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… zum Logos XVI

Tagesmail vom 07.01.2022

… zum Logos XVI,

„Die Erde aber ist gütig, mild, nachsichtig, den Bedürfnissen der Sterblichen stets dienstbar … Was spendet sie freiwillig, welche Genüsse für Geruch und Gaumen, Geschmack, Gefühl und Farbempfindung! Mit welcher Treue erstattet sie Anvertrautes mit Zins zurück!“ (Plinius)

Kein Historiker fragt, wie frühere Jahrhunderte unsere moderne Zivilisation beurteilen würden? Und hätten diese ein negatives Urteil, wäre es ihnen gleichgültig. Wir Spitzen der Evolution lassen uns doch nicht von Steinzeitmenschen benoten.

„Alex Faulkner sieht in der Landung der Amerikaner auf dem Mond den „Beweis, dass der Mensch in einer Zeit des Zynismus und der Hoffnungslosigkeit noch immer alles tun kann, was er will, solange er den festen Willen und das entsprechende Geld hat.
Und was erwarten wir vom Großen Gott Wissenschaft als Gegengabe, wenn wir anhaltend zu ihm beten und ihm genügend Opfer bringen? Jede Menge mit Fischmehl aufgepäppelte Brathähnchen, die zudem unter erbärmlichsten Bedingungen aufwachsen müssen. Ist das nicht der Himmel auf Erden? Was wollen wir mehr? Dank endlosen ökonomischen Wachstums werden wir alle reicher und können uns alle flambierten Delikatessen und Vergnügungsflüge nach Korsika und Peru leisten. Von allen Gottheiten, die die Menschheit seit ihrer Zeit auf Erden verehrt hat, ist die Wissenschaft die einzige, die uns das wahrhaft Gute bringt. Unsere Flugzeuge bringen uns, was das Herz begehrt. Vertraue auf den Mann mit weißem Kittel und alles wird dir gegeben werden.
Jeden sensiblen Beobachter am Rand des Spielfeldes muss die atemberaubende Geschwindigkeit, mit der unser Leben auf seine Zerstörung zurast, anwidern und entsetzen. Bei seiner wahnsinnigen Jagd nach mehr und mehr Wachstum tilgt der Homo destructor eine Gattung der übrigen Lebensformen nach der anderen aus. Der typische Mann im weißen Kittel wird nie etwas sagen, was der Profitmacherei der Industriellen in die Quere kommt. Betrachten Sie nur, wie Physiker, die sich gegen die Entwicklung der Atomkraft äußern, sofort verleumdet werden. Unsere Art wütet auf dem Planeten wie eine Pest – wie eine riesige Bestie. Unsere Taten sind die Taten von Verrückten – von Menschen, die der Glaube verrückt gemacht hat, dass sie sowohl allwissend als auch allmächtig seien, dass sie in der Tat Gott seien.“
(John Seymour, Und dachten, sie wären die Herren, 1982)

Hat sich seit einem halben Jahrhundert irgendetwas verändert?

Seit der ersten Öko-Aufklärungswelle hat sich alles verschlimmert. Nur eine winzige Minderheit der Wissenschaftler wehrt sich gegen das Verhängnis. Mehr als 99% verschwenden keinen einzigen Gedanken an die „unerwünschten Nebenfolgen“ ihrer Sensationen, zu denen nicht nur Hiroshima und Nagasaki gehören, sondern die nur mit äußerstem Glück vermiedene Selbstauslöschung der Menschheit durch einen Atomkrieg. Pea nuts.

Einstein wird nur als Genie gefeiert – nie als schärfster Kritiker seiner Lieblingsdisziplin. Denn er soll gesagt haben: hätte er die Folgen seiner Entdeckung vorausgesehen, hätte er einen ganz anderen Beruf ergriffen.

Bei uns wird eine fromme Physikerin, die in die Politik wechselt, als nüchterne und sachliche Perfektionistin verklärt.

Die Ökonomie, die alles niedertrampelt, was ihrer Profitgier im Wege steht, wird als unfehlbare und strenge Naturwissenschaft gefeiert. Wir haben nur noch zehn Jahre, um das Schlimmste zu verhindern. Warum schert sich kein Profitgeier darum, diesen winzigen Aufschub der Todesstrafe zu nutzen, um sie zu verhindern? Antwort:

„Zehn Jahre genügen, um ein Vermögen zu machen – und was wünscht sich ein gieriger Mensch mehr als ein Vermögen? Der typische Mann im weißen Kittel wird nie etwas sagen, was der Profitmacherei der Industriellen in die Quere kommt.“ (ebenda)

In zehn Jahren sind die letzten Urwälder gerodet, die letzten ROH-Stoffe (die von der Industrie verfeinert werden) geplündert, die letzten unberührten und fruchtbaren Böden zerstört.

„Welche Rolle spielt es schon, wenn wieder ein Waldstück in Brand gesetzt, ein ganzes Ökosystem, das über Billionen Jahre hinweg entstanden ist, in Staub und Asche verwandelt wird?“

Und wo bleibt der globale Streik aller Wissenschaftler?

„Unglücklicherweise trägt der Mann im weißen Kittel Scheuklappen. Er spezialisiert sich so sehr, um schwindelnde Höhen in seiner ganz speziellen Disziplin zu erklimmen, dass er in allen anderen Bereichen ein völliger Idiot ist.“ (ebenda)

In glücklicheren Zeiten sprach man von Fachidioten. Ein Fachidiot ist ein Wissenschaftler, der 0,0001 % des für den Menschen relevanten Seins berechnen kann, vom schäbigen Rest aber fast nichts – dennoch hält er sich in allen Dingen für kompetent.

Das sah man im Kampf gegen Corona, wo die Regierung nur Fachidioten zum Vortrag lud, Eltern, Pädagogen und Leute mit gesundem Menschenverstand aber außen vorblieben – mit welchen schrecklichen Nebenfolgen?

„Zum Ende des zweiten Lockdown (Mitte März bis Ende Mai 2021) haben bis zu 500 Kinder und Jugendliche in Deutschland versucht, sich das Leben zu nehmen. Sie mussten anschließend auf der Intensivstation behandelt werden. Das sind dreimal mehr als im Vergleichszeitraum Mitte März bis Ende Mai der Jahre 2017 bis 2019.Damals war Deutschland kein gutes Land für Kinder. Auf Druck aus dem Kanzleramt, auch von Alt-Kanzlerin Angela Merkel (67, CDU) persönlich, machten die Landesregierungen die Schulen größtenteils dicht. Entgegen der Warnung von Kinderärzten und Psychologen, die die Regierung geradezu anflehten, an das geistige Wohl der Kinder zu denken.“ (BILD.de)

Eine merkwürdig klingende Frage, die von keinen Weißkitteln, geschweige von schreibenden Weißkittelanbetern, gestellt wird: warum rückte ausgerechnet jene Disziplin an die Stelle der Gottesgelehrsamkeit, die im Namen der Vernunft die strenge Naturwissenschaft erfand und die Offenbarung in Trümmer zerlegte?

Weil es ihr gelang, die nachreformatorische Zeit mit ihren religiösen Spaltungen und Unsicherheiten durch mathematische Strenge und Sicherheit zu ersetzen. Unglaublich, aber wahr: ausgerechnet die Naturwissenschaften wurden zu Nachfolgern eines Glaubens, den sie in Trümmer gelegt hatten.

„Neue Formen der Ordnung und der Macht versprachen Abhilfe gegen die Gott- und Gesetzlosigkeit, die man überall in der Kultur wahrzunehmen glaubte. Die Wahrnehmung von Ordnungslosigkeit, die für die Bacon‘sche Lehre von der Naturbeherrschung so entscheidend war, war auch von zentraler Bedeutung für den Siegeszug des mechanistischen Denkens, in dem man ein rationales Gegengift gegen den Zerfall des organischen Kosmos erblickte. Die Maschine wurde zur Metapher einer neuen Ordnung mittels Beherrschung der Natur durch die überwältigenden, strengen Gesetze der mathematischen Natur. Zum Zweck einer neuen Ordnung besannen sich die mechanistischen Philosophen (Descartes, Gassendi, Mersenne) auf die Philosophien der antiken Atomisten, brachten sie aber in einen christlichen Zusammenhang und versuchten, Gewissheitskriterien der Erkenntnis festzulegen.“ (Merchant)

Glaubenskriege, Bauernaufstände, das Sektiererwesen, die Unruhe durch die Entdeckung neuer Welten und Heidenvölker in Übersee: all diese Faktoren hatten das päpstliche Mittelalter unterhöhlt. Die ideale Voraussetzung für die Galileis, Newtons, Keplers, um mit ihren mathematisch zuverlässigen und jederzeit überprüfbaren Entdeckungen die zerstörten Glaubenssicherheiten für Erwählte durch wissenschaftliche Erkenntnisse für alle zu ersetzen.

Die Naturwissenschaften begannen ihren Siegeslauf, ersetzten die Scheingewissheiten des Glaubens durch Vernunftwahrheiten in Form zuverlässiger Naturerkenntnisse.

Die Glaubenssysteme zogen sich ins Abseits zurück, um sich nach einer Regenerationspause wieder schleichend an den siegreichen Zeitgeist ranzupirschen und den Sieger durch scheinbare Unterordnung zu überwältigen. Das war Bacons sadomasochistisches Siegesrezept gewesen, die Natur durch Gehorsam zu beherrschen.

Gewisse Wahrheiten überließ man den Erkenntnissen der Physik, Astronomie, Biologie, um sich auf das Wesentliche ihrer geläuterten Bibeldeutungen zu beschränken. Wie auch immer Gott die Welt erschaffen haben mochte, eins blieb unerschüttert: Gott war es, der die Welt erschaffen hatte.

Gottes Verlässlichkeit zeigte sich in den Gesetzen der Naturwissenschaften, Gottes Unberechenbarkeit im späteren Zufallsprinzip der Heisenberg‘schen Quantenphysik.

Die Konkurrenz der Schrift zu den Einzelwissenschaften wurde aufgegeben, Bultmann entmythologisierte alle Dogmen zu einem abstrakten Kerygma (Verkündigung). Ob es tatsächlich einen Jesus gab, ob die biblischen Schriften historisch zuverlässig waren? Lass fahren dahin, es bringt keinen Glaubensgewinn.

Wo steht die Theologie heute? Der Glauben hat sich fast aller Dogmen entledigt, er ist zu einem ätherischen Bauchgefühl geschrumpft, ausreichend genug, um sich einmal im Jahr am Heiligen Weihnachtsfest runderneuern zu lassen.

Im Vordergrund regiert die kühle Realität der Welteroberung durch Wettbewerb, Fortschritt und Flucht ins Universum, im Hintergrund die hauchzarte, aber unerschütterliche Schutzmauer des Glaubens.

Das ist der riesige Unterschied zwischen Amerikas fundamentalistischem Urglauben, der deutsche Entmythologisierungen als Unglauben verdammt – und der deutschen Theologie, die von Weltuntergängen nichts wissen will.

Das wird noch zur gigantischen Entfremdung zwischen beiden, immer weniger befreundeten Nationen führen. Deutschland will die demokratiefeindlich-apokalyptische Haltung des Bible Belt, in hartnäckigem Widerstand gegen den Geist der UN-Charta, nicht wahrhaben.

Auch die deutschen Medien wollten die religiöse Hasspolitik der amerikanischen Fundamentalisten nicht wahrhaben. Erst jetzt erscheinen erste Berichte über das Aufbegehren der Biblizisten gegen die Welt, bislang am schrillsten verkörpert durch einen gewissen Präsidenten namens Trump. Die Formel „america first“ heißt auf eschatologisch: der Herr kehrt zuerst bei uns ein, alle anderen müssen Schlange stehen.

Über die explosive Gewalt der Frommen gegen alles Demokratische in den USA:

„Dann sind das bösartige Kräfte, vom Teufel besessen, die aus dem Parlament getrieben werden müssen; mit der Peitsche, wie Jesus es mit den Händlern im Tempel tat, oder gar getötet. Da sind apokalyptische Gewaltfantasien am Werk, Auslegungen, nach denen es Feuer braucht, aus dem dann eine neue Welt entstehen kann. Einstweilen genügt es auch, die alte Welt in Flammen aufgehen zu lassen. Der 6. Januar wirkte auf ikonischer Ebene auch so, als wollten hier Menschen die Welt einfach gern brennen sehen … Wer Gewaltfantasien gegen den politischen Gegner äußert, ist inzwischen zum Mainstream der Partei geworden. Je mehr ihnen bewusst wird, dass sie weniger werden, desto radikaler werden sie versuchen, diese Demokratien zu zerstören.“ (SPIEGEL.de)

Wo steht die deutsche Theologie heute? Sie muss nicht im Vordergrund agieren, um dennoch von allen Kirchgängern als unzerstörbare Sicherheit im Hintergrund wahrgenommen zu werden. Am Anfang war das Wort, am Ende steht die Wortlosigkeit. Die politische Theologie der Ex-Kanzlerin ist verstummt. Sie handelte nach dem Motto, wer nichts sagt, sagt auch nichts Falsches.

Dies war die diskursunfähige Leitlinie einer Ex-Kanzlerin, die nichts zu den herrschenden Weltanschauungen sagen konnte. Weder konnte sie etwas erklären, noch rechtfertigen oder widerlegen. Ein permanentes Gespräch mit dem Volk fand nicht statt.

Alles, was nicht wissenschaftlich war, war von Übel – mit Ausnahme der Theologie, die in ätherischer Verdünnung nicht mehr verteidigt werden musste. Ein demütiges Auftreten genügte, um jede Kritik an ihrem geistlosen civitas-terrena-Management im Keim zu ersticken.

In jeder politischen Bestandsaufnahme von heute erscheint der Name der Ex-Kanzlerin als verantwortliche Bankrotteurin. Das darf aber nur hauchzart angedeutet werden – aus Gründen der Pietät. Zudem zur eigenen Rechtfertigung der Beobachterkohorten, die auch nichts anderes taten, als das Immerweiterso der Gesellschaftsmaschine zu unterstützen.

Die Bilanz am Ende ihrer Amtszeit war tadellos: Eins plus für die Vorzeigepolitikerin, die nur gelegentlich überfordert schien. Dass sie gerade in ihren Erfolgen das Verhängnisvolle unterstützte, das im Untergang enden würde, blieb unbemerkt.

Die blinde Unterstützung eines verhängnisvollen Wirtschaftswachstums war es, die Deutschland (und die ganze Welt) in den Ruin bugsieren sollte. Die Physikerin, die angeblich alles vom Ende her bedenkt, bedachte keineswegs die Vermeidung des wirklichen Endes. Im Gegenteil. Die Fahrt in den Abgrund verschärfte sich unter ihrem Regiment.

Nun ist sie Geschichte, ergo darf ihrer nicht mehr gedacht werden. Alle Bücher zuschlagen, den stieren Blick nach vorne richten. Es gibt keine Vergangenheit, die uns über die Gegenwart aufklären könnte.

Descartes kam auf die phänomenale Idee, den Herrn die Heilsgeschichte täglich neu erfinden zu lassen:

„Kraft seines absoluten Willens schafft Gott die Natur und ihre Gesetze und erhält beide dadurch in ihrem Sein, dass er in jedem Augenblick die Welt neu erschafft.“ (In: Merchant)

Das war der Höhepunkt der Streitigkeiten zwischen den Alten und den Modernen, die die zeitlosen Wahrheiten der Alten für einen Graus hielten. Was sich ständig neu erfindet, kennt keine Vergangenheit, die man durcharbeiten und bewältigen müsste.

Das Kanzleramt war nicht nur hauptschuldig an der Kindertragödie, sondern auch an der desaströsen Klimapolitik.

„Deutschland hat nach Angaben der Denkfabrik Agora Energiewende das CO2-Ziel für 2021 krachend verfehlt. Für das Desaster ist Angela Merkel (CDU) letztverantwortlich, die es als Kanzlerin in den zurückliegenden zwei Legislaturperioden zugelassen hat, dass beim Klimaschutz heftig gebremst wurde.“ (Frankfurter-Rundschau.de)

Perfekt war ihre Symbiose aus „sachlich-nüchterner“ Politik im Geist strenger Wissenschaft und dem beruhigenden Hintergrund-Halleluja ihres stummen Glaubens. Physik und Theologie in dialektischer Vereinigung: hier war sie Mensch, hier durfte sie es sein. Merkel übernahm alles, wie sie es vorfand und hinterlässt alles unverändert. Zielgerichtete Politik sieht anders aus.

Alle Erwartungen der Medien an die neue Regierung sind indirekte Vorwürfe gegen die Versäumnisse der alten. Lernen kann man nur aus der Analyse gemachter Fehler. Bleibt die Analyse aber aus, was bleibt dann? Das bekannte Geschiebe und Gedränge eines unbewussten Sehnens nach dem Ende. Unter dem Gehabe wirtschaftlicher Sieger verbirgt sich die Ermüdung einer ausgelaugten Nation.

Sehnsucht nach dem Ende: das wäre der geheime Konvergenzpunkt einer deutsch-amerikanischen Annäherung – ins Verhängnisvolle. Das wäre der kollektive Suizid des Westens.

Junge Menschen sind verzweifelt, ihnen rennt die Zeit davon und alle Verantwortlichen drehen Däumchen und plappern Unsinn:

„In der Klimapolitik sagen wir, dass Schritte in die richtige Richtung im falschen Tempo Schritte in die falsche Richtung sind. Deswegen reicht es nicht aus, Pläne zum Einsparen von Kohlendioxid (CO2) zu machen. Die Emissionen müssen real sinken. Nicht in ein paar Jahren, sondern heute. In Deinem Fall ist es wohl zu spät, lieber Gletscher. Deine Risse werden sich nicht wieder schließen. Du wirst schmelzen und die Gletscher neben dir auch, auf der ganzen Welt wird sich der Verlauf der Küsten ändern. Wenn ich stillsitze und versuche, mir das auszumalen, dann zieht sich alles in mir zusammen. Dein Kollaps macht auch klar, wie viel wir noch retten können. Wie viele Lebensgrundlagen zu bewahren und Menschen noch zu schützen sind, wenn wir jetzt politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich alles, wirklich alles in Bewegung setzen.“ (Frankfurter-Rundschau.de)

Journalisten können sich nicht in die Ungeduld der jungen Menschen hineindenken. Sie wollen gleichmäßig distanziert sein gegen alle konträren Seiten: hie gegen die Lobbyisten naturfeindlicher Profitgier, da gegen den spiegelbildlichen Lobbyismus der Naturschützer:

„NGOs sind nicht die Feinde der Klimajournalisten – aber eben auch nicht deren Freunde. Diese Selbstverständlichkeit scheint im journalistische Alltag nicht immer gelebt zu werden. Sichtbar wird das schon am Synonym »Umweltschützer«, das in Artikeln oft für Mitarbeiter von Umwelt-NGOs verwendet wird. Das ist nicht grundstürzend falsch, aber zunächst einmal sind das angestellte Vertreter einer Interessengruppe. Warum nennen wir Lobbyisten nicht immer Lobbyisten, egal wofür sie sich einsetzen? Der Klimagipfel von Glasgow war noch nicht einmal halb vorbei, da verkündete Greta Thunberg bereits sein Scheitern. Das Treffen von mehr als 190 Staaten aus der ganzen Welt bezeichnete sie als »Greenwashing-Festival des globalen Nordens« und nichts als »Blah, Blah, Blah«. Eine Aussage, die nicht nur ignorant ist gegenüber Vertreterinnen und Vertretern des globalen Südens und besonders verwundbarer Inselstaaten, die auf Klimakonferenzen sprichwörtlich ihr Überleben verhandeln, sondern auch falsch und plump populistisch. Breite Kritik über diese Entgleisung blieb – von Ausnahmen abgesehen – aus. Egal wie richtig deren Anliegen sind. Ihr, da wo es nötig ist, mit gleichermaßen harter Kritik zu begegnen unterstreicht vielmehr, dass man sie ernst nimmt – und sorgt durch Ausgewogenheit für die wohl wichtigste Ressource für erfolgreichen Klimajournalismus: Vertrauen beim Publikum.“ (SPIEGEL.de)

„Lobbyisten“ für die Natur sollen auch nichts anderes sein als Lobbyisten für den Profit? Ausgewogenheit zwischen Naturrettung und -verwüstung?“

Was ist mediale Ausgewogenheit? Wenn du wählen musst zwischen Tod und Leben, wähle ein bisschen Leben in Eintracht mit einem bisschen Tod. Als Halbtote und Scheinlebendige wollen die Deutschen in die Unsterblichkeit eingehen. Arrividerci Roma.

Freunde, nicht diese Töne! Hinweg mit dieser deutschen Untergangsverliebtheit.

Lasst uns ein ganz anderes Lied anstimmen:

„Frauen und Männer, lasst uns bedachtsam diesen Planeten in einen Garten verwandeln. Die Welt als Garten – das ist, glaube ich, der Wunsch, den die Lebenskraft an uns hat. Leben ist zäh und nicht unterzukriegen. Es spielt die entscheidende Rolle einer möglichen Zukunft. Auch für dich, Schwester Zaunkönig, Bruder Wal, Schwester Gras, Bruder Wurm, Mutter Fels.“ (Seymour)

Fortsetzung folgt.