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Welt retten! Aber subito! XXV

Tagesmail vom 11.11.2022

Welt retten! Aber subito! XXV,

wem hat Deutschland das „Beschäftigungswunder der letzten 17 Jahre“ zu verdanken?

Den Faulenzern des Hartz-4-Systems, die auf ihre Menschenwürde verzichteten, um uneigennützig den Wohlstand ihres Vaterlands zu fördern. Ein SPD-Kanzler setzte ihnen die Pistole auf die Brust, um sich nicht länger für seine Wählerschaft schämen zu müssen – die nichts anderes im Kopf hätte, als auf Kosten der Nation ihr Parasitenleben zu führen.

Das wunderbare Hartz-4-System hatte „wesentlich zum deutschen Beschäftigungswunder der letzten 17 Jahre beigetragen, zur Halbierung der Arbeitslosenquote trotz weltweiter Krisen.“ (SPIEGEL.de)

Im Bundestag soll eine Sondersitzung stattfinden, um eine Delegation – stellvertretend für alle armen, aber sozial vorbildlichen, Schlucker – für ihre nationalen Verdienste mit einer Sonderplakette auszuzeichnen. Die Lobrede wird jener Kanzler halten, der das System erfinden ließ – und es mittlerweilen zum Freund eines Kriegsverbrechers brachte. Vom Krieg distanzierte er sich inzwischen, nicht aber von seinem russischen Freund.

Die Proletenpartei hat inzwischen ihre Lektion gelernt. Man muss malochen, hart arbeiten können, um durch Fleiß und Tüchtigkeit nach oben zu gelangen und endlich die beglückenden Seiten jenes Kapitalismus kennenzulernen, den sie bislang im krankhaften Neid zum Teufel gewünscht haben.

Sie sprechen von Bildungsgerechtigkeit. Gebildet ist, wer sich die Finger wundgearbeitet und – oben angekommen – sich die Fähigkeit erworben hat, sich im lockeren Beieinander mit Milliardären beseligt volllaufen zu lassen.

Kaum sind sie oben angekommen, kaum droht ihre politische Macht zu schwinden, schon sind sie in den Tiefen der Vorstandsetagen verschwunden. Ihr politisches Motto bestimmt ihre bildungsgerechte Karriere: das Proletariat ist etwas, das überwunden werden muss. Wir wollen sein ein Land von Wohlstand, das der Welt seine überlegene Tüchtigkeit bewiesen hat.

„Die Arbeit hoch!
Die Arbeit hoch!
Sie hat, was noch kein Rom vollbracht,
Die Erde sich zum Knecht gemacht.
Und Herrin ist sie noch,
So hoch ein Pass durch Gletscher führt,
So tief nach Erz ein Bergmann spürt.
Die Arbeit, sie erhält,
Die Arbeit, sie bewegt die Welt.“ (Hymne an die Arbeit)

Nicht das Denken gottloser Müßiggänger, nicht die Lebensfreude einfältiger Eingeborener, nicht das Genie ruhmsüchtiger Erfinder hat uns die Herrschaft über die Erde beschert: es war die harte Arbeit, die sich ihres Lebens in der Natur nicht mehr erfreuen kann.

Es war die harte Arbeit, die uns vor dem Todesurteil des Schöpfers bewahrte:

„Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen. So steht es in der Bibel, zweiter Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher, und nicht nur dort. August Bebel, Mitbegründer und Säulenheiliger der deutschen Sozialdemokratie, griff den Satz vor mehr als 140 Jahren in seiner Handlungsanweisung für eine gerechtere Gesellschaft auf. Auch der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hat ihn gern zitiert.“

Alexander Neubacher, SPIEGEL, hält uns eine unerbittliche, mittelalterlich anmutende Predigt, die uns davor warnt, dem lockenden Ruf der Welt zu folgen und der schweißtreibenden Arbeit als Sinn des Lebens Ade zu sagen.

„Habet nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt liebhat, ist die Liebe zum Vater nicht in ihm. Denn alles, was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und die Prahlerei in der Lebensweise, stammt nicht vom Vater, sondern es stammt von der Welt.“

Das haben die deutschen Reichen verinnerlicht. Sie leben im Verborgenen und prahlen nicht mit ihren Villen, Yachten und Flugzeugen. Sie und ihre ehemalige Kanzlerin wissen, was Demut und Bescheidenheit ist.

Die amerikanischen Reichen leiden nicht am lutherischen Anonymitätswahn. Sie dürfen sich ihrer neocalvinistischen Auserwähltheit rühmen – denn damit preisen sie zugleich ihren Vater im Himmel, der sie vor aller Welt bevorzugt.

Nicht grundlos bevorzugt, wie sie schon lange wissen: sind sie doch die Tüchtigsten und Erfolgreichsten dieser Welt. Kniet nieder und bewundert Gods own country, ihr Völker. Jetzt allerdings geht’s den Amerikanern an den Kragen: Klimakrise und Corona sind diabolische Methoden, um ihren Vorrang in der Welt zu kippen.

Eliten und vulgäres Volk in Deutschland hingegen haben diese Bescheidenheit längst verlernt. Nicht genug können sie in ihrem paradiesischen Luxusleben schwelgen. Wohlstand bewahren und vermehren: das ist der einzige Gott, den sie anbeten.

Doch jetzt kommt – dank östlicher Barbaren – eine Zeit der Verarmung, Genügsamkeit und Schlichtheit auf uns zu. Wehe denen, die nicht das Glück hatten, in den Zeiten des Überflusses gelebt zu haben. Diese armseligen Klimaaktivisten, die sich für die letzte Generation halten, können gar nicht wissen, was das Leben noch immer zu bieten hat.

Im Hass gegen ihre glücklicheren Vorfahren bewerfen sie Kunstwerke und blockieren die freie Fahrt der Fleißigen und Tüchtigen.

Vorbildliche Demokraten sollen sie sein? Kriminelle sind sie, so werden sie von den Reichen angegriffen, denn sie verstoßen gegen Gesetze.

Und die erwachsenen Klimaverderber verstoßen gegen nichts? Außer, dass sie die Zukunft der jungen Menschen in Hitze und Dürre ersticken? Sind sie nicht selbst radikale Natur- und Gesetzesverderber?

„Es gibt aber noch eine zweite Deutung von Radikalisierung. Sie geht vom Wortstamm radikal aus: etwas an der Wurzel packen, erkennen, dass eine Gesellschaft grundlegende Veränderungen braucht. Gerade haben die Aktivist:innen großes Vertrauen in die Regierung – größer als im Rest der Bevölkerung. Selbst die »Letzte Generation« will ja mit der Regierung sprechen. Die Klimabewegung will, dass die Regierung Verantwortung übernimmt. Sie zeichnet sich gerade durch den Konsens aus, dass niemand durch ihre Aktionen gefährdet werden soll. Die RAF hat Brandanschläge verübt und Menschen getötet – das war terroristische Gewalt. Die Aktionen heute damit in Verbindung zu bringen, ist absurd. Nichts deutet darauf hin, dass sich die Klimabewegung zum Terrorismus hin entwickelt. Sie lehnt Gewalt ab. Im Gegensatz zu vielen sozialen Bewegungen gibt es keinen radikalen Flügel, der Gewalt gegen Menschen rechtfertigt und bereit wäre, sie durchzuführen. Das macht die Klimaproteste besonders. Ziviler Ungehorsam ist ein moralisch begründeter Bruch von Gesetzen. Die Aktivist:innen nehmen Strafen dafür in Kauf. Sie hoffen aber auch, dass in den Gerichten berücksichtigt wird, dass das Bundesverfassungsgericht die Klimapolitik der Bundesregierung als Verletzung der Rechte zukünftiger Generationen gerügt hat. In Flensburg wurde gerade ein Baumbesetzer in erster Instanz freigesprochen: Die Richterin war der Meinung, dass der Klimanotstand sein Handeln gerechtfertigt hat. Die Aktivist:innen stellen nicht den Rechtsstaat infrage. Wir kloppen auf die »Letzte Generation« ein, weil wir uns nicht damit auseinandersetzen wollen, dass wir keinen Pfad entwickelt haben, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. In ein paar Jahren werden wir ganz andere Diskussionen führen, weil die Konflikte, die absehbar aus der Klimakrise hervorgehen werden, auf einem anderen Niveau liegen werden. Und diese Diskussion – über Leute, die sich an die Straße kleben – wird lächerlich dagegen wirken.“ (SPIEGEL.de)

Klarstellungen eines Soziologen.

Tatsächlich, Neubacher hält den biblischen Tötungsauftrag für Arbeitsverweigerer für „übertrieben hart“. Okay, mildern wir die Todesstrafe zur lebenslangen Zwangsarbeit mit Folterbeilagen – wie es üblich war bei der Eroberung Amerikas und Afrikas durch das erfolgreiche Duo: Soldaten & Priester.

Dennoch bleibt das Todesurteil bestehen. Aber nicht für Müßiggänger und Lebenskünstler, sondern für die Ruhelosesten und Fleißigsten unter ihnen – die, mit Hilfe von Technik und Wissenschaft, sich die ganze Erde untertan gemacht haben. Wir sind es, die erfolgreiche Moderne des Westens, die alles, was da grünt und blüht, sich bewegt und regt, gnadenlos niedermetzelt.

Warum? Weil Arbeit im christlichen Westen kein rationales Überlebensmittel ist, das, im Einklang mit der Natur, ihr nur entnimmt, was ihr der Mensch in gleichwertigem Sinn zurückgeben kann.

In seinem Buch „Von Hegel zu Nietzsche“ ist Karl Löwith dem Phänomen der christlichen Arbeit nachgegangen:

„Arbeit ist nach christlicher Auffassung ursprünglich keine an ihr selbst verdienstvolle Leistung, sondern der Sünden Lohn und Strafe. Der Mensch muss im Schweiße seines Angesichts arbeiten, seitdem er durch seine Schuld zur Arbeit verdammt ist. Als ein hartes, verfluchtes Muss ist die Arbeit wesentlich Not, Mühsal und Leiden. Der biblische Mensch genießt nicht die „Früchte des Segens“ der Arbeit, sondern er büßt mit ihr ab, dass sich der Mensch an den Früchten des Paradieses vergriff. Pascal hielt daran fest, dass die Arbeit die Leere des weltlichen Treibens beweist, das sich mit ihr zum Scheine betriebsam erfüllt und mittels dieser Zerstreuung über die Misere des Daseins hinwegtäuscht.“

Erst Luther besann sich zurück auf das Neue Testament und machte das Arbeitsgebot zum Ethos der Gläubigen. Auf diesem vergifteten Boden wird der Kapitalismus der Neuzeit wachsen. Das aber gerät nicht zum Segen der Natur – ganz im Gegenteil. Hegel charakterisiert die Arbeit der Moderne in unübertrefflicher Schärfe:

„Ora et labora! Bete und fluche! … Die Erde sei verflucht und im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen. Arbeiten heißt die Welt vernichten oder fluchen.“

Präziser geht es nicht. Erstaunlich bleibt, dass die Verfluchung der Erde für Hegel noch kein Warnsignal ist. Das Ende der Heilsgeschichte, das von ihm konstatiert wird, ist eine große Synthese und kann kein Unheil sein.

Ohnehin war Hegel nicht davon überzeugt, dass alles ein unrühmliches Ende haben würde. Im Gegenteil: dieses ewige stirb und werde …! Ohne Tod nichts Neues. Gott stirbt nur, um aufzuerstehen.

Solche Endzeitphantasien halten Hegel von der genauen Beobachtung seiner Gegenwart nicht ab. Seit Newton und Galilei erobert die Maschine Europa. Die Vorläufer-Maschine im Mittelalter war die große Kirchenuhr, die den Bauern auf dem Feld durch Geläut verkündete, was die Glock geschlagen hatte. Auf Deutsch: wie lange müssen wir noch auf das Kommen des Messias warten?

Der Triumph der Naturwissenschaften führte zum Siegeszug der Maschine.

„Erst die Maschine, die ein selbständiges Werkzeug ist, vermittelt die Arbeit vollständig. Durch sie wird die Natur vom Menschen betrogen, indem er sie für sich arbeiten lässt. Doch rächt sich dieser Betrug am Betrügenden selbst, und je mehr er die Natur unterjocht, desto niedriger wird er selbst. Seine Arbeit wird selbst maschinenmäßiger und je maschinenmäßiger sie wird, desto weniger Wert hat sie und desto mehr er auf diese Weise arbeiten.“ (Löwith)

Vor allem betrügt der Maschinist seinen Gott um den Schweiß seines Angesichts, den er sich bei der leichten Maschinenarbeit sparen kann. Für Francis Bacon, der mit seinem Motto: Wissen ist Macht, den Paukenschlag der Moderne intonierte, war die neue Wissenschaft die Rückeroberung des Paradieses und die Überwindung des Sündenfalls.

Beide Akte: die neue Wissenschaft und die auf ihr beruhende Maschinenkultur, empfinden sich als Früchte des Glaubens, obwohl sie gegen Aussagen der Schrift verstoßen. In diesem gefährlichen Hell-Dunkel verbleibt die Wissenschaft bis heute. Sie empfindet sich als unaufhaltsame Herrin der Welt, dennoch bleiben ihr dunkle Gefühle: kann das gigantische Projekt wirklich gut ausgehen?

Das spürt man der Wissenschaft bis heute an, wenn sie einerseits mit sensationellen Erkenntnissen an die Öffentlichkeit geht, trunken von ihrer eigenen Genialität, und andererseits daran zweifelt, ob normale Menschen ihren Triumphen folgen können. Um sich jede Kritik zu verbitten, kommt die stereotype Warnung: solches könne der normale Menschenverstand nicht mehr verstehen. Bleibt? Verständnislos bewundern oder Ade sagen.

Christliche Arbeit ist kein Lusterlebnis, auch nicht für SPD-Proleten, wie Neubacher leichtsinnig bemerkt:

„Noch mal August Bebel: »Ohne Arbeit kein Genuss, keine Arbeit ohne Genuss.«“

Kennen Sie einen einzigen abhängigen Arbeiter oder Angestellten, Herr Neubacher, der seine Arbeit als Lust erleben würde? Erfolg und Lohn sind keine hedonistischen Erlebnisse, beides ist nichts als sekundäre Selbstzufriedenheit – die nie zur Ruhe und Muße kommen darf. Ununterbrochen muss sie die Zukunft vorbereiten und alles täglich neu erfinden: sie muss gottgleich werden. Gott aber ist unendlich und unfassbar. Also dürfen Musk, Zuckerberg & Co sich nie mit einem Erfolg zufrieden geben. Sonst müssten sie fürchten, Gottes Unendlichkeit zu verfehlen und als Versager im endlosen Wettkampf auf der Strecke zu bleiben.

Neubacher verdächtigt alle Hartz-4-ler der lustbetonten Faulheit. Geht’s noch? Sah er je einen Obdachlosen unter der Brücke, der seines Lebens froh gewesen wäre? Peinliche Vorurteile der Bourgeoisie, die sich ermächtigt fühlt, den Abgehängten eine Standpauke zu verpassen:

„Wer etwas von der Gemeinschaft erwartet, muss im Rahmen seiner Möglichkeiten bereit sein, selbst etwas zu tun. Wer die Solidarität nur ausnutzt, hat sie nicht verdient. Es ist der Kern des Sozialstaats seit Bismarcks Zeiten, dass den Schwachen geholfen wird, aber niemand das Recht hat, sich von den anderen aushalten zu lassen.“

Ausgerechnet jenen, denen man alles nahm, um sich in der Gesellschaft einzubringen und sich selbst zu versorgen, wirft Neubacher asoziales Verhalten vor. Nicht aber jenen, die riesige Möglichkeiten hätten, sich gemeinschaftsdienlich und sozial zu zeigen.

Wie steht‘s etwa mit dem moralischen Verhalten der Neoliberalen. Lesen wir nach bei ihrem Papst Hayek:

„Wir können echte Sorge um das Schicksal des vertrauten Nachbarn fühlen und werden gewöhnlich wissen, wie zu helfen ist, wenn Hilfe gebraucht wird; aber wir können nie in derselben Weise für die Tausende oder Millionen Unglücklicher fühlen, die wir in der Welt wissen, deren persönlichen Umstände wir aber nicht kennen. So sehr uns die Berichte über ihr Elend bewegen mögen, das abstrakte Wissen von der Unschuld leidender Menschen kann nicht unsere normale Tätigkeit leiten. Ständig an unsere „soziale“ Verantwortung gegenüber all den Bedürftigen und Unglücklichen in unsrer Gemeinde, in unserem Land oder in der Welt erinnert zu werden, kann nur die Wirkung haben, unsere Gefühle abzustumpfen … Verantwortung muss, um wirkungsvoll zu sein, persönliche Verantwortung sein. In einer freien Gesellschaft kann es keine kollektive Verantwortlichkeit geben.“ (Die Verfassung der Freiheit).

Hier ist alles falsch. Hayek scheint in einer uralten Face-to-Face-Group zu leben und nicht in einer modernen Demokratie, in der alles soziale Verhalten politisch ist. Demokratische Vernunft ist stets moralische Autonomie, die das ganze System umfassen muss: Moral bestimmt die Politik. Bestimmt Moral nur das private Verhalten, handelt es sich um christliches Almosengeben. Einen prinzipiellen Unterschied zwischen Moral und Politik kann es nicht geben. Denn Moral ist gedankliche Gestaltung der Welt, Politik das Werkzeug, um die Gesinnung zu konkretisieren. Beide gehören verschiedenen Ebenen an, weshalb sie sich nie widersprechen können. Widersprechen können sich nur kontroverse Moralen – oder unvereinbare Methoden. Politische Moral einer Demokratie kann nie almosenhaft-persönlich sein. Wer eine Gesellschaft in einer bestimmten Weise prägen will, muss die politischen Mechanismen entsprechend einrichten. Ein sozial mitfühlender Staat kann nie ein neoliberaler sein. Auch Kanzlerin Merkel konnte nie unterscheiden zwischen ihrem almosenhaft-einmaligen Flüchtlingsverhalten und einer nötigen Politik der EU, die überall hätte gelten müssen. So zersplitterte auch in diesen Fragen die Kohäsion der Staatengemeinschaft.

Bei Hartz-4-Menschen geht’s nicht um Unterstützung notorischer Faulenzer, die es gar nicht gibt. Gibt‘s einen einzigen Menschen auf der Welt, der sich für überflüssig halten möchte?

Es geht um das Vertrauen, nie ins Bodenlose zu fallen und immer auf ein zuverlässiges Netz hoffen zu dürfen, dass niemand sich gezwungen sieht, sich einem untertänigen Arbeitsverhältnis oder einer lustlosen Arbeit auszuliefern.

Menschen mit Grundvertrauen in die Welt machen ihre Arbeit wesentlich besser und verlässlicher als die Menschen, die sich zu einer ungeliebten Tätigkeit genötigt fühlen.

Arbeit muss selbstbestimmt sein. Sonst verharrt sie auf dem psychischen Niveau ihrer kapitalistischen Anfänge:

„In Manchester, der ersten Industriestadt der Welt, leben die Elenden wie eingepferchte Tiere, dem Hungertod und der Ausbeutung preisgegeben inmitten von Dreckmassen, Kotflüssen in den Straßen. Verhungernde Kinder. Die Arbeiter leben von verfaultem Fleisch und verdorbenen Lebensmitteln. 57% aller Arbeitskinder sterben in Manchester vor dem fünften Lebensjahr.“ (Friedrich Heer)

Adam Smith lebt in der schottischen Nachbarschaft und scheint das grauenhafte Elend nicht zu bemerken. Er schildert eine neue Welt, die keine Gesinnungsmoral mehr benötigt, weil die Gesetze der Wirtschaft Naturgesetze seien, die in sich selbst die beste Moral darstellen würden. Obwohl jeder seinem Egoismus folgen soll, ist das Gesamtergebnis aller Egoismen eine menschenfreundliche Gesellschaft – dank einer unsichtbaren Hand, die alles zum Besten koordiniert.

Genau das ist der Kardinalfehler des Kapitalismus: er ist kein System von Naturgesetzen, sondern von moralischen Überlegungen, die von Demokraten erstritten werden müssen.

Der Mensch bestimmt sein Leben in eigener Regie. Es wird nicht von Naturgesetzen reguliert, denen er wehrlos zu folgen hätte. Kein gesunder Mensch will anderen Menschen zur Last fallen. Sondern will gleichberechtigt geben und nehmen.

Die Tauschgesetze des Kapitalismus wurden einzig von den Starken geprägt, die Schwachen hatten keine Chance der Mitbestimmung.

In einer humanen Gesellschaft werden wirtschaftliche Regeln von allen Beteiligten im Gleichgewicht der Kräfte ausgehandelt. Solange die Starken die Schwachen nach Belieben dominieren, solange wird Krieg in der Menschheit herrschen.

Das Bürgergeld ist keine Verhöhnung der Arbeit, Neubachers Kommentar ist eine Verhöhnung des Menschen.

Fortsetzung folgt.