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Russland und Amerika

Hello, Freunde des Iran,

was nicht sein darf, kann nicht sein: Böse können nichts Gutes tun. Der Iran gehört zum Reich des Bösen. Dieses Urteil kommt nicht aus dem katholischen, sondern aus dem protestantischen Vatikan: aus dem Weißen Haus in Washington.

Abgesehen von der irdisch-sündig-vergänglichen demokratischen Hülle Amerikas gibt’s viele Gemeinsamkeiten zwischen Papsttum und Gottes eigenem Land. Das Papsttum ist eine offizielle Theokratie, Amerika eine inoffizielle. Amerikaner kennen die äußerliche Trennung von Kirche und Staat, in Wirklichkeit steht die gesamte Politik Amerikas im Bann der Religion. Die Wiedergeborenen sprechen von ziviler Religion (civil religion), etwas, was in keiner deutschen Edelgazette je sinnvoll erklärt wurde.

Der Papst kann kraft Amtes – nicht als Privatperson – unfehlbare Urteile über Gott und Mensch äußern: Gott ist immer gut, der Mensch oft sehr böse. Nur brave Kinder Gottes sind hinlänglich gut – nicht im täglichen Leben, aber gewiss nach der Beichte –, dass sie in der Welt über Gut und Böse urteilen können. Am besten über Gut und Böse urteilen kann der Papst, der Vater aller Guten auf Erden, ob sie katholisch sind oder nicht.

Regelmäßig dringen politisch unfehlbare theologische Urteile aus dem Schneeweißen Haus und erklären der Welt ultimativ, welche Staaten gut und welche böse sind. Das braucht die christliche Welt, vor allem das laue Europa, zur Grundorientierung, sonst geht sie in die Irre und den Bösen auf den Leim.

Reagan war nicht der erste und Obama wird nicht der letzte amerikanische Präsident sein, der

die Spreu vom Weizen trennt. Nach dem Gleichnis vom Unkraut im Weizen dürften auch Amerikaner die Spreu nicht politisch und militärisch vom Weizen trennen. Erst am Ende der Tage, so der „Heilige des Evangelii“ (Kant über Jesus), dürfe man die Bücher zum letzten Gerichtsspruch offen legen.

„Lasset beides miteinander wachsen bis zur Ernte, und zur Zeit der Ernte will ich den Schnittern sagen: Suchet zuerst das Unkraut zusammen und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne: den Weizen aber sammelt in meine Scheune.“

Das Dritte Reich war Zeit-der-Ernte-Ideologie und also verbrannten die Schergen, was sie für Spreu hielten. Das war eine einmalige – wenn auch neutestamentlich abgesicherte – finale Brutalität. Auf wesentlich mildere Art, aber auch religiös fundamentiert, ziehen die Amerikaner eine präzise Linie zwischen Guten und Bösen, Erwählten und Verworfenen, Spreu und Weizen. Das Urschema ist dasselbe.

Die Weltpolitik der stärksten Macht der Welt ist unverhüllt dualistisch. Das verbindet sie mit ihren verhassten Gegnern, die die Welt ebenfalls mit dem Rasiermesser in Schwarz und Weiß einteilen. Nichts verbindet mehr als reziproker Hass. Wenn Amerika überzeugt ist, die Lizenz zum wirtschaftlichen, technischen und militärischen Polizeidienst Gottes zu besitzen, um das schlimmste Unkraut zu jäten, so bedeutet das: Amerika befindet sich in der Zeit der Ernte.

Seit der Entdeckung des neuen Kontinents ist Neukanaan, das Paradies am Ende der Tage, ausgebrochen. Die puritanischen Erwählten sind die Schnitter der Weltgeschichte. Sie müssen für endgültige Ordnung sorgen und dem Herrn, der da kommen soll, gesicherte Bilanzen übergeben.

Diese amerikanische Endzeit-Mentalität ist ihren deutschen Freunden so gut wie unbekannt. Deutsche suchen unentwegt nach dem Paradies, das sie aus Lustangst und Utopieverbot nicht finden dürfen. Sie wollen nicht wissen, welche tiefgreifenden Unterschiede es zwischen Alt- und Neueuropa gibt. Sonst müssten sie sich mit ihren Befreiern streiten, wer Recht hat: die aufgeklärt sein wollenden, entmythologisierten Deutschen oder die verbalinspirierten Biblizisten aus dem Bibelgürtel.

Deutsche haben nicht den blassesten Dunst von ihrem heiligen Buch. Es ist in Deutschland das unbekannteste Buch der Weltgeschichte.

(Das literarische Quartett hätte öfter Bibellesungen machen müssen, dann hätten die Intellektuellen nach dem dicken Buch gegriffen.

Der verstorbene Marcel Reich-Ranicki wird von seinen Nekrologen für Eigenschaften gerühmt, die keiner seiner Lobredner beherrscht, gar nicht beherrschen will: für das leidenschaftliche Talent, Klardeutsch zu sprechen. All die Schirrmachers, Radischs und Lovenbergs reden hymnisch von Fähigkeiten, die sie in ihrem eigenen Medienalltag vollständig vermissen lassen, ja bei anderen niederbügeln.

Was Rudolf Augstein für das politische Parkett, war der in biblischem Alter verstorbene Reich-Ranicki auf literarischen Parkett. Nicht zufällig ist der von ihm mitinspirierte Bachmann-Wettbewerb eine der besten Debattensendungen des deutschen TV.)

Der Schein der gemeinsamen Kulturwerte zwischen Deutschland und Amerika muss gewahrt werden, obgleich die Unterschiede täglich deutlicher werden und die beiden Erdteile langsam, aber sicher in antagonistische Richtungen davondriften. Man muss nicht mit dem Fernrohr in die Zukunft blicken, man muss nur hinter die gegenwärtigen Kulissen schauen, um die zukünftige Konfliktgeschichte zwischen Neukanaan und Alteuropa in Umrissen vorherzusagen.

Nicht Sein, Evolution, System oder Markt bestimmen das Schicksal des Menschen, sondern die Gedanken in seinem eigenen Kopf, wozu an erster Stelle seine religiösen Gedanken gehören. Der Mensch hat Sein, Evolution, System und Markt in seinem Kopf erfunden. Nun behandelt er sie, als seien sie fremde Gespenster, die er noch nie gesehen hätte und die – kein Mensch, weiß wie – über ihn gekommen wären. Es ist wie beim Zauberlehrling, der den simplen Besen nicht in den Griff bekommt und zum Meister rennen muss, um das fremde Ungeheuer zur Raison zu bringen.

In 2000 Jahren haben die Westler eine Kultur aufgetürmt, die als menschheitsbedrohende Super-Waffe furchterregend über ihren Häuptern schwebt und die sie nicht entschärfen können. Im Gegensatz zu Reißerfilmen aus Hollywood, wo man die Bombe ticken sieht, sehen die Eliten der Welt nur Wirtschaftswachstum, obszönen Reichtum und grenzenlose Überwachungsmacht über die sündige Menschheit, der man nicht genug misstrauen und die man nicht energisch genug an die Kette legen kann.

Die NSA hat das geheime Feindbild der USA entlarvt. Es sind nicht nur die drei obligaten Reiche des Bösen – in strenger Analogie zur heiligen Dreieinigkeit –, es sind alle „Freunde“ außerhalb der amerikanischen Grenzen. Nur die angelsächsischen Bluts- und Glaubensbrüder zählen noch zur unverdächtigen Kerngemeinde. Wie lange noch?

Ausgerechnet aus dem bösen Iran dringen versöhnliche Töne. Das kann, nach westlicher Schwarz-Weiß-Hermeneutik, nur Lug und Trug sein. Hassan Rohani, der neue Mann in Teheran, schickt nicht nur freundliche Grüße nach Israel, er will auch keine Atombombe bauen und sich als Vermittler im syrischen Bürgerkrieg betätigen. Das ist zu schön, um wahr zu sein. Das können nur teuflische Verwirrspiele sein, um das westliche Scheinbündnis vollends zu unterminieren. (Silke Mertins in der TAZ)

Der Kalte Krieg zwischen Ost und West war ein apokalyptischer Krieg zwischen Gut und Böse – ohne apokalyptisches Ende. Mit vorläufigem Happy End. Das hat die Welt nicht gläubigen Biblizisten zu verdanken, sondern gottlosen Russen.

Gorbi ein Mensch unter lauter Erlösern – sorgte für gesunden Menschenverstand, ließ die Mauer einreißen, die Waffen im Keller verschwinden und verhandelte mit dem Westen im Geist neuen Vertrauens einen Frieden aus, der sich bis zum heutigen Tag bewährt hat.

Vergessen wir nicht die beiden sowjetischen Offiziere Wassili Archipow und Stanislaw Petrow, die in der Kubakrise und bei trügerischen Computerbildern den Verstand behielten und einen Dritten Weltkrieg mit atomaren Waffen verhinderten. Ohne ihren kaltblütigen Nichtgehorsam gäbe es Europa nicht mehr.

Welche Europäer wissen das? Sie sollen es nicht wissen, um die moralische Überlegenheit des Westens nicht zu gefährden. Russland konnte das Niveau Gorbis nicht aufrechterhalten. Was auch nicht zu erwarten war. Den meisten Russen ist Demokratie fremd. Sie erlebten nur wirtschaftlichen Rückgang bei Einführung des unregulierten Marktes, der die Unverschämtheit besaß, sich frei zu nennen.

Noch immer stehen viele Russen psychisch unter dem Bann Stalins und einem jahrhundertelangen zaristischen Despotismus. Solche Gespenster wird man nicht in zwei Dekaden los. Das war im Westen nicht anders. Auch der arabische Frühling wird sich auf vielen Ebenen wiederholen müssen, um wetterfest zu werden. Jelzin war seinem unverhofften Amt nicht gewachsen und richtete sich zugrunde. Putin ahmt die Strategie der weiblichen Femen-Gruppe nach und zeigt seinen stählernen Oberkörper, um die neue Stärke seines Landes zu demonstrieren.

Es ist eine Schande, wie westliche Machos beider Geschlechter auf die Nachricht reagierten, „hinter“ der mutigen und rührigen Frauengruppe aus der Ukraine stünde ein despotischer Patriarch. Das hätte man sich doch denken können, kommentierten deutsche Edelschreiberinnen auf dem höchstem Niveau der Emanzipation: westliche Frauen unterwerfen sich keinen vulgären Rüpeln mehr, sondern nur noch alerten Beutemachern in Vorstandsetagen – wo sie noch immer für Kaffee und aufgeräumte Stimmung zu sorgen haben. Die Situation der meisten Frauen bei Niedrig- und Hungerlöhnen interessiert keine hohe akademische Genderfrau.

Die Deutschen haben Demokratie zumeist als Geschenk erhalten. Erkämpfen mussten sie nichts. Dass Erkämpfen menschenwürdiger Verhältnisse eine schwierige Zickzacklinie ist, interessiert in Deutschland niemanden. Wenn man die Femenberichte genau gelesen hätte, hätte man bemerkt, dass der Patriarch nur Hilfsinstrument der Frauen war, um politisches Bewusstsein zu lernen. Bewusst setzten sich die jungen Frauen mit ihren patriarchalischen Strukturen auseinander – um nach erfolgtem emanzipatorischem Praktikum den ominösen Herrn an die Luft zu setzen.

Das Bekämpfen eines äußeren Unterdrückungssystems ist das eine, das Bewusstmachen verinnerlichter Unterdrückungsmechanismen was ganz anderes. Wie lange sind die Deutschen von ihrem Rienzi-Führer entfernt und noch immer träumen sie in jeder Talkshow von Führungspersönlichkeiten und Führungskompetenz.

Die modisch grassierende Wahlverweigerung beruht zumeist auf der passiven Haltung: wer bietet das Meiste? Man will an die Hand genommen, bedient und geführt werden.

Demokratie beruht aber nicht auf Angebot und Nachfrage. Wer immer nur über andere und nicht über sich enttäuscht ist, hat Volksherrschaft noch nicht verstanden.

Wer den Gang zur Urne verweigert, unterstützt jene Machthaber, die auf seine rebellische Stimme pfeifen. Hätte Wahlverweigerung eine aufrüttelnde Wirkung, wir müssten zum Generalstreik aufrufen. Doch die herablassend-arroganten Gesten der anderen Seite, die den Wahlgang zu einem heiligen Akt erheben, sind nicht minder abstoßend.

Wer gestern bei Illner verbissene Männergesichter einer frechen Göre Nachhilfeunterricht in Demokratie erteilen sah, weiß, wovon ich rede. Es hat sich eine Kaste blasierter Intellektueller formiert, die sich weniger von Politeliten als vom auftrumpfenden Pöbel genervt fühlen.

Die Unzufriedenheit mit herrschenden Verhältnissen liegt nicht am mangelnden Politinteresse, sondern am Missverhältnis zwischen wachsender Politkompetenz des Publikums und der Unfähigkeit der Gewählten, auf die neuerworbene Wachheit und Sensibilität einzugehen.

Die Defizite gegenwärtiger Politik erleben die meisten Beobachter unmittelbar und emotional. Besonders die Jugendlichen sind über Internet fast zeitgleich über die Vorgänge in der Welt informiert. Früher gab es immer ein Verzögerungsmoment von einem Tag zwischen Ereignis und Wahrnehmung. Zeitgleiche Reaktionsmöglichkeiten waren technisch unmöglich. Ein Leserbrief an die Regionalzeitung wurde vielleicht im Abstand von zwei Wochen abgedruckt – wenn man Glück hatte.

Heute sind actio und reactio zu blitzschnellen Vorgängen geworden. Leidtragende sind die saturierten Tages- und Wochenblätter, die diese neuen Nervenbahnen der Demokratie erst einmal abwehren und zu Shitstorms dämonisieren mussten. Es gibt viele Gefahren im Medium Internet, es gibt aber noch immer unvergleichlich mehr Vorteile.

Frühere Zeiten waren kein Deut besser als die heutigen. Sie hatten nur mehr Möglichkeiten, ihre Skandale hinter mangelhafter Transparenz zu verstecken. Jugendliche von heute wissen mehr über die Psychologie der VIPs und Politiker als die 68er, die sich Marx- und Wilhelm Reich-Lektüre verordneten. Die tägliche Ausbeuterpolitik wahrzunehmen, war für die meisten Klassenkämpfer unter ihrer Würde. Wer nur in hochkarätigen Systemen denken kann, muss auf das nächste Weihnachtswunder mit einem nagelneuen System unterm Lichterbaum warten.

Nur eine kleine Minderheit der Rebellen trat den Gang durch die Institutionen an, um die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Die Handlungsdevisen der Studenten waren derart zwiespältig, dass sie zur Wahrnehmung und Veränderung der Umstände untauglich wurden.

Man kann kein richtiges Leben im falschen führen? Das war christlicher Hass auf die Welt im Gewande marxistischer Erlösungsbegriffe. Eine andere Welt als die „falsche“ haben wir nicht. Die bessere müssen wir der falschen täglich abtrotzen. Adorno, radikal scheinender Rabulist mit elitären Bourgeoismanieren, war der erste, der die Handbremse zog, sich in den Elfenbeinturm flüchtete und die von ihm angeheizten Studenten auf der Straße sitzen ließ.

Die linke Studentenbewegung ist bis heute nicht bereit, ihre chaotische Begriffswelt aufzuarbeiten. Der Pädophilieskandal der Grünen ist nur ein winziges Beispiel. Jan Fleischhauer hat sich im Kursbuch jener Jahre umgeschaut und erstaunliche pädophile Geschichten ans Licht gebracht. Der damalige Redakteur hieß Hans Magnus Enzensberger. Bislang fühlte er sich nicht bemüßigt, seine Erinnerungen aus hoher Warte zur Debatte zu stellen. (Jan Fleischhauer im SPIEGEL)

Trotz seiner schrecklichen Vergangenheit tut sich vieles in Russland. Wer interessiert sich für Russland? Wann gab es den letzten Presseclub über tiefgreifende Veränderungen in Russland?

Was nicht perfekt aus dem Kopf des Zeus springt, hat bei Deutschen schlechte Karten. Sie bereisen die ganze Welt, doch die Welt verstehen überlassen sie anderen. Noch immer haben sie die Grenzen des Kalten Kriegs im Kopf. Der Westen ist gut, kurz hinter Budapest ist alles schlecht. Kann aus ehemaligen Ländern des Sozialismus Gutes kommen?

Die abschätzige Beurteilung der Femengruppe ist exemplarisch. Gestern noch gerühmt, heute in den Keller geschrieben. Wer sich die starken und selbstbewussten Femen-Frauen anschaut und sie noch immer als Marionetten eines Männleins betrachtet, muss an progressiv-grauem Star leiden. (Fabian Reinbold im SPIEGEL)

Die Rolle des Putin ist noch exemplarischer. Nein, ein lupenreiner Demokrat ist er nicht. Muss er deshalb ein lupenreiner menschenfressender Despot sein, vom dem nie Gutes zu erwarten ist? Kann‘s nur kalter Machiavellismus sein, wenn er den USA die Leviten liest und sie für eine heuchlerische Demokratie hält?

In einem Artikel in der New York Times hatte Putin den USA alarmierende Brutalität vorgeworfen. „Putin hatte die Amerikaner in dem Beitrag als überheblich bezeichnet, weil sie sich für etwas Außergewöhnliches hielten. Er nannte es „alarmierend“, dass ein militärisches Eingreifen in interne Konflikte ausländischer Staaten für die USA zur Gewohnheit geworden sei.“ (DER SPIEGEL)

Muss alles falsch sein, nur weil‘s der falsche Mann sagt? Das sind augustinische Verdammungsformeln, die die politischen Auseinandersetzungen des 21. Jahrhunderts prägen. Tugenden der Heiden sind goldene Laster – Untugenden der Gläubigen sind Liebestaten. Das ist Verpestung der Politik durch christliche Schwarz-Weiß-Gemälde.

Merkwürdig, dass deutsche Intellektuelle nicht protestieren, die sonst die graue Wirklichkeit nicht genug loben können – ohne auf die religiösen Ursprünge dualistischer Verwerfungen hinzuweisen.

Das jetzige Atemholen im Syrienkonflikt – vielleicht sogar gewisse Friedenschancen – hat die Welt Putin und seinem Außenminister Lawrow zu verdanken. Es war Putin, der aufs Völkerrecht verwies. Der Amerika kritisierte, wie die meisten Deutschen Amerika kritisieren. Doch was dem Westen geziemt, geziemt nicht Zarendarstellern im Kreml. Wenn Putin die Frauenaffären des Berlusconi verteidigt, muss er ein Freunderl des Italieners sein. Wenn hiesige Stimmen betonen, dass private Affären mit Politik nichts zu tun haben, wird Beifall geklatscht. (Verstöße gegen das Recht sind etwas anderes als präseniles Sexualprotzen.)

Obama wird in den USA vieles vorgeworfen. Dass er aber den Fehler machte, Putin als potentiellen Friedensstifter zuzulassen, das wird ihm niemals verziehen werden. Das ist die Sünde wider den Heiligen Geist, der sich nur im Besitz Amerikas befinden kann. (Im Tresor von Fort Knox.)

Christian Esch hat in der BLZ eine wohltuend differenzierte Analyse der putinschen Politik geschrieben:

„In der New York Times schlug der Kremlherrscher plötzlich fromme Töne an, sprach von Gottes Segen und davon, dass er den Papst auf seiner Seite wisse. Die Öffentlichkeit reibt sich verwundert die Augen. Ist das derselbe Präsident, der Waffen an das Assad-Regime liefert und alles getan hat, um einen brutalen Diktator zu schützen? Und wenn es derselbe ist, wie kann man ihm trauen? Meint der das ernst?

Von Rainer Maria Rilke stammt die Kurzgeschichte: „Wie der Verrat nach Russland kam“. „Russland“, so heißt es dort, „ist wohl ein Reich, das heißt Gott, und der es beherrscht, heißt auch Gott. Einfache Völker können ihr Land und ihren Kaiser oft nicht unterscheiden, beide sind groß und gütig, furchtbar und groß.“

Tauschen wir einige Begriffe aus: was unterscheidet das riesige Russland, das an Gott grenzt, von jenem Kontinent, der sich Gottes Paradies auf Erden nennt?