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Rollstuhl

Hello, Freunde des Rollstuhls,

es gibt Zeiten, in denen die Wahrheit an Krücken geht und froh sein muss, dass sie als mütterliche Planlosigkeit nicht eingesargt wird. Kommt sie aber hurtig im väterlichen Rollstuhl, ist sie gerettet. BILD wendet sich an den deutschen Finanzminister und Lawinenexperten Wolfgang Schäuble:

„Alle kritisieren Sie, weil Sie eine Menschenkatastrophe mit einer Naturkatastrophe vergleichen. Ich glaube, Sie haben die Wahrheit gesagt. Als Mann im Rollstuhl können Sie die Wahrheit sagen.“ (BILD.de)

Merkels Wahrheit geht länger schon an Krücken. Spätestens seit sie beim Skilanglauf Bodenberührung hatte. Solange Rollstuhlwahrheit Krückenwahrheit unterstützt, kann letztere das Blaue vom Himmel versprechen und das Gegenteil tun: dennoch bleibt sie ungefährdet.

Väterfiguren ohne Rollstuhl sind vom Freud‘schen Vatermord dauerbedroht, Väterfiguren im Rollstuhl sind tabu. So viel Barmherzigkeit im christlichen Abendland muss sein. Solange Krückenwahrheit von Rollstuhlwahrheit unterstützt wird, besteht für sie keine Gefahr. Was aber, wenn Rollstuhlwahrheit sich von Krückenwahrheit abwendet und gegen sie heimtückisch anrollt?

Dann wird’s gefährlich – für Deutschland, nicht für Merkel. Die Deutschen brauchen Merkel, Merkel braucht keine Deutschen. Merkel hat schon lange keine Politik gemacht – wenn man unter Politik humanes Gestalten menschlicher Obliegenheiten versteht. Streng genommen noch nie. In göttlichem Auftrag wickelt sie die irdische Misere ab, die von keinem Menschen zu retten ist. Ihr ideenfreies Improvisieren des Elends – einmal kuriert sie Pest mit Cholera, dann vice versa – absolviert sie in vorbildlicher Glaubenszuversicht. Unantastbar und ungefährdet stolpert sie durch den irdischen

Unrat, wissend und glaubend, dass für das Unheilsgetümmel nur Einer zuständig sei – und das ist ihr Vater im Himmel.

Merkels jenseitige Zuversicht benötigen die Deutschen wie Luft und Wasser. Können sie Angelas Zuversicht auch kaum teilen, sind sie dennoch froh, dass Muttern sie der Welt unverdrossen zeigen kann.

Für Josef Joffe ist Merkel eine Politikerin des Prinzipiellen:

„Sage niemand, Angela Merkel kenne keine Prinzipien. Sie steht zu Israel und Amerika, obwohl beides nicht populär ist.“ (ZEIT.de)

Hier wäre eine Kinderfrage fällig: Kann blinde Untertänigkeit kategorische Prinzipienpolitik sein? Kann ein Prinzip sein, sich unentwegt dem Willen anderer zu beugen – gleichgültig, was sie tun und treiben?

Vernunft ist nach Kant das „Vermögen der Prinzipien“. Prinzip müsste demnach ein Vermögen der Vernunft sein. Was aber soll daran vernünftig sein, sich dem Willen eines anderen zu unterwerfen, der bei besten Willen kaum als vernünftig zu bezeichnen wäre?

Amerikas Weltpolitik der Erwählten gegen die Verworfenen ist dabei, die Welt in der Mitte zu spalten. Die Guten behaupten, das Privileg zu besitzen, die Bösen zurückzudrängen oder auszulöschen.

Israels Politik ist eine menschenrechtliche Dauerkatastrophe, die von führenden Weststaaten noch nie kategorisch verurteilt wurde und schon lange für Unmut in der Welt der Ungläubigen und Heiden sorgt.

Das Grummeln gegen die moralische Bigotterie des Westens ist inzwischen zu verheerenden Kriegen und Bürgerkriegen eskaliert, die zu riesigen Flüchtlingsströmen geführt haben, die just in jene Länder fließen, die Amerikas Weltspaltungspolitik devot unterstützen.

Nebenbei: zu Recht wird der Begriff Flüchtlingslawine als Gemeinheit kritisiert. Warum aber der Begriff „Flüchtlingsströme“? Ströme bewässern und befruchten das Land, sorgen für regen Schiffsverkehr, bieten Erholung und sind eine Augenweide für ihre Bewunderer.

„Man könnte dieses Bild einordnen in die Reihe jener sprachlichen Fühllosigkeiten, die in diesen Monaten durch die Berichterstattung geistern. Wo im Zusammenhang mit Menschen auf der Flucht von Wellen, Fluten und Strömen gesprochen wird, da ist die Lawine nicht weit. Die neue deutsche Härte findet ihren Ausdruck natürlich auch in instinktlosen Sprachbildern.“ (TAZ.de)

Es entspricht der Kopflosigkeit deutscher Medien, dass sie nichtswürdiges Buckeln als Politik der Prinzipien bezeichnen. BILD überbietet Josef Joffe und attackiert den kleinsten Hauch einer Kritik am Heiligen Land als antisemitische Anti-Israel-Politik. Wenn die EU Produkte aus israelisch besetzten Gebieten völkerrechtlich korrekt kennzeichnen will, steht BILD auf der Matte und spielt den Engel mit dem feurigen Schwert:

„Europa hätte genug damit zu tun, Juden besser zu schützen und Antisemitismus zu bekämpfen, als Israel-Feinden ein Mittel zum Produkt-Boykott an die Hand zu geben. Um es klar zu sagen: Über Israels Siedlungspolitik kann und darf man streiten.“ (BILD.de)

Vielen Dank, BILD, dass man in einer Demokratie streiten darf. Auch über Israel. Wer Springers Unflat-Gazette regelmäßig verfolgt, muss den Eindruck gewinnen, Merkel sei die leitende Angestellte der BILD: „BILD mit Merkel in Indien“ – in dieser Reihenfolge. Kein Blatt Papier passt zwischen Kanzlerin und Blatt, das sich anheischig macht, das Volk darzustellen – inklusive Regierung und Regierungsaufpassern. Kein Regierungssprecher in Jerusalem kann serviler in die Welt posaunen, wie Netanjahu sich räuspert und wie er spuckt, als Springers Lieblingsblatt.

„Die Vorstellung aber, dass in Deutschland künftig wieder zum Boykott jüdischer Waren aufgerufen werden könnte, ist ein Graus! Bisher haben nur Links- und Rechtsradikale dazu aufgerufen. Sie werden sich jetzt in Brüssel bedanken. Es ist eine Lex Israel! Eine Lex Anti-Israel.“ (BILD)

Oh, welch ein Fortschritt, dass BILD nicht zum Begriff Antisemitismus greift. Ob es dem Blatt dämmert, dass es selbst das antisemitischste Hetzblatt Deutschlands ist und nicht mit Steinen werfen darf, weil es selbst im Glashaus sitzt?

Nein, es geht nicht um ordinären Antisemitismus. Es geht um Judenhass im perfekten Gewand des Gegenteils. Es handelt sich um eine deutsche Überkompensation aus gutem Willen und totaler Unfähigkeit, seine eigene Schuld zu erkennen und dennoch seiner Pflicht nachzukommen, das gegenwärtige Israel mit dem Maß der Menschenrechte zu messen.

Echte Freundschaft erkennt man an wechselseitiger freimütig-solidarischer Kritik, die die Freundschaft nicht schwächt, sondern vertieft. Das Bild von Juden, welches BILD der Öffentlichkeit per unterschwelligem Gegenteil und dreister Unfehlbarkeit vermittelt, ist das einer kriegslüsternen, rachsüchtigen und friedensunfähigen Gesellschaft, die nichts Besseres zu tun hat, als ohnmächtige Palästinenser auf ewige Zeiten zu besetzen und zu quälen.

Dass die schärfste Kritik an Israel von Juden selbst kommt, weiß kein BILD-Leser. Namen wie Uri Avnery, Noam Chomsky, Jeshajahu Leibowitz, Norman Finkelstein, Moshe Zuckermann und viele andere sind der deutschen Bevölkerung nahezu unbekannt.

Kein Zweifel, Springer wollte aus der Geschichte lernen. Doch der Lernakt, dumpf und wahnhaft-religiös, machte eine Volte und wurde zum Akt einer betonierten Idolatrie. Anstatt den neuen Staat Israel als gleichberechtigten Staat in der Reihe der Völker zu akzeptieren, vollzog Axel Springer eine Überidentifikation.

Der deutsche Edelbüßer verschmolz mit den Opfern der Deutschen, um seine deutsche Schuld abzutragen. Die Freud‘sche Identifikation des Opfers mit dem Aggressor kippte um in eine des Täters mit dem Opfer. Alles, was Israel tat, dachte und in Politik verwandelte, wurde zum neuen Evangelium der BILD – und vieler Deutscher, die Mühe hatten, ihre unterdrückten Aggressionen gegen das Land der Menschenrechtsverletzer nicht in einen offenen Antisemitismus ausarten zu lassen.

Im Konflikt zwischen gut gemeinter Vergangenheitsbewältigung und „normalisierten“ Beziehungen zu einem fehlbaren Staat verordnete Springer seinem Blatt absolute Blindheit & Devotheit gegen alle Regierungen in Jerusalem.

Eine Überidentifikation erkennt man an der distanzlosen Kritikunfähigkeit dessen, der mit der geliebt-gehassten Machtautorität eine unzertrennbare Einheit bilden muss. Es ist wie der Rückkehrwunsch des Neugeborenen in den Mutterleib, wo der Embryo im ozeanischen Einheitsgefühl mit dem Universum zum Menschen herandämmerte.

Bedingungslose Loyalität gegen wen auch immer ist rückgratlose Servilität und ein kollateraler Schlag gegen jene, die man bedingungslos unterstützt. Man erweckt den Anschein, als seien jene unfähig zur Selbstkritik und als forderten sie hündische Unterwerfung.

All jene Juden, die ihr Land heiß und innig lieben und deshalb mit scharfem Blick beobachten, werden von BILD zu Vaterlandsverrätern und Selbsthassern degradiert. BILD bestimmt, im Einklang mit der jeweiligen Regierung, wer guter und böser Jude ist.

„Selbsthass“ war der Begriff Theodor Lessings, mit dem er Otto Weininger analysierte. Weininger, frühreifes Genie, verachtete seine jüdische Herkunft und beging in jungen Jahren Selbsttötung. Doch das war zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Wien. Die schärfsten Kritiker des neuen Staates Israel hingegen sind selbstbewusste Juden, die stolz sind auf die Leistungen des jungen Staates.

Inzwischen sind sie immer weniger stolz. Uri Avnery war sein ganzes Leben lang optimistischer Zionist, der glühend an eine Verständigung mit allen israelischen Nachbarn glaubte. Jetzt, in hohem Alter, wird er zunehmend pessimistisch, wenn er die aussichtslos scheinende Kriegs- und Unterdrückungspolitik seines Landes betrachten muss.

Es ist mit Händen zu greifen, welch antisemitische Flut sich ins Land ergießen wird, wenn bei BILD die hochgestaute Überidentifikation bricht und sich ins Gegenteil verkehren wird. Nicht viel anders wird es den Amerikanern ergehen, die sich heute aus messias-erwartenden Gründen mit den Juden auf Gedeih und Verderb verbunden haben. Wehe, wenn ihre Zuversicht, die Juden werden sich zum Christentum bekehren, in maßlose Enttäuschung umkippen wird. Dann wird Amerika sich in ein antisemitisches Land verwandeln.

Die Verblendung liegt nicht nur bei fundamentalistischen Endzeiterwartern. Was bezwecken jüdische Milliardäre in den USA wie Adelson, die die immer ultrareligiöser werdende Regierung Netanjahu mit enormen Summen unterstützen? Halten sie die hasserfüllte Politik gegen die Gojim für zukunftsverheißend?

Die israelische Jugend scheint wie gelähmt und verlässt massenhaft das Land. Stimmen verständiger Zeitgenossen, die mit Zuversicht nach vorne schauen, sind fast nicht mehr zu vernehmen. Selbst die riesige Demonstration zu Ehren Rabins vor wenigen Tagen vermied jegliche aktuelle Politisierung.

Während die Ultrareligiösen immer mächtiger werden und die Gesamtstimmung der Bevölkerung dominieren, verfällt das säkulare Israel – das atheistisch begonnen hatte – in eine eigenartige Stimmungsmelange aus technokratischer Hektik und politischer Lähmung.

Das Überleben des Staates Israel gehört zur Staatsraison der BRD, deklarierte Merkel in feierlichem Ton. Warum höchstes Pathos bei moralischen Trivialitäten, die für alle Menschen und Nationen gelten sollten? Warum kalte Staatsraison – und nicht inniger Herzenswunsch der gesamten deutschen Nation? Warum nur bloßes Überleben und nicht volles saftiges Leben eines Volkes, das nach ungezählten Wanderungen durch die Welt, nach endlosen Verfolgungen und Leiden, endlich eine politische Heimstatt gefunden hat?

Wessen Herz wurde durch die kalte – und nicht sehr glaubenswürdige – Garantieerklärung einer überidentischen Lutheranerin erreicht? Einer Pastorentochter, die es bis heute nicht für nötig hielt, das antisemitische Erbe ihres verehrten Luther und ihres gesamten Christentums zu verfluchen und zu verdammen?

Wenn ihre Treueerklärung gegenüber Israel so verlässlich sein sollte wie ihr gottähnlicher Satz: wir schaffen das, müssten in der israelischen Gesellschaft die Alarmglocken klingeln.

Sind wir durch die antisemitische Kumpanei von BILD, Merkel & Co nicht in eine Situation geraten, die an Perversität nicht zu überbieten ist? Die Deutschen fordern von Netanjahu ihren Holocaust zurück: das war das Echo auf eine Äußerung des israelischen Regierungschefs, die an Absurdität ebenfalls nicht zu überbieten war. Nicht Hitler, sondern ein Jerusalemer Großmufti soll den Völkermord an den Juden erfunden haben.

Uri Avnery fragte sich, ob Bibi nicht geisteskrank geworden sei. Die Beantwortung der Frage ist einfacher. Merkel, BILD & Co sind die Ursachen des gottähnlichen Wahns Netanjahus, der sich willkürlich anmaßt, heute diesen, morgen jenen zum Täter des Massenmords zu ernennen. Jahrelang konnte er den Holocaust als Schwert seiner aktuellen Rache- und Hasspolitik verwenden. Ohne den geringsten Protest irgendeines Mächtigen des christlichen Westens. Inzwischen glaubt er, die Wahrheiten dieser Welt in unfehlbarer Erhabenheit täglich neu erfinden zu können.

Wer nur Lakaien um sich hat, sagt eines Tages zu sich selbst: niemand widerspricht mir, ich muss ein Gott sein. Versteht sich, dass BILD den Größenwahn ihres Heros nicht energisch attackierte und nur Äußerungen seiner Kritiker zitierte. Das ist nicht nur antisemitisch, das ist schamlos und – gefährlich.

Der Vorwurf des Antisemitismus ist durch endlosen Missbrauch wirkungslos geworden. Käme ein neuer Hitler, hätte er keine Schwierigkeiten, seinen Judenhass hinter harmlos klingenden Formeln zu verstecken. Wenn jemand auf der Straße von Lügenpresse spricht, muss er ein Antisemit sein. Warum? Weil Goebbels diesen Ausdruck verwendet hat.

Das Niveau der Antisemitismus-Forschung erhebt sich kaum über das Niveau mechanischer Wortzählerei. Hat jemand seine philosemitische Haltung in vielen Aktionen unter Beweis gestellt und kritisiert eines Tages die Politik Netanjahus, muss er dennoch ein Antisemit sein. Formulierungen, die kein Subjekt kennen, werden als Schlagzeilen benutzt: es kam der Verdacht auf, dass … Die Subjekte des Verdachts bleiben unerwähnt. Vor allem: die christlichen Urwurzeln des Antisemitismus bleiben unerwähnt. Erst jetzt rang sich die EKD durch, die Schuld der Kirchen am Judenhass einzugestehen:

„Martin Luther übernahm in seinen späten Lebensjahren alle judenfeindlichen Denkmuster seiner Zeit, deren Traditionen bis in die biblischen Zeiten zurückreichen. Er beschimpfte die Andersgläubigen als „verstockte Gotteslästerer“ und „Lügner“ und rechtfertigte theologisch, dass sie aus der Gemeinschaft ausgestoßen würden.“ (TAGESSPIEGEL.de)

Luthers Äußerungen waren nur Wiederholungen entsprechender Äußerungen des Neuen Testaments. Luther hat der heiligen Schrift kein Jota hinzugefügt.

Niemand unter Deutschlands „Philosemiten“ ist aufrecht genug, die rachelüsterne Unfriedenspolitik Netanjahus so offenzulegen, wie er sie schonungslos in seinem Land verkündet. Hätten wir nicht israelische „Selbsthasser“ wie Uri Avnery, wir wüssten nicht, wozu der Riesenstaatsmann fähig ist:

„Vor kurzem sagte Netanjahu etwas, das die Welt hätte schockieren können, wenn die Welt zugehört hätte. Aber Netanjahu hat so viel Dinge gesagt, dass sogar viele Israelis aufgehört haben, ihm zuzuhören. In dieser Woche sagte Netanjahu dem israelischen Volk: »Wir werden immer das Schwert essen!« In die heutige Sprache umgesetzt: »Ja, wir werden immer mit dem Schwert leben. Es wird nie Frieden sein.« Es ist nicht so, dass Netanjahu den Krieg liebt. Er weiß nur, dass, um Frieden zu erreichen, wir die besetzten Gebiete zurückgeben müssen. Weder er noch die Leute um ihn sind bereit, dies zu tun.“ (Uri Avnery)

Wie alle westlichen Staaten wird auch Israel von fanatischer Frömmigkeit überschwemmt. Deutschland regrediert zur romantischen Großfamilie im Heiligen Geist. Merkel macht keinen Hehl daraus, dass sie Politik betreibt, um ihre Untertanen in die Kirche zurückzuführen. Amerika fühlt sich bemüßigt, seinen wohlstandsmehrenden Glauben auf Kosten der Welt über alle Grenzen hinauswachsen zu lassen. In Israel gibt es kaum noch Widerstand gegen die jüdische Ajatollisierung des Landes. Die einzige Demokratie in Nahost wird zur jüdischen Theokratie.

Der christlich-jüdische Westen grenzt sich immer stärker vom Rest der Welt ab. Amerika rüstet für einen neuen Kalten Krieg gegen Russland und China. Je drängender die Klimakatastrophen, Naturschändungen und Ressourcen-Rivalitäten, je mehr igeln sich die Staaten des Westens in ihren Erlösungsreligionen ein. Hemmungslos werden den neuen Vernichtungswaffen Zitate der Heiligen Schrift eingraviert.

Um zu erfahren, wie das ultrareligiöse Israel tickt, muss man den jüdischen Religionsphilosophen Jacob Taubes lesen. Mit Inbrunst schreibt er über das Land seiner religiösen Träume:

„Israel ist das unruhige Element in der Weltgeschichte, der Gärungsstoff, der erst eigentlich Geschichte schafft. Abraham ist ein Fremdling auf Erden, Ländern und Völkern fremd, denen er begegnet. Das Geschlecht Abraham betrachtet sich nicht als zu den Völkern gehörig. Israel befindet sich in Entgegensetzung zur Welt. Im Exil wird der unsichtbare Gott der Wüste zum Weltgott, der die Geschichte der Welt lenkt. Gott beansprucht in Israel die Herrschaft über das ganze Leben. Mit der Idee der Theokratie steht Israel im arabischen Raume, dem jener Zug der Auflehnung gegen alle Menschengewalt eignet. Die Theokratie ist auf dem anarchischen Seelengrund Israels errichtet. In der Theokratie äußert sich der Trieb des Menschen, von aller menschlich irdischen Bindung frei zu sein. Jahwe benutzt auch die Gegner Israels als Werkzeug, so dass die Erniedrigung oder gar der Zusammenbruch Israels keineswegs mit einer Niederlage Jahwes identisch ist. Das Heil wird nur für einen Rest Israels kommen. Die dunkle Seite des Unheils fehlt also nicht, ist aber auf die Völker abgeschoben. Alle Dinge der Gegenwart sind vollkommen gleichgültig, denn das Ende steht unmittelbar bevor.“ (Abendländische Eschatologie)

Merkel würde alle Äußerungen Taubes unterschreiben, nur übertragen auf ihren erwählten Protestantismus. Gleiches gilt für neocalvinistische Amerikaner, die sich schon jetzt in Gottes eigenem Land wähnen – sofern sie weiß, reich, alt und fromm sind.

Auch Muslime würden die folgenden Sätze bedingungslos nachbeten: „Die Geschichte ist der Weg des Lichtes hinein in die Welt, hindurch durch die Welt und heraus aus der Welt. Die Heimat des Lebens ist jenseits der Welt. Immer strenger unterscheidet sich die Welt Gottes von der Welt des Hier, immer mehr tritt die Welt Gottes in Gegensatz zu dieser Welt.“ (Taubes)

Es gibt keine säkularisierte Moderne. Ob Gott tot ist oder nicht: unangefochten regiert er die Geschichte. EINPROZENT wird gerettet, 99 Überflüssige gehen verloren.