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UNO-Leichenrede

Hello, Freunde der UNO,

die aus allen Poren blutet und schon ziemlich tot ist, doch niemand will die Leichenrede entwerfen. Da niemand mehr die UNO kennt, hier einige Grundinformationen:

Die vereinten – und nicht aufeinander einschlagenden, bis aufs Messer rivalisierenden, miteinander verfeindeten und gegeneinander Kriege führenden – Nationen sind:

„ein zwischenstaatlicher Zusammenschluss von 193 Staaten und als globale internationale Organisation ein uneingeschränkt anerkanntes Völkerrechtssubjekt. Die wichtigsten Aufgaben der Organisation sind gemäß ihrer Charta die Sicherung des Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts, der Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit. Im Vordergrund stehen außerdem Unterstützung im wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Gebiet.“

Pardon, liebwerte Damen und gestrenge Herren, dass ich Sie mit lächerlichen Gutmenschen-Vokabeln wie Weltfrieden, Menschenrechte, Völkerrecht und humanitäre Politik belästigen muss. Wer sich mit utopischen Schwärmereien belädt, wie kann der hoffnungsfroh in die Zukunft schauen? Schon gestern müsste er auf dem Müll der Geschichte entsorgt worden sein.

Die UNO: eine hoffnungslose Old School, nichts Kreatives, keine Neuerfindung, weltvergessener Idealismus, realitätsfremde Gesinnungsethik – nicht die kleinste Prise diktatorischen Realitätsprinzips.

Wer hat die Gründung der UNO initiiert? Eben der Staat, der sie

zurzeit in Stücke schlägt – Amerika, die Leuchte aller Demokratien.

„Ihre Wurzeln haben die Vereinten Nationen in den Haager Friedenskonferenzen und im Völkerbund, der nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Ziel gegründet wurde, den Frieden auf der Welt dauerhaft zu sichern. Allerdings erhielt der Völkerbund durch mangelndes Beitrittsinteresse (so waren etwa die USA kein Mitglied im Völkerbund) nicht den nötigen Einfluss, um seine Ziele durchsetzen zu können, und war mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges praktisch gescheitert.“

Die Leuchte der Demokratien ist eifrig im Vorschlagen und Gründen – und noch eifriger im Zerschlagen des Gegründeten. Nach dem Zweiten Weltkrieg schlug Franklin D. Roosevelt eine Nachfolgerin des absichtlich zum Scheitern gebrachten Völkerbundes vor: die Vereinten Nationen.

Anfänglich hatte die UNO erstaunliche Erfolge zu vermelden, unter anderem die Gründung des Staates Israel, die Entschärfung der Berlin- und die der späteren Kubakrise. Stolz ist das „Parlament der Völker“ auf die Ausarbeitung der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“, auf die Ausrottung und Eindämmung bestimmter Krankheiten, etwa der Pocken und auf den Flüchtlingsschutz.

Heute müssen wir bilanzieren: die Menschenrechte werden rund um den Globus nicht mal auf dem Papier anerkannt, neue Epidemien wie Ebola breiten sich aus, die Flüchtlingshilfe wird immer mehr eingeschränkt, da westliche Staaten wie Amerika und Deutschland ihre Beiträge immer mehr kürzen oder gänzlich zurückhalten, während ihre Militärausgaben ins Uferlose hochschnellen.

Fünf Atommächte besitzen ein diktatorisches Vetorecht im Sicherheitsrat der UNO und blockieren alles, was ihren bornierten Interessen widerspricht. Eine ständige UNO-Truppe als Polizeiorgan der Völkergemeinde, schon 1945 in der Charta vorgesehen, gibt es bis heute nicht.

„Selbst der weltweit als „Versagen der UNO“ beklagte Völkermord 1994 in Ruanda, der durch die rechtzeitige Stationierung von Blauhelmsoldaten hätte verhindert werden können, hat die Mitgliedsstaaten nicht dazu bewegen können, diese Truppe endlich zu schaffen.“ (TAZ)

Die Versorgung von Flüchtlingen kann kaum noch geleistet werden, weil die UN selbst finanziell ausgehungert wird.

„Bereits im Mai mussten das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) und das Welternährungsprogramm (WFP) die Nahrungsmittelhilfe für 800.000 Flüchtlinge auf dem afrikanischen Kontinent reduzieren. Die bis dahin als absolutes Minimum festgelegten Rationen wurden um ein Drittel gekürzt. Dasselbe droht jetzt auch vielen der Flüchtlinge in Syrien.“

Warum wird Ebola zum globalen Problem? Weil reiche Länder nicht mehr zahlen wollen. Sie brauchen Unsummen an Geld, um ihre Banken vor dem nächsten Bankrott zu bewahren.

„Bereits vor über einem Monat baten UNO und Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre Mitglieder um die schnelle Bereitstellung einer Milliarde US-Dollar zur Bekämpfung von Ebola in Westafrika – doch die haben bis gestern gerade mal knapp ein Viertel der erforderlichen Summe zusammenbekommen. Zudem rächt sich jetzt, dass die WHO in den letzten 25 Jahren die Förderung von Basisgesundheitssystemen in den armen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas immer mehr vernachlässigt hat, weil die reichen Staaten Nordamerikas und der EU dafür keine Mittel mehr bereitstellen wollten.“

Was ist der Grund des bewusst und arglistig herbeigeführten Abwrackens und Ausschlachtens der Völkerorganisation? Bevor wir antworten, müssen wir uns die Ziele der Organisation vor Augen führen.

„Nach Artikel 1 der Charta der Vereinten Nationen sind die Hauptaufgaben der UNO:

– die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit

– die Entwicklung besserer, freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Nationen

– die internationale Zusammenarbeit, Lösung globaler Probleme und Förderung der Menschenrechte

– der Mittelpunkt zu sein, an dem die Nationen diese Ziele gemeinsam verhandeln.“

Wenn diese Hauptaufgaben nicht mehr verfolgt werden, kann dies nur bedeuten, dass die führenden Nationen kontradiktorische Ziele verfolgen.

1. die Wahrung des Welt-Unfriedens und der internationalen Unsicherheit auf der ganzen Welt.

2. die Entwicklung aggressiver und hasserfüllter Beziehungen zwischen den Nationen

3. die internationale Verhinderung der Lösung globaler Probleme und die Destruktion der Menschenrechte und

4. jener Mittelpunkt zu sein, an dem die Nationen sich gegenseitig bei der Lösung der Menschheitsprobleme systematisch blockieren.

Damit hätten wir den Ist-Zustand der heutigen Weltpolitik präzise umschrieben. Man könnte auch sagen, die Völker tun das Gegenteil dessen, was sie einst bei der Gründung der UNO feierlich beschworen. Damals wollte die UN allen Menschen dieser Erde die Menschenrechte bringen und deren politische Geltung garantieren. Die Menschenrechte können in einem einzigen Satz zusammengefasst werden:

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“

Dieser ungeheure Satz galt gestern. Heute gilt das noch ungeheurere Gegenteil:

Kein Mensch ist frei, alle Menschen sind ungleich an Würde und Rechten.

Kein Mensch ist frei, heißt: nicht der der Mensch bestimmt sein Geschick, sondern Geschichte, Heilsgeschichte, wirtschaftliche Naturgesetze, die Evolution, der Zufall, die Selektion der Stärksten, der größte Erfolg, die gewaltigste Macht, die überlegene technische Potenz, die bedenkenloseste Vernichtung der Natur – oder das Gehirn des Menschen.

(Heil uns: seit die Gehirnforschung das eingebaute GPS-System im Großhirn geortet hat, muss der Mensch nicht länger desorientiert durch seine Geschichte wanken. Vertrauet eurem Gehirn, es stillt euer Verlangen und leitet euch auf rechtem Pfade – um der Wissenschaft willen.)

Alle Menschen sind ungleich an Würden und Rechten, heißt: tote Flüchtlinge aus minderwertigen Völkern gehen uns am Arsch vorbei, tote Weiße hingegen, die von bösen, minderwertigen Killern geköpft werden, bringen uns in Weiß-Glut. Verhungerte, im Mittelmeer ertrunkene Kinder minderwertiger Völker gehen uns am Arsch vorbei, das Schicksal eines einzigen Kindes aus weißen Vorzugsländern rührt uns zu Tränen. Reiche und privilegierte Menschen aus weißen Nationen sind 100 und 1000 mal mehr wert als arme und ohnmächtige aus Schwarz-Afrika, einem gottverlassenen Kontinent, dem nicht mehr zu helfen ist.

„Jeder Neuling im Mediengewerbe hört irgendwann diese Regel: Ein Toter in Köln ist wie zehn Tote in England oder hundert Tote in Brasilien oder 1.000 Tote in Afrika. Die Regel hat Varianten: bei Indern möglicherweise eine Null mehr als bei Brasilianern, und was Afrika betrifft, können ohnehin nur Höchstzahlen die Mauer aus Gleichgültigkeit leise erschüttern.“ (Charlotte Wiedemann in der TAZ)

Nicht bloße Bilder geköpfter Menschen bringen uns in Rage, sondern dass es christliche Angehörige westlicher Siegernationen sind.

(Für Deutsche sind Bilder wichtiger als die Tatsachen hinter den Bildern. Tatsachen können erlogen sein, Bilder lügen nie, sagen jene, die alle objektive Erkenntnis der Wirklichkeit für Illusion halten – außer der Erkenntnis unfälschbarer Bilder, die heute jeder Computerfreak perfekt fälschen kann.)

Doch ist unser öffentlicher Echo-Raum so konstruiert, dass weißes, westliches Leben stets höherwertig erscheint; seine gewaltsame Beendigung ist tendenziell ein globales Ereignis. IS hatte leichtes Spiel, auf diese Wirkung zu setzen.“

Wie kommt es, dass der Westen Menschen- und Völkerrechte predigt, in seiner konkreten Politik aber das exakte Gegenteil tut?

Weltpolitiker wie Joschka Fischer erkennen nichts grundsätzlich Verwerfliches am Westen. Das Böse ist für ihn allein im Osten angesiedelt. Putin ist der Schurke, der eine neoimperiale Politik verfolge, die der Westen kompromisslos bekämpfen müsse – behauptet er in seinem neuen Buch.

Ist der Westen damit aus dem Schneider? Wenn Deutsche Ursachenforschung betreiben, werden sie von zwei Mechanismen geleitet.

A) Sie kennen nur ein Entweder-Oder. Entweder schwarz, dann nicht weiß oder weiß, dann nicht schwarz. Dass schwarz und weiß komplementär schuldig sein können, ist für sie unfassbar. Entweder sind sie Putinversteher, dann auf keinen Fall Obamaversteher – oder umgekehrt. Das Urbild dieser Entweder-Oder-Zuschreibung ist das Finale der christlichen Heilsgeschichte. Entweder Himmel oder Hölle. Ein Drittes gibt es nicht.

B) Oder sie weisen jede Schulderforschung von sich und erklären a priori, bevor sie den Fall überhaupt untersucht haben: alle Beteiligten sind schuld, es gibt kein Schwarz oder Weiß. Alle Schuld ist grau. Das ist die Methode der genervten deutschen Mutter, die allen Kindern eine Kopfnuss gibt, gleichgültig, wer wirklich schuld war. Der Schuldige wird dadurch geschont, der Unschuldige bestraft, die Entstehung von Konflikten bleibt im Dunkeln.

Das Urbild der Weigerung, konkret die Schuld zu suchen, liegt in der Devise der Bergpredigt: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn mit welchem Gericht ihr richtet, mit dem werdet ihr gerichtet werden und mit welchem Maß ihr messt, mit dem wird euch gemessen werden.“ Um dem Endgericht zu entgehen, will man selbst nicht richten. Die konkrete Ursachenforschung fällt aus.

Immer sind alle schuld – wenn‘s ums niedere Volk geht. Oder aber niemand ist schuld – wenn‘s um die Eliten geht.

Beispiel: die globalen Finanzkrisen wurden von superreichen Eliten ausgelöst – dennoch bleiben sie a priori unschuldig und kommen ungerupft davon. Schuldig sind stets die Kleinen und Schwachen, die mit Hartz-4 bestraft werden.

Diese asymmetrische Schuldzuteilung ist uraltes Kernstück aller christogenen Ökonomien. Geht’s einer nationalen Wirtschaft gut, ist es stets das Verdienst der Eliten, geht’s ihr schlecht, ist es stets die Schuld der Schwachen und Überflüssigen. In allen Mittelmeerländern haben die Reichen von der Euro-Krise noch profitiert, die Not und Arbeitslosigkeit der Kleinen stieg ins Grausame.

Bei uns schwächelt die Konjunktur, wer ist daran schuld? Frauen und Geringverdiener. Die Frauenquote muss verschoben, der Mindestlohn gestrichen werden.

Das Urbild der asymmetrischen Schuldzuweisung ist das Matthäusprinzip: „Wer hat, dem wird gegeben, wer nichts hat, dem wird noch genommen, was er hat“. Das verkaufen die Christianiten als Gerechtigkeit Gottes.

Schon 1948 hat George F. Kennan die amoralischen Grundlinien der amerikanischen Weltpolitik – in krassem Gegensatz zur UN-Menschenrechtscharta – formuliert:

„Wir müssen sehr vorsichtig sein, von unserer Führungsrolle in Asien zu sprechen … Wir besitzen etwa 50 Prozent des Reichtums dieser Welt, stellen aber nur 6,3 Prozent seiner Bevölkerung … Unsere eigentliche Aufgabe in der nächsten Zeit besteht darin, eine Form von Beziehungen zu finden, die es uns erlaubt, diese Wohlstandsunterschiede ohne ernsthafte Abstriche an unserer nationalen Sicherheit beizubehalten … Wir werden unsere Aufmerksamkeit überall auf unsere ureigensten, nationalen Vorhaben konzentrieren müssen … Wir sollten aufhören, von vagen, unrealistischen Zielen wie Menschenrechten, Anhebung von Lebensstandards und Demokratisierung zu reden. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem unser Handeln von nüchternem Machtdenken geleitet sein muss.“ (TAGESSPIEGEL)

Amerikaner sind Erwählte des Himmels, denen alle Macht auf Erden zusteht. Da sie voll Heiligen Geistes sind, stehen sie über allen moralischen Geboten. Als Besitzer der rechten Gesinnung können sie weder böse sein noch sündigen (non posse peccare). Menschenrechte – warum nicht? Doch über allen Vernunftrechten stehen die Rechte Gottes, der alle Register des Guten und Bösen ziehen kann, um seinen Willen durchzusetzen. Der Teufel ist nur das andere Gesicht Gottes.

Die Moral des Westens ist christlich, sie schließt nichts aus. Gutes und Böses kann sie nach Belieben tun, wenn sie nur die rechte Glaubensmotivation vorzuweisen hat. Liebe und tu, was du willst. Die Liebe deckt alle Fehler zu. Widerstehet nicht dem Bösen: auch das Böse hat eine Funktion im Heilsplan des Herrn:

„Geschieht ein Böses in der Stadt und Jahwe hätte es nicht bewirkt?“ „Ich, Gott, bilde das Licht und erschaffe das Finstere, bewirke das Gute und erschaffe das Böse.“ Ein Theologe schreibt: „Auch eine Gestalt wie Hitler war nötiger Ausführender von Gottes Plan, „dem Vorsatz dessen gemäß, der ALLES nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt.“ (Auch jüdische Ultras halten Hitler für ein Werkzeug Gottes, der nur tat, was Gott ihm befahl.)

Die Weltpolitik des Westens ist komplett amoralisch (antinomisch). Der Westen verspricht alles und dementiert alles. Nein, er heuchelt nicht. In seinen theologischen Schwarten steht alles schwarz auf weiß, aus der heiligen Amoral der Gläubigen wird kein Hehl gemacht. Der Fromme muss handeln, wie sein Gott spricht:

„Also erbarmt er sich nun, wessen er sich erbarmt, verhärtet aber, wen er will.“ Er rettet und verdirbt, wie es seinem heiligen Egoismus entspricht. Einspruch und Widerstand unmöglich. „Ja, Welt, wer bist du, dass du mit dem heiligen und unfehlbaren Westen rechten willst?“

Ein halbes Jahrhundert lang hat der Westen gute Miene zum verruchten Spiel der heidnischen Welt gemacht. Nun reicht‘s mit dem unverdienten Langmut der Völker- und Menschenrechte. Nun muss die andere Seite Gottes – deus absconditus oder der Teufel – ins Spiel gebracht werden. Das Finale steht bevor. Die Knechte Gottes müssen die Peitsche herausholen und das heidnische Gewürm züchtigen. Wen der Westen liebt, den macht er zur Minna.

Die UNO ist das lächerliche Produkt der Vernunft, die leichtsinnigerweise glaubt, sie könne die Welt mit humanen Mitteln retten.

Da kann Gott nur höhnisch lachen. „Der im Himmel thronet, lachet, der Herr spottet ihrer.“ Und der lachende Spott spricht:

„Vernichten werde ich die Weisheit der Weisen und die Einsicht der Vernünftigen werde ich verwerfen.“