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… zum Logos XCVI

Tagesmail vom 01.08.2022

… zum Logos XCVI,

die Welt strebt einer neuen Ordnung zu – indem sie die alte Welt in Trümmer legt.

Die alte Welt ist die Vorherrschaft des christlichen Westens, der den Niedergang als religiöses Ziel der Heilsgeschichte – in geheimer wie in aggressiver Sehnsucht – erwartet.

Deutschland verleugnet seine religiösen Träume, aber nicht seine Religion.

In Amerika sind die Frommen wieder ans Ruder gekommen. In Deutschland regiert seit vielen Jahrzehnten eine pan-christliche Allparteienkoalition, die die Kirche für Hintergrundmoral sorgen lässt (Böckenförde-Doktrin), damit der Vordergrund so herrlich bürgerlich-schweinisch bleiben kann.

Sebastian Haffners Psychogramm der Deutschen beruht auf dieser scheinheiligen Trennung:

„Von der Anständigkeit des Deutschen bleibe nichts übrig, wenn die Deutschen als politische Masse auf den Plan träten: skrupellos, arglistig, unzuverlässig. Haffner weiter: Der Durchschnittsdeutsche merke gar nicht, dass er in der Politik gegen die Moral verstoße, ihm erscheine Politik einfach generell als unmoralisch. Machen doch alle anderen auch so. Der Autor schlussfolgert: Andere Nation hätten das meiste Vertrauen zu denjenigen ihrer Politiker, »in denen sie sich selbst wiedererkennen«. Die Deutschen hingegen wünschten sich Machthaber, die ganz anders sind: »bedeutend, dämonisch, genial, hervorragend«. Die Deutschen wollten »keine ehrlichen Bevollmächtigten und Sachwalter haben, sondern Idole. Wenn ihr Idol sie im Stich lässt – wenn es ihren Krieg verliert – wird ihm alle Schuld zugeschoben und er wird vom Postament geschoben.«“ (SPIEGEL.de)

Allerdings stimmt diese Analyse nur für die Vorkriegszeit, in der das Böse die Spitze der moralischen Pyramide erklommen hatte. Ja, auch das Böse ist Moral, weil alles Moral ist, was den Willen und das Tun der Menschen betrifft.

Nach dem Krieg mussten die Verlierer – zur Strafe und zur Wiedereingliederung in den Westen – in jene Zeit regredieren, in der Machiavelli noch nicht die Oberhand gewonnen hatte. Das war die Epoche der kantischen Aufklärung, die seitdem an der Spitze der abendländischen Werte steht – aber nur zum Schein. Der reale politische Alltag wird von der romantischen Auflösung des kategorischen Imperativs verseucht.

Deshalb ist die deutsche Psyche etwas komplizierter als Haffner darstellte.

In der Nazizeit waren die Deutschen anständig und gesittet – im Privatbereich, aber höllisch böse in der Vernichtungspolitik der Hitlerianer. Das sorgte für ein extrem gespaltenes Ich-Bewusstsein: die Politelite in ihrem eschatologischen Vernichtungsfuror musste vorbildlich böse, in ihren Familien jedoch untadelig sittenfest sein.

In der Nachkriegsdemokratie musste das Böse von der Spitze der Moral wieder verschwinden, an seine Stelle trat das universale Gute – das aber so universal nicht sein durfte, wie es dem Worte nach hätte sein müssen.

Denn gerade die USA, die strahlenden Sieger des Weltkrieges, fühlten sich nicht nur als vorbildlichste Demokratie, sondern auch als christlichste Nation der Welt, die das Privileg hatte, ihre moralischen Werte in ungläubige Länder mit Feuer und Schwert zu importieren. Am liebsten in jene Länder des Mittleren Ostens, die zufälligerweise zugleich die wichtigsten Rohstoffe für den Heißhunger des Kapitalismus zu bieten hatten.

Das bedeutet für das Psychogramm des Vorkriegsdeutschen: seine gespaltene Wertung in privat-moralisch und politisch-böse musste er nicht verheimlichen, zur Heuchelei war er nicht gezwungen. Die NS-Propagandisten schmetterten ihre gespaltene Botschaft hemmungslos in alle Welt.

Im Gegensatz zur Nachkriegspsyche, die offiziell an das zielführende Gute glauben musste, aber den amerikanischen Verstoß gegen universelle Moral weder bewusst wahrnehmen noch kritisieren durfte. Das führte zur Doppelmoral oder zur alles dominierenden Heuchelei der gesamten Nachkriegszeit.

Was bedeutet: der Standard-Demokrat benötigt zu seinem Seelenheil Regierende, die stellvertretend für ihn gut und böse sein können.

Gut heißt: besser als die Durchschnittsmoral, die durch Heucheldominanz schon lange nicht mehr so gut sein konnte, wie sie eigentlich sein sollte.

Böse heißt: das universelle Gutsein verliert seine allgemeine Geltung, weil die Guten sich das Recht nehmen, nach Belieben böse zu sein – um die böse Welt zu missionieren und die Herrschaft des Guten auch mit bösen Mitteln zu verbreiten.

Beispiel aus der Herrschaftsepoche der Heiligen ANGELA.

Als sie unvermutet in einer – vom Parlament nicht abgesegneten – Machtdemonstration viele Flüchtlinge ins Land ließ, war die Tat so unerwartet „gut“, dass die weniger Guten empört aufschrien und die immer besser sein Wollenden vor Begeisterung jauchzten: das ist meine Merkel, das ist meine Kanzlerin.

Doch diese gute Tat blieb eine singuläre Almosenhandlung. Schnell verließ Merkel die Position der Überguten und kehrte wortlos zurück zur standardisierten Politheuchelei: Flüchtlinge ließ sie im Mittelmeer ertrinken, Afrika wurde weiterhin von den starken Wirtschaftsländern ausgebeutet und blieb Hitze, Armut und Tod ausgeliefert – natürlich unter der ewig gleichen Begleitmusik der Christen: selig sind, die alle Menschen lieben – sich aber am meisten.

Das ist die DIN-A-4 Moral ganz Europas: die Bevölkerung kritisiert ein wenig die Sauereien der Frontex-Grenzverteidiger, ist aber innerlich erleichtert, wenn jene stellvertretend für alle sich die Finger schmutzig machen. Hauptsache, das eingespielte Gleichgewicht zwischen Moral und Amoral bleibt im Normalbereich.

Nur wenn jemand zu sehr in den Bereich des Bösen pendelt– wie etwa Orban – oder zu sehr in den Bereich des Überguten – wie Gutmenschen, Öko-Phantasten und FFF-Träumer – rasselt‘s im Karton.

Merkel hat die Balance zwischen singulärer Bergpredigt und gewöhnlichem Machiavellismus meisterhaft beherrscht, weshalb die Deutschen sie innig verehrten. Im Guten wie im Bösen war sie vorbildlich für jene Taten, über deren angebliche Notwendigkeit ein Durchschnittsgehirn nicht nachdenken wollte.

Eine vorbildliche Regierung nimmt ihrer Bevölkerung das Denken ab, tut aber, als nähme sie ihre Untertanen ernst. Was dazu führte, dass Deutschland ein prinzipienloses Land wurde, das seine moralische Taubheit hinter einem Kokon aus Luxus und Wohlstandsmüll verbarg.

Die einzigen Grundsatzdebatten gab es in den 68er-Empörungsjahren. Danach ging‘s bergab.

Wenn Merkel, Scholz & Co nichts zu sagen haben, halten sie sich nur an den unausgesprochenen Code ihrer Untertanen. Das ist das reziproke Entlastungsverhältnis zwischen Regierenden und Regierten: jede Seite erfüllt stumm die wortlosen Projektionen der anderen Seite. Erst, wenn sich diese gegenseitige Bedürfnisbefriedigung in Nichts auflösen wird, entsteht die Gefahr eines Volksaufstandes.

Wo liegt der Ursprung der Heuchelei? A) In der Moderne bei Friedrich dem Großen, der als junger Mann den Italiener ablehnte, als erfahrener Militarist aber wieder zu schätzen begann. B) In der abendländischen Geschichte beim Sieg des Urchristentums über Römer und Germanen.

Die Spuren kann man noch heute in den Äußerungen mächtiger Kleriker verfolgen:

„»Hitler und Stalin hatten kein Gewissen, aber Putin bekreuzigt sich in der Christus-Erlöser-Kirche«, sagte der ehemalige Präfekt der römischen Glaubenskongregation der Deutschen Presse-Agentur in Rom. »Damit versündigt er sich am Christentum.« Putin pflegt ein enges Verhältnis zur russisch-orthodoxen Kirche, die seine Politik im Gegenzug unterstützt. Müller sagte, möglicherweise sei Putins zur Schau getragener Glaube nur eine Fassade, die er aus machtpolitischen Gründen aufrechterhalte. »In jedem Fall wird er sich vor Gott für seine Taten verantworten müssen.« Der stramm konservative Geistliche erklärte überdies, die deutschen Katholiken würden sich mit ihrem Reformprozess einer Illusion hingeben. Die im Rahmen des Synodalen Wegs angestrebten Neuerungen hätten keinerlei Chance auf Umsetzung, sagte er. »Der Grund dafür ist nicht, dass wir hier in Rom diktatorisch auf unseren Überzeugungen beharren oder Macht ausüben wollen. Der Grund ist, dass die Kirche von Jesus Christus eingesetzt und entworfen worden ist. Wir haben keine Vollmacht, diese Ordnung zu verändern.«“ (SPIEGEL.de)

Jeder Mensch hat ein Gewissen, das ihm das Gute und Böse einflößt. Das Gewissen der Einen ist autonom: jeder Mensch muss sich vor sich selbst verantworten, das der Anderen ist heteronom: der nichtswürdige Mensch muss sich vor einem fiktiven Gott verantworten.

Hitler und Stalin hatten ein christogenes Gewissen. Als Gehilfen Gottes wollten sie jene messianischen Verhältnisse herstellen, die die auserwählten Völker verdient haben. Beide wollten als Jugendliche Priester werden. In gewisser Hinsicht wurden sie es: weltliche Priester, die mit Feuer und Schwert das himmlische Jerusalem auf Erden etablieren wollten.

Typisch, dass ein katholischer Spät-Inquisitor jene am heftigsten verurteilt, die dem christlichen Glauben am nächsten stehen: sie werden zu unmenschlichen Teufeln erklärt. Hitler und Stalin waren keine Teufel, sie waren Menschen. Das Böse, das sie verkörperten, entsprang fehlbaren Gehirnen. Das Böse ist nicht untermenschlich, sondern das Produkt einer fehlbaren menschlichen Psyche. Was wirft Müller Putin vor?

Dass er sich am Christentum versündige, dass er sich vor Gott verantworten müsse. Er versündigt sich aber nicht an Menschen, muss sich nicht vor Menschen verantworten. Sondern vor allmächtigen Gewalten und Stellvertretern Gottes, die sich nie irren können. Putin darf natürlich nur zum Schein ein Christ sein, weil er einen Krieg begonnen hat. Als ob es in der Geschichte nie fromme Herrscher gab, die zum Schwert gegriffen hätten.

Hitler und Stalin folgten nicht der Stimme eines numinosen Bösen, sondern sie definierten das Gute und Böse in strenger theologischer Antinomie: für Gott gibt es kein menschlich-universelles Moralgesetz. Er folgt seinen willkürlich-unberechenbaren Impulsen, die nie böse sein können, weil Gott nie böse sein kann. Um seinen Willen durchzusetzen, sind alle Mittel erlaubt – mögen sie dem Spießer noch so gut oder böse vorkommen.

Auch Müllers Worte klingen unfehlbar. Der Grund:

„Der Grund dafür ist nicht, dass wir hier in Rom diktatorisch auf unseren Überzeugungen beharren oder Macht ausüben wollen. Der Grund ist, dass die Kirche von Jesus Christus eingesetzt und entworfen worden ist. Wir haben keine Vollmacht, diese Ordnung zu verändern.“

Weil sie an einen unfehlbaren Gott glauben, sind sie selber unfehlbar. Ihre erfundenen Märchen legitimieren ihre phantastische Unfehlbarkeit. Diese Fiktionen sind die Ursprünge und Vorbilder der fiktiven neuen Welt der Avatare Zuckerbergs. Die hiesige Welt ist unerträglich; flüchten wir in eine Traumwelt, die uns nicht mehr aus ihrem Bann lässt.

Dass die russisch-orthodoxe Kirche Putins Krieg bedingungslos unterstützt, um den Segen des Himmels zu erflehen, scheint den Katholiken Müller nicht zu berühren. Wieder einmal spricht das Christentum mit höchst unterschiedlichen und konträren Zungen. Für Fromme kein Problem, denn bei Gott und Hegel sind alle Widersprüche dialektisch aufgehoben.

Christen sehnen sich nach einen anderen Welt, vor der wirklichen flüchten sie. Zuckerbergianer benutzen Intelligenzmaschinen, die ihnen eine perfekte andere Welt vorgaukeln. Die wirkliche Welt wird verraten und verkauft. Die einen flüchten auf den Mars, die anderen in eine maschinelle Lug- und Trugsphäre.

Sollten sie eines Tages ihre illusionäre Brille von der Nase nehmen, werden sie sich wundern: die reale Welt ist verschwunden – und sie mit ihr. Als Erdflüchtlinge gingen sie, als Phantomgebilde kehrten sie zurück und landeten im Nichts.

Unsere Welt zerlegt sich. Und Putin ist das Instrument der Erneuerung durch Selbstzerstörung. Dabei geht es am wenigsten um die Ukraine:

„Sollte Russland die Chance auf Entwicklung als „stolzer und souveräner Staat“ gewahrt sehen wollen, sei die aktuelle Schlacht für eine zukünftige „gerechte und stabile Weltordnung“ zwingend fortzuführen. Ohne eine nennenswerte Bereitschaft der gesamten russischen Gesellschaft zum Verzicht könne der Kampf aber nicht gewonnen werden. Insgesamt sei die Ukraine zwar ein wichtiger, jedoch nur ein kleiner Teil des umfassenden Prozesses des Zusammenbruchs der durch die Vereinigten Staaten weltweit aufgezwungenen „Weltordnung des globalen liberalen Imperialismus“. Der Lauf der Geschichte könne nicht umgekehrt werden. Die Welt bewege sich auf ein viel gerechteres und freieres System der Multipolarität sowie der Vielfalt von Zivilisationen und Kulturen zu. Eines der Zentren der kommenden Weltordnung werde in Eurasien entstehen, mit Russland in seiner natürlichen Rolle als „Zivilisation der Zivilisationen“ und des nördlichen Garanten der globalen Balance.“ (Berliner-Zeitung.de)

Mit dem Westen ginge es ungebremst in den Abgrund, sagt Putin. Das würde jeder Mensch auf Erden bemerken – nur die Westler nicht, die fast nichts tun, um den Irrsinnslauf der Menschheit zu beenden.

Und weil Russland diesen Lauf des Westens in den Irrsinn bemerkt habe, bliebe ihm, Putin, nichts anderes übrig, als ruckartig die Bremse zu ziehen. Der Krieg soll der Welt ein Alarmzeichen sein, um die Weichenstellungen der globalen Politik radikal zu ändern.

Putin will eine Gesamtkatastrophe der Menschheit verhindern, indem er Alarm schlägt. Eben dies wollten auch Hitler und Stalin, eben dies will auch der christliche Westen, der mit seiner angeblichen Vorbildlichkeit die Welt retten will.

Just dieselbe Situation gab es in den 30er Jahren in Deutschland, als Heidegger vor der Gefahr einer außerdeutschen Weltkatastrophe warnte und Hitler die Rolle des Messias zuschrieb:

„So erklärte Martin Heidegger 1935, als die dunklen Wolken des Nationalsozialismus über Europa aufzogen, Deutschland müsse nun der Gefahr der „Weltverdüsterung“ jenseits der deutschen Grenzen trotzen und das Menschsein vor dem verteidigen, „was angreifend jeden Rang und jedes welthaft Geistige zerstört.“ Dank seiner neuen spirituellen Energien, die durch die Herrschaft der Nazis wiedererweckt würden, könne Deutschland nun endlich „der geschichtlichen Sendung unseres Volkes der abendländischen Mitte“ nachkommen und die Welt vor dem „Nihilismus“ der „Mittelmäßigkeit“ allerorten, vornehmlich in den USA und Russland, retten.“ (bei Chomsky, Der gescheiterte Staat)

Putin ist gezwungen, die Rolle Hitlers zu übernehmen, um durch partielle kathartische Gewalt die ganze Welt vor dem Untergang zu retten. Unter geringfügig anderen Vorzeichen gilt dasselbe für Stalins Mission, die das Himmelreich der Proletarier errichten wollte.

Worin besteht die Heuchelei des Westens? Darin, dass sie Sanftmütigkeit predigt – und zugleich die brutalste Gewalt, um das Reich Gottes auf Erden zu errichten. Der Papst maßt sich an, die ganze Welt unter christlichen Nationen zu verteilen.

„Am 3. Mai 1493 spricht Papst Alexander VI. den Spaniern, deren Beauftragter Kolumbus knapp drei Wochen vorher von seiner ersten Entdeckungsfahrt zurückgekehrt war, das Herrschaftsrecht über die neuentdeckten Gebiete im Westen zu. Kurz danach erteilt er auch Portugal Rechte und teilt die Neue Welt unter beiden Staaten auf. Es ist das erste überlieferte Papier, das vom grünen Tisch aus den Weißen fremde Länder, Menschen und Welten zuteilt. Jahrhundertelang gehörte den Weißen fast die ganze Welt, den Farbigen so gut wie nichts. Noch bis in unser Jahrhundert hinein wird über Staaten und Völker verfügt, als seien es Sachen.“ (Gert von Paczensky, Weiße Herrschaft)

Kaum waren die Vereinigten Staaten gegründet, forderten sie im Namen ihrer Religion absolute Sonderrechte über alle heidnischen Völker – niedergeschrieben im berühmten Grundsatzpapier „Manifest Destiny“:

„Manifest Destiny … war ein allgemeiner Begriff, der Elemente des amerikanischen Exzeptionalismus, Nationalismus und Expansionismus in einem übergreifenden Sendungsbewusstsein vereinigte. Zwei Jahrhunderte zuvor hatte der Gouverneur John Winthrop behauptet, seine Kolonie sei die Stadt auf dem Berg und werde dem Rest der Welt die Lebensweise einer freien, gottgemäßen Gesellschaft demonstrieren. In Fortführung dieser Idee argumentierten viele, es sei ein göttlicher Auftrag, die USA über den gesamten nordamerikanischen Kontinent auszudehnen. Den Hintergrund bildete die religiöse Auffassung, die Weißen seien für diesen Auftrag prädestiniert.“

Einerseits die Botschaft der Liebe, andererseits die Botschaft der absoluten Überlegenheit der Christen über alle Nichtchristen dieser Welt. Da auch Aufklärer bei der Gründung der USA mitreden konnten, wurde die universelle Moral der Humanität – bei der alle Menschen gleich sind – als Maßstab für die ganze Menschheit festgelegt. Gleichzeitig aber wurde die Antinomie der göttlichen Moralwillkür hinzugefügt – und diese beiden grundlegenden und sich ausschließenden Maßstäbe der Menschheit sind seitdem wie Feuer und Wasser zueinander.

Gott hasst jede menschliche Autonomie und zerstört jeden Humanismus, der ihn ausschließt.

Der autonome Mensch hält jede göttliche Begründung einer rationalen Ethik für eine Zumutung und appelliert allein an die Vernunftfähigkeit des Menschen.

Der Kampf der Weltgeschichte ist ein Kampf zwischen menschlicher Autonomie und göttlicher Fremdbestimmung. Die angebliche Gleichberechtigung zwischen beiden Moralen sorgt für die Atmosphäre der abendländischen Dauerheuchelei.

Der christliche Westen ist dabei, sich mit dieser Dauerheuchelei zugrunde zu richten. Der nichtchristliche Rest der Welt, zumeist Opferstaaten des westlichen Kolonialismus, erträgt nicht länger die destruktive Anmaßung des Westens.

Russland maßt sich an, im Namen dieser Staaten zu reden und mit Hilfe eines Kriegs die Welt aufzuwecken.

Der Westen verurteilt sich selbst zum Untergang. Russland aber will Messias der übrigen Welt werden. Doch auch im Reich eines russischen Welterlösers würden die Heilsformeln gelten:

In hoc signo vinces – in diesem Zeichen wirst du siegen und

Deus lo volt – Gott will es.

Erst nach dem Untergang dieser beiden christlichen Weltimperien käme – das befreite China. Dort würde das schlichte Gesetz der Humanität aller Völker die Menschheit am Leben erhalten:

„Was dir selbst unerwünscht ist, füge auch keinem anderen zu; handle so, dass keiner dir gram ist im Staate und auch keiner dir gram in deiner Familie.“

Hěn xìngyùn – Alles Gute.

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(Ab jetzt erscheint der Sokratische Marktplatz nur noch zweimal in der Woche: montags und freitags.)

Fortsetzung folgt.