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Romantik

Hello, Freunde der Romantik,

Gabriel sieht bereits Panzer aus den Tiefen Asiens über die europäische Grenze gen Westen rollen; auf Befehl Putins, des besten Freundes seines Parteifreundes Schröder, den er für den außergewöhnlichsten Politiker der SPD hält. So viel dialektische Wendehalsakrobatik muss sein im toleranten Europa.

Die Weltfirma Google will nicht nur eine platonische Genie-Utopie – oder eine faschistische Expertokratie – auf hoher See errichten. Nun will sie auch Drohnen herstellen, um die Meer-nahme mit der Stratosphären-nahme zu verknüpfen, die eine indirekte Landnahme aus der Luft werden soll.

Wer die Dinge von oben sieht, hat den göttlichen Blick auf die verderbte Schöpfung und kann Gute und Böse unfehlbar trennen. Solltest Du, oh Verwegener und Einsamer, unbotmäßige Gedanken über die erste Firma im Universum hegen: schon schlägt der Blitz von oben in deine lächerliche Rebellenkammer.

Versteck Dich, wo Du willst: Google wird Dich finden. Sie wissen, wo Du lebst, was Du denkst und dass Du ein Feind des menschlichen Glücks auf Erden bist, das allein von Google kommt. Soli Google Gloria.  (BLZ)

„Meine Strafe ist größer als dass ich sie tragen könnte. Siehe, du vertreibst mich heute aus meiner Höhle und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen. Unstet und flüchtig muss ich sein auf Erden. So wird mich denn totschlagen, wer

mich antrifft.“ 

Glotzt nicht so romantisch: auch Bertold Brecht half mit, den Begriff romantisch zu verharmlosen. Mit verzückter Mimik und Gebärdensprache hat romantisch nichts zu tun.

Was ist Romantik? Jene gesamteuropäische Vollbremsung der Aufklärung, die das freie Denken unfrei, die selbstbestimmte Gesellschaft an die Leine gelegt und die Herrschaft der Popen und des Adels zurückgebracht hat.

Unter den Deutschen, den Romantischsten von allen, entwickelte sich ein Klima aus freier Knechtschaft, autonomer Selbstunterjochung und selbstbestimmter Unterwerfung. Aufgeklärte Gewitztheit attackierte die Aufklärung, um das Geschäft unaufgeklärter Theokraten und machtbesessener Vernunftfeinde zu besorgen.

Dies die Kurzbeschreibung deutscher Geschichte von 1810 bis 1945, danach ein von außen erzwungenes demokratisches Interregnum, ab den 1980er Jahren – mit der Hilfe Gottes und des Neoliberalismus – erneut kraftvolle Rückkehr ins Reich der Religion. Nicht mit leeren und hohlen Glaubensbekenntnissen, sondern mit tätiger Huldigung an Moderne, Fortschritt und ungeteiltes Glück im Namen von Maschinen, Sensoren, Derivaten und Robotern.

Was fällt dir ein, wenn dir Romantik einfällt? Die blaue Blume. Was ist die blaue Blume? Schauen wir den Wandervögeln nach:

„Es blühet im Walde tief drinnen die blaue Blume fein,
die Blume zu gewinnen, ziehn wir in die Welt hinein.
Es rauschen die Bäume, es murmelt der Fluß,
und wer die blaue Blume finden will, der muß ein Wandervogel sein.“

Die blaue Blume muss gewonnen werden. Man muss sie als Trophäe nach Hause bringen. Dort muss sie sich nützlich machen oder wir zertrampeln sie. Selbst das Heideröslein war eine blaue Blume, obgleich sie rot war wie Blut:

Knabe sprach: „Ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!“
Röslein sprach: „Ich steche dich,
Dass du ewig denkst an mich,
Und ich will’s nicht leiden.“

Und der wilde Knabe brach
’s Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
Half ihm doch kein Weh und Ach,
Musst es eben leiden.

Natur muss es leiden, dass sie gebrochen wird. Da kann Röslein sich wehren und den wilden Knaben stechen, solange sie will. Natur muss gebrochen werden. Ach, doofes Blümlein oder Mägdelein, zier dich nicht. Es ist dein Schicksal, dass du gebrochen wirst. Zum Gebrochenwerden hat dich dein Schöpfer geschaffen. Füg dich und sei stille.

Da sagt Ricarda Huch aber Befremdliches: „Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.“

Wir wissen nicht, was wir suchen? Suchen wir hinter der Natur etwas Höheres? Ohne Bewusstsein suchen wir Gott, Ewigkeit oder Liebe? Suchen wir Gott, wenn wir Liebe suchen? Suchen wir Liebe, wenn wir Ewigkeit suchen?

Doch jetzt wird’s richtig dubios: „Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder. Romantisieren ist nichts als eine qualitative Potenzierung. Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.“

Ah, jetzt geht uns ein Licht auf, was der Sinn jener Tagung war, die sich die Frage stellte, wo denn Romantik in der Politik abgeblieben ist.

Die illustren Teilnehmer, alles erste Namen aus der Reihe der Wandervogel- und Blaue-Blume-Sucher: sie beantworteten die Frage, indem sie sie selbst romantisierten. Dem Gemeinen verliehen sie einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten und dem Endlichen einen unendlichen Schein. In unromantischer Unliebenswürdigkeit: niemand verstand nichts. (Franz Viohl in der BLZ)

Die besten deutschen Spezialisten in Anfertigung des Geheimnisvollen, Unbekannten und Unendlichen machten ganze Arbeit. Das Gewöhnliche war nicht mehr wieder zu erkennen, das Bekannte wurde unbekannt, das Endliche himmlisch.

Sloterdijk, Safranski, der harte Kern des Philosophischen Quartetts, mit dem das ZDF seine Jugendquote endgültig verlor. Sie nahmen sich des Themas in romantischer Weise an, am Schluss war alles fremd und unbekannt.

Es war ein voller Erfolg für die Romantisierer, die den Stoff in Verblüffungsmasse verwandelten. Das Publikum wurde nicht zum Denken eingeladen, sondern zur hingerissenen Bewunderung.

Sloterdijk sprach von Alexander dem Großen, einem echten deutschen Romantiker der Novalis-Generation, über die Goethe sagte: das Klassische ist gesund, das Romantische krank.

Sexistisch wie Brüderle scherzte Safranski mit der „belesenen“ Sarah Wagenknecht über leckere Engel: „Überhaupt sei Mephisto im Faust II, so Safranski, weniger von den erlösenden Engeln abgelenkt gewesen als von deren „knackigen Popos“. Für Unterhaltung war gesorgt.“

Ist projektiver Sex mit Engeln keine verbotene Angela-Philie, eine ordinäre Variante der Politophilie, für die der Verfassungsschutz zuständig ist? Hier kommen wir ins Morastige und Teuflische. Und richtig: was bedeutet der Begriff des Romantischen?

„Es ist ein sehr schwefeliger und, man muss auch sagen, belasteter Begriff, ein richtiger Begriffs-Cocktail, der seine stolze Blüte in der Zwischenkriegszeit, in der Zeit nach 1914 hatte.“ (Deutschlandradio Kultur)

Nach 1914? War die Epoche der Romantik nicht 100 Jahre früher? Von welcher Romantik sprechen wir? Ach was, so genau will das niemand wissen. Hauptsache, das „Spannungsverhältnis von Politik und Leidenschaft“ wird neu bestimmt.

Neu bestimmt? Das sah der Herr von der BLZ ganz anders. Er sah nur Historisches:

„Sonst aber kam diese Tagung über historische Referenzen kaum hinaus. Das mag auch daran liegen, dass eine „Politik der kleinen Schritte“, die Rettungsschirme auflegt und Alternativlosigkeit zur Ideologie erhoben hat, mit politischer Leidenschaft schwer vereinbar ist. Da muss man schon in andere Länder blicken.“

Womit gesagt sein soll: die heutige Politik mit sozialen Rettungsschirmen und solidarischer Ideologie, hat mit politischer Leidenschaft nichts zu tun. Sie ist sozial-totalitär, weil sie keine Alternative zulässt. Leiden-schaft ist, was Leiden schafft. Wenn Leiden abgeschafft wird, bevor es eine Chance erhielt, wer soll da noch leidenschaftlich werden?

Was denn nun? Ist romantische Leidenschaft das Gegenteil zur kühlen Vernunftpolitik? Wie ist die korrekte deutsche Antwort? Wir brauchen beides. Nicht nur den Aufklärer, der das Licht anmacht, wenn er den Raum betritt. Sondern den Gegenspieler, der darauf hinweist, dass „Leidenschaften, politische Alternativentwürfe, politische Fantasie wieder mit dem Regierungsapparat konfrontiert wird“.

Sind denn Rechner und Ökonomen die Coolen und Vernünftigen? Haben sie nicht bewiesen, dass sie vor allem Leiden schaffen?

Was bedeutet: mehr Fantasie an die Macht? Öfter mal was Neues? Unberechenbar werden? Solides über den Haufen werfen, weil es alt ist? Soll die Politelite sich öfter neu erfinden und lieber für Überraschungen sorgen, als uralte, aber bewährte Routine zu pflegen?

Ist romantische Politik demokratische Politik? Was hat sie mit der Epoche der Romantik zu tun? Was ist der Gegenbegriff zur romantischen Politik? Vernünftige Politik? Ist Vernunft identisch mit Demokratie? Hat jemand Vernunft und Romantik gegenüber gestellt?

Sind die Begriffe definiert und geklärt worden? Gibt es nur emotionale Stilunterschiede zwischen Romantik und Aufklärung oder geht es um verschiedene Inhalte?

Glaubt irgendjemand, dass Deutsche etwas klären wollen? Dass sie etwas klären können? Ist Klären kein Begriff der Vernunft, für romantisches Feuerwerk à la Sloterdijk nicht geeignet? Wäre es kein Verstoß gegen Objektivität, wenn man im Streit um Vernunft und Gegenvernunft – Vernunft walten ließe?

Wurde dargelegt, welche Politik vernünftig und welche unvernünftig, pardon, romantisch sein soll? Ist soziale Gerechtigkeit vernünftig oder romantisch? Wäre die Rettung der Natur vernünftig oder unvernünftig?

Muss man nicht leidenschaftlich sein, wenn man vernünftig sein will? Schließt Vernunft Leidenschaft aus? Gehören Augenmaß und Leidenschaft nicht zusammen? Macht eine Physikerin à la Merkel automatisch vernünftige Politik? Dann wären auch jene Atomphysiker vernünftige Leute gewesen, als sie zustimmten, Hiroshima mit Atombomben auszulöschen?

Wenn Wissenschaftler per se vernünftige Menschen wären, wären die faschistischen Utopien der Siliconisten nicht auch per se vernünftige Vorhaben? Ist wissenschaftliche Coolness ohne Leidenschaft möglich?

Was wir in der harmlosen Tagung erlebten, ist der sich stets neu erfindende Selbstmord der deutschen Intellektuellen, die nur noch Glossolalie können: und sie redeten in Zungen, als der Heilige Geist sie auftragsgemäß überschattete. Andere aber spotteten und sagten: Sie sind voll süßen Weines. Veranstaltet solche Schwipsübungen direkt an der Pfälzischen Weinstraße: der Nachschub an zungenlösendem Stoff wird einfacher.

Womit wir das Thema Romantik und Politik erst beginnen müssten. Das könnte so klingen:

Für Novalis, den Urromantiker, geht es nur um die Selbstverwirklichung des Ichs. Alles andere, wie die Welt der Natur, des Sozialen, der Politik, sind Nebensächlichkeiten, ja Störungen beim Entfalten des eigenen Ichs. Wie bei Augustin geht es nur um die Seligkeit der eigenen Person. Vater, Mutter, Kinder – alles lästige Ablenkungen vom eigenen Seelenheil. In der messianischen Religion ist jeder mit sich allein.

Das Ich hat sich bei Novalis & Co nur selbst zu lieben. Diese Liebenden nannte Novalis „Indifferentisten oder echte Zyniker.“ Der beste Staat besteht bei Novalis aus echten Indifferentisten und Zynikern. Auch in unvollkommenen Staaten sind sie die besten Staatsbürger:

„Sie nehmen an allem Guten teil, lachen über die Alfanzereien (Possen) ihrer Zeitgenossen im stillen und enthalten sich von allem Übel. Sie ändern nichts, weil sie wissen, dass jede Änderung der Art und unter diesen Umständen nur ein neuer Irrtum ist, und das Beste nicht von außen kommen kann (sondern von Oben).“

Die Französische Revolution war ein Ausbruch der Kräfte von Unten. Den Revolutionären fehlte die Kraft zur Bildung neuer, besserer und dauerhafter Gestaltungen des Staatslebens. Die Klugen und Vornehmen haben das Revolutionäre für eine lebensgefährliche und ansteckende Krankheit erklärt.

Jede Herrschaft, die nicht auf Glauben und Liebe gegründet sei, müsse stürzen. Der Staat habe nur eine Rechtfertigung: wenn er Gott verwirkliche.

Von gleichmachender Uniformität konnte bei Novalis keine Rede sein. Der König ist als Idealbild der Menschheit das wahre Bildungsmittel zur Menschheit. Friedrich Wilhelm der III. und seine Gattin Luise ließen Novalis die Hoffnung schöpfen, dass die wahre Geschichte als Selbstdarstellung Gottes im preußischen Staat sich verwirklichen werde.

„Jenes himmlische Paar schwimmt hoch auf der Flut, wie die Taube

Und der Ölzweig; es bringt Hoffnung des Landes, wie dort.“

(Zitiert nach Hans Wolfgang Kuhn: „Der Apokalyptiker und die Politik. Studien zur Staatsphilosophie des Novalis“)

Wahre Politik war für den Romantiker die Transformation des Himmels auf Erden. Das Reich Gottes sollte hienieden zur vollen Realität werden.

100 Jahre später hatten sich diese romantischen Vorstellungen in nationalsozialistische Theokratie verwandelt. Im Mittelpunkt des nationalen Führermythos stand die Erwartung eines vom Himmel auserkorenen, mit besonderen Gnadengaben versehenen großen Menschen, der Deutschland aus seiner Not reißen und es wieder zum Licht und zu neuer Größe führen werde.

In seinem Buch „Der christliche Staatsmann“ schreibt Wilhelm Stapel: „Der wahre Staatsmann vereinigt in sich Väterlichkeit, kriegerischen Geist und Charisma. Gott segnet ihn mit Glück und Ruhm. Seine Siege und Niederlagen sind nicht menschliche Zufälle, sondern göttliche Schickungen. So ist der wahre Staatsmann Herrscher, Krieger und Priester zugleich.“

Der Führergedanke ist messianisch geprägt. Der Führer wurde insbrünstig erwartet, immer wieder prüfte man die politische Walstatt, ob nicht bald der große Staatsmann zu sehen sei.

„Der Führer richtet sich nicht nach der Masse, sondern nach seiner Sendung. Er schmeichelt der Masse nicht. Hart, grade und rücksichtslos geht er ihr voran, in guten wie in bösen Tagen. Der Führer ist radikal, er tut den Willen Gottes, den er in sich verkörpert. Gott schenke uns Führer und helfe uns zu wirklicher Gefolgschaft.“ (Zitiert nach Sontheimer: „Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik“)

Hegt jemand den geringsten Zweifel, dass Putin und Obama von ähnlichen theologischen Gedanken bewegt werden?

Die Deutschen formulierten die messianische Romantik am frühesten und klarsten. Ihre politische Romantik hat die Welt erobert und feiert in Ost und West fröhliche Urständ.