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… zum Logos XVII

Tagesmail vom 10.01.2022

… zum Logos XVII,

gesunder Menschenverstand ist bei Deutschen verpönt, sie bevorzugen den kranken. Der ist zerstörungsfähiger und fortschritts-hungriger, also kurzweiliger und unterhaltsamer.

Gelegentlich sprechen sie von Freiheit, die machen kann, was sie will – selbst wenn sie krank und selbstmordgefährdet ist. Freiheit ist wichtiger als Gesundheit, sprach der Chefdenker einer kranken Freiheitspartei mit der Wahlkampfparole: freie Fahrt den Maßlosen.

Der gesunde Menschenverstand ist nicht blöd, sonst wäre er ja krank Er kennt seine Krankheiten, weshalb er sich für lernfähig hält.

Lernen ist Wahrnehmen seiner Fehler, um sie zu überprüfen und zu rationaleren Folgerungen zu gelangen. Das wäre ein Beitrag zur Gesundung – oder zur persönlichen Vernunftbildung. Wer‘s griechisch will: ein Schritt auf dem Weg zum Logos.

In einer kranken Welt kann es nicht ausbleiben, dass die einen für gesund halten, was den anderen krank erscheint. Religionen, die das Heil versprechen, halten die ganze Welt für krank.

„Dein Glaube hat dich gesund gemacht.“

Wer nicht glaubt, ist todeskrank, für ihn gibt es kein Heil. Der Heil-and ist der Arzt der Welt, aber nur für diejenigen, die sich zuvor für todeskrank erklärt haben. Am kränksten sind jene, die sich für pumperlgesund halten: sie sind nicht mehr zu retten:

„Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht.“

Nur wer sich für todeskrank erklärt hat, erhält vom Heil-and der Welt eine Chance zur ewigen Gesundheit.

Heidnische Gesundheit des Diesseits ist für Sehnsüchtige nach dem Jenseits die Krankheit zum Tode oder die Sünde, die nicht mehr vergeben werden kann. Der Erlöser heilt die Welt, indem er sie zu 99% zerstört, er rettet das eine Schaf, um 99 andere dem Verhängnis zu überlassen.

In der westlichen Welt wird ein erbitterter Kampf ausgefochten zwischen Diesseitsgesunden und Jenseitssuchern, die alles Irdische für todeskrank erklären.

Aufklärung kämpft für die Gesundheit der Welt – die ihre Krankheiten selbst bestimmen und durch Vernunft heilen will –, während die Gegner der Aufklärung alles auf den Kopf stellen: jene, die sich für die Gesündesten halten, sind für sie die hoffnungslosesten Fälle.

„Es ist eine große Gabe, einen „geraden“ oder „schlichten“ Menschenverstand zu besitzen, aber man muss ihn durch Taten beweisen.“ Das war die Stimme der kantischen Vernunft.

Kaum eine Generation später klang das wesentlich anders:

„Dem gesunden Menschenverstand ist an und für sich die Welt der Philosophie eine verkehrte Welt. Gesunder Menschenverstand und Wissenschaft des Endlichen reichen nicht zur Betrachtung der Erhebung des Geistes zu Gott. Der gemeine Menschenverstand muss die Spekulation hassen.“

Das war die Stimme eines schwäbischen Philosophen, der Gottes- und Menschenwahrheit versöhnen wollte. Spekulation war für Hegel das Erheben des menschlichen Verstandes zum göttlichen, den er verwirrenderweise Vernunft nannte. Welt und Überwelt wollte Hegel harmonisieren. Dass die Gesundheit der Welt die Krankheit der Überwelt sein soll: nein, das war dem jungen Denker, der Theologe und Philosoph zugleich sein wollte, nicht zu vermitteln.

Was für Gott gesund war, konnte für seine Schöpfung nicht krank sein – und vice versa. Den unüberbrückbaren Widerspruch zwischen Diesseits und Jenseits verwarf der kühne Denker – aber zu welchem Preis? Dass er endlos viele Widersprüche zur dialektischen Einheit erklärte, die nicht im Geringsten miteinander harmonieren.

Wer hat sich durchgesetzt? Kant und die Stimme der irdischen Vernunft, die jede vernunftlose Religion verwarf – oder Hegel, für den irdische und überirdische Wahrheit kein Gegensatz sein durften?

Hegels titanische Versöhnung zwischen Welt und Religion wurde zum Kurs der Deutschen, die es nicht ertrugen, dass ihre allerheiligste Religion auch ihr Heimatland am Ende der Zeiten in Trümmer legen würde. Und dass autonomes Denken die Stimme des Himmels abweisen muss – wenn sie glaubt, dem Logos Vorschriften machen zu können.

Das haben die Deutschen bis zum heutigen Tag nicht verstanden. Der schwäbische Politiker Kretschmann hält Kant gar für einen Hegelianer. Aufklärung und Gegenaufklärung, die zehn Gebote und Kants kategorischer Imperativ, Luthers Vernunftfeindschaft und humanistische Autonomie: für den Grünen alles ein und dasselbe:

„Ohne Gebote und Verbote gibt es keine Zivilisation. Am Beginn unserer Zivilisation stehen die Zehn Gebote, das sollten wir mal nicht vergessen. Luther hat zu Recht gesagt, die gehören eher aufs Rathaus als in die Kirche. Ohne das Verbot, zu stehlen, gibt es keine Marktwirtschaft, das ist so banal wie sonst was. Keine Gesellschaft kann ohne Regeln funktionieren, eine demokratische sowieso nicht. Ich empfehle die „Kritik der praktischen Vernunft“ von Kant und speziell einen Absatz, der mit den Worten beginnt: „Pflicht! du erhabener großer Name.“ Den sollten wir wieder lesen und an uns ranlassen, vielleicht sollten wir den ganzen Hyperliberalismus mal überdenken.“ (TAZ.de)

Deutschland will keine geistigen Kämpfe mehr kämpfen. Nach der Großen Niederlage will es im Kreis der Völker nur noch angekommen und in allen Dingen die vorbildlichste Nation sein. Weshalb das Land der regenerierten Sünder sich eine Kanzlerin gesucht hat, die die Versöhnung aller Widersprüche und das Immerweiterso dieser falschen Versöhnung will. Gedankliche Klärungen der Streitigkeiten zwischen den Weltanschauungen sind für die Physikerin „Ideologie“.

Sie betreibt Politik der Realität, wie sie ist und nicht, wie sie sein sollte. Damit hat sie die führenden Presseorgane auf ihre Seite gebracht, die auch nichts anderes wollen als berichten, was ist.

Woher kommt Augsteins positivistischer Spruch: schreiben, was ist – auf den die Redaktion im Jahre ihres 75-jährigen Jubiläums stolz ist wie ein Pfau?

„Ferdinand Lassalle, einer der SPD-Gründerväter, bemerkte anno dazumal: »Alle große politische Aktion besteht in dem Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit.« Irgendwann ist der Satz dann eben bei Augstein gelandet.“ (SPIEGEL.de)

Lesen müsste man können. Ausgerechnet einen Weltveränderer zum Paten seines fahrlässigen Laisser faire zu nehmen, zeigt die Geistesverwirrung der Medien. Alle politische Aktion beginnt mit dem Konstatieren dessen, was ist. Dann erst kommt das Entscheidende: dieses Ist muss in ein Sollen verwandelt werden. Das Erfassen der Gegenwart ist Voraussetzung jeder Veränderung ins Humane.

Eine Nation, die sich mit ihren Verbrechen schwer an der Menschheit vergangen hat, will nur noch das  Gute, welches ist, weil es von den Siegern zur Realität erklärt wurde. Keine Debatten mehr über gravierende Fehler dessen, was wirklich wurde und das Überleben der Menschheit bedroht.

Mit der Welt ging es abwärts, doch Deutschland glaubte, eine Arche Noah, eine Insel der Seligen zu sein. Sie priesen sich als Auserwählte, wenn sie das Glück hatten, in den schönsten Jahren des Schlemmens und Rasens dabei gewesen zu sein.

Die Reduktion alles Denkens und Tuns auf die Erhaltung dessen, was ist, ist eine Ermüdungserscheinung, eine Kapitulation vor unlösbar scheinenden Weltkonflikten.

War es nicht einfacher, die Welt mit Autos zu fluten und die Wirtschaft ins Endlose zu treiben als skrupulös die Fragen zu stellen: ist Kapitalismus besser als Sozialismus, sind Regale der Supermärkte zu füllen besser als einem Gott zu widerstehen, der die Welt verflucht?  

Das Volk der Denker denkt nicht mehr an Erlösung, es hat die Schnauze voll von seiner messianischen Vergangenheit, in der es durch Flucht ins Denken und Dichten bedeutungslos wurde. Äußerlich verherrlichen sie noch ihre Klassiker, innerlich haben sie jene in der Abstellkammer deponiert. Die Genies haben nur noch die Funktion, die böse Geschichte der Nation zu exkulpieren. Das Verbrechen soll auf wenige Jahre und eine Handvoll Teilnehmer reduziert werden. Nicht der Werdegang eines ganzen Volkes soll am Pranger stehen, sondern eine Minderheit der Eliten.

Moral ist die Stimme selbstbestimmter Weltgestaltung durch jahrhundertelanges Lernen. Nur wer an eine lernfähige Moral glaubt, kann sie nutzen, um mit anderen Völkern solidarisch zu werden.

Noch immer wollen die Deutschen fromm sein (welt-fromm), doch es entgeht ihnen, dass ihr Apostel sie heute aufs schärfste attackieren würde:

„… auf dass sich bei euch keiner für den einen gegen den andern aufblase. Denn wer gibt dir einen Vorzug? Was hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich dann, als hättest du es nicht empfangen? Ihr seid schon satt geworden? Ihr seid schon reich geworden? Ohne uns seid ihr zur Herrschaft gelangt? Ja, dass ihr doch herrschen würdet, damit auch wir mit euch herrschen könnten!“

„Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße! Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir. Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron.“

Wer entlarvt die Demutsspiele der Deutschen am schärfsten? Ihre heilige Schrift: in Wirklichkeit wollen sie nur herrschen und die Weltgeschichte als Sieger beenden. Jetzt aber sind sie satt und träge geworden. Nichts mehr verändern, das ist ihr Sinn, nur noch ihre Triumphe ins Endlose verlängern.

Die Welt besser machen kann man nur mit einer Moral der Humanisierung. Wie ist die Welt, wie sollte, wie könnte sie sein? Das Ist muss zum Soll werden, alles andere ist Frevel an der Menschheit.

Kollektives Lernen ereignet sich nur in Demokratien. Man hat sich selbst zu kritisieren und öffentlich alle anderen. In frommen Zirkeln gibt es nur Wispern unter wenigen. Echte Kritik steht für sie nur dem göttlichen Seelenprüfer zu. Menschen sind unfähig, ins Innere ihrer Mitmenschen zu blicken:

„Mir aber ist’s ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht. Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr ist’s aber, der mich richtet. Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und das Trachten der Herzen offenbar machen wird.“

Gott schaut nicht auf die Taten des Menschen – da wären die Seinen womöglich im Hintertreffen, verglichen mit den Heiden –, sondern auf das Trachten des Herzens. Das kann nur bitterböse sein, denn „das Sinnen und Trachten des Menschenherzens ist böse von Jugend auf“!

Der Mensch soll nicht nach seinem Tun beurteilt werden, sondern nach seinen versteckten Bosheiten des Herzens. Keine Chance für erbsündige Herzen, den Menschen zu guten Taten zu motivieren. Böse Menschen können nur Böses vollbringen. Gelegentlich können sie tun, als ob sie Gutes täten. Das aber wäre nur zum Schein, um die Mitmenschen eigensüchtig um die Finger zu wickeln.

„Was aber aus dem Munde herauskommt, das kommt aus dem Herzen hervor, und das verunreinigt den Menschen. Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsches Zeugnis, Lästerung. Das ist es, was den Menschen verunreinigt.“

Hier stehen wir am tiefsten Punkt, warum christliche Politiker zur utopischen Zielsetzung unfähig sind. Alles, was sie tun, steht unter dem Verdacht der Verderbtheit.

„… es ist doch unser Tun umsonst auch in dem besten Leben.
Vor dir niemand sich rühmen kann; des muss dich fürchten jedermann
und deiner Gnade leben.“

Weil alles Tun umsonst ist, kann es auch keine „Werkgerechtigkeit“ geben. Werke sind Taten sündiger Menschen, also selber sündig.

Dies ist das komplette Gegenprogramm des Jenseits gegen die selbstbewusste Vernunftmoral der Heiden. Der kranke Menschenverstand der Gottlosen kann durch gute Taten nicht gesunden, der unverdienten Gnade des Himmels muss er sich ausliefern.

Gottes Seelenschau ist nicht zu vergleichen mit der therapeutischen Analyse, die beides betrachtet und miteinander in Verbindung bringt: das Tun als auch die seelische (oft unbewusste) Herkunft des Tuns. Die vermutete Gesinnung aber darf das öffentliche Tun nicht durch Herleiten aus dem Es einfach diskriminieren. Demokratische Taten müssen nach demokratischen Regeln bewertet werden. Das geschieht nur bei jenen Therapeuten, die vor lauter Ödipus die politische Realität als eigenständiges Reich des Ichs nicht übersehen.

Gleichwohl muss man sagen, dass nicht wenige Seelenbeschauer der göttlichen Sicht ins Böse des Herzens nicht widerstehen können.

Auch die Medien wittern hinter allen guten Taten der Politiker einen bösen Hintergrund: was wollen diese Ehrgeizlinge mit ihren guten Taten vertuschen? Und siehe, es bleibt nichts Gutes übrig, wenn die Beobachter hinter die Kulissen schauen.

Nur in einem Fall stellten die Tagesschreiber ihr Beurteilungssystem auf den Kopf: im Fall einer protestantischen Pastorentochter, deren misslungene Taten stets mit guten Absichten und Gesinnungen rechtfertigt wurden. Den Reinen ist alles rein.

Auch Freuds Entwicklung ging von jugendlicher Aufklärung zur Verurteilung des Menschen durch einen vom Ersten Weltkrieg desillusionierten Misanthropen.

Dem Menschen hinter seine Rollenspiele schauen, heißt heute: den Menschenhasser entlarven, bei dem alles, was er tut, nur der Beschädigung seiner Mitmenschen dienen soll.

Nur in einem Fall führt jede Entlarvung in die Irre: bei den Moneymakern. Alles Eigensüchtige, was sie tun, ist nur scheinbar egoistisch. In Wirklichkeit dient jedes Ausbeuten der Abhängigen dem Erhalten von Arbeitsplätzen und Anheben des allgemeinen Wohlstands.

So auch bei dem noch humansten aller Kapitalismustheoretiker Adam Smith. Egoismus ist für ihn nur der Trick eines Naturgesetzes, das am Ende dem Wohl aller Menschen dienen muss. Bei Smith schimmert noch der letzte Glauben des Stoikers an die Vernunft des Kosmos hindurch: etwas absolut Böses kann es in der Natur nicht geben. Das Böse, dieser Satz steht auch für den Schotten fest, ist stets das Böse, das man will und das Gute, das man dennoch bewirkt.

Das ist der Gegenschlag zur Entlarvung des Menschen als unbewusste Bestie. Es ist die Entdeckung des unbewussten Guten, das sich durch Böses wahrlich zum Humanen erst inspirieren lässt. Diese Spur beginnt bei der „fruchtbaren Sünde“ des Mittelalters, führt über Mandevilles private Laster gleich öffentlichen Tugenden, Goethes Mephisto , Kants ungeselliger Geselligkeit bis zu Hegels List der Vernunft.

Nietzsches Wille zur Macht bricht mit der Tradition des Bösen im Dienst des Guten. Bei ihm steht das Böse im Dienst des Bösen – das der Pastorensohn zum Guten erklärt.

Dies endet bei den NS-Schergen, die ihre bösen Taten als Beglückung und Erlösung des Menschen verklären.

Auch der herrschende Fortschrittsglaube ist eine Variante des Schemas: Gutes ohne böse Nebenfolgen ist ausgeschlossen. Wissenschaftler sind zuständig für die Segnungen des Fortschritts, der normale Mensch muss sich um die bösen Nebenfolgen kümmern. Genies können mit schnöder Politik nicht belästigt werden.

Das merkt man in der Coronakrise. Wie sehen die Aufklärungsmethoden der Experten und nüchtern-sachlichen Politiker aus? Sie warnen, warnen und warnen. Und wenn sie nicht gestorben sind, warnen sie noch morgen. Was aus dem Warnen folgt, wissen sie selber nicht, weshalb sie sich von Tag zu Tag widersprüchlich äußern.

Oder sie machen sich Sorgen, ob der Untertan zur rationalen Tat fähig ist. Wenn nicht, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als den Störrischen zu seinem Glück zu zwingen. Impfpflicht ist kein Impfzwang, sondern eine autonome Entscheidung des mündigen Menschen. Doch heute wird die Pflicht zum Zwang gemacht. Aus einer selbstbestimmten moralischen Tat wird eine staatliche Zwangsmaßnahme. Wer nicht hören will, muss fühlen. Mag sein, dass dieser Zwang nötig werden könnte. Zuvor aber müssten alle Register eines wirksamen Aufklärens und rationalen Streitens gezogen worden sein.

Alle Mittel einer Streitkultur mit dem Ziel der Verständigung fehlen dem lutherischen Land mit dem bösen Menschenbild, das nur durch Zwang zum Guten genötigt werden kann.

Doch schon steht ein Streit-Experte bereit, um – seine Inkompetenz unter Beweis zu stellen. Da alle Erkenntnisse der antiken Philosophie seit dem Triumph der Naturwissenschaften zu Geisteswissenschaften ruiniert wurden, ist es nicht verwunderlich, dass aus dem sokratischen Dialog eine sogenannte Kommunikationskunst wurde:

„Aber beim Streit geht es nicht nur um Zuhören – sondern meist will man seine Meinung durchsetzen oder irgendetwas aushandeln. Da bringen einen Ich-Botschaften nicht weit. Es geht eher um Verhandlung und Diplomatie.“ (ZEIT.de)

Der Experte verwechselt politische Kompromisse mit philosophischem Streit, der mit Diplomatie und Verhandlung nichts zu tun hat. Beim Suchen nach der Wahrheit entscheidet niemand par ordre du mufti, wer Recht hat. Jeder entscheidet für sich, ob er etwas dazu gelernt oder nicht.

Stimmen aber beide überein, dass sie sich der Vernunft angenähert haben, hat der Dialog seine menschenverbindende Kraft bewiesen.

In unserer verfallenden Demokratie gibt es weder erkenntnisfördernden Streit noch verstehenden Dialog. Wozu auch, wenn Denken nur Geschwätz, Gedanken nur Abklatsch des Seins sind. Wo bleibt da die autonome Kompetenz des Bewusstseins?

Autonomes Denken des Bewusstseins hat in Deutschland noch keinen Zutritt. Sorgen wir dafür, dass die Schranken geöffnet werden. Grenzen-sprengende freie Fahrt der kosmopolitischen Vernunft!

Fortsetzung folgt.