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Hölle

Hello, Freunde der Hölle,

für Fragen der Kirche und Theologie haben deutsche Medien besondere Kirchenexperten. Meistens fromme und moderne Menschen, die das Geschehen um den Heiland objektiv beurteilen können. Wie die Verknüpfung von Glaube und Aufklärung überhaupt eine genuine Erfindung deutscher Denkarbeit ist.

Wenn es um den schlichten Autofreund Franziskus oder den unschlichten BMW-Freund Tebarz van Elst geht, muss beim schneidigen ZDF-Ankermann Kleber die „Leiterin der ZDF-Kirchenredaktion“ antreten und den – ein bisschen – zerrütteten deutschen Glauben an Gott und die Welt hurtig wieder in Ordnung bringen.

Wenn in der Phönix-Runde über Jenseitiges in irdischer Sündenanfertigung nachgedacht wird, sitzen fünf gramgebeugte Menschen – Moderator inklusive – in tiefen Sesseln, um Sorge über

die leidende Mutter Kirche zu tragen.

Oh bleiche Mutter Kirche,

Wie sitzest du besudelt
Unter den Völkern.
Unter den Befleckten

Fällst du auf.

Oh Kirche, bleiche Mutter,

Wie haben deine Gläubigen dich zugerichtet
Daß du unter den Völkern sitzest
Ein Gespött oder eine Furcht!

Das tiefe Geheimnis germanischer Helden ist ihre innige Beziehung zum bleichen Mütterchen Deutschland. Wurde es nicht immer wieder eingekesselt und geschändet von asiatischen Horden und gottlosen Erbfeinden?

Erst als das zerrüttete und ehrlose Deutschland zur neuen Macht in Europa herangewachsen war, verwandelte sich das grämliche Mütterchen in das stolze Vaterland in klingenden Wehr und Waffen.

Prompt übernahm die Kirche, einst strahlender Stern Mariens, die am Boden liegende Rolle der bleichen Mutter, die mit Herzblut gegen kalte Vernunft und glaubenslose Moderne verteidigt werden musste. Aus der ecclesia triumphans wurde mater dolorosa. Oh leidende Maria: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen.“ (Lk, 2,35)

Kernige deutsche Männer können Mutter Kirche nicht im Stich lassen, wenn sie ringsum von Feinden angepöbelt und lächerlich gemacht wird. Selbst, wenn die Kritiker Recht hätten, sie machen es sich zu einfach, wenn sie Reißaus nehmen zum schnöden Unglauben. Ein wackerer Sohn der Kirche steht ihr gerade dann bei, wenn sie aus allen Poren blutet und von Ungläubigen bespieen wird.

Wenn der grobkörnige Kardinal Marx – der sich nicht entblödet, sein Buch „Das Kapital“ zu nennen – kritische Fragen nach der Kirche abwenden will, „leidet er am meisten“ am desolaten Zustand der Kirche, womit er sich gegen heidnische Attacken wirksam immunisiert.

„Nachtreten“ ist in staatsfrommen Medien die Sünde wider den Geist. Wer schon in seinem Blute liegt, darf nicht mehr scharf beäugt werden – es sei, die Opfer heißen Griechen. Oder Sozialschmarotzer. Oder Edathy.

Der Kirchenredakteur der BLZ heißt Joachim Frank. Wenn alle Welt auf der Kirche rumhackt, hält Frank dem Papst, seinem neuen Star, die Treue.

„Papst Franziskus hat dem Rücktrittsgesuch des Limburger Bischofs stattgegeben. Statt schnellstmöglich zu handeln, wartete der Papst aber zunächst ab. Am Ende ist er der Einzige, der keine Fehler gemacht hat.“ (Joachim Frank in der BLZ)

Wie kann der Papst Fehler begehen, wenn er unfehlbar ist? Sitzt er in vollem Ornat auf Petri Thron, ist er zum Sündigen und Fehlermachen unfähig. Ex cathedra ist der Papst der einzige Mensch auf der Welt, der nicht irren kann. Dann ist er kein Mensch mehr, sondern dem Gotte gleich geworden:

„Ich will dir die Schlüssel des Reiches der Himmel geben; und was du auf Erden lösen wirst, das wird in den Himmel gelöst sein.“ Das ist der Blankoscheck eines unfehlbaren Gottes an seinen unfehlbaren Stellvertreter.

Frank preist den Papst just in dem Moment, in dem jener der Welt die Hölle zurückgebracht hat. Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren bedroht der oberste Katholik die schlimmsten Sünder der Welt – die Mafia – wieder mit der frisch restaurierten Hölle. Lange genug hatte die Kirche – aus Gründen der Anpassung an den empfindsamen Geist der Gegenwart – der Welt die Grauen der Hölle vorenthalten.

Für Kirchenredakteur Frank scheint es kein Fehler, die Welt wieder mit Höllenqualen zu bedrohen. Wenn schon die italienische Justiz weder mit Berlusconi noch mit der ehrenwerten Gesellschaft zu Recht kommt, muss die Kirche mit dem schärfsten Geschütz an die Front.

Wir sehen, dass die leidende Mutter Kirche sich wieder als Domina kostümiert, sonst würde sie sich nicht mit der Hölle militarisieren.

Wen wundert‘s, dass in Europa wieder die Truppen aufmarschieren, wenn die höllischen Bataillone wieder von der Kette gelassen werden? Immer, wenn der Himmel mit höllischen Strafen droht, drohen seine Schäfchen mit Angst und Schrecken.

Noch haben die Pazifisten nicht bemerkt, dass zuerst der Himmel entwaffnet werden muss, bevor auf Erden die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet werde können – die ohnehin niemand mehr benötigt.

Die Jahrtausende christlichen Regiments im Abendland waren Jahrtausende höllischen Terrors, die die Weltpolitik des Westens bestimmte. Keine Folterqualen, keine Bedrohungen des freien, selbstbestimmten Menschen, die schlimmer und schrecklicher wären als biblische Aussagen über die Hölle.

Wer hat die Schlüsselgewalt über den Ort des Entsetzens, der entsetzlicher nicht gedacht werden kann? Es ist das liebe Jesulein, jene Fabelfigur, die die Deutschen seit der Aufklärung vor der düsteren jüdischen Bibel retten wollten, indem sie den Erlöser zu einer Superausgabe des Sokrates verbogen und verformten.

Selbst die Nationalsozialisten, keine Freunde des hebräischen Rachegottes, überschlugen sich mit ihren Versuchen, das liebe Jesulein aus den Fängen der natur- und menschenhassenden Rabbiner zu retten.

Aus dem obersten Herrn höllischer Qualen wurde ein bedingungslos liebender Freund aller Menschen. Was das Neue Testament über den Oberherrn der Hölle sagte, wurde in freier Deutung zum Erlöser aller Menschen. Aller Menschen! Obgleich das Neue Testament nicht den geringsten Zweifel daran lässt, dass Er nur die Seinen ins Reich der Himmel holen will:

„Nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, welche du mir gegeben hast.“

„Ihr stammt vom Teufel als eurem Vater und wollt die Gelüste eures Vaters tun. Der war von Anfang an ein Menschenmörder und stand nicht in der Wahrheit.“

Das Johannesevangelium war das Lieblingsevangelium von Hitler & Co. Für heutige Zeitgeisttheologen ist Johannes eine spätere „manichäische Verfälschung“ der ursprünglichen Botschaft vom lieben Jesulein. Selbst, wenn es so wäre: das Neue Testament hat als Ganzes die abendländische Geschichte bis in die Knochen vergiftet.

Belanglos, wie die Schrift entstand, entscheidend ist nur, in welcher Form sie ihre gläubigen Bataillone mit Menschen- und Welthass flutete. Da hilft kein historisch-kritischer chirurgischer Eingriff, um das heutige Credo – in aufwendiger Schönheitsoperation zurecht gestückelt und manikürt – als Botschaft eines aufgeklärten Humanismus zu präsentieren.

Hier spricht der einzige und authentische Oberfürst der Hölle:

„Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und ich war tot und siehe, ich bin lebendig in alle Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“

Glaubt irgendjemand, dieser Himmelsterror sei den Abendländern äußerlich geblieben und hätte nicht mehr als zwei Jahrtausende mit europäischer Weltverseuchung gewirkt? Wie sähe die Gegenwart aus, wenn der Welt diese liebreizende Gute Nachricht erspart geblieben wäre?

Vor wenigen Jahren noch kamen Neugeborene ins Fegefeuer, wenn ihre Eltern sie nicht rechtzeitig der heiligen Taufe unterwarfen. Was für eine Kinderfeindschaft jener Herren im Talar, die selber nicht zeugen dürfen und sinnliche Liebe als Erfindung des Teufels verfluchen.

Glaubt irgendjemand, diese Kinderfeindlichkeit habe sich nicht in die Welt ihrer Abhängigen ergossen? Woher die heutige Kinderfeindschaft? Ein Erbstück unfehlbarer Schlüsselgewaltigen. Der Glaube hat die Welt überwunden. Heil den siegreichen Hirten und Schafen.

Man zeigt gern nach Amerika, um die Zahl jener Christen zu ermitteln, die ungerührt von säkularem Geschwätz an Himmel und Hölle, Tod, Auferstehung und Wiederkunft des Messias glauben. Wie viele der ach so aufgeklärten Europäer glauben an die Hölle?

„Laut der European Values Study glaubte im Jahr 1999 ein knappes Drittel der rund 40.000 befragten Europäer an die Existenz einer Hölle. In Deutschland glauben rund 15% der Befragten an die Hölle.“ Diese Millionen Europäer glauben daran, dass eine winzige Minderheit in den Himmel und die Mehrheit der Menschen – darunter vermutlich ihre liebsten Familienangehörigen – in die ewige Höllenqual einmarschieren.

Glaubt irgendjemand, dass selbsterfüllende Höllenpropheten zur friedlichen Weltpolitik fähig sind? Was sind die Ursachen unserer unendlich scheinenden Friedlosigkeit, die wir seit Malthus und Darwin – zwei angelsächsischen Theologen – der bösen Natur unterstellen?

Schaut die Natur an. Sie ernährt sich voneinander – aber sie ermordet sich nicht. Sie rottet sich nicht gegenseitig aus. Sie beschädigt nicht die Grundlagen ihres eigenen Überlebens. Sie beschränkt sich gegenseitig, um alle leben zu lassen.

(Dass eine Giraffe sich zärtlich von ihrem früheren, nun todkranken Pfleger verabschiedet, hätte man vor 20 Jahren für die Phantasie eines verrückten Tieridyllikers gehalten.)

Alle biblischen Höllenaussagen werden seit 200 bis 300 Jahren der Natur zugeschrieben – nur um die wahre Quelle des Hasses für fortlaufend humanistisch gefälschte Bibel-Botschaften zu retten. Der Geist der Moderne ist zu 80% ein Geist der kollektiven Lüge.

Glaubt nur der Pöbel an die klerikale Höllenbotschaft? Dann hören wir mal auf Kaiser Willems Hoftheologen, der in seiner Dogmatik über die Hölle schreibt:

Gleichgültig, welche biblische Schrift man aufschlage: „man wird finden, dass das Gericht, Himmel und Hölle die entscheidenden Ziele sind. Darin offenbart sich aber, dass der sittliche Charakter des Christentums als Religion erkannt und festgehalten ist. Die furchtbare Vorstellung von der Hölle, weit entfernt, einen Rückschritt in der Geschichte des religiösen Geistes zu bedeuten, ist vielmehr ein Beweis dafür, dass er die sittlich indifferenten Gesichtspunkte ausgeschieden hat und im Bunde mit dem sittlichen Geiste souverän geworden ist.“ (Adolf von Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Band I)

Es würde sich gar nicht lohnen, so ein Kirchenvater, ein Christ zu sein, wenn er nicht eines Tages im Himmel die Qualen der Verdammten in der Hölle mit Lust betrachten dürfte.

Womit die Frage beantwortet wäre, warum so viele Zeitgenossen Killerspiele und mit Leichen gepflasterte Krimis lieben. Wir genießen das Grauen der anderen, weil wir die Freuden der Hölle vorauseilend genießen.

Weiß jemand, was ewig ist? Etwas, was nie aufhört? Eine ewige Strafe hört nie mehr auf. So schrecklich müssen die Defekte der von Gott geschaffenen Sündenkrüppel sein, dass die Strafen nie mehr aufhören dürfen.

Hält irgendjemand diese unermessliche Straf- und Rachewut für verträglich mit dem Satz „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“? Die Christen können sich nicht lieben. Sie müssen sich hassen, wie sie den Teufel hassen, um grenzenlose Straforgien für richtig zu halten.

Als ein Kirchenvater, der noch über ein Mindestmaß an menschlicher Regung verfügte, die Höllenqualen zeitlich begrenzen wollte, wurde er von den damaligen Kirchenführern exkommuniziert:

„Im dritten Jahrhundert wurde durch Origenes jedoch auch die Lehre von der Apokatastasis (= Allaussöhnung) bekannt. Von der katholisch-orthodoxen Reichskirche wurde diese Sichtweise abgelehnt. In einem lokalen Konzil vom 543 wurde die Allversöhnungslehre verurteilt. Im Original: „Wenn einer sagt oder meint, die Bestrafung der Dämonen und der gottlosen Menschen sei zeitlich und werde zu irgendeiner Zeit ein Ende haben oder es werde eine Wiederbringung von Dämonen oder gottlosen Menschen geben, der sei ausgeschlossen.“

Die katholische Dogmatik will ganz modern sein und lehnt den Mythos von den feurigen Höllenqualen ab. Hölle ist für sie nichts als Gottesferne. Wäre Gottesferne aber nicht schlimmer als alles Schmoren im Feuer?

Die Lutheraner lassen sich in ihrem Hölleneifer von den Katholiken nicht in den Schatten stellen. Im Augsburger Bekenntnis von 1530 heißt es:

„Auch wird gelehrt, dass unser Herr Jesus Christus am jüngsten Tage kommen wird, zu richten, und alle Toten auferwecken, den Gläubigen und Auserwählten ewiges Leben und ewige Freude geben, die gottlosen Menschen aber und die Teufel in die Hölle und ewige Strafe verdammen. Derhalben werden die Wiedertäufer verworfen, so lehren, dass die Teufel und verdammten Menschen nicht ewige Pein und Qual haben werden.“

Das sanfte Jesulein will die ganze Menschheit erlösen? Er denkt nicht dran. Die Mehrheiten schickt er ins höllische Feuer:

„Wer seinem Bruder sagt, du Tor (= du Gottloser), soll der Hölle mit ihrem Feuer verfallen sein.

„Wenn dich aber dein rechtes Auge zur Sünde verführt, so reiss es raus und wirf es von dir; denn es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder verloren geht und nicht dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird.“ Das war die Gründungsurkunde der heiligen Inquisition.

„Der Sohn des Menschen (= das liebe Jesulein) wird seine Engel aussenden und sie werden aus seinem Reich alle sammeln, die ein Ärgernis sind und die, welche tun, was wider das Gesetz ist und werden sie in den Feuerofen werfen. Dort wird Heulen und Zähneklappern sein. Dann werden die Gerechten im Reich ihres Vaters leuchten wie die Sonne.“

Ist das nicht apart? Je satanischer das höllische Feuer, umso leuchtender die Sonne der Erwählten. Der Kontrast zur Hölle macht die Freuden des Himmels.

„Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet vielmehr den, der Seele und Leib verderben kann in der Hölle.“ Gott ist der Einzige, der den Menschen als Ganzes verderben kann. Was er kann, tut er auch. Sein Name sei gepriesen.

Wenn Christsein bedeutet, die Höllentexte für richtig zu halten – das bedeutet es –, der sage laut und deutlich seinen Kindern, Nächsten, Fernsten und Liebsten, die in der Gefahr sind, verloren und verdammt zu werden:

Ich bin und bleibe Christ und unterschreibe all diese Texte. Geht zum Teufel, höllische Brut. Was hab ich mit euch zu schaffen?

Danke, Vater der Christenheit! Rechtzeitig hast du uns daran erinnert, was die Frohe Botschaft in Wahrheit bedeutet: Mensch und Natur sollen zur Hölle fahren.