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Natur brüllt! XLIII

Tagesmail vom 22.12.2023

Natur brüllt! XLIII,

In aller Früh scheint sie durchs Fenster – die Sonne, die sich so lange nicht blicken ließ. Will sie uns mitteilen, dass wir einer neuen Zeit entgegen gehen?

Schwestern und Brüder: haltet inne beim Spielen mit Maschinen, deren Fähigkeiten die unsrigen schon lange übertreffen. Bilden wir, nach langer Zeit, wieder einen schlichten Kreis und denken selber nach – über unsere Zukunft.

Aus der Ferne hören wir wundersame Nachrichten von einem Mann, einem Führer der Menschheit, dessen futurische Fähigkeiten sich noch lange nicht genug über die Welt verbreitet haben.

„Meta-Chef Mark Zuckerberg (39) lässt ordentlich Kohle regnen und investiert gerade knapp 250 Millionen Euro für ein ganzes Dorf auf Hawaii! Eigentlich hat er auf der Insel Kauai schon eine große Villa samt privatem Strandabschnitt – aber das reicht dem Facebook-Gründer nicht. Jetzt müssen noch mehr Villen, zahlreiche Baumhäuser und eine riesige Bunkeranlage her.“ (BILD.de)

Jeder sucht sich eine Insel oder eine verlassene Landschaft in der Welt und baut sich sein traumhaftes Domizil für die kommenden Zeiten. Unübertrefflich, wehrhaft, autark und unbesiegbar. Dort werden wir residieren wie Gott in Frankreich.

Der Glaube an den Traum lässt sich in wenigen Worten wiedergeben:

„Die erfolgreichsten Gemeinwesen des Jahres 2050 werden keiner der heutigen Ideologien entsprechen. Hochsteuerländer wie Deutschland, die ihre Bürger wissentlich sogenannten Intensivtätern aussetzen, haben in dieser Form keine Zukunft. Letztlich führen alle Systeme, die dem Einzelmenschen nicht gestatten, sein Leben nach eigenen Wertvorstellungen einzurichten, dazu, das eine kleine Gruppe ihren Willen allen anderen aufzwingt, selbstverständlich stets im Namen des Guten, eines Gottes oder des Gemeinwohls. Vernunft kann nicht gegen Moral bestehen, wenn die Mehrheit entscheidet. Daher rührt das intellektuell immer schwächere Politikpersonal. Es bedarf weder der Berufserfahrung noch des Fachwissens, wenn Moral das wesentliche Kriterium ist. Das Endresultat ist eine jakobinische Gesinnungsdiktatur. Dann wird die Zeit wieder reif für einen Napoleon. In einer Demokratie gibt es schlicht keine ausreichenden Anreize für Politiker, vernünftig zu handeln. Der Sozialstaat verdirbt die Menschen, indem er unsoziales Verhalten fördert. Es bestehen massive Anreize, sich unehrlich und unanständig zu verhalten. „Soziale Gerechtigkeit“ ist undefinierbar und hängt stets vom Standpunkt des Betrachters ab. Der Sozialstaat ist Obrigkeitsstaat – der Staat ordnet an, was zu tun ist, der Bürger hat zu gehorchen. Der Sozialstaat ist Schuldenstaat, der die versprochenen Leistungen künftigen Generationen nicht mehr auszahlen können wird.“ (Titus Gebel, Freie Privatstädte)

Jeder ist seines Glückes Schmied, jeder ist eine Welt für sich – in die niemand reinpfuschen darf. Demokratie ist eine Mogelwirtschaft. In einem Sozialstaat werden Superreiche ausgeplündert, um ihre Gelder jenen zu übergeben, die sie nicht verdient haben.

„Die Souveränität des Einzelmenschen ist der Gegenpol zu allen Kollektivideen politischer oder religiöser Prägung, die von den Menschen fordern, zugunsten eines Gemeinwohls oder der göttlichen Ordnung vom Wunsch ein selbstbestimmtes Leben Abstand zu nehmen.“ (Ebenda)

Einer der Urväter der Einzelnen ist der deutsche Philosoph Max Stirner:

„Ich bin meine Gattung, bin ohne Norm, ohne Gesetz, ohne Muster und dergleichen.“ „Der moralische Einfluß nimmt da seinen Anfang, wo die Demüthigung beginnt, ja er ist nichts anderes, als diese Demüthigung selbst, die Brechung und Beugung des Muthes zur Demuth herab.“ „Mir geht nichts über mich.“

Titus Gebel ist die mediale Trompete der Milliardärsbewegung, die die lügenhaften Demokratien über Bord werfen und die Welt den EINZIGEN, übergeben will.

Mathias Döpfner, deutscher Glücksritter und Milliardär, will die amerikanische Bewegung in Deutschland einführen, lässt die Charismatischsten von ihnen einfliegen, um in Deutschland die Trommel zu rühren für jene Solipsistenbewegung, die den Vielzuvielen an den Kragen gehen will.

Jetzt allerdings muss die Frage gestellt werden: sind Erde und Natur groß genug, um alle Menschen zu ernähren, die leben wollen wie Zuckerberg? Die ihnen ausreichend Raum anbieten können, um ihnen lebenswerte Reviere zu gewähren?

Natürlich nicht. Da muss man andere Egoisten finden, um zu erfahren, dass der Mensch nichts Besseres ist als normale Tiere und Pflanzen. Verbreiten die sich nämlich im Übermaß, erfolgt automatisch die Selbstreinigung der Natur: Tschüs, ihr Allzuvielen. Die Natur braucht wieder eine Diät oder eine „Selbstreinigung“!

Jede Moral, die sich anbietet, die Menschen im Übermaß zu ernähren, ist gleisnerischer Unfug. Das Maß der Natur ist unverrückbar und durch keine großsprecherische Moral zu überlisten.

Wer es dennoch mit einer überschwänglichen Sozialpolitik erprobt, wird sein blaues Wunder erleben. Hätte er doch Malthus gelesen:

„Das Volk muss sich selbst als die Hauptursache seines Elends betrachten.“ Bekanntlich hat Darwin zugegeben, dass der Ursprung seiner „egoistischen Naturlehre“ einem Buche des Pfarrers Malthus entstammte.

Jener erklärte das übermäßige Wachstum der Bevölkerung mit dem ungezähmten Geschlechtstrieb der Sünder. Übermäßiger Nachwuchs war die Strafe Gottes oder der Natur für die übergroße Lust der Menschen.

Die Solipsisten waren Knechte einer eisernen Natur – gegen die sie keine moralischen Chancen hatten. Natur ist – moralisches Sollen ist selbstschädigend. So etwa argumentieren noch heute die Edelschreiber. Noch immer verachten sie jene Idealisten, die das Ist als unmoralisch und ein moralisches Sollen als lebensfördernd erachten.

Hinter diesem Streit liegt die theologische Frage: sollten die moralischen Fähigkeiten des Menschen besser sein als die schöpferischen des Gottes? Niemals!

Eine Gerechtigkeit, die vom Menschen stammt, nur weil Gott sie nicht zustande brachte – das kann es nicht geben.

„Eine Menschenplage wird dadurch kuriert, dass die Zahl der Menschen drastisch zurückgeht.“ (John Gray)

Eine Physikerin brachte die uralte Idee wieder ans Licht, die die Gesundung der Natur ohne Gerechtigkeit für unmöglich hält:

„Die Physikerin Friederike Otto sieht in der globalen Ungerechtigkeit die wesentliche Ursache für Wetterkatastrophen. Nur durch Bekämpfung der Ungleichheit lasse sich der Klimawandel in den Griff bekommen. In Ihrem Buch »Klimaungerechtigkeit« plädieren Sie dafür, die Erderwärmung nicht in erster Linie als ein physikalisches Problem zu sehen, sondern als eine extreme Verletzung der Menschenrechte. Schauen Sie sich die weltweiten Klimagipfel an. Es heißt gern, man müsse dort Kompromisse finden. Das verschleiert, worum es wirklich geht: Die finanziellen Interessen einiger weniger werden abgewogen gegen das Recht vieler auf Leben. Tatsächlich hängen diese Probleme zusammen. Es geht darum, wie wir als Menschen eigentlich leben wollen, wie wir den Reichtum verteilen, wer profitiert und wer leer ausgeht.“ (SPIEGEL.de)

Woher aber soll eine solche umfassende, ja geradezu utopisch anmutende Gerechtigkeit kommen?

John Gray begann als Schüler Hayeks. Doch schnell verließ er die Mont Pèlerin Society, wo jener seine eisernen Zufallsthesen über Wirtschaft unter seinen Weltkollegen verbreitete.

„Wenn die Demokratie erhalten bleiben soll, muss sie einsehen, dass sie nicht der Urquell der Gerechtigkeit ist und dass sie einen Gerechtigkeitsbegriff anerkennen muss, der sich nicht unbedingt in der vorherrschenden Ansicht über jedes konkrete Problem ausdrückt. “ (Hayek, Die Verfassung der Freiheit)

Für Hayekianer ist Wirtschaft der Mittelpunkt der Moderne. Der eiserne und unveränderbare Mittelpunkt des politischen Geschehens.

Der Staat muss sich unter die Zufalls-Notwendigkeiten der Wirtschaft ducken. Keine politischen Rankünen, sondern die Gesetze der Eigensucht bestimmen die Moderne.

Streng genommen müssten wir sagen: wenn Demokratie keine Sache des Volkes ist, ist sie – nichts. Haben wir nicht gelernt: Die Abstimmung der Bevölkerung bestimmt die Regierung, die gewählte Regierung bestimmt die jeweilige Politik?

Wirtschaft ist nicht die Sache einer ehernen Natur, sondern des Willens der Bevölkerung. Sie ist keine Naturwissenschaft, sondern eine Geisteswissenschaft, eine Sache des freien Menschen.

Wer das ablehnt, kann kein Demokrat sein. Er ist Vollstrecker eines fremden, nichtmenschlichen Willens, kein Vollstrecker des freien Willens freier Menschen.

Gray löste sich zwar von Hayeks Neoliberalismus, aber nicht von dessen anti-moralischen und antihumanen Einstellungen.

Vernunft ist für Gray eine Frucht des unfreien biblischen Willens. Eine Vernunft mit freier moralischer Kompetenz gibt es für ihn nicht.

„Der biblische Mythos vom Sündenfall birgt ein unliebsame Wahrheit in sich: Wissenschaft macht uns nicht frei. Wir bleiben die, die wir immer gewesen sind und zu jeder Torheit imstande. Diese Wahrheit findet sich auch in der griechischen Mythologie. Die Bestrafung des Prometheus, der den Göttern das Feuer stahl und deshalb an einen Felsen gekettet wurde, hatte ihre guten Gründe.“ (ebenda)

Gray kann nicht unterscheiden zwischen dem Reich des Mythos und dem neu erwachten freien Logos. Der Mensch hat für ihn keinen freien Willen, er bleibt Produkt der ehernen Natur.

„Der Mensch bleibt ein äußerst erfindungsreiches Lebewesen, das zugleich auch eines der räuberischsten und zerstörerischsten ist. Wer annimmt, die Menschheit habe die Gestaltung ihrer Zukunft selbst im Griff, unterstellt, dass Darwins grundlegende Erkenntnis auf uns nicht zutrifft. Als Kollektiv ist der Mensch heute so zahlreich, dass er eine ernsthafte Krankheit für den Planeten darstellt. Gaia leidet unter der Menschenplage.“

Damit ist für Gray das letzte Wort für das Schicksal der Menschheit gesprochen: kein freier Wille, keine freie verantwortliche Moral, keine autonome politische Gestaltung der Erde durch den Menschen.

Moral ist Selbstüberschätzung des Menschen, so Döpfners WELT:

„Doch die Bundesregierung wird sich besinnen. Langsam begreift nämlich selbst sie, dass ihr falsches Verständnis von Vergangenheitsbewältigung und ihr moralischer Größenwahn in der Flüchtlingskrise die Stabilität der Gesellschaft gefährden.“ (WELT.de)

Alles, was mit Humanität und Moral zusammenhängt, ist für Gray ein Schwindel. Deshalb auch seine Aversion gegen die Grünen:

„In ihrem maschinenstürmerischen Kampf gegen die Technik erliegen sie der Illusion, die Erde lasse sich für menschliche Zwecke sanft instrumentalisieren.“

Auch Wissenschaft beruht nicht auf dem Streben nach Wahrheit. „Dabei lässt sie außer Acht die menschlichen Sehnsüchte und Bedürfnisse, in deren Dienst die Wissenschaft steht. Die Ursprünge der Wissenschaft liegen nicht in rationaler Reflexion, sondern in Religion, Magie und Schwindel.“

Und nicht zuletzt wird das Hauptstück von Sokrates zur Strecke gebracht:

„Weder Sokrates noch irgendein anderer Denker der Antike ging von der Vorstellung aus, Wahrheit könne die Menschheit freimachen.“

Wer an die befreiende Wirkung von Wahrheit nicht glauben kann, fällt zurück in den dumpfen Schoss der Offenbarung. Dieser Satz ist kein Satz des Glaubens, sondern der Erfahrung.

Zurzeit fällt die Entwicklung des Westens in die Fesseln der Religion zurück. Hier entscheidet kein objektives Denken, kein logisches Erkennen, sondern das Ressentiment beliebigen Fürwahrhaltens.

Einer neuen Zeit gehen wir nur entgegen, wenn wir die alte wahrheitsgemäß zerlegen – und sie in humaner Gesinnung neu zusammenfügen.

Frohe Weihnachten!

Fortsetzung folgt.