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Nimbus

Hello, Freunde des Nimbus,

Frau Merkel sollte ihr Heiligengesicht patentieren lassen. Solange ihr reiner, von keiner irdischen Politik befleckter Nimbus uns vorleuchtet in den Dunkelheiten und Stürmen der Zeit, solange kann der böse Feind uns nicht überwältigen. Weder „der Grieche“, noch „der Russe“ (BILD), weder asiatische Hunnen, noch gottlose Bombenwerfer, Flüchtlingshorden, Gerechtigkeitsfanatiker und Gleichheitsdespoten.

Wohin aber gehen wir
ohne sorge sei ohne sorge
wenn es dunkel und wenn es kalt wird
sei ohne sorge
aber
mit Angie

und wohin tragen wir
am besten
unsre Fragen und den Schauer aller Jahre
in Angies Traumwäscherei ohne sorge sei ohne sorge
was aber geschieht
am besten
wenn Totenstille eintritt?    (Frei nach Ingeborg Bachmann)

Totenstille? Jetzt bist du zu weit gegangen. Jetzt hast du Angies Traumwäscherei in Trümmer gelegt. Weder Silicon Valley noch die Börse werden dir das verzeihen.

Also harter Schnitt und noch mal von vorne.

Da erhob sich ein großer Sturm und die deutschen Angsthasen traten zu ihr und sagten: hilf uns, wir gehen unter. Und sie sagte zu ihnen: Warum seid ihr so

furchtsam, ihr Kleingläubigen? Dann stand sie auf und bedrohte die Winde und den See, und es trat eine große Windstille ein. Die Deutschen aber verwunderten sich und sagten: was ist das für ein Teufelsweib, dass ihm sogar die Wilden aus Athen gehorsam sind? In der Welt habt ihr Angst, sagte das Teufelsweib, aber siehe, ich habe die Welt überwunden.

Also, geht doch. Am Ende des Tunnels – der auf Erden nie zu Ende gehen wird –, muss das Lichtlein leuchten. Und wenn es noch so trügerisch wäre. Eine empirische Widerlegung des Lichtleins auf Erden ist nicht vorgesehen. Angies Engelsprache ist so perfekt, dass sie nicht mal vergisst, die Aura – den ganzkörperlichen Heiligenschein rund um die mater dolorosa (Mandorla) –, in Form der Raute anzudeuten.

Die Deutschen verlassen die sichtbare Kirche, um in der unsichtbaren das unbefleckte Urchristentum darzustellen. Im Kokon des ahndungsvoll herbeigesehnten Paradieses blicken sie auf die Turbulenzen der Welt – nein, nicht ratlos, sondern rundum geborgen. Die starke Mutter Angie und der schwache Vater Wolfgang? Um Gotteswillen. Schäuble ist körperlich gebrochen, doch sein Leid ist seine wahre Macht. Gott ist in den Schwachen mächtig. Durch Kreuz zur Krone, durch Höllenfahrt zum finalen Sieg.

BILD-Wagner, gestern noch für Sokrates, hat recherchiert und festgestellt, dass es schon damals schreckliche Athener waren, die den Weisen zu Tode brachten. Einmal Griechen, immer Griechen. Heute ist Wagner für einen eisenharten Kurs des leidenden Gottesknechts Wolfgang gegen die heidnischen Athener: „Der Mann im Rollstuhl ist zurückhaltend, freundlich, still, gewissenhaft, kultiviert und unglaublich hart. Er war tot und kam ins Leben zurück. Etwas Härteres gibt es nicht.“

Ein Herr Riegert von der Deutschen Welle (DW) geht noch weiter. Er fordert die Griechen auf, die neue Chaotenregierung abzuwählen – sonst werden die Deutschen in Griechenland einmarschieren und das Kommando übernehmen: „Die Syriza-Anel-Mannschaft sollte so schnell wie möglich an den eigenen Wahlversprechen scheitern, entzaubert und demokratisch abgewählt werden. Auch das wäre hart für Griechenland, aber immer noch besser, als weiter von einem linksradikalen Gernegroß, einem ökonomischen Stümper und einem nationalistischen Rechtsausleger regiert zu werden und sich aus der EU zu katapultieren.“

Waren die Deutschen bislang demütig? Werden sie nun wieder herrisch? Sie waren nicht demütig, sie waren konfus und traumatisiert. Doch allmählich gehen die Zeiten der german angst zu Ende. Die alte Hoffärtigkeit der Tüchtigen und Überheblichen kehrt zurück. Ein halbes Jahrhundert lang spielten sie die Büßer, inzwischen haben sie sich selbst vergeben.

Kein Zufall, dass zwei Ereignisse zusammenfallen: Juden in Deutschland fühlen sich gefährdet wie noch nie in der Nachkriegszeit – und die Deutschen beginnen wieder von oben herunter zu spucken: „Mitleid für Verlierer gibt es nicht“, tönte in BILD Bela Anda, einst Pressesprecher des Dauersiegers Schröder.

Wie heißt das Mantra der Moderne? Wir leben in Zeiten des Umbruchs. Das Motto der anhebenden eisenhaltigen Epoche wird sein:

„Pardon wird nicht gegeben. Wie vor tausend Jahren die Hunnen … sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutschland in Griechenland in einer solchen Weise bestätigt werden, daß niemals wieder ein frecher Neuhellene es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.“ (Frei nach Kaiser Willem)

Was will Tsipras? Er will – unglaublich, aber wahr – seine verelendete Bevölkerung mit auferzwungenem Sparen nicht noch länger treten.

Diese selbstmitleidigen Griechen, reagiert die zartfühlende FAZ. Er will auf Kosten anderer Wohltaten verteilen, befindet die einfühlsame BILD.

Pacta sunt servanda? Wir haben es nicht mit Verträgen zwischen unverbundenen Nationen zu tun. Europa will eine föderale Demokratie sein. Alles, was eine Demokratie entscheidet, kann durch neue Einsichten revidiert werden. Das ist der Lernprozess rationaler Völker in Versuch und Irrtum.

Brüssel scheint schon jenseits des Popper‘schen piecemeal-engineering (Stückwerk-Technologie) angekommen zu sein. Die EU-Zentrale, unter dem eisernen Nimbus einer Unfehlbaren, ist zur Wagenburg aus Stahl und Beton erstarrt. Nun werden die kleinen EU-Staaten gegeneinander aufgehetzt. Sollen Slowenen, die ärmer sind als Griechen, und die Balten, die durch Selbstdrosselung ein Achtel ihrer Menschen in die Emigration verloren, für die mediterranen Hallodris aufkommen?

„«Deutschland musste mit seinem Widerstand voranpreschen, weil kleinere Staaten sich alleine nicht vortrauen», sagt ein EU-Diplomat SPIEGEL ONLINE. Tatsächlich zeigen sich Länder wie Slowenien – wo das Durchschnittseinkommen niedriger liegt als in Griechenland – und Spanien und Portugal, die harte Reformen durchgesetzt haben, besonders unnachgiebig gegenüber Athen.“ (Gregor Peter Schmitz in SPIEGEL Online)

Nicht einfach, zuzugeben für jene Staaten, die bereits bluten mussten, dass die Griechen mutiger sind als sie und dem Kampf gegen den Drachen nicht ausweichen.

Welch perverse Auffassung von Wirtschaft, die einst die Aufgabe hatte, die Völker zu ernähren und am Leben zu erhalten und heute dem Zweck dient, die Völker ins Elend zu stürzen, Kindern, Armen und Schwachen das Leben zu zerrütten und zu vernichten. Euthanasie, auf Deutsch: ein schöner Tod, von arischen Herren zur Verschleierung von Menschheitsverbrechen benutzt, wurde inzwischen zur EU-Thanasie. Mit bestem ökonomischem Gewissen. Die Wirtschaft muss geheilt werden, und wenn Millionen Menschen dran glauben müssten. Right or wrong: it‘s economy, stupid.

Haben die Europäer irgendwas gelernt? Haben die Deutschen ihre Vergangenheit wirklich bearbeitet? Der Hass auf andere Lebensarten und Wirtschaftsvorstellungen ist der alte Hass auf Menschen, die die Unverschämtheit besitzen, anders zu sein, anders zu denken, anders zu leben.

Wie können Völker völlig unterschiedlicher Wirtschaftsgewohnheiten einem quantitativen Wettbewerb unterzogen werden? Das wäre, als ob ein Muskelprotz mit einem Kind Armdrücken machte. Niemand wird gefragt, ob er an diesem Wettbewerb teilnehmen will. Da erkühnen sich selbsternannte Leitbullen der Weltpolitik, Regeln für die gesamte Menschheit aufzustellen. Ihre eigenen ökonomischen Idiosynkrasien haben sie der Weltgemeinschaft schon seit 300 Jahren auf die Nase gedrückt. Wehe, ein Volk wagt es, ihre Kommandopfiffe zu ignorieren.

Heute ist es Silicon Valley, das der Welt in impertinenter Monopolprophetie die Zukunft ins Drehbuch diktiert. Wer ausschert, wird untergepflügt, das ist der Kern des Liberalismus, auf Deutsch: der freiesten Freiheitslehre aller Zeiten.

Die ganze westliche Presse, alle Intellektuellen, die auf sich halten, singen im höheren Chor: Was auf uns zukommt. Die Welt von morgen. Sind wir fit für die Zukunft? In bestimmten Zirkeln scheint es unfehlbare Offenbarungen zu geben, die sich anheischig machen, andern das eigene Glück aufzuzwingen.

Zwangsbeglückung ist Faschismus. Zwangsbeglückung im Namen der Zukunft ist Heilszeitfaschismus. Technisch begabte Bubis küren sich zu selbsterfüllenden Propheten der Zukunft und überziehen die Menschheit mit alleinseligmachenden Phantasmagorien. Demokratie ist für sie eine Last, sie wollen unabhängige Königreiche auf den Weltmeeren errichten, wo sie nur den digitalen Gott über sich haben und sonst niemanden.

Die Moderne ist zum technisch-ökonomischen Totalitarismus verkommen. Eine winzige Elite kassiert nicht nur systematisch den Reichtum der Menschheit, sie diktiert derselben auch, wie sie von morgens bis abends zu leben hat. Freiheit für immer weniger Menschen ist Unfreiheit für immer mehr.

Ein Frank Schirrmacher, ein Kai Diekmann und sonstige deutsche Propheten der Propheten haben nichts Besseres zu tun, als ins gelobte Land Kalifornien zu pilgern und transatlantische Offenbarungen dem deutschen Pöbel mitzuteilen. Technisch und wirtschaftlich Starke setzen ihre Füße auf die Nacken derer, die weder mithalten können, noch wollen.

Aus allen Windrichtungen schallt es nach Freiheit, dabei schmilzt die Selbstbestimmung des Menschen auf dem ganzen Planeten wie Schnee an der Sonne. War die Welt je uniformer und gleichgeschalteter? Was unterscheidet den digitalisierten Chinesen von dem technisch vernetzten Brasilianer, Deutschen und Amerikaner? Außen dieselben Klamotten, innen die gleiche Gier nach Penunzen, weltweiter Angeberei und gottähnlicher Macht.

Die selektive Wirtschaft sollte die Menschheit in Würdige und Unwürdige teilen, die Ungleichheit der Menschen ins Unermessliche treiben. Doch außer quantitativen Unterschieden bei qualitativer Verklonung ist nichts gewesen. Das globale Dorf wurde zum omnipotenten Prokrustesbett, in dem jeder nach gleicher Schablone gestreckt oder gestaucht wird, bis er sich für seine Individualität zu schämen beginnt. Wer dem Zeitgeist widerstrebt, wird zum Waldschrat oder Hinterwäldler.

Die Renitenz der unangepassten Griechen könnte Europa zum Einhalten und Nachdenken provozieren. Sie geben sich uneitel und normal wie Krethi und Plethi. Genau dies wird ihnen als besonders arglistige Eitelkeit zum Vorwurf gemacht, sie würden sich an die Unterschichten ranwanzen. Dann wird es wohl effektiver sein, sich himmelwärts zu ducken, nach unten zu treten und sich bei Oberen einzuschleimen.

Doch was tun die beinharten Eliten? Die Deutschen vorneweg? Sie verwechseln die europäische Agora mit einem SM-Studio und zücken schon mal die Peitschen. Immer vorneweg Madonna Merkel mit blechernem Heiligengesicht, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Nein, sie heuchelt nicht. Sie tut, was sie glaubt.

Was glaubt sie? Was sie ein Leben lang in den Predigten ihres pastoralen Vaters verinnerlichte. Gibt es eine neutestamentliche Gerechtigkeit? Nur als Gerechtigkeit Gottes. Die liegt vor, wenn Gottes alleinverdienstlicher Ruhm vom sündigen Geschöpf anerkannt wird. Eine weltliche Gerechtigkeit gibt es nicht, die Belange der dem Ende zustrebenden Welt sind irrelevant.

Gerechtigkeit Gottes ist reines Willkürhandeln eines allmächtigen Herrn. Im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg entlohnt der Besitzer alle Arbeiter mit dem gleichen Lohn, obgleich alle verschieden lang arbeiteten.

Auf den Protest der ordinär-gerecht denkenden Malocher: „Diese haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleich gemacht, die wir des Tages Last und die Hitze getragen haben“, antwortet der Herr:

„Mein Freund, ich tue dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir eins geworden für einen Groschen? Nimm, was dein ist, und gehe hin! Ich will aber diesem letzten geben gleich wie dir. Oder habe ich nicht Macht, zu tun, was ich will, mit dem Meinen? Siehst du darum so scheel, daß ich so gütig bin? Also werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein. Denn viele sind berufen, aber wenige auserwählt.“

Das höhnisch-triumphierende Willkürprinzip ist das Gegenteil jeder billig oder aristotelisch denkenden Gerechtigkeit in einer demokratischen Polis. Der Römerbrief setzt der unangreifbaren Immunität des Allmächtigen die Krone auf:

„Oh Mensch, wer bist du, dass du mit Gott rechten willst?“

Schon das Ansinnen, mit dem Schöpfer über Gerechtigkeit zu debattieren, ist fluchwürdig. Einst waren die Christen die Letzten. Dank der christlichen Umwertung aller Werte wurden die Letzten die Ersten. Vor Gott sind alle Menschen gleich, wie jeder Hohlkopf falsch zitiert?

Viele sind berufen, aber wenige auserwählt. Als die Jünger ihren Herrn fragten, warum er in Gleichnissen rede, antwortete er: „Euch ist es gegeben, daß ihr das Geheimnis des Himmelreichs verstehet; diesen aber ist es nicht gegeben. Denn wer da hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch das genommen was er hat.“

Menschen selektieren, teilen, spalten, trennen: das ist das Generalprinzip des Herrn, dessen Güte darin besteht, das Wohl der einen auf dem Rücken der anderen zu vollstrecken.

In volksnahen Gleichnissen sprach er nicht, um sich dem Volk verständlich zu machen, ganz im Gegenteil:

„Darum rede ich zu ihnen durch Gleichnisse. Denn mit sehenden Augen sehen sie nicht, und mit hörenden Ohren hören sie nicht; denn sie verstehen es nicht.“

Die einen gegen die anderen. Der Vorteil der Erwählten gründet auf dem Nachteil der Verworfenen. Dieser fremdschädigende Heilsegoismus wurde zum Ethos des modernen Kapitalismus.

Die Gerechtigkeit des „billig denkenden Normalos“ mit gesundem Menschenverstand wird von Hayek zur Todsünde wider das neoliberale System erklärt:

„Der vorherrschende Glaube an »soziale Gerechtigkeit« ist gegenwärtig wahrscheinlich die schwerste Bedrohung der meisten anderen Werte einer freien Zivilisation.“

Ohne ungleiche und ungerechte Verhältnisse kein Wirtschaftswachstum. Der unermessliche Wohlstand der Reichen beruht auf dem unbegrenzten Elend der Überflüssigen:

„Es mag hart klingen, aber es ist wahrscheinlich im Interesse aller, daß in einem freiheitlichen System die voll Erwerbstätigen oft schnell von einer vorübergehenden und nicht gefährlichen Erkrankung geheilt werden um den Preis einer gewissen Vernachlässigung der Alten und Sterbenskranken.“

Bis heute behaupten die SPD-Schröders ohne zu erröten, der Wettbewerbsvorteil der deutschen Industrie sei durch Deklassieren und Entmündigen der Schwächsten erst möglich geworden. Nicht die Qualität deutscher Erfindungskunst, nicht die solide Arbeit der Beschäftigten, nicht die Zuverlässigkeit ihrer Kaufleute sind die Ursachen des deutschen Erfolgs, sondern die entwürdigende Massentierhaltung der Hartz-4-Klassen. Die Reichen und Mächtigen fühlen sich in ihrer Auserwähltheit nicht anerkannt, wenn die Massen der Nichterwählten nicht proportional in den Staub getreten werden.

Zur antikapitalistischen Erheiterung noch weitere luzide Erkenntnisse des adligen Althabsburgers:

„Die Jugend ist begeistert, wenn ihr jemand sagt, man könne die Welt schön und gerecht einrichten. Das aber ist eine Illusion. Wer der Jugend sagt, er hätte die Dinge „im Griff“, täuscht sie. Niemand kann andere Menschen und deren Wünsche „im Griff haben“. Es ist die grundlegende Illusion des Sozialismus, daß sich Armut durch Umverteilung des vorhandenen Wohlstandes beseitigen lasse. Es ist eine schlimme Geschichtsfälschung, zu behaupten, daß das Proletariat enstanden sei, indem Menschen ihres Eigentums beraubt wurden. Das Proletariat ist die Schöpfung des Kapitalismus. Es sind Menschen, die ohne ihn nie geboren worden wären. Der freie Markt, der das Sozialprodukt verteilt, ist selbstverständlich „ungerecht“. Diese Ungerechtigkeit ist aber gleichzeitig eine Anregung für andere Menschen, überhaupt Sozialprodukt zu erzeugen. Gäbe es keine Einkommensunterschiede – wer würde sich anstrengen, sie auszugleichen? Wahr ist, daß eine soziale Marktwirtschaft keine Marktwirtschaft, ein sozialer Rechtsstaat kein Rechtsstaat, ein soziales Gewissen kein Gewissen, soziale Gerechtigkeit keine Gerechtigkeit – und ich fürchte auch, soziale Demokratie keine Demokratie ist.“

Hayeks elitäres Oberschichtsdenken wird nur noch von seinem Lehrer Ludwig von Mises übertroffen, der den Kapitalismus zum Werkzeug des völlig isolierten gottebenbildlichen, menschheitsfeindlichen Einzigen und Unvergleichlichen macht:

„Das ist die Freiheit im äußeren Leben des Menschen, dass er unabhängig ist von dem Wohlwollen der Mitmenschen. Diese Freiheit ist kein Urrecht des Menschen, ihre volle Ausbildung ist ein Werk des entwickelten Kapitalismus. Der Kapitalismus kennt keine Gnade und Ungnade, alle Beziehungen sind sachlich und unpersönlich, sind rechenbar und vertretbar. Mit der Rechenhaftigkeit der kapitalistischen Geldwirtschaft steigt die Freiheit aus dem Reich der Träume in das der Wirklichkeit herunter.“

Was für den marxistischen Proleten das Reich der Freiheit durch gleichberechtigten Allgemeinbesitz, ist für den Neoliberalen das Reich des Mammons, in welchem alle Bestandteile eines würdiges Lebens mit Geld erstanden werden können. Freundschaft, Liebe, Anerkennung und heitere Geselligkeit werden nicht durch freundschaftliche, liebende, anerkennende und heitere Kompetenz erarbeitet, sondern durch Zücken des vollen Säckels erkauft.

Wir sind auf das katholische Niveau des Ablasshandels regrediert: wenn der Taler im Kasten klingt, die Seele in die Freiheit des asozialen, apolitischen Einzelnen à la Stirner springt, der über sich sagt: „Mir geht nichts über Mich“.

Geld ist zum Blutkreislauf, Reichtum zum Ersatz des Liebes- und Freundschaftsprinzips der Gesellschaft geworden, die keine Gemeinschaft mehr ist, sondern das Nebeneinander von Maschinen, die beseelt zu nennen, man sich nicht entschließen kann. Sklaven waren für Aristoteles beseelte Werkzeuge. Für Mises sind Menschen seelenlose Macht- und Geldmaschinen. Von Mises‘ Geldrobotern zu den Genierobotern des Silicon Valley ist nur noch ein Katzensprung.

Die Wilden aus Athen sind die Einzigen in Europa, die Kopf und Kragen riskieren beim überfälligen Streit um Gerechtigkeit. Ganz Europa hält den Atem an.

Immer voran die deutsche ESPEDE. Merkel & Schäuble-KG signalisieren dem Volk: alles ist okay, wenn ihr uns kritiklos folgt. Deutschland pennt weiter und wundert sich über junge Terroristen und ultrarechte Fremdenfeinde, die die wachsenden Ungerechtigkeiten der Weltverhältnisse nicht mehr ertragen.

Der westliche Kapitalismus beruht auf dem Gefühl des schuldigen Überflüssigseins, das die Habenden den Besitzlosen einimpfen. Solange sie gebraucht werden, sollen sie sich im Dienst der Oberen aufbrauchen. Dann sollen sie sich vom Acker machen. Die nächsten Robotergenerationen stehen bereits vor der Tür.

An allen Wirtschaftskrisen ist immer nur – das Volk schuldig: „Das Volk muss sich selbst als die Hauptursache seines Elends betrachten“, sprach Pastor Malthus. Proleten sollen froh sein, dass sie überhaupt geboren wurden, hatte Hayek behauptet. Ohne Kapitalismus hätten sie nie das Licht der Welt erblickt.

Doch haben die Proleten ihre Arbeit getan, sollen sie leise weinend wieder abtreten – meinte Malthus: „Der in die überfüllte Welt Hineingeborene findet an der großen Tafel der Natur keinen für ihn gedeckten Platz. Die Natur befiehlt ihm, wieder zu verschwinden und zögert nicht, ihrem Befehl nachzuhelfen.“

Die Botschaft des Pastors Malthus ist die der Pastorentochter Merkel: „Griechen, die Natur befiehlt euch, wieder zu verschwinden. An der großen Tafel der Natur gibt’s keinen Platz für Leute, die nichts erwirtschaften. Wer so lässig in den Tag hinein lebt, hat den Ernst des Lebens und die Gesetze der Wirtschaft nicht verstanden.“ Sprach die Kanzlerin im Nimbus ihrer Unfehlbarkeit.

Die Deutschen verehren sie und wittern Morgenluft. Die Täternation hat es wieder an die Spitze Europas gebracht.