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Kompromisslosigkeit

Hello, Freunde der Kompromisslosigkeit,

warum gelingt es der Kanzlerin so mühelos, ihr kerniges Land der Protestation in bewegungslose Trance zu versetzen? Weil sie von ihren Untertanen zu diesem Zweck einen Dauerauftrag erhielt. Gibt es irgendeine List aus dem Handbuch für Machiavellisten, die der Unersetzlichen nicht mit Bravour gelingt? Wartet noch ein Weilchen, dann wird sie noch die erste Frau auf dem römischen Männerstuhl der Unfehlbaren.

Die Unvergleichliche bringt es fertig, die sozialistische Jugend-Idylle ihrer christlichen Gemeinde in eine kapitalistische Weltidylle zu verwandeln. Sie bringt es fertig, Beten und Hoffen auf die verziehende Parusie als Weltpolitik zu verkaufen. Ihre neueste Offenbarung von den Oberammergauer Festspielen: im Jahr 2100, wenn wir alle tot sind, wird die Gattung all ihre Überlebensprobleme gelöst haben.

Der Westen jubelt, Merkels mediale Prätorianergarde frohlockt, die überaus positiv und pädagogisch denkenden Umweltverbände wurden geradezu euphorisch:

„Greenpeace bejubelte die Beschlüsse der G7. Dass die Staatschefs den Verzicht auf Kohle, Erdöl und Erdgas wollten, sei „fast schon sensationell“, lobt Germanwatch.“ (BLZ-Interview)

Es gibt ein geheimes Abkommen zwischen Regierenden und Regierten in den überentwickelten Staaten: unlösbare Probleme müssen so dargestellt werden, dass sie lösbar scheinen, obgleich sie weiterhin als unlösbar gelten müssen.

Den Lösungsbegierigen gilt die Botschaft: wir Mächtigen lösen selbstredend alle Probleme. Wofür sind wir denn gewählt worden?

Den Frommen wird signalisiert: natürlich können wir Sterblichen nicht alle Probleme lösen. Doch kein Grund zur Beunruhigung: wir alle sind in Gottes Hand. (Alle natürlich nicht, sondern

nur die Betenden und Hoffenden.)

Merkel hat den mittelalterlichen Streit zwischen Welt und Kirche gelöst. Die Welt muss nicht länger – wie im Papismus – der Kirche unterworfen werden. Die Welt wird selbst zur Kirche. Wenn Obrigkeit von Gott ist, muss Gott die Obrigkeit in allen Nuancen beherrschen. Eine Kanzlerin ist für Merkel eine Person, die vom Volk gewählt wurde, weil sie von Gott erwählt wurde.

Eine Christin ist immer im Dienst. Eine Kanzlerin steht immer auf der Kanzel, wenn sie im Auftrag ihres himmlischen Vaters die Welt abwickelt. Sie macht keine Politik, sie betreibt ein kontrolliertes Insolvenzverfahren – mit obligaten Hoffnungsillusionen, damit die Menschen nicht nervös werden und in Panik geraten.

Merkel kennt auch kein Klimaproblem, sie spricht subkutan vom kommenden Gericht am Ende aller Tage. „Gegen den Frommen zeigst du dich fromm, gegen den Verkehrten verkehrt.“ Eine verkehrte Welt hat eine verkehrte Politik verdient – das ist Angelas Auftrag.

Unmerklich hat sie die von Heiden erfundene Demokratie theokratisch unterlaufen und apokalyptisch ausgehöhlt. Ihre Untertanen wollen genau dies. Sie wollen keine Politik, sondern Seelsorge und Zuspruch. „In der Welt habt ihr Angst, siehe, ich habe die Welt überwunden: Befiehlt dem Herrn eure Wege und hoffet auf ihn, er wird’s wohl machen. Seid stille dem Herrn und harret auf ihn; denn die Bösewichter werden ausgerottet; die aber des Herrn (und seiner Magd) harren, werden Land und Erdreich gewinnen.“ Das war die Predigt von Elmau – in dogmatisch korrekter Reinschrift. BILD hat das Lob der Welt in Stein gemeißelt:

„Großer Image-Gewinn für Bundeskanzlerin Angela Merkel! Das riesige G7-Spektakel auf Schloss Elmau ist vorbei – trotz aller Kritik an den hohen Kosten und dem gigantischem Sicherheitsaufwand, kann Merkel sich durch das Presse-Echo bestätigt sehen: Ihre Rolle wird von vielen Kommentatoren sehr positiv bewertet.“

Luther hat der päpstlichen Herrschaft über die Welt widerstanden und die weltliche Obrigkeit in eine Behörde Gottes verwandelt. Er hat den weltlichen Staat rehabilitiert, um ihn aus einer Räuberhorde in eine Kirche zu verwandeln. Er hat weltliche Arbeit rehabilitiert, um sie in Gottesdienst zu verwandeln. Er hat die Frau aus dem Nonnenkloster befreit, um sie als Hausfrau und Mutter zur Magd des Mannes zu machen. Heute könnte er den Triumph seiner Verwandlung der Welt in eine ecclesia triumphans feiern – man könnte auch von gemeinsamen Werten des Westens sprechen.

Den Staat hat Merkel in eine gottgewollte Obrigkeit, Wirtschaft und Arbeit in gottgewollte Sündenstrafen und Trophäen der Gläubigen, die Frau in eine gleichberechtigte Dienerin des Mannes im Kapitalismus transsubstantiiert. Merkel hat den papistischen Traum vom gesamtchristlichen Europa mit lutherischen Methoden vollendet. Eine ökumenische Meisterleistung.

Transsubstantiation ist Verwandlung von schnödem Brot und Wein in heilige Christussubstanz. „In, mit und unter dem Brot“, so der Reformator, „gibt er uns seinen wahren Leib; in mit und unter dem Wein gibt er uns sein wahres Blut.“

Merkel: in, mit unter dem schnöden Staat gibt er uns die siegende Kirche. In, mit und unter Wirtschaft und Politik gibt er uns die Vorahnung des göttlichen Endtriumphs über die ganze ungläubige Welt.

Der Gott in der Verfassung, siehe: unter Angela ist er zum Ereignis geworden. Das Böckenförde-Diktum – keine Demokratie ohne klerikalen Schutzmantel –: siehe, unter Angela wurden christliche Werte umstandslos zu politischen. Der Bundespräsident ist Pastor, die Kanzlerin Pastorentochter, alle Parteien von links bis rechts sind gefühlte Christen. Linke Blätter haben sich als Kirchenpostillen geoutet. Alle SPD-Politiker, sonderlich die Gottlosen aus der DDR, sind prophylaktisch getauft. Alle Grünen hielten Bibelarbeit in Stuttgart. Alle Medien kennen die Berührung mit einem Etwas, das sie Religion nennen.

Zukunftsschauer und Fortschrittspropheten verkünden die gloriosen Zeiten und algorithmischen Utopien, die unausweichlich auf uns zukommen werden. Sollte homo sapiens untergehen, macht nichts, unsterbliche Maschinen werden sein Angedenken ewig aufrechterhalten.

Deutsche Atheisten sind die treuesten und objektivsten Befürworter des Glaubens. Habermas, religiös unmusikalisch, will deutsche Horden im höhern Chor singen hören.

Wenn Merkel eines Tages abtreten wird – sie wird nicht einfach abtreten, sie wird entrückt werden –, kann sie ihrem Schöpfer melden: Auftrag erledigt. Unblutige Übernahme einer verlotterten Heidendemokratie und konsequente Umwandlung derselben in eine gelebte Herrschaft des väterlichen Geistes.

G7 war ein leicht verspätetes christliches Pfadfinder-Zeltlager (Jamboree) auf adligem Schlossniveau. (Selbst Japan hat seinen buddhistischen Shintoismus längst dem Diktat des Westens unterworfen. Die Japaner glauben, sie hätten sich eine neutrale Wirtschaft und Technik ins Land geholt, in Wirklichkeit haben sie das religiöse Gesamtkunstwerk des Westens als Konterbande übernommen und verinnerlicht.)

Putin durfte nicht am puritanisch-lutherisch-papistischen Konfirmandentreffen teilnehmen. Seine russische Orthodoxie muss noch immer dafür bestraft werden, dass sie sich von Rom, Wittenberg und Genf gelöst hat und darauf beharrt, dass der Messias aus dem sibirischen Permafrost kommen wird. Wiedergeborene und Unfehlbare vergessen nichts.

Die ganze Weltpolitik im 21. Jahrhundert ist ein hinter veränderten Kulissen agierendes Kirchengezänk, eine Abfolge von Glaubenskriegen und Kreuzzügen unter den Vorzeichen der Wirtschaft und des Fortschritts. Es geht um die Gewinnung der Zukunft, die eschatologische Zerstörung der Natur und die Errichtung eines charismatischen Endreichs unter Führung eines sichtbaren Pantokrators. Washington will das goldene Jerusalem werden – wenn nicht das wirkliche Jerusalem auf dem Hügel Einspruch erheben wird.

Der Säkularismus der Moderne – auf den diese so stolz ist, wenngleich mit enormen religiösen Entzugserscheinungen – ist die eisenharte Konkretisierung christogener Strukturen, die unter der Maske säkularer Mächte daherkommen.

Dies alles muss man verstanden haben, wenn man Elmau als verspätetes Pfingstereignis verstehen will. Elmau ist eine Botschaft an die Welt, die von Novalis vor 200 Jahren vorausgeahnt wurde:

„Die andern Weltteile warten auf Europas Versöhnung und Auferstehung, um sich anzuschließen und Mitbürger des Himmelreichs zu werden. Die Christenheit muss wieder lebendig und wirksam werden, und sich wieder eine sichtbare Kirche ohne Rücksicht auf Landesgrenzen bilden, die alle nach dem Überirdischen durstige Seelen in ihren Schoß aufnimmt und gern Vermittlerin der alten und neuen Welt wird. Sie muss das alte Füllhorn des Segens wieder über die Völker ausgießen. Aus dem heiligen Schoße eines ehrwürdigen europäischen Konsiliums wird die Christenheit aufstehen, und das Geschäft der Religionserweckung, nach einem allumfassenden, göttlichem Plane betrieben werden. Keiner wird dann mehr protestieren gegen christlichen und weltlichen Zwang und alle nötigen Reformen werden unter der Leitung der Kirche als friedliche und förmliche Staatsprozesse betrieben werden. Wann und wann eher? darnach ist nicht zu fragen. Nur Geduld, sie wird, sie muss kommen, die heilige Zeit des ewigen Friedens, wo das neue Jerusalem die Hauptstadt der Welt sein wird.“

Merkel hat wieder die biblische Drommete geblasen, die geistlichen Erweckungssignale in alle Welt ausgesandt. Wachet, denn im Jahre 2050 wird der Herr kommen. Wenn nicht, dann eben am Ende des Jahrhunderts. Theologen sprechen von Parusieverzögerung. Wenn der Herr nicht morgen kommt, kommt er eben übermorgen. So what?

„Wir wissen aber, so unser irdisch Haus dieser Hütte zerbrochen wird, daß wir einen Bau haben, von Gott erbauet, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist, im Himmel. Und darüber sehnen wir uns auch nach unsrer Behausung, die vom Himmel ist, und uns verlangt, daß wir damit überkleidet werden.“

Zerbrechen wir unsere ärmliche irdische Hütte, auf dass wir in Gottes himmlisches Elmau einziehen können. Angela hat uns einen kleinen Vorgeschmack gegeben. Wie schön wird es sein, wenn die Erretteten durch die bayrischen Auen des Gartens Eden wandeln werden. Hinter ihnen entzückende, garantiert CO2-freie Elektromobile, die alle Fußkranken und Erschöpften einsammeln werden. Abends Gesang der Engel – unter Ausschluss aller Ungläubigen und Unreinen. In prächtigen Schlafzimmern keine Bibeln mehr auf den Nachttischen, die Frommen haben die Worte des Lebens verinnerlicht. Dankgebete aus tiefstem Herzen werden zum Himmel aufsteigen: Wir danken Dir, Herr, dass wir nicht sind wie die Weisen der Welt, die Vernünftler und Arroganten, die ihr Schicksal selbst in die Hände nehmen wollen. Herr, was du nicht getan, das ist nicht wohl getan.

Doch nun die entscheidende Frage: wer wird zu den Geretteten gehören und wer zu den Verdammten? Das weiß nur Gottes NSA. Merkel will die Selektionslisten nicht dem ordinären Volk zur Einsicht übergeben. Demokratie im eschatologischen Verfallsstadium wird zur Orgie des Numinosen, zur Arkandisziplin der Eliten. Geheime Schiedsgerichte, geheime Verhandlungen, geheime Urteilsbildungen, geheime Klüngel, geheime Staatsakten – nur der Bürger auf der Straße muss sich bis aufs Hemd ausziehen. Nur Sünder werden gnadenlos entblößt und bis auf die Knochen durchleuchtet, Fromme werden durch Christus überkleidet.

„Denn dieweil wir in der Hütte sind, sehnen wir uns und sind beschwert; sintemal wir wollten lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden, auf daß das Sterbliche würde verschlungen von dem Leben.“

Jetzt verstehen wir das Hosianna christogener Umweltverbände, die die Schöpfung bewahren wollen und wieder einmal Kompromiss mit Haltungslosigkeit verwechselten. Kompromissfähigkeit ist eine demokratische Tugend. Unbeugsamkeit aber auch. Wie reimt sich das?

„Ein Kompromiss ist die Lösung eines Konfliktes durch gegenseitige freiwillige Übereinkunft, unter beiderseitigem Verzicht auf Teile der jeweils gestellten Forderungen.“ (Wiki)

Wenn Deutsche, die sich einst gern als unbeugsame Lutheraner und Fichteaner gaben, den Kompromiss lernen, verwechseln sie ihn regelmäßig mit pragmatischer Gesinnungslosigkeit.

Wie kommt es, dass die Grünen, die großen Umweltverbände vor lauter Kompromissen ihr einstiges Profil verkommen ließen? Anfänglich waren sie alle prinzipienfeste Fundis. Dann konvertierten sie unter dem verheerenden Einfluss eines Herrn Fischer (Joschka) zu inhaltlich beliebigen, machtgeilen Realos. Kretschmann und Özdemir sind bereits zu Daimleranbetern mutiert, die sich von Herrn Lindner in nichts mehr unterscheiden.

Im Gedanklichen gibt es keine Kompromisse. Irren kann man immer. Doch wer sich einer erkannten, erarbeiteten und erstrittenen Wahrheit verpflichtet fühlt, hat nicht das Recht, im Geringsten davon abzuweichen. Besonders, wenn es um moralische Wahrheit geht. Sokrates, der sich nicht einbildete, theoretisch viel zu wissen, war sich seiner demokratischen Wahrheit so gewiss, dass er sein Leben opferte.

Ist die Gattung nun gefährdet – oder vielleicht doch nur möglicherweise, eventuell, ein bisschen? Man flüchtet in vornehme Skepsis und erkenntnistheoretische Komplexitäten, um seine moralische Feigheit zu kaschieren, die nicht fähig ist, den Kopf in eigenem Namen aus dem Fenster zu strecken.

In Koalitionen, in praktischen Konflikten muss man kompromissfähig sein. Damit niemand im konkreten Streit den Loser spielen muss und niemand über denselben triumphieren darf. Aber. Der politische Kampf ist erst ausgefochten, wenn auch der letzte Bürger durch Argumente überzeugt wurde.

Kompromisse können nicht bedeuten, dass man die eigene Meinung verleugnen und die Meinung der Anderen übernehmen muss. Der momentane Kompromiss muss durch Diskussion und veränderte Mehrheiten jederzeit revidierbar sein.

Parteien, die auf Koalitionen angewiesen sind, machen sich lächerlich, wenn sie ihre Programme verkünden, als könnten sie ungehindert allein regieren. Jeder Wähler verstünde, dass Zusagen nur unter der Bedingung der ausreichenden Mehrheit 100%ig zu realisieren wären. Nur dann wären sie auch 100%ig einzuklagen und einzufordern.

Gegenwärtig wollen Deutsche keine Mehrheitsparteien (außer in Bayern, aber auch dort nicht mehr lange). Sie wollen, dass sich ihre Mächtigen vertragen. Je kompromissfähiger die Parteien sein müssen, je bedingungsloser müsste der theoretische Streit im Vorfeld der Kompromisse ausfallen. Damit der Wähler die zeitlich vorübergehende Notwendigkeit des Kompromisses einsehen könnte.

Nach dem Ende der Koalition aber muss wieder der status quo ante gelten. Neues Spiel, alte, bewährte Überzeugungen. Es sei, die Parteien hätten hinzugelernt und ihre Meinung begründet geändert.

Die Popper‘sche Stückwerktechnologie (Technologie ist hier ein befremdliches Wort) beruht auf der langsamen und oft mühseligen Gangart einer kollektiven Entwicklung, die alles andere als beschleunigt erfolgen kann. Wir müssen in praktischer Hinsicht einander entgegenkommen – und in theoretischer Wahrheitstreue um Sein oder Nichtsein ringen. Einfacher geht’s nicht.

Nicht nur die Grünen, auch die großen Naturschutzverbände erlauben sich den Luxus, gedanklich ausgebrannt zu sein. Mit der volksverachtenden Begründung, die Bevölkerung nicht ständig schocken zu dürfen, verfolgen sie eine merkelähnliche Palliativtherapie.

Naomi Klein hat diese Torheit bei amerikanischen Naturschützern konstatiert, die sich anfänglich auf bestem Wege befanden, bis sie ab Reagan von Win-Win-Situationen zu phantasieren begannen. Solchen Schmuh können wir uns heute nicht mehr erlauben. Jeder Tag ohne Reduktion des Verhängnisvollen ist ein verlorener Tag.

Was eigentlich denken sich die Elmauer Charakterdarsteller, von 2050, ja sogar vom Ende des Jahrhunderts zu faseln und dennoch den Anschein zu erwecken, wir könnten die 2-Grad-Klima-Erwärmung noch garantieren? Merkel & Co sind infame Lügner. Wo bleibt hier der erdumspannende Shitstorm, der dieses Gruppenbild mit Dame von der Tenne fegte?

Was eigentlich soll sich die Menschheit noch an dümmsten Dummheiten gefallen lassen? Es geht um unser Überleben, stupid! „Die Emissionen steigen so rasch an, dass 2 Grad aus heutiger Sicht wie ein utopischer Traum erscheinen, wenn wir unser Wirtschaftssystem nicht von Grund auf ändern.“ (Naomi Klein)

Die Sieben Weisen aus dem Märchenland wollen das Klima retten und dennoch die Wirtschaft ankurbeln, als sei nichts geschehen. Dass Kapitalismus und Überleben sich ausschließen: dieser überaus wohl begründete Alarmruf Naomi Kleins wurde hierzulande nur höhnisch zur Kenntnis genommen.

Dank der erschlafften Grünen und der ausgebrannten Naturschützer – die ohnehin keine naturphilosophischen Grundlagen mehr liefern, sondern nur noch rohe Zahlen ohne Aussagekraft – gibt es keine Debatten um die Naturfeindschaft der Religion und einer wahnhaften Ökonomie.

In einem Gespräch mit dem FREITAG erläuterte Klein ihre kritische Bewertung der verluderten Naturschutzverbände:

„Ich sehe eine tiefe Verleugnungsneigung in der Umweltbewegung, vor allem bei deren großen Interessenverbänden, den Big Green Groups. Und um ehrlich zu sein: Ich glaube, durch sie haben wir schon mehr an Boden verloren als durch die Ignoranz unserer Gegner. Und zwar, weil sie uns in Richtungen lenken, in denen nur armselige Ergebnisse zu erwarten sind. Schauen wir uns an, was aus dem Kyoto-Protokoll geworden ist, aus dem von der UNO beschlossenen „Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung“ oder aus dem Emissionshandel in der EU: Fast ein Jahrzehnt sind diese Programme nun in Kraft, die Bilanz ist verheerend. Nicht nur sind die Emissionen weiter angestiegen, es wird auch ohne Ende gemauschelt, und das wiederum ist Wasser auf die Mühlen der Gegner. Die haben zum System der Schadstoffobergrenzen gesagt: Das begünstigt die Großkonzerne, außerdem klappt es eh nicht. Und sie lagen richtig.“ (FREITAG.de)

Der deutsche Klimaforscher Schellnhuber hält es hingegen für richtig, die haltlosen Versprechungen Merkels kritiklos als Evangelium zu begrüßen. Kein einziger politischer Satz, keine einzige Erinnerung an endlose Versprechungen, die immer wieder gebrochen wurden. Geht’s noch glaubenssüchtiger und obrigkeitshöriger?

„Sehr wichtig: Es findet sich erstmals in einem G7-Beschluss das Ziel der Dekarbonisierung im 21. Jahrhundert, der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. Eine klare Ansage nicht nur von Deutschland und Frankreich, sondern auch den USA und Japan für die Klimakonferenz im Dezember.“ (BLZ-Interview)

Merkel ist nicht mal willens, die deutsche Kohle aus dem Rennen zu nehmen. Wer soll ihr glauben, dass sie ernst meint, was sie der Welt in aufgesetzter Demut predigt? Zudem ist sie bald nicht mehr im Amt. Welche Nachfolger werden sich an Elmaus Illusionen gebunden fühlen?

Der SPIEGEL ist eine Kleinigkeit kritischer. Artikel über potentielle Gefahren aber versteckt er allzu gern in der Rubrik „Wissenschaft.“ Solange etwas wissenschaftlich ist, hat es mit unserem Alltagsleben nicht viel zu tun. Sie berichten, damit niemand sagen kann, sie hätten nicht berichtet. Doch verändern soll sich nichts.

Die Haltung der Tagesbeobachter bleibt apolitisch:

„Die G7, allen voran Kanzlerin Merkel, haben vollmundige Versprechen für den Klimaschutz gemacht. Doch es gibt keine Garantie, dass sie die Ziele je umsetzen. In Deutschland kann sich die Regierung derzeit noch nicht einmal auf eine Abgabe für besonders klimaschädliche Kraftwerke einigen. Das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, scheint kaum zu halten.“ (SPIEGEL.de)

Die Zeit der Kompromisse in Fragen des Überlebens ist seit vorgestern vorüber. Elmauer Auferstehungsspiele und dreist inszenierte Propaganda-Events sind Nägel im Sarg der Menschheit. Zwischen Leben und Tod gibt es keine Kompromisse.