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Natur brüllt! LXXI

Tagesmail vom 08.04.2024

Natur brüllt! LXXI,

Sonnenstürme gegen einen männerzentrierten Erdplaneten: wie wird der Urkampf der Giganten ausgehen?

„Im Juli 2012 hatte ein Sonnensturm die Erde nur knapp verfehlt. Damals schleuderte die Sonne Billionen Tonnen magnetisiertes Plasma ins All – kurz nachdem die Erde aus der Schussbahn gekreist war. Hätte der Sturm die Erde getroffen, wäre laut der Nasa wahrscheinlich alles lahmgelegt worden, das an eine Steckdose angeschlossen ist. Im Falle einer Eruption bleibt aber nur wenig Zeit zu handeln. Je nachdem wann der Ausbruch erkannt wird, erreichen die Teilchen die Erde innerhalb von acht Stunden bis zwei Tagen. (SPIEGEL.de)

„Die Sonne ist nicht nur Lebensspender, sie bedroht uns auch. Wenn es auf ihrer Oberfläche zu einem heftigen Ausbruch kommt, schleudert sie Milliarden Tonnen elektromagnetisch geladenes Material Richtung Erde. Erreicht so ein Sonnensturm die Erde, kann er uns vorübergehend in die technologische Steinzeit zurückwerfen. Wenn der Sonnensturm auf Gebiete mit empfindlicher Infrastruktur trifft, kann er Strom- und Mobilfunknetze lahmlegen. Die digitale Kommunikation bricht zusammen, Kliniken und Kernkraftwerke müssen auf Notstromaggregate zurückgreifen.“ (SPIEGEL.de)

Tatsächlich, die Sonne bringt es an den Tag – wie anfällig der Männerfortschritt die Erde dem Chaos überlässt.

Der europäische Fortschritt wurde von Männern erfunden, die es nicht länger ertrugen, ihrem Gott unterlegen zu sein.

Fortschritte waren für Bacon „Nachahmungen der göttlichen Werke, sodass er ihnen Schöpfungscharakter beimaß. Die technische Überlegenheit über die Wilden Neu-Indiens begründete ihm schon als solche das spätere Hobbes-Wort von dem homo homini deus: die Gottgleichheit des homo faber.

So hat er das Wort des Paulus „Erkenntnis bläht auf“ und das des Predigers, dass sich das Auge am Sehen, das Ohr am Hören nicht sättigen könne, als göttlichen Auftrag gedeutet, der Mensch solle auch die geheimsten Naturgesetze erforschen. Wie Galilei begriff auch Bacon die Wissenschaft als Offenbarung, wenn er Gott bittet, ihm beizustehen, eine Apokalypse und eine neue wahre Vision zu beschreiben … und dadurch dem Menschengeschlecht eine neue Gnade zu schenken.

Mit der neuen Vision werde der Mensch in seine Machtstellung vor dem Sündenfall durch seine Erfindungen zurückkehren.“ (Friedrich Wagner, Die Wissenschaft und die Gefährdete Welt)

Mit Hilfe der Wissenschaft wird es dem Menschen – dem Mann – gelingen, den Sündenfall zu revidieren und in den Zustand der gottgleichen Unschuld zurückzukehren.

„Die Wissenschaft übernahm den Missionsgedanken, ja die Erlösungsidee des Christentums, dessen Offenbarungswahrheit sie sich entzog, bis sie selber als Offenbarung erschien.“ (ebenda)

Die Fortschrittler von heute sind demnach Erlöser, die dem Menschen ein neues Himmelreich auf Erden in Aussicht stellen. Betrachten wir die Höhenflüge der KI, so können wir nicht mehr weit entfernt sein vom zweiten Goldenen Jerusalem auf Erden.

Sie geben sich als coole Rechner und Konstrukteure, doch sie sind innerlich glühende, szientivische Verkünder einer neuen Welt. Die neuen Naturwissenschaften treten an die Stelle biblischer Schriften.

Wer heute noch immer dem Fortschritt misstraut und vor dessen Risiken warnt, der gilt als Steinzeitmensch. Ihm fehlt alles, was ein moderner Mensch benötigt, um den Wettkampf der nationalen Konkurrenzen zu bestehen. Er wird zum Abfall der Geschichte, über den der Sturm der Intelligenz hinwegziehen wird.

Seltsamerweise gelten Wissenschaft und Fortschritt als männliche Disziplinen. Wo bleibt die Frau oder – wie man einst zu sagen pflegte – das Weib?

„Und die Frau sah, daß von dem Baum gut zu essen wäre, und daß er eine Lust für die Augen und ein begehrenswerter Baum wäre, weil er weise macht; und sie nahm von seiner Frucht und aß, und sie gab davon auch ihrem Mann, der bei ihr war, und er aß … Und Gott der Herr sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner, indem er erkennt, was gut und böse ist; nun aber – daß er nur nicht seine Hand ausstrecke und auch vom Baum des Lebens nehme und esse und ewig lebe!“

Es war das Weib, nicht der Mann, das Gottes Erkenntnisverbot übertrat. Das erste Weib war die erste Fortschrittlerin, die dem kommenden Menschengeschlecht die Kunst des Gottwerdens beibringen wollte – angeblich. Doch Gott selbst sorgte dafür, dass die Frau die Vorrangstellung des Mannes bis zum heutigen Tag nicht in Frage stellt.

Der Mann ist der unbezweifelte Champion des immer schneller werdenden Fortschritts in eine unbekannte Zukunft. Wozu aber ist das Weib gut?

„Der Mutterliebe zarte Sorgen
Bewachen seinen goldnen Morgen.

Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe,
Er stürmt ins Leben wild hinaus,
Durchmißt die Welt am Wanderstabe,
Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus.“

Hier der wilde Fortschritt des Mannes, der in die Welt flieht, dort die Ruhe der mütterlichen Familie, die den Zusammenhalt der ganzen Gruppe pflegt, um allen, auch den männlichen Weltflüchtern, die Möglichkeit der friedlichen Zuflucht zu bieten.

Der Mann ist dynamisch und sorgt für rastlose Bewegung, die Frau ist statisch und sorgt für eine verlässliche Zuflucht. Dynamisch und statisch: das sind verschlissene Begriffe von gestern. Sind sie falsch?

Der Mann hält nichts von Stillstand und will ins Endlose, und doch träumt er sein ganzes Leben von der Rückkehrmöglichkeit ins Behütete und Begrenzte: ins Mütterliche. Träumt die Frau umgekehrt von einer grandiosen Zukunft, die ihr der männliche Weltflüchter bringen wird?

Hören wir mal auf eine Frauenrechtlerin, wie sie die Rolle des Weibes – im Gegensatz zum Manne – sieht:

„In den ganz alten Mythologien ist meist eher von einer Schöpferin als von einem Schöpfer die Rede, denn nach den Völkern der Urzeit konnte Leben nur von der Frau geschaffen werden. Männer waren nicht erforderlich für diesen Vorgang. Frauen nahmen als Gebärerinnen und Erzieherinnen alles Wachsende unter ihre Obhut. Frauen erzeugten pflanzliche Nahrungsmittel, sorgten für ihre Bevorratung und Verteilung und waren deshalb auch die Besitzerinnen des Landes. Die Erde wurde durch Frauen wertvoll und sie setzten sie mit sich gleich. Unter ihrer ökonomischen und sozialen Macht entwickelten sich die ersten dörflichen Gemeinschaften in matriarchalischer Form. Die Männer hielten sich, abgesehen von der Arbeit, die sie als Jäger und Verteidiger der matriarchalischen Gruppe beisteuern konnten, für fast völlig überflüssig. Grundlage der Familienloyalität war allein die Mutterschaft. Mütter vererbten alle Güter über die mütterliche Linie, Männer konnten nichts vererben. Die ersten religiösen Kunstwerke sind Figuren der einen Großen Göttin – das paläolithische Bild der Mutter, bevor es, auf Erden wie im Himmel, überhaupt einen Vater gab. Der Begriff der Vaterschaft war dem religiösen und gesellschaftlichen Denken der frühen Zivilisationen fremd.“ (Walker, Das geheime Wissen der Frauen)

Bachofen hatte in alten Büchern das Matriarchat ausfindig gemacht. Er schrieb: „Aus dem gebärenden Muttertum stammt die allgemeine Brüderlichkeit aller Menschen, deren Bewusstsein und Anerkennung mit der Ausbildung der Paternalität untergeht.“

Die männlichen Fortschrittler stürzen die Welt mit immer neuen Risiken ins Elend. Nur die weiblichen Mutterqualitäten wären in der Lage, die immer größeren Klüfte mit Fürsorge zusammenzuhalten.

Und noch immer gelten die mars-stürmenden He-Manner als Helden der Erde und des Universums. Wie erklären wir uns diese himmelsschreiende Parteinahme für naturzerstörende Männergesellschaften?

Müttergesellschaften sind gekennzeichnet durch a) Toleranz, b) Freiheit für Frauen, c) ein hohes Ansehen des Weiblichen, d) Wohlergehen ist wichtiger als Keuschheit, e) demokratische Prinzipien, f) Hochschätzung von Freude und Fröhlichkeit.

In Männergesellschaften hingegen gilt: a) eine geringere Bewertung der Frau, b) eine autoritäre Politik, c) allgemeine Angst und Hemmungen, d) Verehrung großer Männer.

In Vaterreligionen galt:

Den Herrn, deinen Gott, sollst du fürchten; ihm sollst du dienen, bei seinem Namen sollst du schwören. Ihr sollt nicht anderen Göttern nachfolgen, keinem Gott eines Volkes, das in eurer Nachbarschaft wohnt. Denn der Herr, dein Gott, ist als eifersüchtiger Gott in deiner Mitte. Der Zorn des Herrn, deines Gottes, könnte gegen dich entbrennen, er könnte dich im ganzen Land vernichten.

Das Christentum bot seinen Anhängern viel Anlass zur Furcht. Es erfand eine der sadistischsten Höllen, die je von Menschen erfunden und einen unversöhnlichen Gott, der die meisten Menschen auf ewig dieser Hölle übergab.

Die Frau ist minderwertig:

„Auch sollen die, die Frauen haben, sein, als hätten sie keine; 30 und die weinen, als weinten sie nicht; und die sich freuen, als freuten sie sich nicht; und die kaufen, als behielten sie es nicht; 31 und die diese Welt gebrauchen, als brauchten sie sie nicht. Denn das Wesen dieser Welt vergeht.“

In einer männlichen Religion sind Frauen nur Mägde und Gehilfinnen.

Es war eine bittere Fehlentscheidung vieler antiker Frauen, als sie sich in hohem Maß dem neuen christlichen Messias anschlossen, um dem Regiment der Männer zu entkommen. Unter den zwölf Jüngern gab es keine einzige Frau. In der päpstlichen Kirche gibt es bis heute keine Priesterinnen. Die Stellvertreter Christi fühlen sich wie Gottes persönliche Beauftragte.

Was hat denn nun das Matriarchat mit den Sonnenstürmen zu tun?

Wenn die Sonne hysterisch wird und die Erde mit einer Unmasse an Strahlungen aggressiv flutet, gibt es für die Menschheit nur eine Chance der Rettung.

Der gesamte technische Fortschritt wird zerstört, die Menschheit auf das Niveau des Matriarchats zurückgeworfen. Das wäre nicht das Schlimmste.

Das Schlimmste wäre, dass die rundum technifizierte Menschheitskultur nicht mehr in der Lage wäre, sich mit ihren maschinellen Errungenschaften zu verständigen und sich gegenseitig zu unterstützen.

Nicht die Technik könnte helfen, sondern die Urfähigkeiten der Menschheit, die wir von den Müttern gelernt haben.

Die Verbindung der Kinder zu ihren Familien wird heute systematisch zerstört. Löst euch, löst euch: so klingt die verderbliche Formel des autistischen Neoliberalismus an alle Kinder, alle „arbeitsfähigen“ Mütter.

Deutschlands Politeliten feierten gerade einen charismatischen Ex-Kanzler, dessen persönliches Motto lautet: Ich habe alles nur mir selbst zu verdanken. Wer das nicht erträgt, ist ein armseliger Tropf.

Sollte Putin den Krieg gewinnen, werden Schröder & Co seinen Triumph mitfeiern. An ihrer Seite: Trump, der seinen Erfolg auch nur sich selbst zu verdanken hat.

Die Trumpisten der Welt schließen sich immer mehr zusammen, nicht anders als die Superreichen, die immer enger zusammenfinden, um den Pöbel fernzuhalten.

Ist es Zufall, dass in allen rebellischen Bewegungen der Welt gegen die Supermacht der Männer immer mehr junge Frauen an der Spitze stehen?

Nur ein weltweit neu erwachtes Matriarchat wird es schaffen, den Stürmen der Sonne und des chaotischen Mannes zu widerstehen, um die Botschaft eines fröhlichen und vergnügten Erdenlebens ohne technischen Ballast zu verkünden.

Fortsetzung folgt.