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Natur brüllt! XXVII

Tagesmail vom 27.10.2023

Natur brüllt! XXVII,

„Der Gerechte muss viel leiden;
aber aus dem allem errettet ihn der Herr.“ (Altes Testament))

„Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen. 22 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und euch ausstoßen und schmähen und verwerfen euren Namen als böse um des Menschensohnes willen. 23 Freut euch an jenem Tage und tanzt; denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel. Denn das Gleiche haben ihre Väter den Propheten getan.“ (Neues Testament)

Schwirrt die Luft in Erwartung eines schrecklichen weltumspannenden Krieges?

Oder sind Judentum und Christentum dabei, endlich ihre große Versöhnung zu feiern – unter schroffer Ausklammerung der Muslime?

Sind die beiden Urreligionen dabei, endlich zusammen zu kommen – aber ohne den Islam, die dritte aller Erlöserreligionen?

Wie konnte der gemeinsame Gott das Elend und den Jammer der Welt über Israel kommen lassen – wo er doch stets ein Gott des Erbarmens sein will?

„Geschieht ein Unglück in der Stadt, und der HERR hätte es nicht bewirkt?“

„Heißt das nun, dass Gott ungerecht handelt? Keineswegs! Denn zu Mose sagt er: Ich schenke Erbarmen, wem ich will, und erweise Gnade, wem ich will. Also kommt es nicht auf das Wollen und Streben des Menschen an, sondern auf das Erbarmen Gottes. In der Schrift wird zum Pharao gesagt: Eben dazu habe ich dich bestimmt, dass ich an dir meine Macht zeige und dass auf der ganzen Erde mein Name verkündet wird. Er erbarmt sich also, wessen er will, und macht verstockt, wen er will.“

Prüft Gott den Glauben der Seinen, sei es der Juden, sei es der Christen? Zur Prüfung all derer, die sich auf seinen Namen berufen, schickt er Leid und Elend über die Welt.

„Das Gebilde wird doch nicht dem Bildner erwidern: Warum hast du mich so gemacht? – Hat der Töpfer nicht Vollmacht über den Ton, aus derselben Knetmasse das eine Gefäß zur Ehre und das andere zur Unehre zu machen?“

Die Erwählten der Welt: das auserwählte Volk und die Gläubigen Jesu, die per grundloser Gnade gerettet werden, wurden durch Gottes Fügung zusammengetan, um sich gemeinsam auf die Wiederkehr ihres Herrn vorzubereiten!

„Ich [Gott] bilde das Licht und erschaffe das Finstere, bewirke das Gute und erschaffe das Unheil. Ich bin der Herr, der das alles vollbringt.“

Was muss das für ein seltsamer Glaube an einen Gott sein, welcher gut und allmächtig sein will – wenn er das Böse nicht nur zulässt, sondern aktiv über die Völker schickt?

Theodizee nennen die Gottesgelehrten jene Disziplin, in der sie die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes stellen. Als die Frage in der beginnenden Moderne auftauchte und die Denker beunruhigte, veränderte sich der Kontinent: die Aufklärung begann.

Leibniz verwandelte die biblische Schöpfung in die „beste aller möglichen Welten“, die besser nicht sein konnte. Eine lupenreine, vollkommene Welt entzog sich den Schöpfungsmöglichkeiten eines rationalen Vernunftgottes.

Für Spinoza waren Gott und Natur ein und dasselbe. Für diese Ketzerei wurde er von den Rabbinen seiner Heimatstadt mit einem Fluch aus der Gemeinde ausgeschlossen:

„Nach dem Beschlusse der Engel und dem Urteil der Heilgen bannen, verwünschen, verfluchen und verstoßen wir Baruch de Espinoza, mit Zustimmung des heiligen Gottes, gepriesen sei Er, und dieser ganzen heiligen Gemeinde […], mit dem Bannfluche, womit Josua Jericho fluchte, mit dem Bannfluche, mit dem Elisa den Knaben fluchte, und mit all den Verwünschungen, die im Gesetz geschrieben stehen. Verflucht sei er am Tage und verflucht sei er bei der Nacht; verflucht sei er, wenn er sich niederlegt, und verflucht sei er, wenn er aufsteht, verflucht sei er bei seinem Ausgang und verflucht sei er bei seinem Eingang. Möge Gott ihm niemals verzeihen, möge der Zorn und Grimm Gottes gegen den Menschen entbrennen […] und seinen Namen unter dem Himmel austilgen, und möge Gott ihn zu seinem Unheil ausscheiden von allen Stämmen Israels […] Wir verordnen, daß niemand mit ihm mündlich oder schriftlich verkehre, niemand ihm irgend eine Gunst erweise, niemand mit ihm unter einem Dach verweile, niemand auf vier Ellen in seine Nähe komme, niemand eine von Ihm verfaßte oder geschriebene Schrift lese.“

Kann es sein, dass sich jener Fluch über Ketzer heute wiederholen soll – wenn man die Frontenbildung des Gaza-Konflikts genau betrachtet?

Nicht die Schlächtereien des Hamas scheinen – religiös gesprochen – die schrecklichsten Ereignisse, sondern ihre unfassbaren Angriffe gegen das auserwählte Volk – das sie selber sein wollen. Auch Hitlers Judenhass wollte seine Deutschen an die Stelle der Juden setzen.

Wer sind die wahren Lieblinge des Himmels? Unerbittlich ist der religiöse Wettkampf der Besten (Urbild der wirtschaftlichen Konkurrenz) um den End-Sieg im Finale aller Zeiten.

Mit knapper Not war die Welt dem Beginn der Endzeit entkommen. António Guterres, UN-Generalsekretär, war der obersten Maxime aller Völker, der UN-Charta mit Völker- und Menschenrechten, treu geblieben. Und hatte Israel nicht ganz schuldlos am Hamas-Terror entkommen lassen wollen:

„Bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates am Dienstag (24. Oktober) verurteilte UN-Generalsekretär António Guterres zwar den Angriff der palästinensischen Hamas auf Israel am 7. Oktober, betonte aber gleichzeitig, die Angriffe seien „nicht im Vakuum erfolgt“. Es sei wichtig, das zu begreifen, sagte Guterres. „Die palästinensischen Menschen erleben seit 56 Jahren eine erdrückende Besatzung“, erklärte er. Palästinensisches Territorium sei kontinuierlich von „Siedlungen“ verschlungen worden, während das Land von Gewalt „geplagt“ sei, die Wirtschaft „erstickt“ werde, Menschen vertrieben und ihre Häuser zerstört würden. Die Hoffnung auf eine politische Lösung der Probleme nehme ab. „Die Beschwerden der palästinensischen Menschen können die entsetzlichen Angriffe der Hamas nicht rechtfertigen“, ergänzte er, fügte aber hinzu: „Und diese entsetzlichen Angriffe können die kollektive Bestrafung der Palästinenser nicht rechtfertigen.“ (Frankfurter-Rundschau.de)

Deutsche Zeitungen, schockiert und empört, witterten einen Ausbruch an Antisemitismus. Wer die Rede des Generalsekretärs für angemessen hielt, wurde in die Hölle geschickt.

„Unfassbare Entgleisung des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres (74) bei einer Sitzung des Weltsicherheitsrates! Der Portugiese sprach mit Blick auf den Gazastreifen von einer 56 Jahre dauernden „erdrückenden Besatzung“ durch Israel. Er verurteilte den Hamas-Terroranschlag am 7. Oktober zwar, sagte aber gleichzeitig: „Es ist wichtig zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum stattfanden.“ Bedeutet übersetzt: Israel müsse sich über den Terror-Angriff durch die Hamas-Mörder nicht wundern. Und Guterres weiter: Das palästinensische Volk habe miterlebt, wie sein Land durch Siedlungen dezimiert und von Gewalt heimgesucht worden sei. Die Hamas-Angriffe könnten die „kollektive Bestrafung des palästinensischen Volkes nicht rechtfertigen“, sagte er.“ (BILD.de)

Ist die BILD-Kanonade gegen Guterres, seine Berufung auf die universale Völkermoral der UN-Charta und gegen die Wahrheit der historischen Unterdrückung der Palästinenser berechtigt?

Nein, auf keinen Fall – behauptet Juliane von Mittelstädt im SPIEGEL:

„Der Uno-Generalsekretär weist darauf hin, dass der mörderische Hamas-Angriff nicht im »luftleeren Raum« stattgefunden hat – und erntet einen Shitstorm. Dabei hat er recht. Ja, Israel darf sich verteidigen, aber Kriegsverbrechen müssen benannt und kritisiert werden – und es wird sie geben. Auch das gehört zur verstörenden Wahrheit: Nicht allein Israel ist schuld daran, dass dieser Konflikt seit Jahrzehnten ungelöst ist. Die Palästinenserführung in Ramallah ist korrupt, unfähig und der Realität entrückt; die Hamas wiederum unterdrückt die Bevölkerung, für deren Freiheit sie vorgeblich kämpft; und die meisten arabischen Regime instrumentalisieren zwar gern die palästinensische Frage, scheren sich aber nicht um die Menschen. Was am 7. Oktober geschah, war ein schreckliches Verbrechen, für das es keine Rechtfertigung gibt. Das Ermorden, Vergewaltigen oder Entführen von Zivilisten, von Kindern, Frauen und Senioren ist kein legitimer Widerstand. Es gibt da keine Relativierung, kein »Ja, aber«. Und es ist auch verwerflich, dass es kaum jemand in der palästinensischen Community über sich bringt, diese Taten als Terror zu benennen und zu verurteilen. Trotzdem: Dieser Angriff geschah nicht im luftleeren Raum. Er hat eine Vorgeschichte. Wer darüber nicht reden, das Reden darüber gar tabuisieren will, der will auch keine Lösung.“ (SPIEGEL.de)

Grundlagen der Völkergemeinde sind seit einem halben Jahrhundert das Völkerrecht und die Menschenrechte. Wer sie zerstört, will die friedlichen Fundamente der globalen Welt zertrümmern.

Eben dies wollten Netanjahus theokratische Diplomaten, die gegen Guterres wüteten und seinen Rücktritt forderten.

Was hier als „Endkampf zwischen Gott und Teufel“ inszeniert wird, gehört zum Kern der Ultra-Religion, in deren Namen Netanjahu wütet.

Mit anderen Worten: wir befinden uns an der Pforte zur Endzeit, die geöffnet werden muss, um den Messias einzulassen.

„Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch,[1] dass der König der Ehre einziehe! 8 Wer ist der König der Ehre? Es ist der HERR, stark und mächtig, der HERR, mächtig im Streit.“

BILD, in blindwütiger Gefolgschaft einer biblischen Theokratie, die jeden heidnischen Universalismus als Teufelszeug verflucht, will den Sieg der Gottesherrschaft auch in Deutschland vorbereiten. Alles Demokratische und Areligiöse soll untergehen. Das nennt Bild Kampf gegen Antisemitismus und Solidarität mit einem immer noch demokratischen Israel.

Es wird Zeit, dass der Verfassungsschutz vor den Türen des Springer-Verlags steht und Einlass fordert: Steht der Springer-Verlag noch auf dem Boden des Grundgesetzes und der UN-Charta?

Über Religion wurde von den Medien im ganzen Terrorverbrechen kein einziges Wörtchen gesprochen. Der Westen bringt es fertig, seine aus dem Geist der Religion geborene Unheilspolitik zu inszenieren, ohne ein frommes Wörtchen zu riskieren.

Dabei ist die Schar jener Bücher, die diese Zusammenhänge offenlegen, fast unübersehbar.

Schon im Jahre 2003 schrieb Michael Warschawski:

„An der Spitze des israelischen Staates steht eine explosive, selbstmörderische Mischung: Militärrohlinge … extremistische Nationalisten, verantwortungslose Abenteurer wie Benyamin Netanjahu und Messianisten … Der atomare Säbel und der Weihwasserwedel … Wegen des messianischen Nationalismus und militaristischen Messianismus … sollten wir das schlimmste als reale Möglichkeit, die Apokalypse als konkretes politisches Projekt betrachten.“ (Mit Höllentempo)

Oder in dem Buch von Arthur Hertzberg: Wer ist Jude?

„Wenn der Messias ohnehin bald kommt, warum sich dann überhaupt mit den Arabern einigen? Warum auch nur einen Millimeter des Heiligen Landes aufgeben? Die neuen Messianisten und die ihnen häufig gleichgesinnten Ultraorthodoxen führen Israel nicht nur auf den falschen Weg, sondern bringen auch die gesamte jüdische Welt in Gefahr. Der rabbinische Herrschaftsanspruch beruht im Wesentlichen auf der Ansicht, dass jedes pluralistische Element in der jüdischen Erfahrungswelt ketzerisch sei und deshalb unterdrückt werden müsse. Hinter diesem orthodoxen Dogma steht vor allem die Absicht, allen modernen jüdischen Bewegungen – von den Zeiten (des Aufklärers) Moses Mendelssohns bis heute – jede Legitimation abzusprechen.

Zionisten, die Orthodoxen und die religiösen Liberalen von heute haben zwar unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie sich Juden verhalten sollten, aber sie alle verfolgen dasselbe Ziel – nämlich die Erhaltung des jüdischen Volkes als etwas Einzigartigem, Besonderem auf der Welt.

Die zweite Grundüberzeugung, die Juden zu allen Zeiten teilten, ist der Glaube an ihre Erwähltheit … Der Glaube an ihre Erwähltheit hat die Juden zusammengeschweißt und am Leben erhalten.“

Nicht übersehen wollen wir die Meinung einiger Ultraorthodoxer, dass nicht die Deutschen, sondern Gott die Juden für die Sünde des Zionismus bestraft habe, für ihre Weigerung, untätig auf die Ankunft des Messias zu warten, wie es ihnen geboten war; die Zionisten hätten sich gegen Gott aufgelehnt, indem sie aus eigener Kraft den Staat Israel gegründet hatten.“

Nicht aus eigener Kraft darf der Mensch tätig sein, alles muss dem Himmel zugeschrieben werden.

Womit wir auch vermuten dürfen, wie es zu Israels unverständlichem Versagen bei der Sicherung der Grenzen kommen konnte – obgleich sie technisch und militärisch ihren Feinden weit überlegen sind.

Verdrängte Schuldgefühle könnten in Israel dazu geführt haben, die Verteidigungsmaßnahmen an der Mauer leichtsinnig zu vernachlässigen – um sich selbst zu bestrafen.

Ohne Durcharbeitung seiner Religionen wird der jüdisch-christliche Westen seine politischen Schwächen nie überwältigen.

Menschen, holt eure verstaubten Heiligen Schriften aus dem Keller und beginnt sie eingehend zu studieren. Entsetzt werdet ihr eure Abgründe wie im Spiegel wiedererkennen.

Wem gebührt unser Mitgefühl in diesem schrecklichen Konflikt? Allen leidenden und verzweifelten Opfern, die auf die Empathie der Welt angewiesen sind.

Fortsetzung folgt.

PS: Michael Wolffsohn bestätigt den religiösen Charakter des militärischen Konflikts. In der Pose eines Propheten verurteilt er eine Welt, die sich nicht dem richtigen Gott unterwirft:

„O weh der Internationalen Gemeinschaft, die solche Hohepriester hat. O weh dem Land, das solche Experten hat.“ (BILD.de)