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Mutter Merkel

Hello, Freunde der Mütter,

die Mütter kommen, es muss schlimm um uns bestellt sein. Die Nieten in Nadelstreifen verlassen nicht das sinkende Schiff, sie werden vom Volk von Bord gejagt.

Es kommt eine neue Zeit der Trümmerfrauen mitten im Wohlstand, dem niemand mehr traut. Es geht uns nicht gut, es scheint uns nur gut zu gehen. Die Trümmer sieht man noch nicht, man riecht sie, man ahnt sie, man befürchtet sie, man verschweigt sie. Die Mutter kennt die Ängste der Kinder, es sind ihre eigenen, die sie durch schweigsames Tun gar nicht erst aufkommen lässt.

Wenn mitten im Wohlleben die Erde unter uns zu beben beginnt, brauchen wir starke Mütter. Der Glaube an starke Männer, die keine Väter mehr sind, sondern enthauste Geldverdiener, geht in Deutschland verloren.

Mutter, was ist ein Vater, fragten die Kinder? Der Mann, der euch die Markenklamotten bezahlt, sagte Mutter lächelnd. Ein auswärtiger Mann, der ab und an in die Familie einfliegt, ein Wochenende lang fremdelt und schon wieder verschwunden ist.

Neben Urmutter Merkel wirkte der Herausforderer wie eine Personalunion aus Suppenkasper & Zappelphilipp. Das deutsche Mutterbild wurde so erfolgreich demontiert, dass es die Flucht nach außen antrat und den Herd mitten in der Öffentlichkeit installierte. Vom Heimchen am Herd zur Schamanin am offenen Lagefeuer mitten im Clan. Ein Volk, eine Familie, eine Mutter.

Die Klassengesellschaft will eins werden. Nicht in der harten Realität, sondern in der gefühlten Gesamtbefindlichkeit. Das Muttersein wird zum Überbau, zum

Narkotikum einer vaterlosen Gesellschaft, die von gehetzten und ausgebrannten Nomadenvätern nicht mehr behelligt werden will.

Merkel wirkt nie gehetzt, nie ausgebrannt, ab und dann übermüdet, doch am nächsten Morgen beim Frühstück ist sie wie aus dem Ei gepellt, komplett und gegenwärtig. Sie hat die physische Konstitution einer Elefantin, sagte ein Eingeweihter. Sie ist das Gegenteil einer kränkelnden, dauerleidenden, vorwurfsvollen deutschen Opfermami.

Im Hintergrund hat sie einen Gehilfen, von dem sie selten spricht, der aber unsichtbar immer anwesend ist und ihr jene Kraft verleiht, die sie zum Siegen über die Männer benötigt: ihr Vater im Himmel. Das unterscheidet ihr Mutterreich vom Reich der wahren Pachamama, die keine allmächtige Männerphantasie benötigt, um Natur und Mensch zu beleben und zu bewahren. Mutter Merkel ist noch immer die Tochter eines Vaters. Aus eigener Kompetenz zu wirken, wäre für sie blasphemische Überheblichkeit.

Genau diese Mischung gefällt den Deutschen, die vordergründig dem Vater Ade sagen, doch Wert darauf legen, dass er im Hintergrund die Fäden zieht. Mutter Courage zieht den Wagen klaglos durch alle Notzeiten, selbst wenn grauenhafter Wohlstand das Leben zu ersticken droht.

Mütter brauchen keine Männerprogramme, die entwerfen, planen, und mit Fortschritten das Leben zu ersticken drohen. Mütter haben nur ein Programm: unter allen Umständen mit den Kindern davon kommen. Dann werden sie weitersehen. Trümmerfrauen hatten keine geschriebenen Manifeste. Sie überlebten von Tag zu Tag.

Neidische Männer reden von blindem Pragmatismus, von Durchwursteln. Deshalb sind Männer so lebensuntüchtig. Sie entwerfen, schreiben, formulieren das feinste und durchdachteste Abrakadabra. Wie man Brei fürs Baby macht, Kinder in den Arm nimmt, um sie zu beruhigen, wissen sie nicht. Merkel konnte sich leibliche Kinder nicht leisten, sie wollte Mutter einer ganzen Nation werden.

Psychologie ist für Politologen ein Graus, ihre analytischen Instrumente beschränken sich auf Trivialitäten, die sie für rational halten. Nicht unähnlich den Wirtschaftlern, die ihren homo öconomicus als homo rationalis definieren. Mutter ist für hartgesottene Politversteher eine Metapher, die sie lächelnd vom Tisch wischen.

Welcher Mann kommt als Nachfolger Merkels in Frage? Es gibt keine Männer, es gibt nur Frauen, die in Frage kommen. Von der Leyen, siebenfache Mutter, Julia Klöckner, pausbäckige Weinkönigin aus Rheinland-Pfalz, beide für die CDU, die joviale Ilse Aigner in Bayern für die CSU, Hannelore Kraft und Andrea Nahles für die SPD, Sarah Wagenknecht und Katja Kipping bei den Linken, (die FDP ist tot, weil sie keine führenden Frauen hat), Marina Weisband und Katharina Nocun bei den Piraten. Die Grünen waren bislang so erfolgreich, weil Frauen von Anfang an gleichberechtigt waren. Das Vollblutweib Roth wurde degradiert, an ihre Stelle trat eine emotionslose Kirchenfunktionärin.

Gibt es irgendwo Nachwuchstalente, sind es zumeist frische hungrige junge Frauen.

Wo Merkel auftritt, erbleichen die Männer und verschwinden spurlos von der Bühne. Jetzt hat sie eine ganze Machopartei versenkt. Wen sie umarmt, der ist vom politischen Ableben bedroht. Ihre Nähe überleben nur die, die ein Schattenleben führen können. Die Engelgleiche kennt keine Berührungsängste. In ihrer Nähe hält sich kein He-Man, in kürzester Zeit humpelt er an Krücken aus der Manege.

Im Gegensatz zur jungfräulichen SPD, die schon Nein brüllt, bevor der Galan ihr Bettchen berührt hat. Die linken Parteien betätigen sich in neurotischem Ausschlusszwang. Der Narzissmus der geringsten Differenz – was mir am ähnlichsten, hasse ich am meisten – ist die Erbkrankheit aller linken Geiferer, die nicht die geringste Differenz aufkommen lassen, um ihr fragiles Selbstbewusstsein nicht zu gefährden. Es ist der Ausschlusswahn von Dogmatikern, die ihre religiöse Unfehlbarkeit durch kleinste Abweichungen gefährdet sehen. Lieber Rechthaben als regieren, ist die Devise derer, die Angst haben vor der Verantwortung.

Merkel hat keine Angst vor niemandem, schließlich ist sie mit dem mächtigsten Mann aller Männer verbündet. Früher nannte man das Gottvertrauen. Damit hat sie bereits den Sozialismus in die Knie gezwungen. Was ist schon eine freie Gesellschaft, verglichen mit omnipräsenten Stasihorden? Was ist schon die NSA, verglichen mit der besten Freundin, die dich an den Staat verrät?

Sie zähmt alle wichtigtuenden und kraftstrotzenden Putins, Obamas, Hollandes und Berlusconis. Niemand kann sie kränken, niemand sie verlachen. Sie ist die gleichmütige Karawane, die ihres Weges zieht und wenn noch so viele männliche Köter kläffen. Sie ist kränkungsfest und beleidigungsimmun. Ungerührt schläft sie mit allen, die sie postkoital entmannt. Sie gewinnt alle, indem sie tut, als richte sie sich nach niemandem.

Sie hatte keine Probleme, ihr Gesicht, wie Gott es schuf, in die Kamera zu halten. Ohne westlich-dekadenten Tand und Glamour. Wie oft schien sie versenkt, und schon war sie wieder da. Sie tut naiv, freundlich und verbindlich und ist doch mit allen Wassern gewaschen. Zu zürnen, zu poltern und ähnliche Kindereien hat sie nicht nötig: kein Männlein kann sie zur Kenntlichkeit provozieren. Als „mächtigste Frau der Welt“ ist sie von aufreizender Normalität und lässt sich zu Eitelkeit und hoffärtigem Wesen nicht verführen.

Ihr Geheimnis, das sie niemandem vorenthält, der es wirklich wissen will: sie ist nicht von dieser Welt. Sie ist allen gleich, weil sie niemandem gleich ist. Ihr Verhalten untersteht der Maxime: Hier ist nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier, nicht Weib und Mann. Aber nur bei den Erwählten. Merkel hat die Aura der Erwählten, die es nicht nötig haben, mit der Aura hausieren zu gehen. Sie kennt das Gebot der heiligen Maskierung: wer die Erste unter euch sein will, die sei die Letzte. Ruhm und Anerkennung heidnischer Horden benötigt sie nicht, solange sie in der Unsichtbaren Hand ruht.

Ich brauche euch nicht, aber ihr braucht mich. Das ist ihre subkutane Botschaft an den irdischen Staat, der in Bälde vergehen wird. Verbessern kann sie das sündige Gebilde nicht, das wäre Hybris gegen den, der da kommen und alles erneuern soll. Sie kann die verlorene Herde nur notdürftig über die Runden bringen – solange es dem Vater im Himmel gefällt. Am Ende will sie sagen: Vater, ich bin eine unnütze Magd, ich hab nur getan, was ich zu tun schuldig war.

Mitten im christlichen Westen erkennen die vielen Christen nicht, dass Angela – eine Dienerin Gottes ist, die nicht den Ruhm der Welt, sondern die Anerkennung ihres Vaters erringen muss. Ihr religiöser Dienst nach Vorschrift richtet sich nach der überirdischen Stadt im Himmel, nicht nach der irdischen – die sie für verloren hält. Die demütige Magd ist eine an Hochmut nicht mehr zu übertreffende Siegerin der Heilsgeschichte.

Wer dagegen ist Steinbrück? Bubihafter Vordergrund ohne Hintergrund. Solange er nicht als Kandidat auftrat, war er gottlos. Kaum scharrte er mit den Hufen, kam zur rechten Zeit der Geist über ihn und er machte seinen Frieden mit dem Herrn. Was er mit Ex-Bischof Huber – oder sonstigem klerikalem Spitzenpersonal – in Privataudienz besprach, bleibt sein süßes Geheimnis. Seitdem ist er im Reinen mit sich.

Kaum wollte er für die Kanzlerkür antreten, dämmerte ihm, dass da noch was gewesen sein muss: es war die Gerechtigkeit, das alte Thema der Schwachen und Armen, das erleuchtend über ihn kam. Seine Vorträge vor Reichen beendete er und predigt seitdem das Evangelium der Zukurzgekommenen. Als er noch Schröders Lakai war, beteiligte er sich an der Deregulierung der Banken, damit sie die Welt mühelos zur Beute machen könnten. Auch neoliberal war er mit sich im Reinen.

Als die Banken endlich die Welt im Griff hatten, war er als Kofferträger Merkels wieder mit sich im Reinen, als er den Banken Konsequenzen androhte – wenn sie die Beute nicht wieder herausrückten. Was sie natürlich nicht taten. Nun hat er die Gerechtigkeit entdeckt, um als Kandidat der Proleten wieder mit sich im Reinen zu sein.

Mit dem energischsten Gesicht der Welt ist Peer immer mit sich im Reinen, er mag dies tun oder das genaue Gegenteil. Die Schwachen und Armen kennt er nicht persönlich, er kommt aus gutem Elternhaus. Aber er hat schon Erschütterndes von ihnen gehört. Gelegentlich klopft er an ihre Türe, um zu sehen, ob sie wirklich so erbärmlich leben. Oder ob es nur um eine Schnorrerpose geht. Er schaute in ihre Kühlschränke, ob sie tatsächlich billigen Fusel unter 5 Euro trinken.

Als Mann müsste er eigentlich die Welt verändern. Doch Peer ist nur Darsteller eines Mannes im Sandkasten, vor dem Mutter Merkel sitzt und Beifall klatscht. Wenn du groß bist, sagte Mama Merkel zu ihm, wirst du mit Sicherheit ein großer Politiker. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, denn Peer verwechselt den Sandkasten hartnäckig mit dem wahren Leben. Den Unterschied zwischen Probehandlung und Realität kennt Steinbrück nicht.

Im Gegensatz zu Angie, die Verantwortung für die Welt übernimmt, will Klein-Peer von Verantwortung nichts wissen. Trotzig sagt er in jedes Mikrofon: der Ball liegt im Feld der Kanzlerin. Die solle entscheiden, wen sie lieber will, die Grünen oder die Roten. Nein, er entscheide sich nicht – sagte er so deutlich natürlich nicht. Stattdessen erklärt er, an Spekulationen über mögliche Koalitionen beteilige er sich nicht. Das klingt so autonom, dass der Laie sich nur wundern und der Fachmann staunen kann.

Steinbrücks Realitätsverweigerung war von Anfang an mit Händen zu greifen. Alle Alternativen zu Mutter Merkel schlug er mit Entrüstung von sich. Nein zu Rotrotgrün. Damit saß er freiwillig in der Falle und will nun von Mutter Merkel zum Tanz aufgefordert werden. Für seine Person muss er ablehnen. Doch für seine Partei erhofft er den Zuschlag, damit sie wieder Drecksarbeit für Angie machen kann, um von ihr Streicheleinheiten zu bekommen.

Ist es möglich, dass ein Mensch mit Blick auf seinen unvermeidlichen Untergang Wahlkampf betreiben und Siegeswillen demonstrieren kann? Das geht – wenn man Deutscher ist und die Heldenrolle im Untergang wählt. Steinbrück spielte seine Lieblingsrolle: als Letzter verlässt der Kapitän das sinkende Schiff. Auch wenn man weiß, dass man verliert: man geht nicht freiwillig von Deck – sagte Steinbrücks Frau und also kann er die Anerkennung seiner Frau nur erringen, wenn er tapfer den Untergang wählt.

Das ist Deutschlands Lieblingsrolle seit Wallenstein im 30-jährigen Krieg. Seitdem verloren die Deutschen fast jedes Scharmützel. Wie Siegfried im eigenen Blut verenden, das gehört zu unserer zweiten Natur. Wir bewähren uns nur, wenn wir im Widerstand gegen die ganze Welt grandios scheitern. Scheitern ist das höchste Glück auf Erden für deutsche Helden der Literatur. Für Iris Radisch gibt es keinen guten Roman, dessen Protagonist nicht scheitert.

Steinbrück will nicht den antideutschen Fehler begehen, am Ende erfolgreich zu sein. Das klingt merkwürdig in der modernen Welt der Sieger. Doch Scheitern ist das Trotzprogramm der Deutschen gegen das anödende Erfolgreichsein der angelsächsischen Cousins. Wer freiwillig scheitert, ist der Letzte, der der Erste sein will.

Doch anders bei der Tochter des Himmels Angela. Angela will bewusst und mit allen Kräften erfolgreich sein. Deshalb beugt sie sich Gottes List, die Letzte zu sein, um Erste zu werden. Man könnte sagen, Merkel weiß, was sie tut, Steinbrück hingegen macht Samurai-Pantomime im Kinderzimmer: furchtbare Grimassen und nichts dahinter.

In dieser Hinsicht hat Merkel keinen ernstzunehmenden Gegner. Zum Schein tut sie, als ob sie gekämpft hätte, in Wirklichkeit hat sie unbelästigt ihre Frohe Botschaft verkündet: Seht Deutsche, ich verkünde euch große Freude, die euch heute widerfahren wird. Denn euch wird heute erneut der Heiland geboren. Vielmehr ist es eine weibliche Wohltäterin, die euch die Vorherrschaft in Europa bringen wird.

Inzwischen hat Angie so oft gesiegt, dass sie nicht mehr verlieren kann. Gestern ist sie in den Olymp der Unbesiegbaren aufgestiegen. Brigitte Fehrle hat schon die Schärpe „Angelina die Große“ in Gold aus dem Trophäenschrank geholt: nach Friedrich dem Großen und Katharina der Großen wollen wir auch eine „demokratische Große“ haben. (Brigitte Fehrle in der BLZ)

Womit wir bei den wichtigsten Protagonisten der Wahl angekommen wären: den Tagesbeobachtern. Wie akribisch sie sich vorbereitet haben, um sich selbst ins beste Licht zu rücken, als seien sie die Matadore, die die nächsten vier Jahre das Heft in der Hand hätten, dagegen ist Shakespeares Bühne nur ein Komödienstadl.

Kurz vor der Wahl trieben die Sender Eigenwerbung, zeigten, wie sie nagelneue Studios herrichteten, Kilometer von Kabeln verlegten, hämmerten und bohrten, ihre besten Leute antreten lassen – also die altbekannten Gesichter –, das war schon einen Asbach Uralt wert.

Journalisten leiden unter dem Minderwertigkeitsgefühl, nur „Hörer des Wortes“ und nicht „Täter des Wortes“ zu sein. Eigentlich sollten sie selbst Akteure sein und nicht nur Voyeure des Geschehens. Den Minderwertigkeitskomplex kompensieren sie, indem sie sich nicht mit dem auseinandersetzen, was Politiker sagen, sondern was sie der Öffentlichkeit verschweigen. Journalisten empfinden sich als professionelle Entlarver der Akteure. Was verheimlichen die Gewählten der Öffentlichkeit?

Die Beobachter werden zu Psychoanalytikern, indem sie mit listigen Fragen die Politiker animieren, Unbekanntes zu entäußern. Sie denken nicht daran, Bekanntes auf logische Widerspruchslosigkeit oder Übereinstimmung mit den Taten der Politiker zu überprüfen. Ihnen geht es allein um Rekorde: wer ist am schnellsten mit einer Information, wer hat die verborgene Meinung der Aktiven als Erster entlarvt?

Wir werden doch die Politiker dazu bringen können, so Illners Motto, etwas Unverhofftes zu äußern. Das Unverhoffte wird der Öffentlichkeit als heiße Beute präsentiert. Seht, wir haben die Heucheleien des Politikers geknackt. Journalisten sind Meister der Ejaculatio präcox. Immer übererregt, wenig zielführend, selten aufklärend.

Je mehr Extraordinäres sie bieten wollen, desto mehr Platitüden präsentieren sie. Zumeist kennen sie die Antworten der Befragten auswendig und stellen dennoch die immergleichen Fragen: Gibt es personelle Konsequenzen nach der Niederlage? Standardisierte Antwort: Erst mal müssen wir in aller Ruhe und Gelassenheit die Wahlergebnisse prüfen, noch liegen nicht alle Zahlen auf dem Tisch. Dann erst werden wir über die Folgen sprechen.

Fragen und Antworten sind wertlose Tauschrituale, die dem Publikum beiderseitige Kompetenz suggerieren sollen. Jauch hat um die Arena seiner Nichtigkeiten einen ganzen Dom bauen lassen, wo er in der Mitte wie ein König residiert, um die Politiker wie Tröpfe vorzuführen – die er durch mangelndes Nachfragen gleichzeitig davor schützt, sich vor dem Publikum zu blamieren.

Vergleicht man die Fragen heutiger Präcox-Interviewer mit Gesprächen von Günter Gaus, einem Meister akribischen und logischen Nachfragens, erkennt man den Unterschied zwischen echter Auseinandersetzung und leeren Scheininterviews. Dreist benutzen die Medien die Politik, um sich selbst als Dompteure der Agora zu stilisieren.

Gerhart Baum war dem Heulen nah, als er den Niedergang der FDP kommentieren sollte. Doch Licht ins Dunkel brachte auch er nicht. Es sei schon richtig, dass liberale Prinzipien in alle Parteiprogramme eingeflossen seien, dennoch fehle nach dem Untergang der FDP eine liberale Partei.

Niemand in Deutschland weiß, was liberal ist. Allein der Begriff marktliberal kennt weltenweite Unterschiede zwischen Rüstow und Hayek. Keine demokratische Partei, die illiberal wäre, ohne Gefahr zu laufen, vom Bundesverfassungsgericht verboten zu werden.

Gibt es Zusammenhänge zwischen liberaler Wirtschaft und liberalem Recht? Was ist rechts-, was linksliberal? Günter Jauch ist schlechthin überfordert, solche Begriffe behutsam und geduldig zu klären. Er präsentiert spektakuläre Ereignisse, um seiner Unterhaltungsshow eine Quote zu schaffen.

Die Medien sind dabei, sich aus Dienstleistern der Politik zu Herren der Politik aufzuschwingen. Die Vierte Gewalt ist lange nicht mehr Wächterin der drei anderen Gewalten. Scheinkritisch legitimiert sie den Verfall der gesamten Politik. Längst ist sie mit Eliten und Machthabern zu einem unauflöslichen Brei zusammengebacken.

Die Verdrossenheit der Menschen mit der Politik ist verknüpft mit einem wachsenden Widerwillen gegen mediale Künste, die sich parasitenhaft in den Vordergrund drängen.

Merkel wird unbehindert weitere vier Jahre ihr Regiment führen. Ihre Muttermethoden sollen die Menschen beruhigen – und entmündigen. Trügerische Parolen des Wohlbefindens sollen das Volk, den Souverän, mehr und mehr einlullen.  

Dem muss vorgebeugt werden.