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Schuldlos

Hello, Freunde der Unschuld des Werdens,

Nietzsche will eine Welt ohne Schuld. Der Historiker Clark will eine Geschichte ohne Schuld.

„Heute, wo wir in die umgekehrte Bewegung eingetreten sind, wo wir Immoralisten zumal mit aller Kraft den Schuldbegriff und den Strafbegriff wieder aus der Welt herauszunehmen und Psychologie, Geschichte, Natur, die gesellschaftlichen Institutionen und Sanktionen von ihnen zu reinigen suchen, giebt es in unsern Augen keine radikalere Gegnerschaft als die der Theologen, welche fortfahren, mit dem Begriff der „sittlichen Weltordnung“ die Unschuld des Werdens durch „Strafe“ und „Schuld“ zu durchseuchen. Das Christenthum ist eine Metaphysik des Henkers.“ (Nietzsche)

Der in England lehrende australische Historiker Christopher Clark wollte mit seinem Buch „Die Schlafwandler“ die Schuldfrage aus dem Thema „Erster Weltkrieg“ herausnehmen. Seine These lautet:

„Mich interessiert die Kriegsschuldfrage nicht, mich interessiert nicht, wer Schuld hat an diesem Krieg, mich interessiert, wie der Weg in den Krieg vonstatten ging.“ (Interview mit Christopher Clark)

Ist Clark ein nietzscheanischer Immoralist, der keine Schuld konstatieren will, weil er keine Moral anerkennt? Trifft er ein wachsendes Bedürfnis der Zeit nach dem Ende aller Schuld, nach der „Unschuld des Werdens“? Ist Schuld die Erfindung des Christentums, einer „Metaphysik des Henkers“? Zeichnet sich

das emotionale Ende der christlichen Henker-Ideologie ab?

Warum trifft Clark den nervus rerum des Zeitempfindens? Dass die Deutschen unschuldig sein wollen, nicht nur am Ersten Weltkrieg, erkennt man jeden Tag auf allen Ebenen. Sie wollen wieder normale Menschen unter normalen Mitmenschen sein. Der Ausnahmezustand der Schuld, der übergroßen Schuld, soll ein Ende haben.

Amerika und Deutschland sind sich einig: sie schauen nicht mehr zurück, sie blicken streng in die Zukunft. Zukunft ist die Zeit der Unschuld. Vergangenheit klagt uns an. Also muss die Vergangenheit ent-schuldet werden, damit die Historiker unter der geballten Schuld der Akten und Dokumente nicht zusammenbrechen. Gilt das Bedürfnis nach Ent-Schuldung für ganz Europa?

Ökonomische Schulden sind für Merkel eine Schuld, die abgetragen werden muss, um wirtschaftliche Unschuld zurück zu gewinnen. Für ihre Gegner sind Schulden notwendige Investitionen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Ohne Schulden läuft kein wirtschaftlicher Motor.

Clarks ursprüngliche Motivation ist anrührend und zeugt von angelsächsischer Fairness. Der Geschichtslehrer Clarks war ein Schüler des deutschen Historikers Fritz Fischer, der Deutschland die Alleinschuld am Ersten Weltkrieg gab. „Aber schon damals hatte ich das Gefühl – und ich war nicht alleine in der Klasse, so ein paar von uns hatten das Gefühl –, das ist etwas einseitig. Kann dieser Krieg wirklich deswegen ausgebrochen sein, weil ein Staat sozusagen die anderen Staaten provoziert hat?“

Kann schon. Dennoch ist das Unbehagen des jungen Clark berechtigt. In einer uralten Gruppe – die europäischen Staaten sind seit Jahrhunderten eine inzüchtig-zerstrittene Völkerhorde – wäre es unwahrscheinlich, wenn nur ein Staat Schuld am Konflikt hätte. Die Gruppendynamik einer über viele Epochen ineinander verschlungenen Gruppe ist unübersichtlich.

Schon ein normaler Streit in einer Kindergruppe ist kaum zu entwirren, weil Kinder ein gutes Gedächtnis und eine empfindliche Ursachen-Sensibilität haben. Jeder Paartherapeut kann ein Lied singen, wie einst ineinander vernarrte Liebespaare die Akten ihrer Verstrickungen ins Unendliche ausbreiten.

Normale Eltern lösen den Konflikt nach dem Motto: ist mir völlig gleich, wer angefangen hat. Jeder kriegt seinen Anschiss. Die Kinder werden unisono schuldig gesprochen, eine differenzierte Schuld- oder Ursachenforschung fällt aus. Bei solchen Kollektiv-Urteilen kann kein Kind die individuelle Struktur seiner Psyche kennen lernen. Wer pauschal schuldig gesprochen wird, hat keine Motivation mehr, persönliche Schuld zu vermeiden.

Die Eltern sind genervt und haben selbst keine Erfahrung im Erforschen der Ursachen. Als Kinder wurden auch sie kollektiv zu Schuldnern erklärt, nun geben sie die Kränkung ungefiltert an ihre Kinder weiter.

So entstehen unbegriffene Schuldkomplexe, in nationaler Hinsicht über viele Jahrhunderte. In Schuld-Religionen ist die ganze Menschheit vom Anfang der Geschichte an bis zu ihrem Ende mit Kollektivschuld infiziert. Schuldig sein ist die Regel. Wer unschuldig sein will, muss es beweisen – was ihm nur gelingt durch religiösen Beistand eines schuldvergebenden Gottes.

Man hat zwischen asiatischen Scham- und westlichen Schuldkulturen unterschieden. Das ist nicht trennscharf. Auch die Schuld der Sünder ist mit Scham verbunden. Vor dem Sündenfall waren die Ureltern nackt und „schämten sich nicht“. Nach der Tat versteckten sie sich unter den Bäumen, weil sie sich plötzlich ihrer Nacktheit schämten.

Schuld und Scham sind die Folgen ihres neuen – widergöttlich erworbenen – Wissens um Gut und Böse. Sie schämten sich ihrer Schuld, weil sie Gottes Gebot übertreten hatten. Schäm dich, heißt heute: sei deiner Schuld bewusst, vergiss nicht, dass du die Moral deiner Autoritäten verletzt hast.

Das ganze Leben in einer Erlöserreligion ist von Schuld bestimmt – und der Hoffnung, von dieser Schuld befreit zu werden. Und vergib uns unsre Schuld – wie wir vergeben unsern Schuldigern. Wenn Gott uns nicht vergibt, können wir auch unserem Nächsten nicht vergeben.

Die offiziellen Geschichtsbücher der Europäer handeln von Ruhmes- und Heldentaten, doch die ungeschriebenen Bücher quellen über von übergroßer Schuld, von der niemand hören und lesen will. Bis zum Überdruss wissen wir, dass wir schuldig sind.

Wie kommt es, dass die dauersündigen Europäer sich dennoch als strahlende Alphatiere der Weltgeschichte präsentieren – anstatt in Sack und Asche zu gehen? Wie ist es ihnen gelungen, ihre Hauptsünden in Ruhm und Ruhmestaten zu verkehren? Mit welchem Trick?

Ihren Trick nennen sie Religion. Wenn sie ihre Schuld bekennen, wird ihnen vergeben. Nach Gebet, Beichte und Buße sind ihre Sünden abgewaschen, das Spiel beginnt von vorn. So kam es, dass die größte Schuldkultur der Geschichte zur Kultur mit der blütenweißen Weste wurde.

Der Westen ist an der Welt schuldig geworden? Mag sein – in früheren Zeiten. Doch dank ihrer religiösen Tiefenreinigung sind sie unschuldig wie Neugeborene und beginnen jeden Tag ab dem Punkte Null.

Es kümmert die Europäer nicht, ob jene Völker ihnen vergeben, an denen sie ungeheure Verbrechen begingen. Ihnen genügt es, wenn ihr unsichtbarer Vater ihnen im Kämmerlein oder im Beichtstuhl vergibt. So erhalten wir das Bild einer schuldüberladenen Kultur, die vor der Welt in strahlender Unschuld auftritt.

Die Widersprüchlichkeit der Schuldbeurteilung sehen wir auch bei Clark. Einerseits sollen alle somnambul unschuldig gewesen sein, andererseits spricht er von einer Giftdosis, die nicht nur alle vergiftet, sondern auch den Ersten und den Zweiten Weltkrieg, die Gräuel Hitlers und Stalins mit verursacht hat. Das kann keine kleine Giftdosis gewesen sein.

Der Interviewer: „Sie haben diesen Ersten Weltkrieg genannt die Giftdosis, die ein ganzes Jahrhundert vergiftet hat. Meinen Sie damit, dass damit gewissermaßen der Takt des ganzen Jahrhunderts vorgegeben worden ist.“

Clark: „Schlimmer hätte es nicht kommen können! Man kann sich kein schlimmeres 20. … Wenn man jetzt das Augenmerk auf die erste Hälfte des Jahrhunderts lenkt, dann kann man sich das nicht schlimmer vorstellen, als es eigentlich gekommen ist. Die Abermillionen, die wegen Hungertod, Vernichtungskrieg, Genozid umgekommen sind … Also, was Europa sich damals angetan hat, ja, also, das … Ich würde sagen, dieser Krieg hat das ganze Jahrhundert entstellt.“

Eine gigantische Schuld mit gigantischer Opferzahl – ohne konkrete Schuldige? Das geschieht in Europa so nebenbei? Woher kam das Gift? Wie entstand es in Jahrhunderten? Welche Ideologien und Konfessionen waren beteiligt? Keine Fragen, keine Antworten. Im Zweifelsfall ist Schuldkultur von blütenreiner Unschuld.

Auf die Frage des Interviewers: „Wollen Sie Deutschland exkulpieren (von Schuld frei sprechen)?“ antwortet Clark:

„Nein, überhaupt nicht. Sondern ich wollte nur den anderen Staaten sozusagen ihren Anteil auch geben. Also, man muss, ich finde, es steckt in dieser Insistenz auf die Alleinschuld oder die Hauptschuld Deutschlands ein Stück negativer Nationalismus drin, das ist eine Überschätzung der Bedeutung Deutschlands“.

Historiker sind fleißige Quellenforscher, mit der gemeinen Logik aber stehen sie auf dem Kriegsfuß. Deutschland von der Alleinschuld befreien, heißt, das Land von überproportionaler Schuld exkulpieren. Interessant die Begründung, Alleinschuld würde die Rolle Deutschlands überschätzen.

(Eigenartigerweise benutzt Ernst Nolte dasselbe Argument, um den Hass der Deutschen auf die „alleinschuldigen Juden“ als psychische Abnormität der Deutschen zu erklären, die die Wichtigkeit der Juden in der Geschichte maßlos überschätzt hätten.)

Tiefenpsychologisch darf man vermuten, dass dem jungen Clark die übermäßige Bedeutung des deutschen Gegners gegen den Strich ging. Er wollte sein angelsächsisches Selbstbewusstsein retten und den negativen Gigantismus der Deutschen „entmythologisieren“. Also hatte er doch ein festgesetztes Ziel seiner Forschung, genau das, was er vermeiden wollte, wenn er sich nicht von vorneherein auf einen Schuldigen kaprizieren wollte.

„Der Unterschied ist, wenn man zuerst nach Schuld fragt, dann sucht man sich eine verdächtige Partei aus und meint, ja, der ist wohl der Schuldige, sammelt dann Beweismaterial.“ „Ein blame game, (= Schuldzuweisung), genau, indem man sozusagen den Blick … nur einen bestimmten vermeintlich schuldigen Nationalstaat unter die Lupe nimmt.“

Ein seriöser Historiker ist wie ein objektiver Kriminalkommissar. Anfängliche Schuld- oder Unschuldzuweisungen hat er zu unterlassen. Erst wenn alle Fakten auf dem Tisch sind, kann er Hypothesen entwickeln, die er anhand des Materials verifizieren muss. Alles andere sind positive oder negative Vorurteile.

Dem Feind gegenüber wollte Clark nicht nur sportlich fair sein, er wollte dessen übermäßige Wichtigkeit reduzieren, um nicht das Britische Empire zur Bedeutungslosigkeit zu reduzieren.

Vollends absurd wird es, wenn die Verantwortung ins Spiel kommt. Interviewer: „Ja, deshalb fragen Sie nicht nach der Schuld, aber Sie fragen sehr wohl nach der Verantwortung.“

Ist Verantwortung nicht die Übernahme von Schuld? Verantwortung für Heldentaten zu übernehmen war noch nie ein Problem. Schwierig wird’s, wenn man sich zu seiner Schuld bekennen soll.

Clark: „Also, man sollte erst feststellen, wie kam es zu diesem Krieg, und dann, wenn man die Entscheidungen alle sozusagen beleuchtet hat, die ihn herbeigeführt haben, dann kann man die Frage stellen, wer ist für diese Entscheidung sozusagen verantwortlich. Und dann sieht man, die Verantwortung ist verteilt!“

Wenn Schuld verteilt ist, ist auch Verantwortung verteilt. Clark benutzt Verantwortung als Synonym für Schuld. Er will nicht, dass der Erste Weltkrieg ein „deutscher Krieg“ sei. Ganz Europa solle sich seiner Schuld – oder Verantwortung stellen. Dieser Gedanke ist europafreundlich, obgleich er von der Insel kommt.

In der Tat wäre es gut für die heutige Gruppendynamik der EU, wenn alle Nationen an ihre eigene Schuld dächten und nicht immer mit dem Finger auf stellvertretende Bösewichte zeigten. Europa war zu lange eine in sich verflochtene und vernetzte Nationenhorde, als dass einzelne Nationen nur unschuldig sein könnten.

In einer lebhaften Gruppe stachelt jedes Mitglied jedes andere zu unbedachtem oder aggressivem Tun an. Die Reihe der Kränkungen, Sticheleien und Bevorzugungen wird unübersichtlich, je länger die Gruppe miteinander kooperiert.

Dennoch kann das nicht heißen, dass alle Gruppenmitglieder gleich schuldig oder unschuldig sein müssen. Es gibt mächtigere und weniger mächtige, einflussreiche und weniger einflussreiche, psychisch stabile und weniger stabile, neurotischere und weniger neurotische Mitspieler.

Clark spielt die Rolle der deutschen Mutter, die ins Kinderzimmer kommt und weiß, dass alle Kinder in gleichem Maße Sünder vor Gott sind. Das ist rechtgläubige Theologie, die zur schlechten Alltagspsychologie geworden ist.

Clarks Buch ist gut gemeint, aber von mangelhafter gedanklicher Stringenz und von verheerender Gesamtwirkung. Gerade in der ersten, quasi-militärischen Krise der EU, in der kühle und selbstkritische Köpfe nötig wären, dürfen unschuldige Europäer sich nun alle Hände in Unschuld waschen – und den Sündenbock allein in Moskau suchen.

Die Weißwaschung der Westeuropäer verstärkt ihre Selbstgerechtigkeit gegen die demokratisch und wirtschaftlich Zurückgebliebenen im tiefen Asien.

Just diese Haltung des Westens, der den Kalten Krieg gewonnen hatte, war – nach Meinung der weißrussischen Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch – die Ursache der hochmütigen Brüskierung des bankrottierenden Sowjetreiches, die zur heutigen Situation führte.

Hätten die Russen nicht das Gefühl, im Vergleich mit dem überlegenen Westen minderwertig zu sein, wären sie nicht in Versuchung geraten, ihr mangelhaftes Selbstgefühl durch eine illegale Okkupation zu kompensieren. Hätte der Westen sein Wort gehalten, die NATO nicht auszudehnen, hätte er zudem das hilflose Riesenreich unterstützt, wie Amerika einst Nachkriegsdeutschland mit dem Marshall-Plan unterstützte: Putin wäre nie auf die aggressive Idee gekommen, sich mit anrüchigen Muskelspielereien zu profilieren.

Wann entstand in Europa das Problem der Schuld? Schuld – nicht zu verwechseln mit Ursache, die mit Schuld nicht identisch sein muss – kann nur auftreten, wenn eine allgemeine Moral das Volk, den Clan, die Gruppe, miteinander verbindet.

Homers Helden kannten noch keine Schuld. Ihren Göttern standen sie noch in unbefangener Schuldlosigkeit gegenüber. Jenseits von Gut und Böse. Ab Hesiod erst beginnen sich die ersten religiösen Schuld- und Demutsgefühle einzuschleichen.

Die Griechen beginnen, moralische Standards herauszufinden, die im demokratischen Athen zur Formulierung der ersten allgemeinen Menschenrechte ausgearbeitet wurden. Die klassischen Tragödien deklinieren die „schuldlose Schuldigkeit“ in vielen Variationen.

In der biblischen Religion eröffnete die Urschuld die eigentliche Heils- und Unheilsgeschichte des Menschen mit seinem allmächtigen Gott. Religiöse Schuld markiert nicht einzelne moralische Fehler, die der lernfähige Mensch korrigieren könnte, sondern verurteilt den Menschen im Ganzen.

Das erbsündige Geschöpf kann tun und machen, was es will: es ist immer schuldig. Seine Schuld ist derart eminent, dass nur Gott selbst – mit Hilfe seines leidenden und auferstehenden Sohnes – sie negieren kann.

Die göttlichen Gebote sind bei Paulus nicht dazu da, dass sie vom Menschen befolgt werden. Sie sind unerreichbar, kein Mensch kann ihnen gerecht werden. Jeder Mensch muss schuldig werden, der sie aus eigener Kraft in die Tat umsetzen will. („Duplex usus legis“, der doppelte Gebrauch des Gesetzes bei Luther.)

Römer 3,19 f: „Wir wissen aber, dass das Gesetz alles, was es sagt, denen sagt, die unter dem Gesetz sind, damit jeder Mund verschlossen werde und alle Welt vor Gott strafwürdig sei; weil aus Werken des Gesetzes kein Fleisch aus ihm gerecht gesprochen werden wird; denn durch das Gesetz kommt nur Erkenntnis der Sünde.“

Mit anderen Worten: das Gesetz Gottes ist nicht dazu da, dem Menschen bei der Bewältigung seines Lebens moralisch beizustehen. Es dient nur den Zweck, den Menschen zum Sündenkrüppel zu degradieren und zu vernichten. Nur der Glaube an den Erlöser kann ihn retten. Gottes Gesetz ist eine Vernichtungsmoral.

Das ist die emotionale Grundatmosphäre des ganzen christlichen Abendlands, der Nietzsche mit der „Unschuld des Werdens“ entkommen wollte. Mit einer gewaltigen Reaktionsbewegung fegt der Pfarrerssohn alle Moral vom Tisch und verkündet die neue Frohe Botschaft von der grenzenlosen Freiheit der Immoralisten.

Wer keine Moral hat, wird durch keine an seinem amoralischen Wüten gehindert. Wie Gott über seinen eigenen Geboten steht und sich durch keine Moral einengen lässt, so der gottgleiche Übermensch Nietzsches.

Zu welch katastrophalen Folgen die anarchische Befreiung von aller schuldfähigen Moral führte, zeigen die Worte des übermenschlichen Führers der Deutschen. Am 22.8.1939 hielt er vor hohen Offizieren auf dem Obersalzberg eine Rede, in der er ausführte:

„Wir müssen unser Herz verschließen und hart machen. Wer über diese Weltordnung nachgedacht hat, ist sich klar, daß ihr Sinn im kämpferischen Durchsetzen des Besten liegt. Das deutsche Volk aber gehört zu den besten Völkern der Erde. Uns hat die Vorsehung zu Führern dieses Volkes gemacht, wir haben damit die Aufgabe, dem deutschen Volke, das mit 140 Menschen auf den Quadratkilometer zusammengedrängt ist, den nötigen Lebensraum zu geben. Größte Härte kann bei Durchführung einer solchen Aufgabe größte Milde sein.“

Die Kultur der übergroßen Schuld vor Gott, von der die Europäer sich nach zwei Jahrtausenden lösen wollten, führte zur allergrößten Schuld vor den Menschen.