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Männlicher Faschismus und Reich der Mütter

Hello; Freunde der Vergangenheit,

Tschuldigung, sagte Trittin. Dann war das Thema erledigt. Nachfragen waren nicht gestattet. Die Grünen haben das Zeit-Niveau des amerikanisierten Westens erreicht: es gibt keine Vergangenheit mehr. „Schändlich“, kommentierte CDU-Missfelder und forderte den Rücktritt des grünen Spitzenmanns. „Aber gern: wenn ihr die Rolle der Kirchen in der NS-Zeit offen legt“, sagte Trittin – natürlich nicht. (Sebastian Kempkens im SPIEGEL)

Moderne Menschen haben Rücken und Burn-out, Vergangenheit haben sie nicht. Orwell musste Wahrheitsministerien erfinden, die mit hohem Aufwand Vergangenheit umgeschrieben haben. Solche Sklavenarbeit hat die Frohe Botschaft nicht nötig. Sie hat Vergangenheit, die keine Spuren hinterlässt.

Das christliche Europa kennt keine christliche Seelenkunde, keine christliche Politik, keine christliche Technik, keine christliche Ökonomie, keinen christlichen Fortschritt. Es kennt nur christliche Normen, die unerreichbar über allen Menschen schweben. Wie kann man Kultur prägen, wenn man mit ihr nicht in Berührung kommt?

Das christliche Amerika ist durch und durch christianisiert. Alles, was gut ist, muss christlich sein. Also alles Amerikanische. Alles Schlechte kann nicht christlich sein, es muss durch Agenten heimlich ins Land eingeschleust worden sein. So erhält man Vergangenheiten, die man nie entsorgen muss. Soll der Christ die Werke des Bösen entsorgen, die mit ihm nichts zu tun haben?

Nur Teufel haben Vergangenheit. Die Grünen und die Schwarzen haben keine Vergangenheit. Sie sind ja auch

keine Teufel. Sollten sie gelegentlich doch von Vergangenheit eingeholt werden, sagen sie Tschuldigung und die Vergangenheit ist verschwunden.

Ach so: das christliche Europa und das christliche Amerika wollen eine gemeinsame Wertebasis haben. In einem Punkt stimmt es sogar: gemeinsam haben sie die Vergangenheit begraben. Wiedergeborene kennen nur Zukunft. In der Taufe, im Erlebnis der Wiedergeburt, wurde ihre Vergangenheit weggespült. Christen beginnen immer von vorne. Ihr Metier ist das Neue, das jeden Tag aus dem Nichts geboren wird.

Popper nennt diese Haltung „Tabula-rasa- oder reine Leinwand-Politik“. Hier gibt es keine Lasten der Vergangenheit. Der Mensch ist ein homo novus, ein vollkommenes Wesen, das sich aller Sünden entledigt hat und nun seine Mitbürger zu ebensolchen Wesen erziehen will. Wenn nicht im Guten, dann mit Gewalt. Wir stehen am Ursprung des Faschismus.

Bei Platon muss die Utopie auf neuem Gelände von vorne beginnen. Es ist nicht nur eine politische, sondern auch eine geographische Utopie. Christen haben ihre Utopie in einen jenseitigen Raum und eine jenseitige Zeit verlegt. Hienieden haben wir keine bleibende Stadt, die zukünftige suchen wir.

Amerika war eine Mischung aus Platon und der künftigen Stadt im Himmelreich. Im Faschismus beginnt alles ab ovo, die Vergangenheit wird eliminiert. Die ersten Eroberer Amerikas kannten keine Sünden, die hatten sie im alten Europa zurückgelassen Das Ermorden der Indianer war Gottes Gebot. Schließlich hatten die Indianer keine Rechtsurkunden, um sich als rechtmäßige Besitzer des neuen Landes auszuweisen.

(Auch in Israel wurden nicht selten Palästinenser mit dem Argument von ihrem Land vertrieben, sie hätten keine Eigentumsdokumente.)

Amerikaner waren dadurch neugeborene Wesen, dass sie einen neuen Kontinent entdeckt hatten, den sie als Neu-Kanaan definierten. Seitdem beginnen sie immer ganz von vorne. Ihre Politik ist eine Politik der Wiedergeburt, der alte Adam wird regelmäßig ersäuft.

„Alles muss zertrümmert werden. Auf diese Weise müssen wir beginnen. Unsere ganze verdammte Zivilisation hat zu verschwinden, bevor wir auch nur ein bisschen Anständigkeit in die Welt bringen können“ Popper zitiert den französischen Literaten Du Gard, der die faschistische Politik der weißen Leinwand auf den Punkt bringt. Ein Faschist plagt sich nicht mit dem Erbe der Vergangenheit. Er will Großes erreichen, dies gelingt ihm nur mit perfekten Menschen.

Durch Wiedergeburt sind Amerikaner perfekte Wesen, die Mitglieder eines vollkommenen Staates. Wenn nur nicht diese griechische Demokratie wäre. Was tun? Demokratie und Freiheit zu Geschenken Gottes erklären und ganz Amerika wird zur tabula rasa. Amerika fängt immer von vorne an. Es kann nicht veralten. Amerika, du hast es besser, du hast keine Burgen und Schlösser.

Platon und Marx waren für Popper Vertreter einer „Ganzheitsplanung“, die durch apokalyptische Bereinigung die Vergangenheit entsorgt und als perfektes Gebilde von vorne beginnt. Apokalypse (= Enthüllung, Offenbarung) ist kein Ende mit Schrecken, sondern ein Neubeginn auf bereinigter Basis. Das Ende der trüben alten Welt ist der Beginn einer neuen fleckenlosen Welt. „Sowohl Platon als auch Marx träumen von der apokalyptischen Revolution, die die ganze Welt radikal umgestalten wird.“ (Popper in „Der Zauber Platons“)

Bei den NS-Deutschen war Tabula rasa die Reinigung von zukunftsschädlichen Bazillen, die Welt und Natur vernichten wollen: die Juden. Sollten die hässlichen Flecken aus der deutschen Leinwand ausgebrannt (!) worden sein, kann die nagelneue Geschichte der Sieger beginnen.

Für Marx war unsere Geschichte eine bloße Vorgeschichte, die wahre Geschichte beginne im Reich der Freiheit. Bloch, einstiger Bewunderer Stalins, kann es kaum erwarten, dass Vorgeschichte überwunden wird und der wahren Geschichte Platz macht, auf die er hofft wie der Christ auf das Kommen des Messias:

„Der Mensch lebt noch überall in der Vorgeschichte, ja alles und jedes steht noch vor Erschaffung der Welt, als einer rechten. Die wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, das heißt sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfaßt und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.“

Auf der bösen Welt hat der Mensch keine Heimat. Sein Ursprung ist befleckt, eine Rückkehr zum Ursprung wäre so pervers wie eine Rückkehr zum Bösen.

Im deutschen Idealismus war Heimat der Ursprung des Menschen, den er verliert, weil er erst die Welt durchwandern muss, um nach Irrungen und Wirrungen geläutert zurückzukehren. Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen. Heimat als Erbe muss sich jede Generation von vorne erarbeiten.

Marx und Platon wollten keine Welt, die nur ein bisschen besser wäre als die bisherige, sondern eine ganz neue Welt, die „von aller Hässlichkeit befreit ist: nicht einen aus alten Flecken zusammengesetzten Läufer will Marx, sondern einen großen, ganz neuen Teppich, eine wirklich schöne nagelneue Welt“.

Nichts gegen Vervollkommnungsträume dies gegen Popper , aber alles gegen Vervollkommnung durch die Gewalt derer, die sich für vollkommen halten. Faschismus ist gewalttätige Erziehung ungeduldiger Erzieher. Jede Erziehung, die ihre Perfektionswünsche der folgenden Generation mit Tücke und Gewalt einbläut, ist faschistisch.

In welchem Maß haben die jungen Generationen von heute die Möglichkeit, die technischen und wirtschaftlichen Beglückungszwänge ihrer Eltern abzulehnen? In welcher Schule werden die Zwänge und Normen der Gegenwart so debattiert und in Zweifel gestellt, dass der Nachwuchs Ja oder Nein sagen kann? Und was sagt all dies über unsere freiheitliche Pädagogik?

In der freiesten Welt der Geschichte werden unsere Kinder zu Plagiatoren des Neoliberalismus genötigt. Nicht durch offenen Zwang. Sondern durch Instrumente des Liebesentzugs. Sohn, du kannst alles werden, meinetwegen Fakir in Indien. Doch Erbe des Familienbetriebs wirst du nicht mehr.

Auch bei Bloch hat die wahre Geschichte noch nicht begonnen. Christen würden Blochs wahre Geschichte Paradies nennen. Marxisten stehen unter dem Bann christlicher Geschichtsdeutung. Unsere Geschichte begann nach dem Sündenfall. Der Mensch muss alles unternehmen, um ins Paradies zurückzukehren. Doch das Zurück liegt in der Zukunft.

Bloch übersah, dass der Mensch sehr wohl eine Heimat hat: das mütterliche Paradies seiner Herkunft. Das wäre keine völkische Heimat, aber eine geistige. Die wahre Heimat des Menschen ist das Reich der Mütter. Bloch, der Materialist, hat sinnvolle Dinge über Mater-ie, die Mutter Natur, geschrieben. Doch in seiner Heimat-Vorstellung hat er das Reich der Mütter verdrängt.

Wahre Heimat ist das Reich der Mütter, in dem jeder Mensch schon einmal war. Heimat ist in uns, wir kennen sie, wenn wir sie nur kennen wollen. Wer in die Heimat will, muss zurück zu den Müttern. Das Weibliche zieht uns hinan. Hinan ist nicht hinab, sondern hinauf. Wer zur Heimat will, muss das Weibliche in sich entdecken alles, was der Mann in sich erstickt hat und die Weisheit der Mütter erkunden.

Der gegenwärtige Feminismus ist weit davon entfernt, das Mütterliche zu suchen. Eine emanzipierte Frau soll man daran erkennen, dass sie sich dem malochenden und gierigen Mann unterwirft, ihre Kinder Mietlingen überlässt und alle weibliche Utopie verrät. Nicht, dass Fremde mit Kindern nicht umgehen könnten: doch wenn Eltern die meiste Zeit von ihren Kindern getrennt sind, können sie nicht mehr von den Kindern erzogen werden.

Wer sich von seinen Kindern nicht erziehen lässt, ist ein miserabler Erzieher. Kinder sind die unbestechlichsten Beobachter unseres Irrsinns, vor ihren bohrenden Fragen flüchten wir ins strunzdumme Gewerbe der Naturvernichter und Geldscheffler.

Ein Feminismus, der sich nur in gestelzter Geheimsprache äußert, keine Meinung zum Kapitalismus und zum Christentum hat, sich den Wünschen der Industrie beugt und nichts als Imitation des Mannes sein will, sollte über Emanzipation schweigen. Noch immer gilt Simon de Beauvoirs feministisches Ideal: die beste Frau ist der vortreffliche Mann. Alice Schwarzer, Jüngerin de Beauvoirs, hat ihr Klassenziel erreicht: sie ist ein perfekter Macho geworden.

Bebel hat ein Buch über die Frau geschrieben. Die Arbeitswut der kapitalistischen Gesellschaft, die er bekämpfte, hat er als strenger Handwerksmeister verteidigt. Wie für alle Abendländer galt auch für ihn das Wort des Paulus: wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.

Wie kann man Mutter sein, wenn man gleichzeitig Konkurrentin des Mannes in der Fabrik sein soll? Heute muss die Frau, um gleichberechtigt zu sein, das Dreifache ihres früheren Tuns auf sich nehmen. (Monika Herrmann-Schiel in der WELT)

Die fortgeschrittensten Frauen sitzen unbeweglich in der Falle der Männer und müssen sich ruinieren, um nicht als hinterwäldlerische Hüterin der Familie zu wirken.

Die Zerstörung der Familie gilt als schick. Als ob diese identisch wäre mit einer patriarchalischen Zwingburg und nicht die Heimat des Menschen, die ihn vor vampyrischen Bedürfnissen der Männerwelt schützen könnte.

Familie ist keine christliche Erfindung, im Gegenteil. Das Christentum hat den Heilsegoismus jedes Einzelnen in den Mittelpunkt gestellt und die Zerstörung der Familie gefordert. „Denn ich bin gekommen, einen Menschen mit seinem Vater zu entzweien und eine Tochter mit ihrer Mutter und eine Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter und des Menschen Feinde werden seine eignen Hausgenossen sein“.

Man reibt sich die Augen: wer sich heute als nassforsche Gegnerin der Familie gibt, wird als fortschrittlich eingestuft. Natürlich darf eine humane Familie keine patriarchalischen Befehlsstrukturen haben. Eine lebendige Familie ist der einzig wirksame Schutzraum der Gesellschaft vor den Angriffen der Profitmacher und Beutelschneider.

Die Probleme der Familie werden nicht gelöst, wenn nicht die Frau, sondern der Mann das „Heimchen am Herd“ spielt. Dann haben sich nicht die Rollenspiele verändert, sondern die Rollenspieler sind ausgetauscht worden. Wer die Nestfamilie verachtet, scheint zu verdrängen, dass nur nestsichere Menschen den Weg in die Gesellschaft finden und dort Remmidemmi machen können.

Die familienfeindliche Feministin ist der genialen Nestverleumdung des Patriarchats auf der ganzen Linie auf den Leim gegangen. Die Emanzipation nur eines Geschlechts bleibt ein bloßer Wahn. Wenn nicht Männlein und Weiblein gemeinsam eine politische Heimat entwerfen, werden sie als Einzelne aus dem Hort herausgeschossen. Ist die Familie am Boden zerstört, haben die Tycoons keinen ernstzunehmenden Gegner mehr.

Der Gang zu den Müttern ist durch den gegenwärtigen Feminismus abgesagt: die Mütter sind nicht zu Hause. Mit ihrer Anwesenheit müssen sie die Arbeitswelt der Machos erträglich gestalten und legitimieren. Würden Frauen die Männerwelt ernsthaft unterminieren, wären die Heroen in ihren Systemen längst entmannt. Der babylonische Phallus kann nur phallen, wenn er gephällt wird.

Nicht nur Bebel hat von Frauen nichts verstanden. Auch Blochs Utopie ist ein religiöses Männerreich der Freiheit, identisch mit dem Paradies eines himmlischen Vaters. Die Wurzel der Gesellschaft ist nicht der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Der alles umbildende, schaffende Mensch ist die Imitation des christlichen Naturzerstörers, der alles Alte und Vorgeschichtliche zertrümmern muss, um ins Reich des Neuen zu gelangen.

Der Marxismus hatte die besten Absichten, aber verhängnisvolle Folgen. Das Weibliche war für ihn nur ein Nebenwiderspruch, der erst gelöst werden konnte, wenn das Reich der Freiheit aus dem Boden gestampft worden ist. Doch selbstbestimmte Frauen lassen sich nicht über Schwellen tragen, auch nicht über utopische. Sie wollen selbst herausfinden, welchen Garten Eden sie entwerfen und betreten wollen.

Der gegenwärtige Feminismus hat den Garten Eden aus seinem Blickfeld verdrängt. Er hält es bereits für einen Sieg, bei Daimler-Benz eine 30er-Quote zustande zu bringen. Er freut sich nicht darüber, dass familiäre und freundschaftliche Nester dem Kapitalismus den Kampf ansagen. Dass selbstbewusste Kinder ihre Zukunft nach eigener Facon planen.

Nicht nur der Kapitalismus, auch der Sozialismus wurde zum Totengräber des Reichs der Mütter. Das Reich der Mütter ist das Urreich der Menschen und keine vergangenheitslose Utopie wie bei Bloch, der behauptete, die wirkliche Genesis sei nicht am Anfang, sondern am Ende.

Weibliche Utopie ist Rückkehr zum Anfang, den wir alle in uns haben, denn wir sind alle von Müttern geboren worden. Anfangen allein genügt nicht. Der Ursprung muss in die Welt hinaus und sich dort bewähren. Bereichert und erfahren verbindet er Anfang und Ende zum Zyklus, der gerundeten Linie der Natur.

Faschismus ist Utopie der Männer, die ihre Vergangenheit bei den Müttern leugnen, um ihr Reich der Beglückung der Menschheit gewalttätig aufzuerlegen.

Das Reich der Mütter ist die Utopie der Frauen, die auf Lernen und Erkennen setzen und nicht auf Dressur durch Liebesentzug. Eine Utopie des Glücks kann nur durch zwanglose Einsicht auf dem Boden der Freiheit heranreifen.

Sokratisches Lernen ist Erinnerung an den Anfang. Das Vergangene darf nicht durch biografische Erblindung aus dem Leben des Menschen gestrichen werden. Im Faschismus wird die persönlich erworbene Erfahrung dem Moloch Offenbarung geopfert, der als Erleuchtung vom Himmel herniederfährt und mit Blitzschlag alle irdischen Erkenntnisse vernichtet.

Welch ein Unterschied zwischen Sokrates und seinem Schüler Platon, der seine Utopie in totalitären Begriffen beschreibt:

„Ob sie nun nach dem Gesetz oder gesetzlos über willige oder unwillige Untertanen regieren; Und ob sie den Staat um seines Besten willen reinigen, indem sie einige seiner Bürger töten oder deportieren solange sie nach den Regeln der Wissenschaft und der Gerechtigkeit vorgehen, den Staat bewahren und ihn besser machen, als er war, muss diese Regierungsform die einzig richtige genannt werden.“ (Platon, Der Staatsmann)

Im Faschismus ist alles schlecht, was von unerleuchteten Menschen kommt. Das Gute kommt bei Platon allein von Weisen und Gerechten, im Christentum allein von Gott und seinen Priestern. Der Einzelne muss seiner Vergangenheit beraubt werden. Individuelle Biografien sind Blasphemie vor dem Unfehlbaren. Das Vergangene ist das Schmutzige, das porentief gereinigt werden muss.

(In Erlösungsreligionen sind Frauen schmutzig, wenn’s ihnen nach der Weiber Weise geht. Natur, die an den Anfang der Mütter erinnert, muss beschmutzt und ausgeschlossen werden.)

„Er wird unsere ursprüngliche Natur wiederherstellen, wird uns heiligen, glücklich und voll Gnade machen.“ Platons Sehnsucht nach der ursprünglichen Natur ist für Popper ein Beweis für dessen reaktionären Wunsch, in den Schoß der geschlossenen Gesellschaft zurückzukehren. Das ist Unsinn. Das Reich der Mütter ist keine geschlossene Horde, sondern Ermöglichung des feien Lebens.

Eine Nestgruppe ist keine Herrschaftsgruppe. Popper diffamiert das mütterliche Nest als faschistisch-geschlossene Wagenburg. Kein Zufall, dass er an dieser Stelle seine Gleichheitsphilosophie verlässt und zur neoliberalen Linie seines großen Freundes Hayek wechselt. Bei Hayek gibt es keine mütterliche Instanz, sondern Kampf jeder gegen jeden:

„Aber wenn wir Menschen bleiben wollen, dann gibt es nur einen Weg in die offene Gesellschaft. Wir müssen ins Unbekannte, ins Ungewisse weiterschreiten und die Vernunft, die uns gegeben ist, verwenden, um so gut wir es eben können, für beides zu planen, nicht nur für Sicherheit, sondern zugleich für Freiheit.“

Das Bedürfnis nach Sicherheit hätte Hayek verworfen. Freiheit war für ihn Glücksspiel der Rabauken und Zocken mit Darwin‘schem Risiko.

Müssen wir nicht alle ins Unbekannte und Ungewisse, um uns zu erproben? Gewiss. Doch der Neoliberalismus erschafft selbst und künstlich die Risiken und Unsicherheiten der modernen Gesellschaft, denen jeder Einzelne ausgeliefert ist. Wer die Kämpfe besteht, bestimmt allein die Evolution und nicht die Leistungsfähigkeit des Menschen. Hayek würden sagen: die Menschen denken, doch Evolution und Markt lenken.

Kein Mensch kann eine Tabula rasa sein. Er ist Geschöpf der Natur, die ihn mit allem reichlich ausstattet, was er zum Leben benötigt. Wird er von höheren Mächten zur weißen Leinwand degradiert, ist er seiner mütterlichen und natürlichen Ursprünge beraubt worden. Wer gewalttätig seine Natur eliminiert, kann nicht lernen und erkennen. Denn Erkennen ist Anamnesis, die Erinnerung an die Natur.

Die Moderne kennt keine Zyklen, keine Verbindung von Anfang und Ende. Natürliche Fundamente beseitigt sie, um der Offenbarung des apokalyptischen Endes das Feld zu bereiten. Schon lange nichts mehr von Fortschritt gehört! Wie kann es messbaren Fortschritt geben, wenn das natürliche Lernen der Menschheit durch gewalttätige Offenbarungen ständig liquidiert wird?

Woran kann man die Qualität des Neuen erkennen, wenn das Alte regelmäßig verteufelt wird? Ohne Vergleich mit dem Alten kann kein Neues erkannt werden. Neues wird erst durch Kontrast mit dem Alten sicht- und erkennbar.

Siehe, das Alte ist vergangen, ich mache alles neu: das ist das heilige Nullsummenspiel, der Stillstand der Neuzeit, der sich einbildet, er verändere sich unaufhörlich aufs neu. Was wir mit links aufbauen, zerstören wir mit rechts.

Die Geschichte der Moderne ist die ewige Wiederholung des Gleichen, die sich stets in neuen Masken präsentiert.