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Nächstenliebe

Hello, Freunde der Nächstenliebe,

wo bleibt das hohe C, Herr Seehofer? Fragt in der ZEIT Franz Alt, der einst seine politischen Sendungen im frommen SWF benutzte, um für seinen Herrn und Meister zu missionieren. Wo bleibt das höhere D, Herr Alt? Besteht CDU nicht aus drei Buchstaben? Und wie vertragen sich C und D? Sind sie identisch, komplementär – oder fressen sie sich gegenseitig auf? (ZEIT.de)

Die christlichsten Nationen sind jene, in denen Kirche und Staat getrennt sind. In Amerika gab es noch keinen Präsidenten, der sich als Atheisten oder Agnostiker bezeichnet hätte. Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr als ein Gottloser ins Oval Office. Alles Gute ist Wirkung des lebendigen Glaubens, alles Schlechte Wirkung erstarrter Kirchen.

In Deutschland nicht anders. Fernchristen – die aus „aufgeklärter“ Ferne Christen sein wollen, aber Wert legen auf das schlichte Kirchlein im Dorf – betrachten alles Lobenswerte als Wirkungen des Glaubens, alles Bigotte und Pädophile als Ausdünstungen der Kirchen – oder des Unglaubens. Unbegrenzte Flüchtlingshilfe ist wahres Christentum, Ablehnung der Fremdlinge mangelnder Glaube, klerikale Verbohrtheit – oder freche Gottlosigkeit.

In einem elementaren Punkt unterscheiden sich amerikanisches und europäisches Christentum. Für Gottes eigenes Land gilt Augustin nicht mehr: civitas terrena (irdischer Staat) und civitas dei (unsichtbare Kirche) sind prinzipiell nicht mehr voneinander getrennt. Zwar gibt es noch manche sündige Mängel, doch von der politischen und spirituellen Einheit des Diesseits & Jenseits sind Amerikaner felsenfest überzeugt. Deshalb ihr Glaube an ihre wiedergeborene Außerordentlichkeit (exceptionalismus).

Auserwählt ist, wer dank seiner Macht und seines Reichtums seine privilegierte Kindschaft Gottes mit Fakten beweisen kann. Durch Kreuz zur Krone. Ihr Kreuz

erduldeten die aus Europa Geflüchteten im alten verdorbenen Kontinent, Amerika ist ihre Krone, der Lohn ihres vorbildlichen Glaubens. Amerika ist das neue Kanaan, das Land, in dem Milch und Honig fließt. Fehlt zur absoluten Seligkeit nur noch die Kleinigkeit des wiederkommenden Messias. Noch zu Lebzeiten der meisten Amerikaner wird Er vom Himmel herniederschweben, Washington als das Neue Jerusalem und die Amerikaner als finale Sieger der Welt- und Heilsgeschichte auszeichnen.

Ende der Zeiten. Irdisches und jenseitiges Paradies werden ununterscheidbar. Amerikaner, die neuen Juden – zusammen mit den zu Christus bekehrten „alten“ Juden – werden im Neuen Jerusalem die Herren der Welt in Macht, Reichtum und Unsterblichkeit. Macht und Reichtum haben sie schon, an der Unsterblichkeit arbeiten ihre gottgleichen Genies:

„Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, bereitet als eine geschmückte Braut ihrem Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Stuhl, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Stuhl saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht zu mir: Schreibe; denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiß! Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will den Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein. Der Verzagten aber und Ungläubigen und Greulichen und Totschläger und Hurer und Zauberer und Abgöttischen und aller Lügner, deren Teil wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der andere Tod.“ (Offenbarung 21)

Die alte Natur wird pulverisiert zugunsten einer nagelneuen. Alle Menschen werden unsterblich: EINPROZENT in unvergänglichen Freuden, der schäbige Rest in ewig-brennendem Feuer und Schwefel. So sieht das christliche Menschenbild aus, das Merkel zur Leitdevise ihrer Politik erklärt hat – unter dem aufbrandenden Applaus des fern- und nah-christlichen Deutschland.

Unter der sozialistisch gestählten Pastorentochter nähert sich Deutschland dem amerikanischen Exzeptionalismus. Wer in Gott ist, steht über allen Gesetzen und lächerlichen Regeln der Demokratie. Internationale Vereinbarungen, Völkerrecht und Menschenrechte sind null und nichtig, wenn Interessen der Kinder Gottes auf dem Spiel stehen. Man sehe nach Guantanamo, man lese Berichte über völkerrechtswidrige Exekutionen in fernen Ländern durch ferngesteuerte Drohnen.

Erwählt ist, wer über die Ausnahme bestimmt. Carl Schmitt hat den ideologischen Gehalt des Nationalsozialismus korrekt aus dem Christentum abgeleitet. Der zwangsbeglückende Totalitarismus eines allmächtigen Schöpfers ist der Ahnherr aller abendländischen Faschismen.

Stalin wollte orthodoxer Pope werden, Hitler, gläubiger Katholik und nie aus der Kirche ausgetreten, bewunderte das vatikanische Macht- und Prachtgebäude sein Leben lang. Beide verwirklichten ihren Glauben. Nicht in der ecclesia patiens (der leidenden Kirche), sondern in der ecclesia militans et triumphans der nahe herbei gekommenen Apokalypse. Sie waren nicht die einzigen, die ihren militanten Glauben zum Motor ihrer weltlichen Politik machten:

„Der neuzeitliche Gebrauch des Begriffs Politische Theologie wurde von dem Staatsrechtler Carl Schmitt in seinen Büchern Römischer Katholizismus und politische Form (1923) sowie Politische Theologie (1922/1970) geprägt. Er verarbeitete darin (beschreibend, aber auch polemisch) die theologiegeschichtliche Entwicklung der Neuzeit im Blick auf politische, staatliche und staatskirchenrechtliche Fragestellungen. Geleitet von der Philosophie der Scholastik und von Hegel orientierte er sich an den Autoren der katholischen Restauration (z. B. Donoso Cortés). Er kritisierte aus diesem Verständnis heraus die politische Verfassung der Weimarer Republik. Weitere Beispiele für eine „rechtslastige“ Modernität politischer Theologie waren die Action Francaise (Frankreich), im Nationalsozialismus die Bewegung Deutsche Christen und in Spanien bestimmte Bestrebungen, das Staatskirchentum unter Franco für zukunftsweisend zu erachten.“

Auch die evangelische Kirche war alles andere als ein Hort der Demokratie. Es gehört zum Lügenkonsens der Nachkriegsrepublik, dass Demokratie und Menschenrechte auf dem geistlichen Humus des Neuen Testaments gewachsen seien. Das Gegenteil ist der Fall. Fast ein Wunder, dass ein FAZ-Artikel von H. M. Heinig sich vorsichtig der Wahrheit angenähert hat.

Die paulinisch-lutherische Obrigkeitslehre ist mit keiner Demokratie dieser Welt vereinbar. „Vor Gott sind alle Menschen gleich“ – dieser Satz soll die Grundlage der politischen Gleichheit sein. Der Text heißt in Wirklichkeit: „denn bei Gott ist kein Ansehen der Person“. Wohl sind vor Gott alle Menschen gleich – als verdammungswerte Sünder. Doch wer der Verdammnis entgehen will, muss sich Gottes unberechenbarer Willkür unterordnen. Viele sind berufen, wenige auserwählt. Bei Calvin ist die Menschheit durch Gottes vorherbestimmenden Willen bereits vor ihrer Erschaffung in zwei Teile gespalten.

„Gebet dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist,“ ist kein Fundament der Gewaltenteilung. An Gottes allmächtigem Regiment kann kein Zweifel sein. Man soll Gott mehr gehorchen als den Menschen. Das Irdische soll äußerlich geduldet werden, bis der Herr kommt. Alle Kaiser und weltliche Gewalten werden dann ausgespielt haben.

Die Gottesebenbildlichkeit ist auch nicht die ideelle Grundlage des demokratischen Menschenbilds. Gott ist totalitär, omnipotent, eifersüchtig auf die Menschen und von unbegrenztem Hass auf alle, die nicht an ihn glauben. Wer diesem Gott ähnlich sein will, kann nur totalitäre Gewaltphantasien haben.

Der Staatskirchenrechtler Heinig gibt zu:

„Die Revolution von 1918 war für weite Teile der Kirche deshalb ein Schock. Auf den Übergang zur Weimarer Republik mit ihrer säkularen Verfassung war man mental, politisch und theologisch nicht vorbereitet. Die Theologie folgte zu weiten Teilen einer Lesart der reformatorischen Sündenlehre, die dem von der Aufklärung ausgehenden geschichtsphilosophischen Fortschrittsoptimismus in schroffer Ablehnung gegenüberstand, ein autoritäres Staatsverständnis beförderte und in einem pessimistisch-fatalistischen Menschenbild mündete.“ (H. M. Heinig in FAZ.NET)

Die Deutschen Christen waren keine zu vernachlässigende Minderheit, sondern die riesige Majorität eschatologischer Protestanten, die – wie Carl Friedrich von Weizsäcker formulierte – die Ausgießung des Heiligen Geistes erwarteten und diesen als politische Realität zu erleben glaubten.

Führende Theologen wie Gerhard Kittel, Paul Althaus und Emanuel Hirsch waren bedingungslose Befürworter des gottgesandten Führers. Die Bekennende Kirche war keine prinzipielle Widerstandsbewegung, sondern kämpfte für ihre kirchlichen Privilegien. Karl Barth, führender Kopf der Bekennenden Kirche, hasste die Juden nicht minder als die deutschen Lutheraner. (Siehe Wolfgang Gerlach, Als die Zeugen schwiegen, Bekennende Kirche und die Juden)

In einer Predigt über Jakobs Ringkampf mit Gott verkündete Emanuel Hirsch: „Alle Opfer an Gut und Blut sind nichts als der Versuch, Gott die Entscheidung für uns abzuzwingen; wir lassen ihn nicht, er segne uns denn.“

Der Krieg wurde als natürliches, unvermeidliches Ereignis in der menschlichen Geschichte angesehen, als Prüfschein für die Ausführung von Gottes Willen: „Wo aber Großes auf dem Spiele steht, wo es sich darum handelt, welche Rolle ein Volk in der Weltgeschichte der Zukunft spielen soll – da wäre es unsittlich, ungläubig, feige, nachzugeben. Krieg ist ein Gottesurteil, aber nur das Volk hat das Recht, dieses Gottesurteil zu fordern, das bereit ist, sich nötigenfalls in diesem Kriege zu verbluten.“ Die Liebe Jesu sei nicht so sanftmütig, wie Tolstoi glaubte. Jetzt sei nicht die Zeit, in Liebe zu zerfließen, sondern es sei die Zeit für starke, kühnes, mutiges und aggressives Handeln.

Hirsch begrüßte Hitlers Aufstieg mit Begeisterung: „Wir alle, die wir in der gegenwärtigen Stunde unseres Volkes stehen, erfahren sie wie ein Aufgehen der Sonne göttlicher Güte nach endlosen dunklen Jahren des Zorns und der Plage. Wir erfahren sie mit dem Beben der Verantwortung dafür, dass unser Volk dieses seine Stunde nicht verderbe. Die evangelische Kirche sagt Ja zu dieser Stunde, dass sie die Möglichkeit, an deutscher Volksordnung und Volksart mitzuarbeiten, ergreift.“ (Robert P. Ericksen, Theologen unter Hitler, Das Bündnis zwischen evangelischer Dogmatik und Nationalsozialismus)

Verglichen mit dem ungeheuren Lügengespinst über die verhängnisvolle Rolle der Kirchen im 3. Reich – in dem alle Politeliten, Medien und Historiker verwickelt sind –, ist das Täuschungsmanöver von VW ein Klacks.

(Eben kommt die Meldung: auch im Sommermärchen des Fußballs sollen die Deutschen bestochen und gelogen haben. Deutschland, eine Lügennation.)

Die Demokratie hielt erst Einzug in der Evangelischen Kirche, als die 68er Studentenbewegung den nationalsozialistischen Überlebenden den Marsch blies. Plötzlich erkannten einige aufgeweckte Theologen, dass die Kirche Luthers seit ihrem Bestehen demokratiefeindlich gewesen war. Das müsse sich radikal ändern.

„Auch die theologische Ethik nahm Impulse von außen und gesellschaftstheoretische Fragestellungen auf und suchte Anschluss an die Menschenrechtsdebatten der Philosophie sowie an die Ökumene. Beide Neuerungen, die gesellschaftstheoretische Öffnung und die theologische Anverwandlung der Menschenrechte, erlaubten es der evangelischen Ethik, sich auf die Bedingungen religiös-weltanschaulich pluraler Gesellschaften einzustellen.“ So Heinig.

Jetzt erst anerkannten junge, von der Studentenrevolution angeregte, Theologen, dass die Würde des Menschen unantastbar sei. Vor 30 Jahren entdeckten die Theologen Demokratie und Menschenrechte. Unter der Leitung von Trutz Rendtorff erschien eine Denkschrift mit dem Titel: „Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie. Der Staat des Grundgesetzes als Angebot und Aufgabe“.

Das gleiche Wunder geschah in der Frage der Ökologie. Bislang war die Kirche eine bedingungslose Bewunderin jeder Technik, die dazu beitrug, die Erde zu schänden und sie dem Menschen untertan zu machen. Im Dienste des Menschen war die Natur zum Verschleiß bestimmt. (Hanns Lilje, Das technische Zeitalter)

Plötzlich entdeckten die Theologen das Sätzchen von der Bewahrung der Schöpfung (1.Mos. 2,15). War denn die Schöpfung vor dem Sündenfall vom Verfall bedroht? War sie nicht sehr gut und vollkommen? Wie kann der Mensch die Schöpfung bewahren, wenn der Schöpfer sie höchst selbst eliminieren und in das ganz Andere und Neue verwandeln wird? Da die Frommen an einen Phantom-Gott glauben, müssen sie selbst vollbringen, was sie vergeblich vom Himmel erwarten.

In Amerika ist die anti-ökologische Einstellung der Christen bis heute fast unverändert, weshalb sie die Grüne Bewegung der Deutschen – und sei sie noch so christlich drapiert – als Werk des Teufels betrachten. Die jetzige Welt ist zum Untergang bestimmt, der Mensch muss in selbsterfüllender Prophezeiung an diesem Untergang mitarbeiten. Alle Rettungsversuche des Menschen sind Sünden wider den Geist. Amerikaner sind fundamentalistische Buchstaben-verehrer, keine Willkürdeuter, die sich jeder Zeitgeistphilosophie beugen.

Es gibt einen weiteren flagranten Unterschied zwischen amerikanischem und deutschem Christentum. Die Deutschen betrachten die Offenbarung als Befürworterin der Armut und Ohnmacht. Die Bewunderung für den Nationalsozialismus war die eschatologische Ausnahme, die die Regel bestätigte.

In krassem Gegensatz dazu sind für Amerikaner Geld und Macht sichtbare Zeichen der Auserwähltheit. Carnegies Buch „Evangelium des Reichtums“ sprach der Mehrheit seiner Landsleute aus dem Herzen. Jeder Mensch habe die heilige Pflicht, reich zu werden. Nicht für seinen persönlichen Pomp, sondern zum Vorteil der ganzen Gesellschaft.

„Der Mann mit Reichtum wird dadurch der bloße Bevollmächtigte und Vertreter seiner ärmeren Brüder, indem er seine höhere Einsicht und Erfahrung in ihren Dienst stellt und für sie Besseres vollbringt, als sie für sich selber vollbringen würden und könnten. Es wäre besser für die Menschheit, dass die Millionen der Reichen ins Wasser geworfen würden, als dass sie ausgegeben werden, die Faulen, die Trunksüchtigen, die Unwürdigen zu unterstützen. Wer sein Geld an Unwürdige verschleudere, befriedige lediglich seine eigenen Gefühle. Wer sein Geld an Bettler und Arbeitsscheue weitergibt, habe selbstsüchtig gehandelt. Bei der Ausübung von Mildtätigkeit sollte die hauptsächlichste Erwägung sein: denen zu helfen, die sich selbst helfen wollen; einen Teil der Mittel zu beschaffen, durch die diejenigen, die sich zu vervollkommnen wünschen, dies können; denen, die aufzusteigen wünschen, den Beistand zu leisten, durch den sie sich zu erheben vermögen: aber selten oder niemals, alles zu tun. Weder der Einzelne noch die Menschheit wird durch Almosengeben verbessert. Der ist der wahre Verbesserer, der bestrebt ist, den Unwürdigen nicht zu helfen, wie den Würdigen zu helfen. Im Almosengeben wird durch Belohnung des Lasters mehr Unrecht als durch Erleichterung der Tugend Gutes getan. Der Millionär wird nur ein Bevollmächtigter für die Armen sein, dem ein großer Teil seines Reichtums auf eine Zeitlang anvertraut wurde, der diesen aber für die Gesamtheit weit besser verwaltet, als sie es selber gekonnt oder gewollt hätte. Nur so kann es gelingen, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen zu bringen.“ (Andrew Carnegie, Evangelium des Reichtums)

Welches Christentum hat Recht: das deutsche – oder amerikanische? Die Verherrlichung der Armut – oder die göttliche Prämiierung des Reichtums? Die ökologische Rettung der Natur – oder ihre apokalyptische Entsorgung?

Antworten gibt es nicht, denn solche Fragen werden nicht gestellt. Politische Korrespondenten gehen an diesem Problem achtlos vorüber. Was hat Politik mit Religion zu tun? Je mehr die Nationen ihre Rivalitäten mit Hass und Waffen austragen, je mehr werden deren religiöse Urgründe vertuscht.

In einem ZDF-History wurde behauptet, der Nahost-Konflikt sei ein Kampf politischer Interessen, mit Religion habe er nichts zu tun. Das ist nur glaubwürdig, wenn man religiöse Interessen in den Himmel verlegt.

Das Hauptinteresse des Menschen ist noch immer sein religiöses Heil. Hier wäre an einen deutschen Klassiker zu erinnern, der als Glaubenskrieger nicht in Erscheinung getreten ist: „Das eigentliche, einzig und tiefste Thema der Welt- und Menschengeschichte, dem alle übrigen untergeordnet seien, bleibe nur der Konflikt des Unglaubens und Glaubens.“ (Goethe, Noten zum Divan)

Die anschwellenden Weltkrisen sind Folgen der zunehmenden Regression der Völker in ihre traditionelle Religion. Je panischer die ökologischen Untergangs-Ängste, je mehr vergewissert man sich seiner angestammten Trostrituale. Not gebiert Religion. Religion gebiert Not.

Die Flüchtlingsfluten erwecken in Deutschland – vornehmlich in den Medien und politischen Oberklassen – die sturzartige Rückwendung zu christlichen Tugenden. Im bayrischen Parlament predigt eine grüne Abgeordnete, Humanität und Nächstenliebe seien die Grundwerte des Abendlands. Beide Werte seien nach oben unbegrenzt. Das sind blinde Bekenntnissätze, keine rationalen Leitlinien der Politik.

Komplett verloren gegangen ist das Wissen – das in der Vorkriegszeit vorhanden war –, dass Humanität der griechischen Philosophie entstammt, Nächstenliebe die Attacke auf die heidnische Autonomie durch die ersten Christen war.

Moral war für griechische Demokraten das wichtigste Gestaltungselement der hiesigen Welt. Nächstenliebe war ein apolitisches Mittel, um für gewisse Taten Punkte für die private Seligkeit zu ergattern. Humanität war Verantwortungsethik, Agape folgenlose Gesinnung, denn die Folgen der Gesinnung lagen in Gottes Hand.

Nächstenliebe ist selektiv. Nur der zufällige Nächste kann Objekt meiner guten Taten werden. Weshalb Merkel stets davon spricht, die Flüchtlinge seien keine anonymen Massen, sondern bestünden aus einzelnen Persönlichkeiten. Gott sieht den Einzelnen, den Auserwählten an. Nicht die Masse der Menschheit.

Gerechte Politik hingegen macht keinen Unterschied zwischen Einzelnen und der Masse. Ein Politiker muss für die gesamte Gesellschaft sorgen. Massen sind nicht das Gegenteil des Einzelnen. Niemand darf selektiert werden aus Gründen der Religion, der Hautfarbe, des Geschlechts – und des zufälligen Zusammentreffens.

Die Gleichheit in der Demokratie beruht auf verlässlichen Strukturen, die die ganze Gesellschaft umschließen. Nächstenliebe fühlt sich nicht im Geringsten zuständig für den Erhalt der Natur und der Gesellschaft. Ihre moralische Tat ist zeitlich und örtlich beschränkt. Die Folgen ihres Tuns liegen ohnehin in Gottes Hand.

In den Augen autonomer Erdenkinder sind solche „symbolischen“ Taten verwerflich, denn sie sind verantwortungslos. Nächstenliebe ohne Gottesliebe ist ebenso sinnlos, wie das Halten der 10 Gebote ohne Glauben an Jahwe.

„Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.
Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.“

Die Moral der Erlösungsreligion ist Religion, keine Moral. Moral ist nur das Reiz- und Drohelement eines intoleranten Seligkeitserwerbs im Gewand einer dramatisch erzählten Heilsgeschichte. Das gilt für die Nächsten- wie für die Feindesliebe, die keineswegs die Funktion hat, den Feind in einen Freund zu verwandeln. Im Gegenteil: der Bekehrte soll zum Feind all seiner bisherigen Lieben werden, um dem eifersüchtigen Herrn seine unbedingte Treue zu beweisen.

Was aber ist Nächstenliebe? Weder ist sie selbstlos, denn sie dient einzig der eigenen Seligkeit. Noch kann sie als etwas Besonderes, Außerordentliches oder gar als Gipfel der Ethik gelten. Sie ist nur eine Umformulierung der Goldenen Regel, die alle Kulturen kennen: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.

Man soll den anderen nur lieben, wie man sich selbst liebt. Wer aber liebt sich selbst, darf sich in der Erlösungsreligion selbst lieben? Man muss sich verachten und hassen, um sich von Gott lieben zu lassen.

Das eigentliche Gebot müsste lauten: liebe dich selbst, dann wirst du auch fähig sein, den anderen zu lieben. Nur seinen zufälligen Nächsten zu lieben, ist demokratie- und menschenfeindlich. In einer Demokratie ist jeder zu „lieben“, denn mit jedem ist mein Schicksal verknüpft.

Lieben muss kein sentimentaler Akt sein, sondern das Ergebnis einer vernünftigen Überlegung. Vernunft und Gefühle sind keine Feinde. Das beste Gefühl ist vernunftgeleitet, die rationalste Vernunft gefühlserwärmt.

Merkels Politik ist lutherisch-augustinisch. Sie gibt dem Chaos, was des Chaos ist: lass die hoffnungslose Welt fahren dahin, die Irdischen habens kein Gewinn. Je mächtiger sie wird, je mehr verlegt die Kanzlerin ihr Tun in die Sphäre der civitas dei. Innerlich hat sie sich von der irdischen Welt schon lange verabschiedet. Mit schwärmerischer Caritas will sie der Welt ihre Überlegenheit beweisen. Mit theokratischer Unfehlbarkeit hat sie sich von aller nachvollziehbaren Politik getrennt.

Souverän ist, wer über die Ausnahme bestimmt und ordinäre Gesetze missachten darf. Merkels Solisten-Motto ist die unvermeidliche Folge ihrer antinomen Christenmoral. Gottes Gebote gelten nur für Heiden und Ungläubige. ER selbst steht jenseits aller Gebote. Mit ihm all seine Schafe, die gottebenbildlich sein wollen.

PS: Letzte Meldung:

Göring-Eckardt will die Grünen in den nächsten Wahlkampf führen. Sollten die Grünen ihr Traumziel erreichen und mit Merkel eine schwarz-grüne Koalition bilden, wird Deutschland von einer frommen Ossi-Dreieinigkeit geführt. Von einer Pastorin, einer Pastorentochter und einem Pastor.

Deutschland wird aufrücken in die Riege der gotterleuchteten Staaten von Amerika über Israel, Russland, Indien, Iran, Indonesien bis Saudi Arabien. Gott sei mit uns.