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nichtsdesto-TROTZ X

Tagesmail vom 28.04.2021

nichtsdesto-TROTZ X,

nicht verzweifeln! Rettung naht.

Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben: Corona-Depressionen können bewältigt werden.

Fieberhaft arbeitet die Regierung daran, der taumelnden Bevölkerung zu Hilfe zu eilen. Durch exponentiellen Freiheitsentzug erhöht sie so lange den Leidensdruck, bis die Menschen den staatlich verordneten Trost mit Dank und Erleichterung annehmen.

Corona („wie ein Heiligenschein wirkender Lichtkranz“) ist ein Geschenk des Himmels, das die verlorenen Schafe zum Guten Hirten zurückführen soll. So lautet die interne Anweisung der Regierung. Schon längst hätte eine christliche Obrigkeit den Großen Kirchen in deren Kampf gegen Gottlosigkeit und Flucht vor Kirchensteuern zu Hilfe kommen müssen.

Inbrünstige Gebete haben geholfen: Corona ist ein Gottesgeschenk, um ein trostlos umherirrendes Volk zum Vater zurückzubringen. Denn, gäbe es keine Christen mehr, könnte es keine christliche Regierung geben. Den Kirchen helfen, heißt, der christlichen Obrigkeit helfen:

„Es gibt eine Vielzahl empirischer Studien, die genau dies belegen. Es ist demnach so, dass religiös und spirituell aktive Menschen im Durchschnitt offensichtlich resilienter, also widerstandsfähiger, sind und über bessere Bewältigungsstrategien verfügen, um mit kritischen Lebensereignissen zurechtzukommen. Eine Person leidet zurzeit, weil sie nicht ins Büro gehen kann, sie hockt daheim und fühlt sich einsam. Die Situation kann als sehr kränkend erlebt werden. Wenn diese Person Zugang zu einer lebendigen Glaubenspraxis hat, also eine lebensfrohe und menschen- und tierfreundliche Spiritualität pflegt, vielleicht betet und gewisse Rituale kennt, biblische Geschichten liest und sie auf sich wirken lässt, dann fördert das ihr Selbstwertempfinden. Wenn sie weiß, dass sie geliebt und hier und jetzt gebraucht wird, dann stärkt das ihr positives Grundgefühl. Glaube ich an einen patriarchalen und strafenden Gott, dann fühle ich mich klein, kontrolliert und bin voller Angst. Glaube ich hingegen an ein gütiges Gegenüber, darf ich durchatmen und mich frei fühlen. Und es ist schon noch etwas anderes, wenn man sich in eine weltweite Tradition wie das Christentum hineinstellt und sich mit der Heiligen Schrift und Glaubensdokumenten auseinandersetzt, als einer spirituellen Gruppe beizutreten, die noch kaum eine Geschichte hat.“ (Jetzt.de)

Rechtzeitig hat sich das Credo der Kirchen von angsterregenden Traditionen befreit und sich den Bedürfnissen moderner Menschen angepasst:

„Glaube ich an einen patriarchalen und strafenden Gott, dann fühle ich mich klein, kontrolliert und bin voller Angst. Glaube ich hingegen an ein gütiges Gegenüber, darf ich durchatmen und mich frei fühlen.“

„Euer Gott kommt zur Rache, die Rache ist mein, spricht der Herr, das ist des Herrn Rache, es ist kommen der große Tag seines Zorns“: solche verächtlichen Stellen sollen aus der Schrift für immer getilgt werden.

Gott wird. Ununterbrochen arbeitet er an sich, stößt seine rächenden und zornigen Jugendsünden ab und reift zu einem liebenden und sanftmütigen Vater, einem Gott, der auf der Höhe der Moderne ist. Gott ist nicht unbelehrbar. Vom Menschen lässt er sich in ein gütiges Wesen verwandeln, das trostbedürftige Kreaturen in Lockdown-Zeiten bitter nötig haben.

Gläubige Menschen sind keine Esoteriker, die sich in geschichtslosen Kleingruppen oder Sekten hilflos aneinanderklammern. Sie gehören mächtigen Kirchen an, die weltweiten Einfluss besitzen und es nicht mehr nötig haben, in überheblicher Manier Mission zu treiben.

Solches überlassen sie rückwärts gewandten Freikirchen, die die Menschen noch immer in Angst und Schrecken versetzen müssen.

„Mission wird heute grundsätzlich nicht mehr von den Großkirchen, sondern vielmehr von Freikirchen betrieben. Alles, was benutzt wird, um Menschen kleinzuhalten, um sie zu ängstigen und ihnen zu schaden, ist bedenklich, das muss man angehen und Aufklärung betreiben.“

Da haben wir‘s: moderne Kirchen sind zu Institutionen der Aufklärung geworden. Der mörderische Kampf zwischen Vernunft und Glaube war gestern. Der Glaube der Zukunft ist die Große Versöhnung, die finale Harmonie zwischen Gut und Böse, Verderben und Heil, Seligkeit und Hölle, Vernunft und Glauben. Die Theologie hat das Niveau der Identitätsphilosophie erreicht.

„In der Geschichte soll die Idee vollbracht werden, Gott regiert die Welt.“ (Hegel)

Und siehe, im selben Moment, in dem die Welt abschüssig wird, hat sich die Theologie von allen Sünden befreit und wäscht ihre Hände in Unschuld. An ihr wird es nicht liegen, wenn die Schöpfung verwahrlosen wird. Christen sind mit sich im Reinen, wenn der Planet kalt und ausgebrannt im Weltall umherirren wird.

„Und Menschen, die fundamentalistisch oder moralisch eng aufgewachsen sind, zum Beispiel mit religiösen Inhalten wie „Gott will, dass du das und das machst und wenn du da nicht gehorchst, dann kommst du in die Hölle“, das ist schrecklich, damit kann man Menschen kaputtmachen.“

Moral ist für moderne Christen mit Lohn und Strafe verbunden. Beides lehnen sie ab. Was immer sie tun, sie tun es, weil sie mit sich identisch sind. „Das A und O des Glaubens ist Freiheit“. Dass selbstbestimmte Moral eine heidnische Erfindung ist, die sie sich klammheimlich unter den Nagel gerissen haben: das haben sie erfolgreich verdrängt.

Die Offenbarung ist dabei, sich in eine deutsche Kreation zu verwandeln. Erinnerungen an eine hebräische Bibel sind überflüssig und schädlich. Mit dem jüdischen Volk, das sie noch vor kurzem ausrotten wollten, sind die Deutschen in herzlichem Einvernehmen. Sie haben die Erlöserreligion – ohne Blick zurück im Zorn – ganz neu erfunden.

Aus dem Kanzleramt wird kolportiert, die Regierung wolle das Heilmittel gegen Coronafolgen gesetzlich vorschreiben. Wer sich hartnäckig weigere, würde solange mit Coronamaßnahmen behelligt, bis er zur Vernunft kommen wird: der Vernunft der finalen Harmonie.

Ist es nicht auffällig, mit welcher sorge-verbrämten Lust die Mächtigen von Tag zu Tag autoritärer und herrschsüchtiger werden? Uralte deutsche Beglückungszwänge dringen ihnen aus allen Poren. Platon war schon immer ihr Lieblingsphilosoph, die lutherische Obrigkeit schon immer die unfehlbare Stimme des Himmels, der sie blindlings folgen wollten.

Noch legen sie Wert auf ein demokratisches Tarngehäuse. Wie lange noch? Untergründig sind sie schon lange der Freiheit und alleinigen Verantwortung überdrüssig geworden. Es wird Zeit für ein Neues.

Merkwürdige Verwesungsgerüche dringen aus ihren Kyffhäusern, demokratische Begriffe werden geschreddert, täglich wächst die Aversion gegen die Moral der Menschenrechte, niemand will für sein Tun haften. Schuld gibt es keine mehr, Ursache und Wirkungen werden entsorgt. Täter haben sich in Marionetten und Mitläufer ihrer eigenen Taten verwandelt. Gern übernehmen die Gewählten Verantwortung, sofern alles bleibt, wie es ist und sie ihre Macht nicht verlieren. Demokratie wird zu einer Maschine, deren wachsende Komplexheit niemand mehr durchschaut, weshalb alle sehnsüchtig auf superintelligente Algorithmen warten, die die Machenschaften des Seins, der Geschichte oder des unbesiegbaren Fortschritts unter ihre Kontrolle nehmen werden.

Die beiden mächtigsten Menschen der Republik mussten vor einen Untersuchungsausschuss, um sich vor Volksvertretern zu rechtfertigen. Waren sie schuld am schlimmsten Finanzbetrug der BRD? Was wussten sie? Waren sie etwa, horribile dictu, selbst verstrickt in dunkle Machenschaften?

Cool kamen sie, redeten, als wären sie nicht von dieser Welt: unberührt gingen sie. Waren sie nicht verantwortlich für jene Beamten, die alles hätten verhindern müssen?

Was ist Verantwortung? Kann sie durch Fragen ermittelt werden? War ein fragender Ermittlungsausschuss das angemessene Instrument, um Verantwortung dingfest zu machen?

Verantwortung ist nicht identisch mit persönlicher Schuld. Schuldhafte Verwicklungen können penibel recherchiert werden. Verantwortungen sind definierte Machtverhältnisse. Wer Verantwortung für ein bestimmtes Amt trägt, ist a priori festgelegt. Unabhängig von jeder persönlichen Verstrickung hat der Verantwortliche für die Fehler seiner Untergebenen einzustehen.

Der Fisch stinkt vom Kopfe her, bedeutet: gleichgültig, wer sich konkret schuldig gemacht hat, die Verantwortung liegt beim Befehlshaber. Auch wenn er die reinste Weste hätte, müsste er die Konsequenz ziehen und Verantwortung für seine schuldigen Untergebenen übernehmen. Verantwortung ist Schuld per Machtzuweisung, nicht per subjektivem Tun.

Sind Sie der zuständige Minister jener Beamten, die bei der Kontrolle des betrügerischen Konzerns versagt haben? Diese Zuständigkeiten sind bei Amtsantritt festgelegt. Wer zuständig ist, ist auch verantwortlich – also müsste er gehen, wenn seine Untergebenen sich als schuldig erwiesen hätten.

Sind Sie als Kanzlerin die Vorgesetzte jenes Ministers, dessen Aufgabe es war, Finanzkonzerne zu überwachen? Warum haben Sie den Minister nicht selbst zur Verantwortung gezogen? Warum haben Sie sich um die Angelegenheit so gut wie nicht gekümmert? Warum musste der Minister vor der Öffentlichkeit nicht Rede und Verantwortung stehen? Ihre Aufgabe wäre es gewesen, den Minister – wenn er denn die Schuldigen nicht ermahnt oder entlassen hätte – nun seinerseits zur Verantwortung zu ziehen. Sollten Sie das nicht getan haben, haben Sie sich selbst schuldig gemacht: jetzt sollten Sie die Verantwortung übernehmen – und gehen.

Der Untersuchungsausschuss hat nach konkreten Schuldigen gefahndet, nicht nach Verantwortungen gefragt. Insofern war die ganze Prozedur eine Farce. Das Ergebnis der Untersuchung stand von vorneherein fest: Kanzlerin und Minister werden ungeschoren davonkommen – wenn sie was täten? Wenn sie nur hartnäckig genug leugnen würden, irgendetwas über die Machenschaften gewusst zu haben.

Unkenntnis schützt vor Strafe nicht, wenn es um persönliche Schuld geht, und muss zu Konsequenzen führen, wenn es um Verantwortung geht.

Verantwortung ist einer der schillerndsten Begriffe der deutschen Sprache. Dafür sorgte bereits Max Weber, auf den man sich gerne zu berufen pflegt. Verantwortung trennte er von Gesinnung, um die beiden Begriffe kurz danach wieder zusammenzubringen.

Gesinnung ist für ihn christliche Feigheit, sich mit Absichten zufrieden zu geben, ohne für Taten zu sorgen, die man Gottes Kompetenz überlässt. Bußgesinnung und Vermeidung moralischer Taten: das war der Sinn der lutherischen Rechtfertigungslehre allein durch Glauben ohne des Gesetzes Werke.

Auf Deutsch: ich muss nur zerknirscht sein vor Gott, alles andere muss ich Ihm überlassen. Taten aus rechter Gesinnung darf ich nicht bringen, denn das enthielte die Gefahr, sich dieser Taten als „Werke“ zu rühmen – mit denen man die Gnade Gottes verruchterweise verdienen wollte. Das aber wäre nichts als katholischer Ablasshandel, bei dem man sich durch Geld ins Himmelreich einkaufen kann. Bei Luther waren es gute Taten, mit denen man die Gnade Gottes verdienen könnte.

Noch wichtiger war für Max Weber, dass gute Gesinnungen allzu gute Taten hervorbringen würden, die im harten Existenzkampf nicht bestehen könnten. In Dingen der Staatsraison wären moralische Taten nicht selten verderblich, wenn der machiavellistische Gegner ohne Rücksicht auf Verluste attackieren würde. In der Bevorzugung der Verantwortung wäre der Affront gegen moralisches Verhalten inbegriffen. Hier haben wir eine der wichtigsten Weichenstellung der Deutschen gegen moralische Gutmenschen vor uns.

Weber aber hatte übersehen, dass die Moral seiner christlichen Gesinnung nichts anderes als – christliche Moral sein konnte, keine autonome wie die der Griechen. Nun stellte er sich selbst eine Falle: indem er Verantwortungsethik bevorzugte, um durch moralfreie Mittel für einen Sieg über den Gegner (oder Feind) zu sorgen, entschied er sich dafür, gute und böse Mittel einzusetzen. Das war der endgültige Sieg Machiavellis über die braven Spießbürgertugenden der Deutschen, die zur nationalen Machtpolitik unfähig waren. Als sie sich unter Bismarck entschieden, zur führenden Macht Europas zu werden, machten sie Schluss mit ihrer privaten Gutheit. Sie befreiten sich von der Fessel des kategorischen Imperativs und entschieden sich für freie Wahl des Guten und Bösen.

Um sich die Lizenz zur antinomischen Amoral zu geben, hätte Weber die christliche Gesinnung nicht verwerfen müssen. Denn hier galt Luthers Erlaubnis zu guten und bösen Taten nach seiner Devise: sündige tapfer, wenn du nur glaubst. Die Deutschen hätten sich die Bewunderung für Machiavelli sparen können, wenn sie Luthers Verwerfung der guten Taten verstanden hätten. Luther war der religiöse Machiavelli der Deutschen.

Die Nation, die lange zur Politik unfähig war, begann mächtig zu werden, indem sie ihre private Moral bekämpfte und zur Anbetung bedenkenloser Amoral überging. In der heutigen Ablehnung der Moral schlummert noch immer die Begierde nach „grenzenloser Freiheit“, identisch mit bedenkenloser amoralischer Willkür. Moral ist für sie die Fesselung eigener Machtgelüste, Freiheit nichts als hemmungslose Amoral.

Verantwortung ist Antwort geben – auf welche Frage? Auf die Fragen Gottes im Gewissen, der Stimme Gottes im Innern des Menschen. Christen rühmen sich, das Gewissen erfunden zu haben. Sie haben das Gewissen als Stimme Gottes erfunden. Dass Gewissen auch die Stimme der selbstbestimmten Vernunft sein kann, ist an ihnen vorübergegangen.

Verantwortung im christlichen Sinne zu übernehmen, hieße demnach, sich vor Gott schuldig oder unschuldig zu empfinden. Wenn sie bereuen und Buße tun, sind sie vor Gott unschuldig – auch wenn sie die schlimmsten Taten begingen. Wenn sie nicht um Vergebung bitten, sind sie schuldig wegen bloßer gedanklicher Sünden.

Ich kann Verantwortung übernehmen für die Folgen meines Tuns, wenn ich meine Gesinnung erforscht und erkannt habe, dass ich so unschuldig nicht bin, wie ich es gerne wäre. Das setzt intensive Selbsterforschung voraus. Ich muss mein Bewusstsein so erweitern, dass mir unliebsam-unbewusste Triebregungen bekannt werden.

Ich muss Verantwortung übernehmen für die Folgen des Tuns anderer, wenn ich Macht über diese anderen habe. Denn ich muss dafür sorgen, dass sie das Richtige tun. Wenn nicht, muss ich sie zur Verantwortung ziehen. Unterlasse ich es, mache ich mich selbst zum Schuldigen, auch wenn ich persönlich unschuldig geblieben bin.

Hans Jonas hat uns eine treffliche Definition der Verantwortung hinterlassen:

„Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten Lebens auf Erden.“

Unter diesem Gesichtspunkt versagen fast alle Verantwortungsträger dieser Republik. Und am meisten die mächtigsten. Verantwortung übernehmen ist für sie zur Phrase verkommen. Die ehemalige Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger war eine der letzten PolitikerInnen, die zurücktraten, obgleich sie selbst keine Schuld auf sich geladen hatte. Merkel zieht niemanden zur Verantwortung – weil sie selbst von niemandem zur Verantwortung gezogen werden will. Selbst als sie wegen einer Lappalie um Verzeihung bat, dachte sie nicht an Rücktritt. Im Gegenteil: die Verzeihung um fast nichts lenkte ab von der Rechthaberei in fast allen Dingen.

Bei Kierkegaard begann Verantwortung zur „Suspension des Ethischen“ zu werden: Verantwortung vor Gott hat mit Rechenschaft vor der unbestechlichen Vernunft nichts gemein.

Nietzsche erweitert Kierkegaards Verantwortung vor Gott zur Verantwortung vor dem Übermenschen – dem alles erlaubt ist. Hier gibt es keinerlei moralische Bedenken und Skrupulositäten mehr. Mein Wille ist mein Himmelreich – oder die Hölle, die ich anderen bereite:

„Nietzsche vollzieht die „Umwertung aller Werte“. Das bisherige Verantwortungsdenken beruhe auf einer durch theologische Absichten verursachten Täuschung, mit der ein schlechtes Gewissen und das Bedürfnis nach Strafe und Sühne erzeugt werden sollte. Die Lehre von der Unschuld des Werdens begründet eine neue Freiheit als Freiheit von der bisherigen Moral. Der freie Mensch ist nur sich gegenüber oder gegen den höheren Menschen verantwortlich.“ (Hist. Wörterbuch der Philosophie)

Hier löst sich der Übermensch von aller solidarischen Verantwortlichkeit gegenüber anderen Menschen und Instanzen. Der Übermensch ist Gott geworden, der niemandem Rechenschaft schuldig ist, außer sich selbst. Das war die philosophische Ermächtigung der Nationalsozialisten zu allem Bösen, das sie in göttlicher Einsamkeit der Übermenschen als das Gute und Notwendige präsentieren konnten.

Die Kanzlerin, in der Herrlichkeit ihrer Demut, ist niemandem auf Erden Rechenschaft schuldig. Verantwortung trägt sie nur vor Gott. Doch zu diesen Tempel hat kein irdischer Sünder Zutritt.

Nach langer Abwesenheit in der Öffentlichkeit gewährt Merkel gelegentliche Gespräche, um mit empörten und wütenden BürgerInnen zu sprechen. Es muss eine feierliche Atmosphäre herrschen. Das Gespräch wird zur Audienz, in der der Bürger vor der Königin der Herzen seine Sorgen und Beschwerden vortragen darf. Und wie oft geschieht es, dass die Erbosten von jetzt auf nachher zu lammfrommen Bittstellern umkippen, die ihrer Kanzlerin von Herzen für ihre hingebungsvolle Arbeit danken.

Der Deutsche wird zum Untertan, wenn er die Aura der Macht spüren darf. Anstatt politisch zu streiten und die Kanzlerin kritisch zu zerlegen, klagen die Einzelnen über private Sorgen. Die Kanzlerin zeigt sich gnädig und verspricht den Bittenden, ihre Anliegen „mitzunehmen“. Aus einem Streitgespräch auf dem Marktplatz wird ein Bittgottesdienst um private Almosen. Das Christentum hat die Polis ausmanövriert.

Dem Vorwurf, die Maßnahmen zur Pandemie seien unübersichtlich und widersprüchlich, begegnet Merkel mit dem bemerkenswerten Satz:

„Die Maßnahmen haben Brüche, die mit der letzten Logik nicht zu erklären sind.“ Beschwichtigt erneut: „Die Notbremse wird nicht den letzten logischen Argumenten standhalten.“ Und erneut: „Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass Sie alles total logisch finden werden.“ (WELT.de)

Sie gewährt Logik nach Gesichtspunkten der Gnade. Sie kann nicht pure Logik versprechen. Die Ursachen ihrer irrationalen Maßnahmen nennt sie nicht. Nach diesen Worten sind ihre Gesprächspartner so klug als wie zuvor. Es ist, wie es ist. Und das bestimmt die mächtigste Frau der Welt.

Sie verspricht nur, was sie halten kann – sollte man denken. Doch nein:

„Überhaupt Versprechen. Mehrmals verspricht Merkel, diesen oder jenen Punkt ihrer Kulturstaatsministerin vorzulegen. Einmal wird sie konkreter: „Ich nehme es mit in die zukünftigen Haushaltsberatungen.“ Kaum gesprochen, fällt ihr die Hohlheit dieses Satzes ein: „Ach, da bin ich ja gar nicht mehr dabei!“

Sie verspricht ins Blaue, denn bald ist sie nicht mehr da. Das grenzt schon an Nietzsches Übermenschen.

Sollen Geimpfte subito ihre Grundrechte zurückerhalten? Nein, das wären unverdiente Privilegien gegenüber Nicht-Geimpften. Was rechtens ist, ist politisch noch lange nicht klug und verantwortbar, sagte Kretschmann, der Grüne. Recht und Politik werden zu Antagonisten.

„«Wir brauchen jetzt auch die Solidarität der Geimpften», sagt die Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz.“ (BILD.de)

Mündigkeit ist kein selbstverständliches Recht mehr in diesem Land, sondern eine Gnadengabe der Mächtigen, ein unverdientes Privileg. Nicht Unmündige sind asozial in diesem Land, sondern Mündige!!

Nur Entmündigte können solidarisch sein. Gute Nacht, Deutschland.

Fortsetzung folgt.