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Ines Pohl

Hello, Freunde der Ines Pohl,

die auf der Suche nach einem Mann ist, der ihr sündiges Lesbenleben akzeptiert und absegnet. Es ist kein gewöhnlicher Mann, sondern einer mit ungewöhnlichem Charisma und außerordentlicher Macht. Warum unterwirft sich die selbstbewusste Schwäbin einem hergelaufenen Mann, der sich anmaßt, über Gut und Böse zu entscheiden?

Warum hat sie ein schlechtes Gewissen, wenn sie den Supermann ignoriert? Warum erklärt sie den Übermächtigen nicht zum Fantasiegebilde der Männer, das sich anmaßt, die Frauen zu beherrschen, zu degradieren und zur Quelle aller Übel zu erklären?

Warum spottet sie nicht über die Männer: wo ist denn nun euer Gott? Ich habe ihn noch nie gesehen. Warum versteckt ihr Männlein euch hinter einem Phantom? Glaubt ihr, wir Frauen sind wie Kinder, die sich mit Gespenstern und Riesenkobolden schrecken lassen?

Antwort der Männer: gut gebrüllt, Löwin Ines. Doch glaubwürdig klingen deine frechen Reden nicht, innerlich bist du fromm und unterwerfungsbereit. Warum suchst du Ihn selbst, um dein Lotterleben mit dem Siegel des Großen Vaters abzusichern? Hinter deiner selbstsicheren Forschheit wirst du doch nicht unsicher sein?

Warum haben wir den Eindruck, dass starke Frauen sich mit Frauen langweilen? Dass sie sich nur im Kampf mit Männern gefordert fühlen? Ja, ihr Frauen seid wie Kinder. Seid Tausenden von Jahren schafft ihr es nicht, auf eigenen Beinen zu stehen, den Großen Mann zu stürzen und zur Mutter Natur überzulaufen. Noch immer steht ihr im Bann des Großen Mannes und

belügt euch, wenn ihr es leugnet.

Vor der Religion knickt die gesamte Frauenemanzipation ein. Warum verstummt ihr im Bereich des Allerheiligsten? Woher die Lächerlichkeit, den Großen Mann zum Weibe zu gendern? Dem Mann dichtet ihr eine weibliche Brust an und ergo ist Er eine fürsorgliche Mutter? Mit männlichen Verfälschungskünsten tut ihr, als könntet ihr heilige Väterschriften in feministische Handbücher umdeuten?

Eure Weibertheologie ist nachgemachte Männertorheit. Nach wie vor macht ihr innerliche Wallfahrten zum Buch der Bücher. Dort holt ihr euch die männliche Lizenz, nicht mehr vom Segen der Männer abhängig zu sein. Gibt es Lächerlicheres und Absurderes?

Ihr plagiiert die intellektuellen Firlefanzmethoden der Männer und tut, als hättet ihr sie selbst erfunden. Ihr dreht und wendet das Phallusbuch, bis ihr eine Vagina zu erblicken glaubt.

Wenn ihr im Buche lest: „Nach deinem Manne wirst du verlangen, er aber soll dein Herr sein“, deutet ihr tollkühn: in Wahrheit sind Frauen das starke Geschlecht. Wenn ihr lest: „Das Haupt des Mannes ist Christus, das Haupt der Frau aber der Mann“, wisst ihr genau, dass männliche Schreiber die Botschaft des Oberherrn ins Gegenteil verfälscht haben. Also müsst ihr patriarchalische Fälschung mit weiblicher Gegenfälschung beantworten.

Ines Pohl hat über das Thema Homosexualität ein Interview mit einer feministischen Theologin geführt. Das Ergebnis war abzusehen: sofern die Bibel homosexuelle Taten verurteilt, ist sie einseitig männlich und abzulehnen. Sofern sie gut heißt, was moderne Frauen hören wollen, ist sie Gottes Wort.  (TAZ-Interview von Ines Pohl)

Was ist feministische Theologie? Ein schwarzer Schimmel, etwas, was es partout nicht geben kann. Theos ist männlicher Gott, seine Schrift die Botschaft eines göttlichen Mannes. Das müsste man nicht glauben, das könnte man links liegen lassen. Was interessiert emanzipierte Frauen die selbsternannte Überlegenheit einer männlichen Fata Morgana? Warum verspotten sie nicht die Anmaßungen heiliger Schwanzbesitzer?

Weil sie nur zum Schein emanzipiert sind. Im Grunde hängen sie noch immer an den Talaren der Popen und haben Angst, ohne Segen der Väter verloren und verdammt zu werden. Noch immer sitzen sie in der Falle des Glaubens, mit Hilfe eines himmlischen Vaters die Vorherrschaft der irdischen Männer zu beenden. Schau, Vater im Himmel, wie Deine Söhne uns quälen und bevormunden! Oh Engel Gottes, wehre und rede Du darein, s’ist leider Männerherrschaft und wir wollen nicht schuld daran sein.

Pardon, meine Schwestern: kann es sein, dass euer Vater im Himmel die Vorherrschaft der Männer wollte und dies in Seinem heiligen Buch unmissverständlich festhalten ließ?

Das sei Sache der Interpretation? Kann man ein Buch nach Belieben drehen und wenden? Ist ein Buch wie ein Tintenklecks, in den man Beliebiges hineindeuten kann? Ist ein Buch ein Projektionstest? Ist ein Buch wie eine unerkennbare Welt, der ich vorschreiben kann, was ich selbst für richtig halte?

Die Theologen traktieren ihr göttliches Buch wie moderne Philosophen die Welt traktieren. In der Welt kann man nur erkennen, was man ihr vorgeschrieben hat. Was ich selbst in das Buch hineingedeutet habe, kann ich auch wieder herausdeuten. So definiert sich modernes Erkennen – ganz nach Art der Gottesmänner, die ein Buch verehren, das sie selbst verfälscht und verunstaltet haben. Sie glauben nur den Zahlen, die sie selbst gefälscht haben. Sie glauben nur jenen Texten, in die sie ihre Wünsche und Vorlieben hineinprojiziert haben.

Was geschähe, wenn man das BGB wie die Bibel behandelte? Das käme einem juristischen Tohuwabohu gleich. Was geschähe, wenn man ein Buch in einen Tresor legte, es alle zehn Jahre hervorholte und entdecken würde, dass der Inhalt sich wie durch ein Wunder verändert hätte?

Jeder, der nicht an Wunder glaubte, würde von raffinierter Fälschung sprechen und es für einen Skandal halten, dass unter den Augen der Öffentlichkeit die Texte sich selbständig gemacht hätten. All dies geschieht in Deutschland seit den Zeiten der Romantik.

Romantische Theologen nahmen Abschied vom Diktat der Schrift, vom Luther‘schen Schriftprinzip: das Wort, sie sollen lassen stahn und kein Dank dafür haben. Ab jetzt wollten sie selbst bestimmen, was sie für göttlich und verbindlich hielten. Sie ernannten sich zu göttlichen Originalgenies, die sich keinem fremden Buch mehr unterzuordnen hatten.

Nur der selbst verfassten Bibel wollten sie sich beugen. Gott und die Welt sollte neu erfunden werden. Aus Nichts. Alles, was nicht Nichts wäre, wäre Fremdbestimmung für den Menschen. Nur, was auf dem eigenen Mist wächst, kann authentisch sein.

Paradoxerweise begannen die biblischen Verfälschungsmethoden mit der Erklärung der deutschen Autonomie. Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen: das war der Anfang. Habe Mut, dich von allen göttlichen Schriften zu lösen, die dich zu Marionetten des Heiligen machen wollen. Schreibet selbst eure heiligen Schriften. Das wäre die logische Fortsetzung gewesen, wenn die Autonomen völlig auf heteronome heilige Schriften verzichtet hätten.

(Heteronom bitte nicht mit heterosexuell verwechseln, autonome Sexualität muss nicht, kann aber homosexuell sein!)

Genau dies passierte nicht. Die Romantiker wollten sich von allen Vorschriften der Aufklärung und des Glaubens lösen. Doch sie schafften es nicht und landeten wieder im Schoß der Kirche. Die Emanzipation stagnierte und fiel zurück in die Epoche der Anbeter heiliger Schriften – die sie nach eigenem Ermessen veränderten und verfälschten.

Es war wie im Lieblingsgleichnis der Deutschen. Die verlorenen Söhne fielen unter die Säue der Gottlosen, Demokraten und Hedonisten – und krochen unter mea culpa zurück zum allmächtigen Vater. Der öffnete erfreut die Pforten der Kirche und ließ aufbieten, was Küche und Keller zu bieten hatte. Die darbenden Flüchtlinge waren zu den Fleischtöpfen des Allmächtigen Vaters zurückgekehrt.

Seitdem gibt es heilige Bücher, die sie anbeten, obgleich sie sie eigenhändig verfälschten. Nein, weil sie sie selbst verfälschten. Im Vollbesitz des Heiligen Geistes können sie mit der Bibel nach Lust und Laune verfahren. Sie projizieren auf Teufel komm raus – und halten das Ergebnis für die Meinung ihres Gottes.

Wären sie von ihrer Gottähnlichkeit überzeugt gewesen, hätten sie an ihre subjektiven neuen Bibeln geglaubt und die alten ins Archiv verbannt. Doch sie hatten Angst vor ihrer eigenen Courage.

Der romantische Emanzipationsknick bestimmt die Deutschen bis heute. Mitten im schönsten Lauf machten sie Halt und kehrten zum Ursprung zurück – glaubten aber, sie hätten sich freigeschwommen. Vor der neuen Freiheit hatten sie Angst bekommen: „Folg nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange, Dir wird gewiß einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange!“

An welcher Stelle wurde den Deutschen angst und bang? Als sie dabei waren, den Spruch zu realisieren: Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. An dieser Stelle hätten sie über ihre Moral selbst bestimmen, ihr Leben autonom gestalten können. Als sie auf der Schwelle zur Freiheit standen, zögerten sie und duckten sich erneut unter das Wort der himmlischen Autorität.

Doch ihren feigen Rückzug verleugneten sie und taten großspurig, als könnten sie willkürlich über die väterliche Schrift gebieten. Seitdem machen sie mit ihrem Gott, was Churchill als Nationaleigenschaft der Deutschen beschrieb: den Gott, dem sie die Füße küssen, würgen sie gleichzeitig am Hals.

Gehorsam folgen sie einem Text, den sie selber verfasst haben. Sie deuten die Schrift, als seien sie die Verfasser. Sie herrschen und buckeln im gleichen Augenblick. Sie wollen gottgleich sein, indem sie sich hinter IHM verstecken. Sie wollen Originalgenies sein, indem sie alles Heilige imitieren. Sie sind die Freiesten und Kühnsten, indem sie jeden Zeitgeist plagiieren.

Die feministische Theologin klammert sich an die Bibel, die sie zur quantité négligeable degradiert:

„Warum gehe ich an einer Stelle davon aus, dass hier eine zeitlose Wahrheit steht und an einer anderen Stelle eine zeitbedingte Haltung? Warum sage ich, es ist eine unverrückbare Aussage, wenn es um Homosexualität geht, die Forderung, EhebrecherInnen zu steinigen, interpretiere ich aber zeitgeschichtlich? Die Bibel ist kein Buch, in dem zeitlose Wahrheiten stehen, die uneingeschränkte Gültigkeit für alle Zeiten haben. Sie ist auch keine moralische Instanz, die ich heranziehen kann, wenn es mir passt.“

Obgleich die Bibel kein zeitloses Wort sein soll, ist es die Bibel, auf die sich die Magd Gottes beruft:

„Nicht die Bibel, sondern die patriarchale Ordnung unterdrückt die Menschen, Frauen wie Männer.“

Das Gute stammt aus der Bibel, das Schlechte ist – was sonst – dem jeweiligen Zeitgeist geschuldet:

„Die Ängste kommen nicht aus der Bibel. Sie kommen von Menschen, die Ängste erzeugen wollen und dabei die Bibel als Unterdrückungsinstrument benutzen. Die Ängste werden von Menschen erzeugt, um ein starres Bild von „Normalität“ festzuschreiben. Sie üben gesellschaftlichen Druck gegen alle aus, die sie als die „Anderen“ definieren. Das ist nicht nur auf der Ebene der Sexualität so. Dieser gesellschaftliche Druck richtet sich gegen alle, die etwas anderes wollen, die ausgegrenzt werden im Namen der Bibel.“

Als fundamentalistisch wird abgelehnt, wenn andere die heiligen Schriften wörtlich nehmen. Welche Texte wörtlich zu nehmen sind, bestimmt die unfehlbare Feministin, die den Texten vorschreibt, was sie als Offenbarung lesen will:

„Die Bibel ist für mich ein Buch gegen die Resignation, ein Buch der Hoffnung und des Lebens.“

Von Schriftbeweisen hält sie nichts. Das sei wie nachträgliches „Petersiliestreuen über den fertigen Braten“:

„Wenn der Braten fertig ist, wird noch die Petersilie – sprich die geeignete Bibelstelle – darübergestreut. Die Bibel kann nicht als göttliche Verstärkung meiner eigenen oft mangelnden Autorität herangezogen werden.“

Ist es besser, mit dem eigenen Braten die göttliche Petersilie zu begraben? Die Theologin tut, was sie dementiert. Was sie männlicher Deutungskunst vorwirft, macht sie selbst. Was ihr gefällt, ist zeitlos, was ihr missfällt, muss den Verhältnissen geschuldet sein.

Selbst mit kühnsten Deutungskünsten lässt sich die paulinische Verdammung der Homosexualität nicht weginterpretieren: „Darum hat sie Gott dahingegeben in schändliche Leidenschaften; denn ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen; desgleichen haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sind in Begierde zueinander entbrannt und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den Lohn ihrer Verirrung, wie es ja sein musste, an sich selbst empfangen.“

Kommentar der Theologin: „An dieser Stelle ist nichts zu retten: Sexualität zwischen zwei Frauen ist für Paulus ebenso „wider die Natur“ wie die zwischen zwei Männern.“

Das darf natürlich nicht das letzte Wort in der Debatte sein:

„Homosexualität ist in der Bibel absolut marginal. Das wissen die meisten gar nicht. Niemand würde sich über die heutige Debatte wohl mehr wundern als Paulus selbst, auf den sich ja viele beziehen. Er hat gerade einmal zweieinhalb kurze Sätze zu diesem Thema gesagt.“

Kommt es auf die Häufigkeit eines Wortes an, damit es für den Menschen verbindlich ist? Für fromme Juden verstand es sich von selbst, dass heidnische Lüste gottlose Erfindungen seien. Das war nicht marginal, das war selbstverständlich.

Kann denn Liebe Sünde sein, fragt Ines Pohl.

Welche Liebe? Freie Liebe? Nächstenliebe? Liebe ist der Bibel ein Gräuel, wenn sie nicht in engen vorgeschriebenen Bahnen läuft. Schon der kleinste Blick liebender Sehnsucht zur fremden Frau verflucht den Liebenden: „Ich aber sage euch, jeder, der eine Ehefrau ansieht, ihrer zu begehren, hat ihr gegenüber in seinem Herzen schon Ehebruch begangen.“ Liebe kann tödlich sein, wenn sie sich nicht patriarchalischen Gesetzen beugt. Mit keiner mütterlichen Liebe kann eine Frau ihrem Kind zur Seligkeit verhelfen.

Es versteht sich von selbst, dass Ines Pohl eine feministische Theologin befragt, um ihre lesbische Liebe absegnen zu lassen. Nie käme sie auf die Idee, einen orthodoxen Katholiken zu konsultieren. Nie käme sie auf die Idee, verschiedene Theologen zum Streitgespräch zu laden.

Recherchen mit erwünschtem Ergebnis sind heute die mediale Regel. Geht es um klerikale Themen, haben die Öffentlich-Rechtlichen ihre Kirchenredakteure, die bei aller Kritik die Kirche im Dorf lassen. Nicht anders die Gazetten. Gottlose scheiden von vorneherein aus beim Beurteilen diffiziler Fragen des Heiligen Geistes. Wer nicht mit einem Minimum an transzendenter Erleuchtung gesalbt ist, hat in öffentlichen Debatten kein Mitspracherecht.  

Je aufgeklärter sich die Deutschen fühlen, je mehr muss bei ihnen Gott im Regimente bleiben. Der Gott in der Verfassung ist zum theokratischen Fundament der Demokratie geworden.

Die feministische Theologie will gar nicht wissenschaftlich oder objektiv sein. Objektivität hält sie für eine Erfindung des Patriarchats. Den männlichen Theologen sagt sie: was ihr könnt, können wir schon lange. Ihr habt Gott zum Mann gemacht, wir machen Ihn zur Frau.

„Feministische Theologie ist wie die Befreiungstheologie bewusst kontextuelle Theologie, d. h. Theologie unter besonderer Berücksichtigung der Frauenperspektive. Das bringt ihr immer wieder den Vorwurf der Parteilichkeit ein: Ist es mit dem wissenschaftlichen Neutralitätsgebot vereinbar, die Bibel mit den Interessensaugen von feministischen Theologinnen zu lesen?“

Natürlich ist die Bibel männerzentriert. Doch das ist das Original. Eine Bibel ohne männliche Dominanz ist so wenig eine Bibel, wie die Liebesgedichte der Sappho ohne Verherrlichung lesbischer Liebe sapphische Gedichte wären. Die Vergangenheit der Menschheit liegt fest, man kann sie nicht projektiv nach Belieben verändern.

Eine wahrhaft feministische Theologie wäre eine Botschaft, die es nicht mehr nötig hätte, Männertexte zu vergewaltigen, um weibliche Inhalte zu begründen. Ein kastrierter Mann ist noch lange keine emanzipierte Frau.

Mary Daly, einst führende feministische Theologin, zog die richtige Konsequenz und kehrte der Theologie den Rücken. If God is male, then the male ist god, das war ihre Grunderkenntnis, die den deutschen Gottesfrauen bis heute fehlt.

Der männliche Gott bestimmt das politische Weltgeschehen. Exegetische Schmankerl, die die Frauen bei den Männern lernten, um den maskulinen Gott zu beseitigen, ändern nichts an der Herrschaft der Männer.

Wenn Gott ein Mann ist, ist der Mann ein Gott.