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Tagesmail

Panzer des Glaubens

Hello, Freunde des Iraks,

„hier im Irak sieht es aus, als seien die Amerikaner nie dagewesen“, sagte Kriegsreporterin Antonia Rados.

Sie hätte sagen sollen: „hier im Irak sieht es aus, als seien die Amerikaner da gewesen. Es sieht aus wie überall, wo Amerikaner die Welt verbessern wollten, nur nicht wussten, wie man das anstellt“. Sie wissen nicht einmal, dass sie es nicht wissen. Das allein wäre die Voraussetzung, um zu lernen, was man nicht weiß – wenn man dem Heiden Sokrates folgen würde, was bei Jesuanern eher unüblich ist.

Als Demokraten wollen die Amerikaner die Welt verbessern, als Christen können sie die Welt nicht verbessern, denn sie ist unverbesserbar.

Als Demokraten glauben sie an die Reformfähigkeit der Welt, als Christen brauchen sie reformunfähige Glaubensfeinde, die sie mit Gottes Hilfe dezimieren.

Demokratische Ziele schließen eschatologische aus. Ist der Mensch ein Satansbraten, muss er eliminiert werden, ist er ein Mensch wie du und ich, kann man sich in ihm wiedererkennen.

Das demokratische Element der Amerikaner dezimiert ihr christliches, das christliche Element ramponiert ihr demokratisches. Den Widerspruch haben sie noch nicht erkannt, denn Demokratie und Freiheit sind für sie Geschenke ihres Gottes.

Kinder sind stolz auf Geschenke. Ausgerechnet aber die stärkste Leistungsideologie der Welt will das Wichtigste in ihrem Leben nicht selbst erarbeitet haben, sondern lässt sich Menschenrechte und Selbstbestimmung vom

Himmel herunterreichen. Im Moneymachen hängt alles von ihrer Tüchtigkeit ab, im Demokratiemachen hängt nichts von ihnen ab, da lassen sie sich bescheren wie an Weihnachten.

Was nichts kostet, kann auch nichts taugen. Also unterlassen sie nichts, was dem Ruf der Demokratie schaden könnte. Sie haben es geschafft, das Image der westlichen Demokratie rund um den Globus in den Keller zu fahren. Dass überall postdemokratische Lockrufe wach werden, ist dem Westen zu verdanken, der die eigene Demokratie als Auslaufmodell vor die Hunde kommen lässt.

Die EU immer stramm hinterher. Europa ist nicht mehr ein Kontinent für freie Menschen, die sich um das Schicksal der Menschheit sorgen, sondern ein „Ort der Arbeitsplätze und des Wirtschaftswachstums“ – so Rompuy, führender Denker der EU in Brüssel.

Der Westen hat es geschafft, den homo sapiens, den weisen Menschen, zum animal laborans, zum Arbeitstier, zu degenerieren. Arbeitstiere sind keine Wächter der Demokratie, sondern Objekte des Förderbands.

Da die elementaren Weltprobleme nicht gelöst werden, nicht gelöst werden können, wie sie sagen – obgleich sie fürs Problemlösen gewählt werden wollen –, weil sie so komplex sind, nicht gelöst werden dürfen, um ihre Ärzte vom Himmel nicht vor den Kopf zu stoßen, können sie nicht mehr voranschreiten, sondern prallen an ihren eigenen Verboten zurück, verfallen in untergründige Depressionen, die durch den Alltagslärm übertönt werden.

Go or grow, ist das Gesetz des Reifens, das die Neoliberalen entwendet haben und als Wirtschaftsgesetz ausgeben. Wer nicht weiter wächst in Selbsterkenntnis und praktischer Humanität, fällt in unbewältigte kindische Emotionen zurück und sucht nach überirdischen Hilfen.

Je unlösbarer die kollektiven Konflikte, je mehr schlägt die Stunde der Religion. Man weiß nie, was man braucht, wenn das letzte Stündlein geschlagen hat. Also Rückversicherung für den Fall aller Fälle durch Rückkehr zum allmächtigen Vater.

Das Utopieverbot ist dem Westen das heilige Verbot, ins Paradies zurückzukehren. Zwar glauben die Amerikaner, sich bereits im Neuen Kanaan zu befinden, doch allmählich macht sich der „deutsche“ Standpunkt breit, dass die Erde Ort des Leidens ist und erst im Jenseits das wahre Paradies ausbrechen kann. Was übrigens der Grund ist, warum Amerikaner keine Freunde der Revolution sein können. Wer hienieden schon mit einem Bein im Garten Eden weilt, wird keine Umstürzung aller Verhältnisse anzetteln, um zu gefährden, was er erreicht haben will.

Die Weltverbesserungsversuche der Amerikaner verlaufen immer nach demselben Drehbuch. Erst demokratischer Überschwang und militärischer Sieg über einen Feind. Als Befreier im Land des Übels angekommen, erwarten sie, das alle Befreiten sie als Sendboten des Himmels in die Arme schließen und über Nacht eine nagelneue Demokratie aus dem Hut zaubern. (In Nachkriegsdeutschland war das durchaus der Fall, die Welt aber weigert sich, deutsche Jüngerqualitäten zu entwickeln.)

Bleibt die erwartete Dankbarkeitseuphorie aus, kommt den Helden der Verdacht, dass es die Welt gar nicht verdient hat, gerettet zu werden. Und aus potentiellen Demokratieschülern werden allmählich verstockte heidnische Sünder. Die Weltbeglücker werden bockig, beschränken sich immer mehr darauf, Soldaten zu sein und keine Lehrer – und schon ist das neue Unheil da.

In Afghanistan waren die amerikanischen Boys die militärischen Helden, die Deutschen durften die Sanitäter und Brückenbauer spielen, bis die verruchten Taliban die Gutmenschen aus Germany zwangen, ihre Maske abzunehmen und zum Heckler&Koch-Schnellfeuergewehr zu greifen. Das war das Erweckungserlebnis von Kundus.

Inzwischen gestatten die Deutschen nicht mal ihren ehemaligen Dolmetschern nach Deutschland auszuwandern, so lieb haben sie die geretteten Feinde gewonnen. So endet der westliche Glaube an die Verbesserungsmöglichkeit des Menschen im Allgemeinen und des heidnischen im Besonderen.

Am Ende sieht‘s in Afghanistan und im Irak aus, als hätten die Wandalen dort gehaust. Nichts ist besser geworden, nur der Glaube an die moralische Überlegenheit des Westens ist bis ins letzte Dorf am Hindukusch vorgedrungen – und widerlegt worden. Die Besatzer werden als Inkarnation der Heuchler empfunden, gegen die sich eine fundamentalistisch aufgeheizte einheimische Bevölkerung mittels Untergrundarmeen oder terroristischer Schläfer-Agenten in Feindesland zur Wehr setzt.

Amerika hat seine Glaubensfeinde wieder, das demokratische Fieber ist auf den Nullpunkt gesunken. In diesem Zweiertakt schaukelt sich der Westen ins Finale seiner Heilsgeschichte. Der Glaube an die Demokratie schmilzt, der Glaube ans Reich der Himmel wächst proportional zum Glauben an die unrettbare Welt.

Über jeden missglückten Demokratisierungsversuch freuen sich die Engel im Himmel und ihre Stellvertreter auf Erden, die ihre Heimkehrer mit Gospelgesängen begrüßen. Ausgenommen die Krüppel und Kriegsinvaliden, die die Chuzpe haben, als persönliche Versager das heldenhafte Bild von Gods own Country in den Schmutz zu ziehen. Sie erhalten kaum psychologische und medizinische Betreuung und müssen froh sein, wenn sie nicht als Obdachlose im New Yorker Untergrund landen.

Will man einen Menschen kennen lernen, muss man seine unbewussten Gedanken und Fantasien ans Licht bringen. Will man ein Land kennen lernen, muss man seine Filme betrachten. Filme sind in Bilder übersetzte kollektive Fantasien. Will man Amerika kennen lernen, muss man Hollywood unter die Lupe nehmen.

Amerikanische Politik wird nicht im Weißen Haus erfunden. Sondern in der Traumfabrik am Ufer des Pazifiks. Die Traumfabrik liefert die Wunschbilder, der militärisch-technische Komplex führt sie aus. Die Armee stellt ihre neuesten Mordmaschinen zur Verfügung, dazu das properste Personal. Die Ästheten des american way of life liefern die illustren Bilder in alle Welt, um die Überlegenheit des Kontinents in geschichtstheologischen Endfragen eindrücklich unter Beweis zu stellen.

Jüngstes Beispiel: die „Endzeitserie The Last Ship“, eine Arche Noah-Version der letzten Tage der Menschheit. (Christian Buß in SPIEGEL Online)

Endlich spielen die USA wieder die Weltpolizei, die Rechte darf jubeln, schreibt der SPIEGEL, nachdem der Präsident im Weißen Haus matt und lau geworden ist beim Welterretten.

Das Kriegsschiff The Last Ship „treibt auf dem Meer dahin, die letzte Scholle der Freiheit und der Demokratie. Über den Globus ist eine Pandemie hereingebrochen, 80 Prozent der Weltbevölkerung sind dahingerafft, die US-Regierung ist nicht mehr existent. Die Verteidigung der amerikanischen Werte und Weltordnung liegt jetzt allein bei der Besatzung des Zerstörers „U.S.S. Nathan James“, die durch eine viermonatige Geheimmission in der Arktis von dem Virus verschont geblieben ist.“

Die ganze Welt ist vom Bösen verseucht, nur Amerika nicht. Warum? Weil es aus dem Unberührten, Reinen, von Viren und vom Bösen Befreiten gekommen ist: dem ewigen Eis, dem Symbol der Reinheit. Amerikas Quelle ist unbefleckt vor Gott und den Menschen. Erst durch Berührung mit der sündigen Alltagswelt der Heiden muss sie den Endkampf gegen das Böse aufnehmen.

Der Kapitän ist streng, aber gerecht, eine Mischung aus Clint Eastwood, Gibbs aus NCIS und dem Moses-Darsteller Charlton Heston. Die Mannschaft ist moralisch vorbildlich und ein wenig dem modernen Zeitgeist assimiliert.

„Unter dem Kommando des strengen, aber gerechten Kapitäns Tom Chandler (Eric Dane) arbeiten Männer und Frauen, Schwarze und Weiße, ja sogar Heterosexuelle und Homosexuelle Hand in Hand. So sieht es aus, das Militär mit modernem Antlitz. Und werden die Soldatinnen und Soldaten dann doch mal von Zweifeln und Ängsten geplagt, trifft man sich auf dem Vorderdeck zum gemeinsamen Beten. Hat man Opfer zu beklagen, schmeißt sich die Crew in strahlend weiße Paradeuniformen und versammelt sich auf dem Hinterdeck, um von den Kameraden und Kameradinnen Abschied zu nehmen. Der Glaube an die Gemeinschaft ist unerschütterlich, die Hoffnung auf Weltenrettung ebenso.“

Das letzte Buch der Bibel hat, wie immer, das Drehbuch mitgeschrieben: „Wer überwindet, der wird mit weißen Kleidern angetan werden und ich will seinen Namen nicht auslöschen aus dem Buch des Lebens.“ Die weißen Kleider sind die weißen Paradeuniformen, das Buch des Lebens ist das alleswissende Chip-Archiv der NSA.

Erstaunlich, dass nur 80% der Weltbevölkerung dahingerafft wird, sonst liegt die Quote der Höllenkandidaten bei 99,9%. Da müssen listige PR-Agenten beim Schreiben des Drehbuchs mitgewirkt haben, die es für unklug hielten, der ganzen Welt unisono die rote Karte zu zeigen. Wer weiß, so die untergründige Botschaft des Films, ob ihr Zuschauer in Old Germany nicht auch zu den Erwählten gehört. Es wäre kontraproduktiv und geschäftsschädigend, der ganzen Welt nicht die geringste Hoffnung zu lassen.

Die Verruchten werden auf das bekannte Reich des Bösen beschränkt: auf die Russen – obgleich die nach dem Fall des Sowjetreiches auch wieder fromm geworden sind. Das scheint sich in Hollywood noch nicht herumgesprochen zu haben. Das Schiff trifft auf einen mit Atomwaffen ausgestatteten Zerstörer. Die Russen „rauchen und saufen, radieren aus einer Laune heraus mit ihren Raketen Frankreich aus und meucheln sich, gottlos wie sie nun mal sind, auch schon mal untereinander. Musterdemokraten versus Barbaren – mitten im Endzeitszenario ist auf einmal der Kalte Krieg zurück.“

Nein, nicht Musterdemokraten versus Barbaren, sondern Erwählte gegen Verworfene. Das lernt der tiefgläubige SPIEGEL nie und wenn der Teufel die Redaktion am Kragen hätt. Obgleich alles biblisch, apokalyptisch und eschatololgisch bis aufs I-Tüpfelchen ist, verschwendet Christian Buß keinen einzigen Gedanken an die Heilige Schrift als Uragenda Hollywoods.

Religion muss außen vor bleiben, auch wenn sie dem Zelluloid aus den Poren trieft. Es geht zu wie bei Jauch, als er in seiner letzten Talkshow nach der Motivation der Isis-Krieger fragte: welche politischen Ziele verfolgen diese muslimischen Fundamentalisten – oder geht’s um Religion? Religion kommt von oben und darf mit Politik nicht infiziert sein.

Hollywood stimmt die Welt auf die Endzeit ein. Kein Wochenende ohne den obligaten Weltuntergangsfilm im Deutschen Fernsehen. Die Welt soll sich langsam drauf einstellen, dass ungeheure Ereignisse bevorstehen. Amerika hingegen wird zum Hort der Seligen. Also lautet die Botschaft: Welt, sei nicht neidisch, wenn apokalyptische Reiter nur in deinem gottlosen Reich hausen – und nicht bei uns, dem Land der Erwählten.

Die schwindende Lust zur Demokratie, die überall aufschießende Nervosität und Aggressionsbereitschaft: sie sind bereits die Vorboten des Unsagbaren, das in der Schrift gesagt wurde:

„Wenn ihr nun sehen werdet den Greuel der Verwüstung (davon gesagt ist durch den Propheten Daniel), daß er steht an der heiligen Stätte (wer das liest, der merke darauf!), alsdann fliehe auf die Berge, wer im jüdischen Lande ist; und wer auf dem Dach ist, der steige nicht hernieder, etwas aus seinem Hause zu holen; und wer auf dem Felde ist, der kehre nicht um, seine Kleider zu holen. Weh aber den Schwangeren und Säugerinnen zu der Zeit! Bittet aber, daß eure Flucht nicht geschehe im Winter oder am Sabbat. Denn es wird alsbald eine große Trübsal sein, wie nicht gewesen ist von Anfang der Welt bisher und wie auch nicht werden wird. Und wo diese Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Mensch selig; aber um der Auserwählten willen werden die Tage verkürzt.
So alsdann jemand zu euch wird sagen: Siehe, hier ist Christus! oder: da! so sollt ihr’s nicht glauben. Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, daß verführt werden in dem Irrtum (wo es möglich wäre) auch die Auserwählten. Siehe, ich habe es euch zuvor gesagt. Darum, wenn sie zu euch sagen werden: Siehe, er ist in der Wüste! so gehet nicht hinaus, – siehe, er ist in der Kammer! so glaubt nicht. Denn gleichwie ein Blitz ausgeht vom Aufgang und scheint bis zum Niedergang, also wird auch sein die Zukunft des Menschensohnes. Wo aber ein Aas ist, da sammeln sich die Adler.“

Menschen, zieht euch warm an, so die kryptische Botschaft der Pentagon-Ästheten, ihr habt nur noch eine Chance im nah bevorstehenden Endkampf: wenn ihr zu Kreuze kriecht und anbetet.

Hannes Stein ist in der WELT noch voll überzeugt von der messianischen Sonderrolle der USA und schrieb einen flammenden Artikel zugunsten der einzigen „Leuchte in der Wüste“, ohne welche die Menschheit verraten und verkauft wäre.

„Jene Phasen, in denen Amerika versuchte, sich einzuigeln, waren für die Welt immer gefährlich. Es waren Phasen, in denen die Dämonen und Tyrannen frei herumliefen und tun konnten, was sie wollten.“ (Hannes Stein in der WELT)

Für die Welt wurde es immer besonders gefährlich, wenn Amerika sich isolierte und die heillosen Heiden sich selbst überließ. Hannes Stein bemüht das berühmte Bild Goyas vom Schlaf der Vernunft:

„Da sieht man einen Mann an einem Tisch, das Haupt vornüber gesunken, er hält ein Nickerchen. Und während er schläft, steigen hinter ihm die Ungeheuer hervor: Nachtmahre und Fledermäuse und Vampire. Der Schläfer – das sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Ungeheuer aber, die der Schlaf der Vernunft gebiert, besetzen gerade den Nahen Osten.“

Die Guten oder die christlichen Amerikaner schlafen, die Bösen oder die verruchten Isis-Muslime nutzen den Schlaf der Gerechten. Ahnten wir nicht schon immer, dass Amerika das Reich der Vernunft ist?

Was aber, oh Hannes Stein, hat Vernunft mit der Offenbarung Johannis zu tun? Ach, das wollten wir gar nicht so genau wissen. Hauptsache, die Kirche ist wieder im planetarischen Dorf, der Weizen wird gerettet und die Spreu landet im Orkus. Amerika, erwache und errette uns vor der Macht der Finsternis:

„O lasset uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasset uns wachen und nüchtern sein. Denn die da schlafen, die schlafen des Nachts, und die da trunken sind, die sind des Nachts trunken; wir aber, die wir des Tages sind, sollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung zur Seligkeit.“

Höchste Zeit, dass die Panzer des Glaubens und der Liebe in Nahost wieder rollen. Und sollte Amerika weiterpennen – forget it. Wir Deutschen stehen bereit. Im Welterlösen haben wir Übung.