreht keine Pirouetten, bleibt bei der Sache – ziemlich interessiert auch an innenpolitischen Details.“ (Sueddeutsche.de)

Alle gerühmten Tugenden, die man Merkel zuschrieb, sind die einer untergeordneten Beamtin, die ihr Tagewerk zuverlässig verrichtet. Sorgfältig liest sie die Unterlagen, macht sich mit Einzelheiten vertraut. Sollten das nicht Trivialitäten sein, die jeder Politiker beherrschen sollte?

Die Fähigkeiten einer weit vorausschauenden, das Los der Menschheit humanisierenden, intellektuell überlegenen Politikerin mit der Fähigkeit, stets das rechte Wort für die jeweilige Situation zu finden und das „Überkomplexe“ ihren Landsleuten zu erklären: all dies gehörte nicht zu den Gnadengaben, die die Magd Gottes von ihrem Herrn erhalten hatte.

Angela, sei nicht traurig. Beginn ein neues Leben. Nimm Abschied von deinen religiösen Blendwerken und mach dich auf die Suche nach der menschheitsverbindenden Vernunft. Etwas Besseres wirst du nirgendwo finden.

Fortsetzung folgt.