Hello, Freunde der lustigen Rituale,
Gotttrunkene sind lustig, Gottlose traurig. Die ZEIT will, dass es in Deutschland lustig zugehe, vor allem bei einer fröhlichen Leich. Schreibt Herr Ulrich Greiner, der offensichtlich dem Fluch seines Namens entgehen will.
„Kaum etwas ist trauriger als eine Bestattungsfeier im atheistischen oder religionsfernen Kreis. An die Stelle des Priesters tritt der Bestattungsredner. Seine Ansprache hat rhetorische Ähnlichkeiten mit der Predigt, setzt allerdings an die Stelle Gottes die Seele oder den Geist oder die Natur und an die des Himmels unser aller Gedächtnis, das dem Verstorbenen ein bleibendes Gedenken bewahren soll.“ (Ulrich Greiner in ZEIT Online)
Warum bringen sie sich nicht alle um, die Christen, wenn es ihnen auf Erden so missfällt und sie im Himmel täglich Ostern, Pfingsten und Weihnachten in einem Akt feiern können? soll ein antiker Religionskritiker gelästert haben. Er vergaß, dass die Christen sich ihre ewige Lust erst verdienen müssen. Durch das Maß an Leid, das ihnen Gott als irdische Prüfung auferlegt hat.
Nimm dein ganz persönliches Kreuz auf dich und wandle, bis dein himmlischer Vater dich ganz persönlich abberuft. Ganz persönlich: das ist ein Lieblingsausdruck der Wiedergeborenen, die den unpersönlichen Staat, die abstrakte Vernunft und das allgemeine Gesetz des heidnischen Staates für Erfindungen des Teufels halten. Weshalb das persönliche Almosen von Sloterdijik mehr wiegt als …
… die kalten Sozialgesetze einer unpersönlichen Regierung.
Gottes Sohn ist nicht für die Menschheit gestorben, sondern für DICH ganz persönlich. Das unvergleichliche Individuum, die heilige Persönlichkeit, sind Erfindungen des Neuen Testaments; bei den kalten Heiden gab es nur nivellierte Exemplare einer Gattung, vergleichbar jenen gedrillten Massen, wie man sie in totalitären Staaten im Stechschritt marschieren sehen kann.
Christen sind keine haltlosen Lüstlinge, sie sind Vertreter der Leistungsgerechtigkeit. Erst Leistung, dann Lohn. Im Himmel gibt’s kein BGE. Wer auf Erden nicht arbeitet, nicht in Leiden ausharrt, in Schmerz und Trauer sein irdisches Los erträgt, der soll auch im Himmel nicht essen und fröhlich sein.
Das Gesetz des Glaubens und das des Kapitalismus sind identisch: erst muss man seine Lebensberechtigung nachweisen, dann kriegt man seinen sauer verdienten Lohn. Umsonst und unverdient gibt’s nix im Reich gläubiger Leistungsideologen.
Wenn Fromme ein Kind zeugen, schauen sie es mit bangem Blick an: hast Du es verdient, du Würmchen, dass wir Dich unter Sündenlust ans Licht der Welt brachten? Wirst du dein von Gott auferlegtes Pensum schaffen oder wirst du ein leichtsinniger Vogel, der für sein irdisches Leben nicht zahlen will?
Erst zahlen, dann Ware. In Deutschland erst Trübsinn blasen, dann ab ins Jenseits, wo der Bär steppt und die deutschen Jungs endlich den Cup gewinnen; in Amerika erst Moneten und Macht, dann die große Sause im Himmel bei Hamburgern und Coca Cola für immer – und freiem Einblick in die Herzen aller Kreaturen. Dank Google-Omniscientium.
Im Bereich der Frohen Botschaft muss der Mensch sich für sein Gezeugtsein nachträglich rechtfertigen. Leben ist Geworfensein auf Probe. Wer seine Prüfung sub specie aeternitatis nicht besteht, hat sich die Geworfenheit unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen und muss seine Strafe erhalten.
Mensch, wie kommst du dazu, die Erlaubnis zum Leben erschwindelt zu haben unter dem Vorwand, du seist gar nicht gefragt worden? Ungefragt habe man dich ins Leben geworfen, wie solltest du das unüberlegte Tun deiner Zeuger rechtfertigen?
Dafür hat Gott die irdische Leistung erfunden, dass du nachträglich die Lusttat deiner Eltern mit Leistung verantwortest. Die Leistung kann entweder a) in Werkgerechtigkeit, b) ohne Werkgerechtigkeit oder in c) werkgerechter Nicht-Werkgerechtigkeit erbracht werden.
Der Werkgerechte will mit moralischen Taten (= Werke des Gesetzes) seine Seligkeit „kaufen“. Laut Paulus und Luther ist das die Sünde wider den Geist. Katholiken gucken hier durch die Finger.
Nicht-Werkgerechtigkeit ist aber selbst ein Werk, eine Leistung, die man erst mal erbracht haben muss. Du musst dich erst mal entscheiden, auf all dein Tun und Machen keinen Wert vor Gott zu legen. Was auch immer du tust, es soll ohne Wirkung und Bedeutung sein. Du musst dich als nichtswürdigen Wicht betrachten.
Diese Selbstauslöschung muss man erst mal zustande bringen. Bringt man sie aber zustande, um Gottes Gnade zu erringen, ist sie selbst zum größten Werk geworden. Ohne Werkgerechtigkeit – nackt, bloß und verrottet – vor den Herrn zu treten, das ist kein Zuckerlecken. Alles, was man im Leben getan hat, soll ein stinkender Sündenpfuhl gewesen sein. Das bringe erst mal einer!
Vor Gott ist jede Würde des Menschen antastbar, ja, sie hat in seinen Augen nie existiert. Nur Seine Würde, Majestät und Erlösergloriole sind unantastbar. Weshalb ein neutestamentarischer Gott und das Grundgesetz völlig unvereinbar sind. Entweder Gott oder das Grundgesetz.
Im Grundgesetz und auf Erden gilt die Werkgerechtigkeit: jeder hat in Worten und Werken nachzuweisen, dass er die Menschenrechte hochhält und verteidigt. Soll mal ein Verbrecher vor Gericht sagen, zwar schätze er das Grundgesetz über alles, doch seine Grundsätze durch Taten und Werke zu befolgen, das sei sündenstolze Werkgerechtigkeit und müsse schärfstens abgelehnt werden!
Genau nach diesem Prinzip gehen die Deutschen mit ihrer Moral um. Moral? Ja selbstverständlich – für Kinder und Unmündige. Wer aber als Erwachsener coram publico ein moralisches Leben führen wolle, der sei ein hybrider Gutmensch.
Es kommt in Deutschland eine neue Klarheit auf. Die ganze Zeit tat man noch, als habe man die eigene Vergangenheit bewältigt. Diesen Schmarrn legt man immer mehr ab, es wird Tacheles geredet: Deutschland hat sich durch den Krieg nicht verändert – und das ist gut so.
Für die deutsche Tradition gilt das Bismarckwort des Philosophen Lübbe: „Tradition gilt nicht wegen ihrer erwiesenen Richtigkeit, sondern wegen der Unmöglichkeit, ohne sie auszukommen.“ Was gilt, gilt – Basta!
Diesen Standpunkt der Gegenaufklärung nennt Greiner wertkonservativ. Für deutsche Edelschreiber sind Aufklärung und Gegenaufklärung leere Begriffe. Schirrmacher machte drei Kreuze, als er sich bemüßigt fühlte, mit Aufklärung die Macht seiner bewunderten Technikgenies zu brechen. Dass Aufklärung die Tradition vor den Richterstuhl der Vernunft zieht, das weiß man hierzulande nicht mehr.
Bei Greiner ist es – wie bei Aufklärerfeind Hamann – genau anders rum. Die Tradition gilt zum ersten, zum zweiten und zum dritten. Eine solche aufklärungsfeindliche Fanfare hat man seit 200 Jahren nicht mehr in dieser Deutlichkeit gehört. Darauf darf die liberale Gazette ZEIT stolz sein.
Nicht nur Gegenaufklärer Lübbe, auch sein Meinungsfreund Odo Marquard wird zur Verteidigung des Bestehenden angeführt: Rituale müssen alt und ehrwürdig sein, „sie gelten, weil sie schon galten.“
Das ist der Triumph der etablierten Macht, die sich von niemandem in Frage stellen lässt. Sie gilt, weil sie die Macht hat, zu gelten. Nachfragen sind Majestätsbeleidigungen.
Hegel, Apologet Preußens, hat uns wieder am Kragen: „Was vernünftig ist, ist wirklich, was wirklich ist, ist vernünftig.“ Reformen, Verbesserungen – alles verboten. Das Bestehende ist seine eigene Utopie. Was Gott tut, das ist wohlgetan, es ist gerecht sein Wille.
Was Gott tut, das ist wohlgetan!
Er wird mich wohl bedenken;
Er, als mein Arzt und Wundermann,
Wird mir nicht Gift einschenken
Für Arzenei; Gott ist getreu,
Drum will ich auf ihn bauen
Und seiner Güte trauen.
Wir haben wieder die absolute lutherische Untertanenmentalität erreicht. Jedermann sei untertan der herrschenden Tradition, es gibt keine Tradition, die nicht von Gott wäre. Das Lutherjahr wird mental vorbereitet.
Greiner vermisst bei trauernden Atheisten „das Überwölbende“, das er nach Art deutscher Bildungsgimpel einmal transzendent und einmal transzendental nennt, weil sie den Unterschied nicht kennen. Das uralte Ritual weise über sich hinaus – „sei es auf Gott oder das Göttliche, sei es auf eine überwölbende Idee wie die Menschenrechte oder Ehre und Vaterland. Das Moment der Transzendenz, das dem Ritual wesentlich ist, hebt das Individuum aus seiner Zufälligkeit empor und ordnet es ein in eine höhere Ordnung.“
Menschenrechte sind nicht überwölbend, sondern allgemein. Gott kann sich selber helfen, Menschenrechte müssen von Menschen in Taten umgesetzt werden. Ehre und Vaterland auf dieselbe Stufe wie die Menschenrechte zu stellen, da hört man bereits die Brandreden der deutschen 1914-Hymnologen, die nichts mehr hassten als den Westen und die Französische Revolution.
Noch ein kleines Weilchen werden die Menschenrechte hochgehalten, dann verschwinden sie unauffällig im Müllcontainer mit der Überschrift: vom ehemaligen Feind übernommene neumodische Traditionen, überflüssig und kontraproduktiv.
Übernahme fremder Religionen sind – noch ein Weilchen – erlaubt. Greiner nennt sie synkretistisch, was auf Deutsch bedeutet: a) die unkritische Übernahme und Verschmelzung verschiedenartiger philosophischer Ansätze in einen eher zufälligen Zusammenhang, der innere Einheit und Widerspruchslosigkeit vermissen lässt, b) abwertend: eklektizistische Mischung religiöser Grundsätze und Lehren unterschiedlicher Herkunft.
Gedanken, Rituale, Religionen sind keine Waren, die man nach Belieben im Supermarkt auswählen darf. Folgerecht die Schlussdrohung: „Doch so leicht kommt man nicht davon. Man springt nicht von einer Tradition in die andere, man wechselt nicht die Kultur wie das Hemd.“
Wäre Greiner deutscher Kulturwart: da gäb‘s nichts mehr zu lachen. Der ganze neumodische Kram aus fernen Ländern muss – wie die Fremden und Flüchtlinge – an den deutschen Grenzen festgehalten und in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden. Greiner liebt die überwölbenden dauerhaften Sitten, Gebräuche und Traditionen der Deutschen.
Hätte er zur Zeit der Christianisierung der Germanen gelebt, er hätte mit denselben Argumenten die hergelaufenen Missionare aus Rom über die Alpen zurückschicken müssen. Die meisten Feste und Rituale der Christen sind nämlich nichts anderes als verfälschte – Heidenrituale. Das walte der fröhlich rammelnde Osterhase.
Es geht noch besser und deutlicher mit der Rückkehr in die lutherische Thron & Altar-Devotion:
Auftritt ein wackerer theologischer Bursch, der sich vor Tod, Teufel und seiner überaus zeitgeistwendigen Amtskollegin Käßmann nicht fürcht (die sich in ihrer BILD-Kolumne der sinnenfreudigen Idolfrau Angelina Jolie zu Werbezwecken für ihren frauen- und sexfeindlichen Glauben bedient. Da sieht man Helenen doch schon in jedem Weibe, besonders in der sündigen Bischöfin selbst). Es handelt sich um den Reserve-Offizier Ulrich Kronenberg, seines Zeichens evangelischer Militärpfarrer:
„Der Gebrauch von militärischer Gewalt kann nach Ansicht des Speyerer evangelischen Militärpfarrers Ulrich Kronenberg in bestimmten Konfliktsituationen gerechtfertigt sein“.
„Die Vorstellung, dass sich der Mensch der Schlichtung gewaltsamer Konflikte durch einen unbewaffneten Pazifismus entziehen könne, sei eine vor „Selbstgerechtigkeit triefende Hybris“, sagte Kronenberg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die menschliche Natur sei nach biblischer Vorstellung böse und müsse nötigenfalls auch mit Waffengewalt im Zaum gehalten werden. Der Reserveoffizier widersprach damit der Reformations-Botschafterin Margot Käßmann. Diese hatte in einem Zeitungsinterview die vermehrten Rüstungsexporte Deutschlands kritisiert und die Vorstellung eines „gerechten Kriegs“ in Notlagen zurückgewiesen. Auch gegen Hitlerdeutschland sei ein Krieg nicht gerechtfertigt gewesen.“
Kriege sind schrecklich, selbst der Krieg gegen Hitler war keine aseptische medizinische Operation – aber absolut notwendig. Wäre es nach Käßmann gegangen, lebten wir seit einem dreiviertel Jahrhundert unter der Knute eines Völkerverbrechers, der nicht nur ganz Europa unter seine Herrschaft gebracht hätte, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch einen Großteil der Welt. Sein begehrliches Auge war bereits auf Mexiko gefallen.
Indem die evangelische Margot Jolie Käßmann den Kampf der Alliierten gegen Hitler unterschiedslos als ungerechtfertigt verurteilt, legitimiert sie im Nachhinein – ob bewusst oder nicht – faktisch und konkret das NS-Regime. Ein totalitäres Schreckensregime wäre ihr lieber als die heutigen demokratischen Verhältnisse. Das entspricht der Rehabilitation Hitlers unter der Maske einer Grundsatzpazifistin.
Unrecht erleiden ist besser als Unrecht tun, ist die moralisch persönliche Devise eines Mannes, der keine Bedenken hatte, an den Kriegszügen seiner Polis teilzunehmen. Verbrechen der totalitären Moderne hätte Sokrates sich nicht vorstellen können. Hätten die Perser die Griechen platt gemacht und Athen erobert, hätte es unter Umständen – was nicht bedeutet, dass die persischen Könige Vorläufer Hitlers waren – weder eine Demokratie, noch philosophische Schulen gegeben, die – wider das Christentum – den Verlauf der abendländischen Geschichte mit beeinflussten.
(In der Anfangszeit der Grünen debattierten sie das Konzept der ‚Sozialen Verteidigung‘. Ohne militärische Gegenwehr sollten die Russen Deutschland besiegen können und dennoch den Frieden verlieren, weil eine selbstbewusste Bevölkerung durch subversiven Ungehorsam die Besatzung unterliefe. Das setzt eine äußerst autonome Bevölkerung voraus – und eine Besatzung, die an einer Auslöschung der „Feinde“ nicht interessiert wäre. Gandhis pazifistischer Widerstand wäre gegen einen Hitler am ersten Tage über den Haufen geschossen worden.)
Wären die Deutschen in der Lage gewesen, ihren Messias mit einem Genickschuss zu liquidieren, hätten sie nicht nur vielen Juden, sondern auch amerikanischen Boys, russischen, englischen und französischen Soldaten, unschuldigen Kindern und Frauen das Leben gerettet.
Ist Pazifismus nicht der Wille, den größtmöglichen Frieden der größtmöglichen Zahl zu verteidigen? Käßmanns moralische Desavouierung des Alliierten-Krieges ist verhängnisvoller als alle absurden Bemerkungen Noltes im Historikerstreit zusammen. Ihre Stellungnahme ist auch kein Pazifismus, sondern lutherische Untertanengläubigkeit. Jede Obrigkeit ist von Gott und daher klaglos hinzunehmen, selbst eine Hitler- oder Stalindespotie muss ertragen werden.
Was das Dritte Reich betrifft, tut Käßmann eben das, was ihr Kritiker, der Speyerer Militärpfarrer ihr für die Gegenwart empfiehlt:
„Kronenberg kritisierte, dass sich die evangelische Kirche mit einer „gouvernantenhaften Weltverbesserungspolitik“ in politisches Handeln einmische. Gemäß der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre solle sie sich auf die Verkündigung der biblischen Botschaft konzentrieren. Seit Jahrzehnten folge die Kirche einem realitätsfernen und ideologischen Pazifismus.“
Luther pur. Die Kirche solle sich – gut augustinisch – auf die unsichtbare Kirche, das Reich Gottes, konzentrieren und den Staat, das Reich des Satans, sich selbst überlassen. Gott wird alles Irdische zertrümmern, wenn der Messias wiederkehrt. Mit der Ignorierung des weltlichen Staates wird dieser in seinem Tun und Machen abgesegnet. Sollen die satanischen Mächte sich doch gegenseitig vertilgen, mit dem kommenden Reich der Himmel haben sie nichts zu tun.
Weil der Zeitgeist es will, mischt Käßmann sich in die Politik der Gegenwart ein. Ändert sich der Zeitgeist, werden wir von der Theologin nichts mehr hören.
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen. Die Kirche verfügt über alle erdenklichen Register des Welthandelns. Sie hat schon alles erlebt und alles überlebt. Nie wird man sie auf dem falschen Fuß erwischen, immer kann sie eine passende Willenserklärung des Himmels aus dem Ärmel ziehen. Der Herr tut Gutes, er tut Böses, seine JüngerInnen folgen ihm widerspruchslos.
Die ecclesia patiens, die leidende Kirche, war solange das Vorbild der Deutschen, solange sie selbst leiden mussten. Seitdem sie die wichtigste Macht Europas geworden sind, sind die Tage des frommen Kopfnickens gezählt. Die ecclesia militans hat längst ihre Fahne Christi erhoben, um zum wehrhaften Streit gegen die Ungläubigen aufzurufen.
Zuerst behutsam mit dem Argument, die Ressourcen-Nachschubwege einer rohstoffarmen Nation zu schützen (so der zurückgetretene Bundespräsident Köhler). Heute braucht Gauck keine aktuelle Krise mehr. Gegen das Grundgesetz fordert er militärische Einsätze in aller Welt.
Gewiss, Deutschland muss verteidigungsfähig sein, doch der beste Einsatz für den Frieden ist – der Einsatz für den Frieden.
Von Gauck hört man nichts über wirtschaftliche Ursachen der Kriege. Das globale Wirtschaftsgebaren der mächtigen Staaten ist das Äquivalent vieler militärischer Vernichtungsfeldzüge. Den militanten Kapitalismus immer nur mit der hohlen Formel Freiheit zu verteidigen, heißt, dass der Rostocker Pastor von tätiger Prophylaxe und langfristiger Austrocknung der Kriegsursachen nichts hält.
Wir sind schon wieder in wilhelminischen Zeiten. Und Gauck kostümiert sich wie ein wiedererstandener Bismarck. Auch Bismarck – verheiratet mit einer gläubigen Pietistin – hatte keine Probleme, seine Kriege mit dem Willen seines Blut- und Eisengottes in Einklang zu bringen.
Kronenberg verurteilt in scharfen Worten die Selbst-Gerechtigkeit seiner Kollegin. In der Tat darf eine protestantische Christin nicht auf ihr Selbst bauen, um vor Gott gerecht zu werden. Sie muss die Fremdgerechtigkeit Gottes akzeptieren. Voraussetzung der Fremdgerechtigkeit ist die totale Selbstauslöschung des Gläubigen, der sich dem Willen Gottes unterordnet. Selbst-Auslöschung ist eine ideale Eigenschaft stolzer Demokraten.
Schon der katholische Kardinal Meißner hatte seinen christlichen Soldaten das Recht bescheinigt, gottlose Feinde im Einklang mit dem göttlichen Willen zu töten. Da will die evangelische Kirche nicht hinten anstehen:
„Die menschliche Natur sei nach biblischer Vorstellung böse und müsse nötigenfalls auch mit Waffengewalt im Zaum gehalten werden.“
Die Deutschen haben ihr Vorkriegsniveau einer gottgerechten Selbstgerechtigkeit fast wieder erreicht. Der fromme Bundespräsident, der fromme Bundestagspräsident, die fromme Kanzlerin, die Mehrheit der frommen Abgeordneten in allen Parteien, die Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche, die meisten Theologen, die Majorität der frommen Medien: sie alle haben keine Einwände mehr, ihren gottgegebenen Wohlstand auf dem Felde der Ehre zu verteidigen.
Nachdem viele Nachkriegsjahre lang die Rede war vom linken und rechten Backen, ist es wieder an der Zeit, an das Deus lo volt – Gott will es – zu erinnern, die päpstliche Legitimation für die Kreuzzüge. „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“
Unter Schwert könnten geistbegabte Theologen freilich auch einen Brieföffner verstehen, mit dem man die Botschaft der Liebsten öffnet. Der Geist weht, wie er will.