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Tagesmail vom 22.04.2022

… zum Logos LIX,

Putin ist nicht nur einer der mächtigsten Männer der Welt, der sich in Lichtgeschwindigkeit der Allmacht nähert, er will seine (All-)Macht auch vor der ganzen Menschheit demonstrieren – indem er seine Befehlsempfänger in einer entwürdigenden Zeremonie zu Knechten deklassiert.

Mit cäsaropapistischem Sadismus beweist er die Einheit von West und Ost: denn beide Hemisphären glauben an einen Gott, der nicht seinesgleichen hat und keinen Rivalen fürchten muss.

Mit einem kleinen Unterschied. Der Westen versteckt seinen Gott hinter moralischen Fassaden oder sonstigen trickreichen Veranstaltungen, der Osten verwirft diese Maskeraden und zeigt den Herrn der Schöpfung in seiner unverhüllten, angsterregenden Allmacht.

Der Osten bevorzugt das Tremendum (das zu Fürchtende), der Westen das Faszinosum (das Faszinierende).

Theologisch könnte man sagen: der Osten tendiert zur höllischen Seite Satans, der Westen zur gnädig erlösenden Seite des Gottessohns.

Erst am Ende der Geschichte werden alle Rätsel gelöst. Der erlösende Gott wird die Bücher aufschlagen und unbarmherzig zur Sache kommen: die meisten Menschen werden unwiderruflich ins Feuer der Hölle wandern, nur wenige Ausnahmen werden zur ewigen Seligkeit berufen.

Wer sich allzu sicher fühlte, ein Erwählter des Himmels zu sein, wird schrecklich enttäuscht werden –wer sich hingegen gekrümmt hatte in Pein und Angst, wird möglicherweise für immer aufatmen.

Luther bezeichnete den zwiegesichtigen Schöpfer mit der Formel „der verborgene und der offenbare Gott“.

„Gott – das ist der verborgene, unnahbare Herrscher des Himmels und der Erde. Und es ist der offenbare, gnadenvolle in Jesus Christus. Wie geht beides nach Martin Luthers Verständnis zusammen? Wenn Gott ganz und gar verborgen wäre, wüssten wir nichts von ihm und hätten mit ihm nichts zu tun. Wenn Gott für uns völlig offenbar wäre, so befänden wir uns im Himmel und würden ihn von Angesicht zu Angesicht sehen. Es gäbe dann keine Gottesfrage mehr. Da beides nicht – ganz – zutrifft, so haben wir es eben sowohl mit dem verborgenen wie mit dem offenbaren Gott zu tun und wir müssen mit Luther darüber nachdenken, wie beides zusammengehört.“ (Sonntagsblatt.de)

Der westliche offenbare Gott ist Jesus, der den Satan zwar zu seinem Heilswerk benötigt, den Bösewicht aber dennoch nicht alles machen lässt, was diesem gerade einfällt. Erst nach dem Jüngsten Gericht, gibt’s kein Vertun mehr: die Sünder werden zum Unkraut, das in Bündeln verbrannt wird, die Reuigen zum Weizen, der in die Scheune wandert.

Der östliche Gott zeigt lieber den satanischen Aspekt des Allmächtigen, der sich darstellt im politischen Herrn der Welt, dem Zaren – dem sich alle Popen und sonstige Untertanen fügen müssen.

Bei Luther steht zwar die Rechtfertigung allein durch den Glauben im Mittelpunkt seiner Lehre – aber nur für die civitas dei, dem unsichtbaren Reich der Kirche. Für den Staat hingegen gilt gnadenlos Römer 13:

„Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet. Darum: Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Anordnung; die ihr aber widerstreben, werden ihr Urteil empfangen. Denn die Gewalt haben, muss man nicht fürchten wegen guter, sondern wegen böser Werke. Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes, dann wirst du Lob von ihr erhalten. Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht die Strafe an dem, der Böses tut. Darum ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen. Deshalb zahlt ihr ja auch Steuer. Denn sie sind Gottes Diener, auf diesen Dienst beständig bedacht. So gebt nun jedem, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer gebührt; Zoll, dem der Zoll gebührt; Furcht, dem die Furcht gebührt; Ehre, dem die Ehre gebührt.“

In der Kirche wird der gnädige Gott gepredigt, in der Obrigkeit hingegen regiert der Allmächtige, dem nicht in kleinsten Kleinigkeiten widersprochen werden darf. Diese lutherische civitas diaboli ist das Urbild des totalitären NS-Staates – während der zaristische Absolutismus zum Urbild des bolschewistischen Regimes wurde.

Der Zar ist Gott. Die neucalvinistische amerikanische Demokratie hingegen hat ihre religiöse Allmacht zu verstecken, bis Gott dem merkwürdigen Doppelspiel eines Tages ein doppeltes Ende bereiten wird: die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.

In humanen und ökonomisch-starken Zeiten muss sich der bible belt in den USA zurückhalten, was den Frommen so schwer nicht fällt. Denn solange der Rubel (pardon, der Dollar) rollt, ist Gott anwesend.

Zurzeit aber kommen sie mächtig nach oben, die Erwählten, denn Washington verliert seine Reputation in der Welt.

Im postzaristischen russischen Staat ist es nicht viel anders. Putin bekam – als seine ersten westlich gestimmten Annäherungsversuche scheiterten – plötzlich Urängste, sein stolzes Zarenreich könnte den Wettbewerb um die Oberhoheit in der Welt verlieren und zur Bedeutungslosigkeit verkommen. Zudem hatte Putin die apokalyptischen Warnungen seiner Popen verinnerlicht, sodass er immer mehr zum Entschluss kam: jetzt oder nie.

Bevor der Westen über ihn triumphieren könnte, würde er für vollendete Tatsachen sorgen und mit brutaler Gewalt zeigen, wer in der Welt das letzte Wort haben wird. Sollten die Letzten nicht die Ersten sein? Hatte der Westen nicht dafür gesorgt, dass Russland zu den Losern unter den Völkern gehörte? Also auf in den Endkampf.

Der deutsche Hitlerfaschismus wuchs auf dem Boden einer ungekonnten primären Demokratie, die ihr Entstehen als Strafe ihres früheren Versagens auffasste und den Willen des Volkes als Willen zum messianischen Führer verstand.

„In unserem Elend sehnen wir uns nach dem Führer. Er soll uns den Weg und die Tat zeigen, die unser Volk wieder ehrlich machen können. Der wahre Führer hat sicherlich keine selbstischen Beweggründe außer dem einen, königlichen, dass er Führer sein muss, weil er es von Natur aus ist. Der Führer richtet sich nicht nach der Masse, sondern nach seiner Sendung; er schmeichelt der Masse nicht; hart, gerade und rücksichtslos geht er ihr voran, in guten und in bösen Tagen. Der Führer ist radikal; er ist ganz, was er ist, und tut ganz, was er tun muss. Der Führer ist verantwortlich, d.h. er tut den Willen Gottes, den er in sich verkörpert: Gott schenke uns Führer und helfe uns zu wirklicher Gefolgschaft. Der Führer kann nicht gemacht, kann in diesem Sinn auch nicht ausgelesen werden; der Führer macht sich selbst, indem er die Geschichte seines Volkes begreift, indem er sich als Führer weiß und will. Das Erscheinen der ersehnten Führergestalt wird zu einem metaphysischen Ereignis. Das Schicksal ist es, das einem Volk die Gnade einer großen Führerpersönlichkeit schenkt. „Wenn deutsche Art und christlicher Glaube sich verbinden, dann sind wir gerettet.“
(Alle Zitate in Sontheimer, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik)

Bei den Deutschen verschmolz eine religiöse Volksdemokratie mit einem vom Himmel gesandten Führer. „Ihr seid in mir, wie ich in euch bin“, predigte der Führer auf einem Parteitag in johanneischer Prophetie.

Im Osten verschmolz zaristischer Absolutismus mit der orthodoxen Religion.

Amerikas Verfassung war hingegen von Anfang an eine contradictio in adjecto, ein Widerspruch im Beiwort. Der neue Staat sollte die Verfassung des neuen auserwählten Volkes sein, zugleich die Wiederkehr der heidnischen Polis in Athen.

Ein Widerspruch zweier unversöhnbarer Gegensätze – auch wenn sich noch so viele Theologen bis zum heutigen Tag bemühen, den Urboden der Demokratie im biblischen Land zu suchen.

So zeigte sich „Gottes eigenes Land“ zugleich als vorbildlichste Demokratie der Welt, deren Anziehungskraft die Welt veränderte. Ihren Höhepunkt erreichte diese Vorbildlichkeit im Zweiten Weltkrieg, als der Staat die Welt vor den Gefahren des deutschen Faschismus bewahrte, indem er diesen vernichtete.

Zugleich bekämpfte er den sowjetischen Bolschewismus im Kalten Krieg – bis dieser vor allem aus wirtschaftlichen Gründen in sich zusammenbrach und sich durch Gorbatschows humanen neuen Kurs dem Westen näherte. Der junge Putin folgte anfänglich diesem Verständigungsweg.

Doch dann versagte Amerika, das seinem eitlen Motto „America first“ nicht untreu werden wollte und Putin die rote Karte zeigte. Dieser, schwer getroffen, begann sofort eine Rückkehr ins Cäsaropapistische mit der Methode zunehmender Verletzungen der Völker- und Menschenrechte.

Als ihm klar wurde, dass der Westen seinem militanten Kurs nichts entgegensetzte – schließlich hatte Washington selbst gegen die Regeln universeller Ethik verstoßen – entschloss er sich zum großen Schlag und begann seine Offensive gegen die Ukraine.

Und dies im Stil eines apokalyptischen Alles oder Nichts. Auch wenn Russland selbst untergehen sollte: zuvor würde Putin alles unternehmen, um der desolaten Welt seinen irreversiblen Stempel aufzudrücken.

Eine grundsätzliche Kritik der Deutschen an ihren Befreiern gab es nie und wird es so schnell auch nicht geben. Zuerst waren sie Schüler, die grundsätzlich alles lernen mussten, was mit Demokratie und Menschenrechten zusammenhing.

Dann hatten sie Angst, ihre Beschützer könnten sie aus Verärgerung im Regen stehen lassen und ihnen den Schutz ihrer Waffen entziehen. Alles in allem: die Deutschen haben bis heute kein Format gezeigt, um sich eine autonome Meinung zu bilden und sich Autoritäten zu widersetzen. In Deutschland gibt es bis heute – mit Ausnahme der wildbewegten 68er – keine ernstzunehmenden Debatten.

Der Import des Neoliberalismus wurde zum Höhepunkt ihrer Denkfaulheit und ihrer Sucht, das Wesentliche des Zeitgeistes nicht zu verpassen. Als Mitläufer der Zeit haben sie nicht zum ersten Mal bewiesen, dass sie mit ihrer Nase immer vorne dabei sein mussten.

Rein zufällig entsprach der Neoliberalismus ihrer eigenen Degenerierung: solange die deutsche Wirtschaft den Ruhm der Nation in der Welt verkündet, solange soll sie die Führung haben. Alles andere wird belanglos.

Neoliberalismus war die religiös grundierte Wirtschaft, die nicht eher ruhte, bis sie jede Demokratie aus dem Hintergrund steuerte. Mit der Begründung: Wirtschaft ist der unverständliche Wille Gottes in Form des Marktes, der sich vom Willen des Plebs nichts sagen lassen muss. Denn er allein folgt dem Willen Gottes, indem er den Staat auf Grundfunktionen zurückdrängt: auf Polizei, Militär und Müllabfuhr. Die Polis mit der alles-entscheidenden Volksabstimmung war perdu. Geld regiert die Welt, kein minderwertiger Plebs, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat.

Alles, was die Grundfunktionen einer Polis verletzt, ist – faschistisch. Zwischen Demokraten und erklärten Antidemokraten hat man sich zu entscheiden. Hier gilt kein lässiges Sowohl-Als auch, hier gibt es nur ein Entweder-Oder.

Demokratien, die sich nicht unaufhörlich humanisieren, bewegen sich automatisch – ins Faschistische. Hinter heuchelnden Fassaden werden sie unvermeidlich – faschistoid oder faschistisch.

Was ist der Unterschied zwischen Demokratie und Neoliberalismus? Eine vitale Volksherrschaft weicht keinen Millimeter von einer humanen Moral, die durch leidenschaftliche Demokraten erstritten wurde.

Hayek hingegen, einer der Gründerväter des Neoliberalismus, pfeift auf jede Moral. Mit der Begründung: ökonomische Gesetze sind nichts als Naturgesetze, somit Gottes Gesetze. Diese können in sich niemals amoralisch sein.

„Daß eine freie Gesellschaft nur erfolgreich funktionieren kann, wenn die Individuen in gewissem Maß von gemeinsamen Wertsetzungen geleitet sind, ist vielleicht der Grund, warum Philosophen die Freiheit manchmal als Handeln in Übereinstimmung mit Moralregeln definiert haben. Aber diese Definition der Freiheit ist eine Leugnung der Freiheit, mit der wir uns hier befassen. Laut Hayek gilt: Freiheit und Moral sind zwei verschiedene Paar Schuhe, Handlungsfreiheit muss immer auch Willkür bedeuten können.“

Eine zusätzliche Moral wäre nicht nur überflüssig, sondern blasphemisch. Die unbekannten und undurchschaubaren Gesetze des Marktes sind Gesetze Gottes. Eine marktregulierende autonome Moral wäre ein Angriff gegen Gott.

Der Dauerwiderspruch der amerikanischen Demokratie zwischen Athen und Jerusalem zeigt hier seine giftigen Ausscheidungen. Der religiöse Markt will den Volkswillen beherrschen.

Im Gegensatz zum klassischen Liberalismus, bei dem Freiheit identisch war mit Verantwortung, hat der Neoliberalismus die lästige Identität von Bord geworfen. Freiheit ist regellose Freiheit, die sich vor niemandem verantworten muss. Schon gar nicht vor den Regeln moralischer Besserwisser.

Wären sie ein einziges Mal konsequent, die neoliberalen Chaoten, müssten sie den gesamten Rechtsstaat auf den Mond schießen. Wozu brauchen wir Gesetze, die die lächerliche Würde jedes Menschen garantieren?

Hayek findet einfühlsame Worte, um seine moralfreie Gefühllosigkeit gegenüber Schwachen, Kranken und Armen zu verbalisieren:

„Wir können echte Sorge um das Schicksal des vertrauen Nachbarn fühlen und werden gewöhnlich wissen, wie zu helfen ist, wenn Hilfe gebraucht wird: aber wir können nicht in derselben Weise für die Tausende oder Millionen Unglücklicher fühlen, die wir in der Welt wissen, deren persönliche Umstände wir aber nicht kennen. So sehr sie Berichte über ihr Elend bewegen mögen, das abstrakte Wissen von der Unzahl leidender Menschen kann nicht unsere normale Tätigkeit leiten. Soll unser Handeln nützlich und wirkungsvoll sein, müssen unsere Ziele beschränkt und dem Fassungsvermögen unseres Verstandes und unseres Herzens angepasst sein. Ständig an unsere „soziale“ Verantwortung gegenüber all den Bedürftigen und Unglücklichen in unserer Gemeinde, in unserem Land oder in der Welt erinnert zu werden, kann nur die Wirkung haben, unsere Gefühle abzustumpfen, bis der Unterschied zwischen den Fällen, in denen wir die Pflicht zu handeln haben, und jenen, für die wir nicht verantwortlich sind, nicht mehr gesehen wird. Daher muss die Verantwortlichkeit, um wirkungsvoll zu sein, in einer Weise begrenzt sein, dass der Einzelne sich auf sein konkretes Wissen verlassen kann.“ (Die Verfassung der Freiheit)

Schon gemerkt? Merkels einmalige Flüchtlingshilfe war ganz und gar im Geist der Hayek‘schen Singularität erfolgt. Es ist zugleich die Ethik des neutestamentlichen Gleichnisses vom barmherzigen Samariter. Man kann ja mal gnädigerweise ein zufälliges Opfer am Straßenrand in der nächsten Hilfsstation abliefern. Alles andere, das darüber hinausginge, wäre von Übel.

Religiöse Hilfe ist keine politische Humanisierung der Welt, sondern eine Tat um Gottes Lohn. Im Falle Merkel blieb Gottes Lohn nicht aus – in Form einer unerschütterlichen Verehrung seitens ihrer Untertanen als demütige Magd Gottes.

Apokalypse, Apokalypse, überall Apokalypse und nirgendwo ein Entkommen. Gerade die Deutschen können das Gerede vom Weltuntergang nicht leiden. Wozu auch Dirk Kurbjuweit vom SPIEGEL gehört:

„Apokalypsen haben verschiedene politische Funktionen. Zum einen sind sie ein Mittel der Angstpolitik. Je größer die Angst, die ein Politiker schürt, desto besser die Chance, sich durchzusetzen. Das ist das Kalkül. Lauterbach will die Bürgerinnen und Bürger zur Vorsicht mahnen, also macht er ihnen Angst. Apokalypsen sollen verunsichern, sollen erschüttern. Damit sind sie das Gegenteil von dem, was Politik eigentlich soll: Verunsicherung abbauen, Ängste nehmen. Man kann sie sich sparen.“ (SPIEGEL.de)

Kann es sein, dass da einiges wirr durcheinander geht? In Deutschland scheint nicht einmal bekannt, dass die Hauptreligion des Abendlandes ein Ende der Heilsgeschichte hat, Apokalypse genannt.

Glaubenssätze sind Placebos, wer an sie glaubt, kann sie unter Umständen selbst verwirklichen. Andere sprechen von selbsterfüllender Prophezeiung.

Wer also der Meinung ist, der Glaube an eine Apokalypse sei in der Lage, eine solche in eigener Regie hervorzubringen, muss vor diesem Glauben warnen. Der Gläubige ist in der Gefahr, sich durch seinen heiligen Glauben selbst zu gefährden. Die Warnung vor der Apokalypse wäre demnach eine berechtigte Warnung, sich durch seinen Glauben an die Apokalypse nicht selbst in Gefahr zu bringen.

Wer vor einer realen Gefahr warnt, der will keine Angst verbreiten, sondern die Angst vermindern, indem er sagt: hier drohen wirkliche Gefahren, wehrt euch. Natürlich können Ängste entstehen, wenn Gefahren außerordentlich sind. Auch in diesem Fall hätte die Warnung den Sinn: mögt ihr auch Angst haben, so habt ihr dennoch die Chance, durch Abwehr der Gefahr eure Ängste zu vermindern.

Motive eines Warners mögen sein, wie sie wollen – der Gewarnte hat dennoch die Pflicht, selbst zu überlegen, ob die Gefahren groß sind und welche Möglichkeiten es gibt, sie zu bekämpfen.

Wenn ein Herr Lauterbach die Menschen vor der nächsten Coronavariante immer nur warnen kann, ohne konkret zu informieren, wie jeder sich wehren kann, ist er weder Mediziner noch Politiker, sondern ein Brandstifter.

Wer Gefahren erfindet oder maßlos übertreibt, um sich selbst zu profilieren, ist ein hasardierender Untergangsprophet, kein verantwortlicher Demokrat.

Wer hingegen – wie heute fast die gesamte Politelite – vor keinen Gefahren warnt, weil es angeblich keine gäbe, der ist ein Totengräber der Gesellschaft. Gibt es echte Probleme in der Welt, sind nicht die Warner das Problem, sondern die verharmlosenden Durchwurstler: es ist schon immer alles gut gegangen, warum nicht jetzt? Leute, schlaft weiter! Die Kanzlerin hat alles im Griff.

Kein Mensch darf seine fahrlässige Passivität damit begründen, die Warnungen hätten ihm Angst gemacht. Jeder muss sich selbst ein Urteil bilden, um dann zu entscheiden, ob er aktiv wird oder nicht.

Was man den Deutschen aber unbedingt vorwerfen muss, wäre die komplette Verleugnung ihrer Religion, deren selbsterfüllende Dogmen ihr Leben aus dem Untergrund bestimmen. Es ist die Angst der Deutschen, die sie dazu bringt, die gefährlichen Nocebos ihres Glaubens auszublenden.

Das Dritte Reich wäre nie entstanden, wenn die Deutschen nicht in einen national-apokalyptischen Rausch gekommen wären. Wir brauchen die drohenden Gefahren eines Untergangs, sonst werden wir nie als auserwähltes Volk bestätigt werden.

Erst wer dem Tode ins Auge schaut, erwirbt die Chance, als neuer Mensch wiedergeboren zu werden.

Warum verleugnen die Deutschen die Gefahren einer globalen Klimakatastrophe? Aus Angst vor dem Untergang ignorieren sie den Untergang. Weshalb auf ihrem nationalen Massengrab stehen wird: sie hielten sich für unsterblich.

Fortsetzung folgt.