Tagesmail vom 15.04.2024
Natur brüllt! LXXIII,
„Die einzig erfolgversprechende Antwort auf Hitler ist der Zusammenschluss aller guten Menschen der Welt gegen die Koalition des Bösen, der auch einige meines Volkes angehören. Israelischer Humanismus muss begreifen, dass die Antwort auf die israelische Besatzung nicht nur im Rückzug aus den besetzten Gebieten besteht, sondern auch in der Schaffung einer neuen jüdischen Identität. Mit dieser Identität werden wir einen neuen Kampf für eine bessere intakte und menschliche Welt beginnen. Wir müssen ein neues Gebetbuch schreiben, ein Siddur, in dem der arrogante Satz: „Du hast uns auserwählt unter allen Völkern“ ersetzt wird durch „Du hast uns auserwählt mit allen Völkern“. Harmonie, vegetarische Lebensweise und Humanismus werden für eine bessere Zukunft verpflichtend sein. Es ist Zeit für ein neues Judentum.“ (Avraham Burg, Hitler besiegen)
Warum hören wir heute – obwohl sie bitter notwendig wäre –, nicht die Stimme des universalistischen Menschenfreunds Avraham Burg? Die tägliche Hatz um „antizionistisches Schaulaufen“ würde sie unmöglich machen.
Burg will die grässliche Intoleranz der Talmudisten sprengen und die freie humane Botschaft eines aufgeklärten jüdischen Glaubens, die für jeden Menschen gilt, an ihre Stelle setzen.
Fast niemand weiß: das Judentum besteht aus zwei Teilen, die nicht miteinander vereinbar sind:
a) Juden sind das einzig auserwählte und unvergleichliche Volk auf Erden, das mit keinem anderen die geringste Ähnlichkeit aufweist. (Noch heute muss der Holocaust unvergleichlich sein, um die göttliche Auserwähltheit der Opfer zu bekunden: Ähnlichkeiten mit anderen Opfern wären eine Zumutung.)
b) Juden haben eine Botschaft für alle Menschen auf Erden, um miteinander in Frieden und Gerechtigkeit zu existieren.
Von wem wurde der Antisemitismus erfunden? Von intoleranten Talmudisten, die von der ganzen Welt geschmäht werden wollten, um von ihrem himmlischen Vater bevorzugt zu werden – oder von der hellenischen Welt, die anfänglich mit dem Völkchen sympathisierten, weil es ein philosophisches war, dann aber die „menschenfeindliche“ Abweisung erkannten, worauf sie mit heftiger Kritik reagierten?
Wurden sie wegen ihrer Ablehnung der „normalen Menschen“ selbst abgelehnt, empfanden sie die Zurückweisung als Auszeichnung. Ihrem heiligen Motto gemäß: wen Gott liebt, den straft er?
Dieses Motto war das Gegenteil des heidnischen Kosmopolitismus: wer gut ist zu den Menschen, zu dem sind die Menschen gut.
Beispiel aus der Gegenwart. Als die Neudeutschen bemerkten, dass ihre ökonomische Arroganz selbst befreundeten Völkern auf den Wecker fiel, kam eine fromme Kanzlerin auf die Idee, ihren Hochmut zu verstecken, indem sie sich mit Demut kostümierte.
Penetrante Demut sollte den supertüchtigen VW- und Mercedesfabrikanten die geschäftsfördernde Sympathie in der Welt sichern. Das ging eine Weile gut. Inzwischen hassen die Deutschen jedwede Moral – und haben den Amoralismus Nietzsches für sich entdeckt.
Was ist Amoralismus?
„Dem Tüchtigen allein gebührt die Zukunft. Wer ist der Tüchtige? Zunächst die Männer der Wirtschaft, die sich im harten Konkurrenzkampf als wahre Führer der Nation erweisen: „Durch jene eiserne Selbstzucht“, im Kampf um das Geld und die Wirtschaftliche Stellung, erwiesen sich jene Männer als die Tüchtigsten, hinter denen die Gelehrten weit zurückstehen. Die Natur ist erbarmungslos grausam-brutal im Hinopfern von Einzelwesen, um die Gattung zu erhalten.
Es ist das Recht der stärkeren Rasse, die niedere zu vernichten, da überall in der Natur das Höhere über das Niedere steht – so die höhere deutsche Kultur über die niedere der anderen Völker.“
Absoluter Wertmaßstab für den Menschen ist die Arbeit. Innerafrikanische Urwaldbewohner zum Beispiel sind keine Menschen in unserem Sinne. Denn sie kennen keine systematische naturzerstörende Arbeit.
„Opfern wir Krüppel, Angeseuchte und deren Nachkommen, damit Raum bleibt für die Söhne der Gesunden und Starken. Dem Starken muss der Schwache, dem Schönen muss der Hässliche geopfert werden. Eine rücksichtslose Wirtschaftspolitik muss es darauf anlegen, andere Völker immer gegeneinander zu hetzen, um endlich den Sieg zu gewinnen.“ Rassist Tille wartet auf den Mann, der „die Massen hinreißt und für das neue Ideal begeistert.“
Vier Jahrzehnte später erschien der große Führer – Höcke hieß er nicht und sah nicht aus wie ein geölter Oberstudienrat.
Nietzscheaner waren Vorläufer der Neoliberalen, die heute die Welt regieren. Selbst Politproleten wie die SPD sind längst dem Bergbau entronnen und haben sich auf die Seite der Habenden geschlagen. Gerechtigkeit ist für sie kein Thema mehr. Schröders Botschaft ist identisch mit der von Hayeks:
„Freiheit hat nichts mit Gleichheit zu tun, sondern bringt in vieler Hinsicht Ungleichheit hervor. Das ist eine notwendige Folge und sogar ein Teil der Rechtfertigung der individuellen Freiheit: denn wenn das Ergebnis der persönlichen Freiheit nicht zeigen würde, dass manche Lebensweisen erfolgreicher sind als andere, würde ein Großteil der Argumente zu ihren Gunsten hinfällig werden.“ „Freiheit erzeugt notwendig Ungleichheit, Gleichheit notwendig Unfreiheit.“ (Hayek, die Verfassung der Freiheit)
Nietzsches amoralischer Wille zur Macht wurde zur Basis des aufkommenden darwinistischen Rassismus in Bismarcks Deutschland, dessen Prinzipien durch den Ersten Weltkrieg hindurch die Grundlagen des Dritten Reiches vorbereiteten.
„Armut ist eine „Ausjätemaschine“: sie rottet auf natürliche Weise die Schwachen und Untüchtigen aus, die für ein starkes Leben unfähig sind.
„Vor uns liegt Eden“: die Menschheit ist einer „unendlichen Hebung fähig“, vor ihr liegt ein weites Feld künftiger Entwicklung.“ (zit. in Heer)
Das Ziel des Bösen liegt im hellen Licht der Sonne: die Vollendung des Bösen ist der Gesamtorgasmus der Heilsgeschichte.
„Der Begriff der Sünde ist eine religiöse Erfindung, in ihm liegt die eigentliche Vergiftung der Menschheit. Die eigentliche Sünde ist das Gewissen, in der Befreiung vom Gewissen besteht die Erlösung.“ (in Lütgert, Das Ende des Idealismus im Zeitalter Bismarcks)
In gewisser Hinsicht ist Nietzsche der Nachfolger Luthers: der Mensch soll nicht moralisch sein, in seiner Sündhaftigkeit soll er sich frei fühlen.
„Die Macht an sich ist der höchste Wert. Gut und Böse werden ersetzt durch Schwach und Stark, Krank und Gesund. Das Schwache und Kranke soll nicht erhalten, sondern unterdrückt und ausgerottet werden. Schopenhauers Mitleid gilt längst als Schwäche. Die gesunde Form des Lebens ist rücksichtslose Selbstbehauptung.“
Kultur beruht auf Gewalt, nicht auf Gerechtigkeit. Tyrannenherrschaften scheinen Nietzsche der Idealzustand der Menschheit zu sein. Moralische Ideale hingegen sind eine erlogene Welt.
Das andere Element im Christentum ist das Demutsideal. Es ist nichts als Ausdruck der Schwäche. Das Christentum „ist die Entartung der Antike, der Sklavenaufstand gegen die antike Moral.“ Als Urchristen das römische Reich fluteten – was geschah damals?
„Eine Religion der Kleinen, Armen, Schwachen, Kranken, Dummen, der Vielzuvielen, voll Hass gegen die Vornehmen, den Glanz und die Größe aller Kultur, obsiegt über die Römer.“ (Lütgert)
Heute regieren die Mächtigen in Demutshaltung, die Arroganten in entschuldigender Geniehaltung, die Moralisten des Willens zur Macht in amoralischer Frechheit.
Krankhafte Widersprüche, Bigotterien, Heuchelmoralen regieren heute die Welt. Sie akzeptieren keine Moral, doch wehe, ihre Armen und Hinzugezogenen verstoßen gegen die Moral der Tüchtigkeit, des Anstands und der Bewunderung der deutschen Wohlstandsgesellschaft. Wer nicht mitkommt, muss auf der Strecke bleiben.
Nietzsches größte Entdeckung blieb seiner Zeit verdeckt. Erst 50 Jahre später kamen seine Schüler an die Stellschrauben der Macht: „Der neue Kampf ohne Hass, die neuen Kriege in neuen Formen. Das war nicht der Krieg der Generale oder Rassisten, das war der Kampf für ein neues höheres Leben.“
Das neue Leben war das Böse, ohne böse zu sein, das Schreckliche ohne Bewusstsein des Schrecklichen, das Entsetzliche als Vorahnung des Besten. Warum hätten Hitlers Soldaten ein schlechtes Gewissen entwickeln sollen, wenn sie gar kein Gewissen hatten?
Heute dümpeln wir in verschmutzten Gewässern mit 50%-iger lebendiger Moral und dem Rest verkommener Demutsmoral, die uns den Sauerstoff raubt und wir wissen nicht, warum.
Wir gehen einem neuen Reich entgegen. Einem Reich ohne Gutes und Böses, in dem alles Böse gut und alles Gute lächerlich-moralisch ist.
Wozu haben wir den Fortschritt erfunden, wenn nicht zur Korrektur alles Pathologischen? Natürlich wissen wir nicht, wie das Kranke durch unsere KI kuriert werden kann. Doch sollten wir es in absehbarer Zeit noch immer nicht wissen, werden wir eine neue KI erfinden. Und die wird es – bestimmt – herausfinden. Freunde des Fortschritts: seid zuversichtlich.
Das Chaos der modernen Mischung aus Moral & Amoralismus begann im Hellenismus als Kampf der griechischen Vernunft wider die neue Talmud-Auslegung des Alten Testaments. Die Macht des Talmuds begann erst nach Rückkehr des jüdischen Volkes aus der babylonischen Vergangenheit.
Nicht von Anfang an gab es antisemitische Animositäten zwischen Heiden und hebräischen Juden.
Erst in der Zeit des Manetho und Hekateios fiel die Absonderung der Juden von fremden Völkern als sonderbare Eigenheit auf – und wurde später zum ununterbrochenen Stein des Anstoßes. Im gleichen Maß fiel auch die Exklusivität der jüdischen Gottesvorstellung auf. Die griechische Philosophie befand sich längst auf dem Weg zum Monotheismus: der alles ausschließende Anspruch der jüdischen Religion blieb für sie inakzeptabel.“ (Martin Hengel, Judentum und Hellenismus)
Heute hat sich, wenigstens theoretisch auf weite Strecken, der Universalismus der Griechen und die Weltoffenheit der Althebräer durchgesetzt. Doch die politische Praxis der Völker ist ein beängstigendes Anschwellen der Kriegssirenen.
Der unbesiegbare Trotz der Talmudisten, von ihrer alleinigen Erwählung nicht abzukommen, sorgt weiterhin für endlose Rivalitäten zwischen Rechtgläubigen und Heiden.
Gestern gab es ein hoffnungsvolles Zeichen. Solange die Israelis als Antwort auf den Hamas-Terror nicht anders reagieren wollten als „die Söhne der Finsternis“ vollständig zu vernichten, hatten sich fast alle Völker emotional gegen sie verbündet.
Jetzt, da die Iraner einen, wenn auch begrenzten, Gegenschlag führten, kam es zur spontanen Umkehrung der Szenerie. Fast alle Völker stehen plötzlich auf der Seite der Angegriffenen – doch hat es jemand bemerkt? Wurde die Mär des allpräsenten Antisemitismus korrigiert?
Nicht das religiöse Geprägtsein der Juden, sondern ihre realen Taten stehen plötzlich im Mittelpunkt der internationalen Reaktion? Hat die Menschheit vielleicht doch dazu gelernt?
Vielleicht gibt es doch einen Hoffnungsschimmer? Nicht mehr eine uralte Religion bestimmt das Handeln des neuen jüdischen Staates, sondern ein neuer Humanismus, der den Kampf gegen die Ultras nicht so schnell verloren gibt?
Im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner wird der Konflikt zwischen einem Rechtgläubigen und einem Sünder vollendet dargestellt:
„Zwei Menschen gingen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer und der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand und betete bei sich selbst so: Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die Übrigen der Menschen: Räuber, Ungerechte, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche, ich vierzehnte alles, was ich erwerbe. Der Zöllner aber stand weitab und wollte sogar die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, im Gegensatz zu jenem; denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; wer aber sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“
Diesem scheinbar unlösbaren Konflikt zwischen Perfekten und Sündern entgehen wir nur, wenn wir uns entscheiden:
Niemand ist perfekt, niemand bodenlos sündig. Niemand soll sich erniedrigen, niemand sich erhöhen. Wir sind gleichwertige Menschen und haben uns als solche zu begegnen. Was heißt das?
Wie in quicklebendigen Demokratien müssen wir lernen, uns zu verstehen, mit vernünftigen Argumenten zu streiten und uns so zu verständigen, dass jedes Land sein Selbstbewusstsein stärken kann.
Fortsetzung folgt.