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Tagesmail

Schönheit ist Reichtum der Kirche

Hello, Freunde der Veränderung,

es geht doch. Die Gazetten beginnen sich zu zoffen. SPIEGEL gegen Ines Pohl von der TAZ, TAZ gegen Büchner und Blome vom SPIEGEL; Jan Fleischhauer vom SPIEGEL gegen die ZEIT in causa Gaschke, die ZEIT insgesamt gegen den SPIEGEL insgesamt. Die Entwicklung ist erfreulich. Bislang gab‘s immer nur eine Große Koalition im Medienteich. Die Tagesbeobachter spielten die objektiven Beobachter oberhalb von allem.

Was fehlt? ZDF gegen ARD. Kleber weist nach, in welchem Maß das Erste gewisse Bischöfe beim Prassen übertrifft, besonders beim Einweihen neuer Studios im Ausland; Caren Miosga lässt sich das nicht gefallen und richtet eine regelmäßige Kolumne ein, um Markus Lanz des Geldverschwendens an amerikanische Schauspieler zu bezichtigen, die seine Sendung postkoital regelmäßig für beknackt erklären.

Lanz sollte mit der Trophäe für den „gnadenlosesten Selbsthass bei ungetrübter Selbstverliebtheit“ ausgezeichnet werden.

Günter Jauch ist zu gut für den eitlen Zirkus. Er sollte Bundespräsident Gauck ablösen – der von Tag zu Tag schussliger wird und hemmungslos mit allen schönen Frauen flirtet. Aus pastoralen Gründen hätte er – doch jetzt ist es zu spät – auch mit hässlichen flirten sollen. (Jens Jessen in der ZEIT)

Es geht doch. Nach On-dit soll die Bundesregierung alle Möglichkeiten des bösen Scheins abschaffen. Da Bestechlichkeit vor allem eine Sache des

unersättlichen Hungers nach Akzeptanz ist, sollen alle psychischen, zumeist unbewussten Fremd-Quellen der Selbstoptimierung ausgeschaltet werden.

Bekanntlich geht die größte Verführung vom real existierenden Kapitalismus aus, von unwiderstehlichen Zahlen des Wirtschaftswachstums und steigender Anzahl der Milliardäre. Berlin scheint geneigt, nicht länger zu kleckern und will nun klotzen. Eine Arbeitsgruppe aus dem Finanzministerium soll Ausstiegsszenarien aus dem Kapitalismus vorlegen. Oder gleich den ganzen Sauladen auflösen.

Es geht doch. Aus Gerechtigkeitsgründen sollen sich Bußgelder ab jetzt nach der Einkommenshöhe des Verkehrssünders richten. Wie so oft zeigen die Finnen, wie es in Zukunft sein könnte. Ein finnischer Industrieller muss 95 000 Euro zahlen, weil er 27 km/h zu schnell gefahren ist. Wegen industriefeindlichen Moralisierens hätte die finnische Praxis – so der grüne Realo Kretschmann auf Nachfrage – bei uns keine Chance. (Sascha Gorhau in der SZ)

Es geht doch. Von einem monolithischen kapitalistischen System kann keine Rede sein. Man muss nur den Vorschlaghammer nehmen und den Koloss von allen Seiten behämmern. Nach dem Gesetz veränderlicher Qualität durch wechselnde Quantität wird das Monstrum das Handtuch werfen, wenn die Profitgarantien der Banken zur Lachnummer geworden sind. So geschehen in Andalusien:

„Dass es eine Alternative zur unsozialen neoliberalen Politik gibt, zeigt das Gesetz der andalusischen Regionalregierung. Es ermöglicht, Banken und Fonds vorübergehend zu enteignen, um zu verhindern, dass sozial schwache Familien aus ihren Wohnungen verwiesen werden. Aber klar: Madrid schreit auf und Brüssel auch.“ Schreibt Reiner Wandler in der TAZ.

Sollten Madrid und Brüssel nicht aufhören mit ihrem penetranten Geschrei, sollte man a) sie ungerührt schreien lassen, b) einfach nicht länger zuhören oder c) ihnen das Maul stopfen. (Kreuzen Sie bitte an und schicken Sie ihr belangloses Votum nach Brüssel.)

Es geht doch. Wahrheit ist möglich. Wenn deutsche Bischöfe in Bedrängnis kommen, dann wegen lumpiger Luxusbauten, die seit dem hohen Mittelalter das Privileg der ecclesia triumphans sind. Aber nicht wegen Unterstützung nationalsozialistischer Schergen.

(Hier erneut ein Beispiel, wie der Vatikan trickst, wenn es um seine unrühmliche Vergangenheit im Dritten Reich geht. Papst Pius XII. hat die römischen Juden im entscheidenden Augenblick im Stich gelassen. Von Klaus Kühlwein im SPIEGEL)

Es ist Unsinn, den Sohn eines Gottes, dem aller Reichtum seiner Schöpfung gebührt, auf Armut festzulegen. Das wäre blanker Unglaube an die Herrlichkeit des zweiten Paradieses. Die Schein-Armut des Zimmermannsohnes soll den heidnischen Hochmut der selbstgefälligen reichen und mächtigen Welt zuschanden machen. So richtig in BILD, wo ein frommer Adliger das Lukaswort zitiert:

„Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.“ (BILD)

Allerdings ist das Wort keine Legitimation der kategorischen, sondern der instrumentellen Armut, die alle ungläubigen Reichen in den Staub treten soll. Wer als deutscher Christ der Armut an sich geistlichen Wert verleiht, der sollte sich nicht wundern, wenn gläubige Amerikaner dem Reichtum das Siegel der Erwählung beilegen.

Weder Armut noch Reichtum sind sichere Zeichen der Liebe Gottes, vielmehr gilt: ama et fac, quod vis. Liebe und du kannst reich oder arm sein, wie du willst: am Ende erst wird alles gut werden. Denn deine Gesinnung entscheidet, nicht dein Bankkonto.

Wenn Armut an sich gut wäre, müsste der Himmel ein kärgliches Reich der ARM-seligen sein. Wenn Qualen und Leid an sich gut wären, müsste der Himmel ein Reich der Klagenden und Seufzenden sein. „Die Hungernden beschenkt er“, also sind sie am Ende reich. „Die Reichen lässt er leer ausgehen“, also sind die in der Hölle arm. Die leidvollen Seiten des Glaubens auf Erden sind Schein-Qualitäten, vorübergehende Prüfungen der Erwählten. Am Ende werden sie sich in Wohlgefallen auflösen.

Nach diesem Muster hat auch Marx seine Geschichtstheorie gestaltet. Erst müssen die Proleten ein Maximum an Ausbeutung, Not und Elend erdulden, dannn erst darf der Blitz von oben einschlagen und alles auf den Kopf stellen.

Eine Revolution ist keine nachhaltige Veränderung, sondern eine bloße Umkehrung von Herren und Knechten, eine Rotation von Elend zu Glück, von Glück zu Elend. Die Hungernden werden gespeist, die Reichen gehen leer aus. Ein finales Nullsummenspiel, wenn man das Glück der ungeteilten Menschheit will.

Zurzeit kämpfen die Deutschen um ihr Selbstbild. Vor der Welt sind sie reich, innerlich aber wollen sie arm sein. Weshalb sie ihren äußeren Reichtum als Plage und Sünde betrachten. Das ist der Grund ihres viel beklagten Missmuts und ihres Jammerns auf hohem Niveau. Sie fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut, können sich aber die Ursache ihres Unwohlseins nicht erklären. Dazu müssten sie in den Schacht ihrer Glaubensabgründe absteigen. Was die deutsche Bildung verhindern möge.

Wie in vielen Märchen wandelt Gott auf Erden in apokrypher, verkleideter Form. Die Falschen sollen ihn nicht erkennen, die Richtigen ihn trotz seiner Niedrigkeit erkennen. Klein-Jesu läuft nur vor der Auferstehung in ärmlichen Sandalen herum, danach erst trägt er die roten Slipper des Pantokrators (= Master of Universe) mit eingebautem Lichtturbo.

Im Mittelalter wird zum ersten Mal die Ästhetik des Schönen mit dem Heiligen verbunden. Ein Luxusproblem kann es in diesem Zusammenhang gar nicht geben. Denn Luxus ist unverdienter sündiger Überfluss. Die heilige Kirche aber ist jenseits von Sünd und Schand. Als unsichtbare Kirche ist sie schon hienieden vollkommen.

Jetzt muss die Frage kommen: wie kann die unsichtbare Kirche ihre Vollkommenheit als sichtbare in vollkommener Schönheit darstellen? An dieser Frage knabberten die frommen Ästhetiker. Sie entschieden sich für die Lösung des Joachim di Fiore: das Heilige und Vollkommene erscheint im Dritten Reich des Heiligen Geistes – nach dem Ersten Reich des Vaters und des Zweiten Reiches des Sohnes – bereits auf Erden.

Da Religion eine Projektion des Menschen in ein Jenseitiges ist, kann der projektive Charakter der Frommen nicht endlos durchgehalten werden. Irgendwann wird der Mensch ungeduldig und verlangt, seine abstrakten Vorstellungen in irdischer Ausfertigung mit all seinen Sinnen zu erfassen. Die ideelle Projektion im Himmel muss Fleisch, Gott muss Mensch werden. Das geglaubte Schöne des Neuen Jerusalem in Gold und Edelstein muss berührt, betrachtet und bestaunt werden.

Der auferstandene Herr sagt seinen Jüngern – die nicht glauben können, dass Er wirklich vor ihnen steht –: „Sehet meine Hände und Füße, dass ich es selbst bin. Rühret mich an und sehet. Denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr seht, dass ich habe.“

Irgendwann ist die projektive Glaubenskraft der Frömmsten am Ende. Dann wollen sie Konkretes. Das war beim auferstandenen Herrn der Fall, das ist der Fall beim wiederkehrenden Herrn, der nicht wiederkehren will, weshalb die Gläubigen die Wiederkehr erzwingen oder selbst inszenieren müssen.

Der Glaube an Unsichtbares kann eine Weile durchhalten, aber irgendwann nach der Verheißung muss die Stunde der Erfüllung schlagen. Dann muss das Heilige liefern. Wenn nicht, fallen die Menschen entweder ab oder sind gezwungen, das Heilige selbst zu produzieren.

In dieser Geschichtsepoche befinden wir uns seit dem hohen Mittelalter, das in technischen Allmachtsfantasien, ästhetischer Vollkommenheit und Weltherrschaftsvorstellungen das Reich Gottes auf Erden realisieren wollte. Der amerikanische „Sonnenstaat“ ist den mittelalterlichen Utopien eines Campanella, Thomas Morus wesentlich näher als die anti-utopischen Europäer, die in Reaktionsbildung zur nationalsozialistischen Schergenutopie sich alle utopischen Entwürfe verbieten.

Noch immer können sie nicht zwischen platonischen Zwangsbeglückungen und rationalen Zielvorstellungen unterscheiden. Kein Zufall, dass „Walden two“ – in deutscher Übersetzung „Futurum zwei“ –, die Utopie des Verhaltenstherapeuten B. F. Skinner, in Deutschland fast unbekannt geblieben ist.

In dieser Zukunftsgesellschaft werden alle Bürger von Verhaltenstherapeuten manipuliert, ohne dass diese die Lenkung durch Konditionieren bemerken würden. Dieselben Träume haben nicht nur kapitalistische Konsumanbieter, sondern vor allem NSA, Google und sonstige Alleswisser, die unser Innenleben, Kaufverhalten, unsere Krankheitsgefährdungen, politischen Einstellungen und kriminellen Wünsche eher wissen, als wir selbst.

Noch ist es die Szenerie eines Science Fiction, wenn eine Polizeitruppe ein Haus stürmt und den Besitzer mit der Begründung festnimmt, ein geplantes Verbrechen von ihm zu verhindern. Ohne Walden two des Psychologen Skinner keine NSA, keine Phantastereien eines Ray Kurzweil – des Silicongottes von FAZ-Schirrmacher.

Die Amerikaner machten nie ein Hehl daraus, dass sie das Reich Gottes auf Erden in technischer Omnipotenz errichten wollten. Roger Bacon, der englische Mönch aus dem hohen Mittelalter, würde im heutigen Amerika seine kühnsten Träume realisiert sehen.

Die mittelalterlichen Kathedralen, Münster, Kirchenfenster, Skulpturen und Gemälde sollten Gottes Herrlichkeit in Vollendung auf Erden nachbilden. Das Schöne war keine Eigenschaft des biblischen Gottes. Im Gegenteil. Ähnlich dem Dickwanst Sokrates, der das griechische Schönheitsideal beleidigte und dessen wahre Schönheit nur philosophisch zu erkennen war, so war der leidende Knecht Gottes kein Ausbund an Schönheit. „Er hatte weder Gestalt noch Schöne, kein Ansehen, dass er uns gefallen hätte. Verachtet war er und verlassen von Menschen, ein Mann der Schmerzen.“

Auch hier das Versteckspiel mit dem Gegenteil. Im gequälten und gekreuzigten Jesus sollte man den strahlenden Endsieger der Heilsgeschichte erkennen. Das Mittelalter im 12. und 13. Jahrhundert wollte die Epoche des hässlichen Märtyrers beenden und den Triumph des Endsiegs in architektonischer Formvollendung vorausnehmen. Wie Gott als deus artifex (Gott als Künstler) die schöne und vollkommene Schöpfung aus Nichts geschaffen hatte, so wollte der Mensch als Artifex Gott nacheifern und das Schöne erschaffen. Nicht aus dem Nichts, aber in gesegneter Arbeit und mit charismatischem Talent.

Zum ersten Mal in der europäischen Geschichte mauserte sich die leidende und hässliche Kirche zur siegenden und schönen Kirche. Die Stunde des kirchlichen Reichtums als offenbarte Schönheit war angebrochen. Dies war die Grundsteinlegung der reichen Kirche als Inkarnation der vollkommenen und schönen Kirche.

Davon wissen deutsche Christen nichts und tun, als müsse Gott als Landstreicher daherkommen, wenn er von linken Christen angebetet werden will. Wenn Kirchen reich sind, widersprechen sie keinem Tüttelchen der Heiligen Schrift. Deutschlands Armutsprojektionen sind Ausdruck seines schlechten Gewissens, das tief im Innern spürt, wie wenig Ahnung es hat es von seinem geliebten Glauben.

Sie würden gern moralisch sein, wenn sie nur wüssten, wie man moralisch ist. Krampfhaft halten sie sich an der Armut fest, einem Zustand, von dem sie am weitesten entfernt sind. Hat man ihnen nicht eingebläut: Moral ist, was man am wenigsten hat und man am heftigsten begehrt?

Je reicher die Deutschen werden, je mehr steigt der Pegel ihrer inneren Sündhaftigkeit. Es muss doch einen Motor geben, der die Geschichte antreibt und beschleunigt. Auf dass das Ende nahe herbeikommen möge.