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Heiligkeit

Hello, Freunde der Heiligkeit,

wenn nichts mehr hilft, hilft das Heilige. Im Kampf gegen Armut ist die Weltbank gescheitert. Nun müssen Religionen her.

Gäbe es keine Religionen, der Mensch müsste sie erfinden. Wenn der Mensch gescheitert ist, wenn er seufzend und jammernd gestehen muss, dass all sein Tun umsonst ist in diesem Leben – siehe, schon harrt die letzte Hilfe, um sich seiner zu erbarmen: das Heilige.

Nicht, dass Religionen wirksam helfen könnten. Könnten sie das, hätten sie das Elend der Welt längst beseitigt. Gibt es eine einzige Religion von Rang, die nicht schon Jahrtausende auf dem Buckel hätte? Hatten die Heiligen nicht alle Zeit dieser Welt, ihre Fähigkeit im Problemlösen nachhaltig zu beweisen?

Eins aber können Religionen: sie können tun, als ob sie hülfen. Wer in die Arme der Religion flüchtet, dem werden die Geheimnisse des heiligen ALS OB geoffenbart:

A) Mensch, deine Probleme erscheinen dir unlösbar, weil du sie freventlich lösen wolltest. Hör auf, unlösbare Probleme für lösbar zu halten – dann hast du keine unlösbaren Probleme mehr.

B) Mensch, lerne, was dein Los auf Erden ist. Unterwirf dich den Gesetzen der Welt, trag dein Los in Geduld und Ergebenheit. Hegst du keine falschen Erwartungen mehr ans Leben, lebst du in Einklang mit dir und der Welt.

C) Mensch, die irdische Welt ist kein Revier des Glücks, in welchem die Probleme der Menschen zu ihrer Zufriedenheit gelöst werden. Willst du das menschliche Maß der

Zufriedenheit erringen, ertrage das Maß an Unzufriedenheit, das dir beschieden ist.

D) Mensch, erträgst du nicht die Welt, wie sie ist und anders nicht sein kann, kannst du:

a) der Welt entfliehen in Einsamkeit. Als Eremit musst du nur dich und die Natur ertragen.

b) oder auf das Rad der Wiedergeburt hoffen. Dein nächstes Leben könnte besser sein als das jetzige. Hast du dich in allen Dingen verbessert, erlischt der Kreislauf deiner Leiden und du wirst angekommen sein im Nirwana der Vollendung.

c) oder durch ein gottesfürchtiges Leben auf das Jenseits hoffen. Bist du zurückgekehrt zum Schöpfer aller Dinge, wird eitel Freude im Kreise der Erwählten sein. Die Ungehorsamen freilich müssen ausgesondert werden.

E) Schuld an deinem Unglück bist du allein. Hör auf, Götter oder das Schicksal anzuklagen. Sie taten, was sie konnten. An dir hätte es gelegen, in Demut das Beste draus zu machen.

F) Schuld ist deine Vermessenheit, mehr als ein Mensch sein zu wollen. Deine Urschuld ist, dass du deine Probleme in eigener Regie und auf Erden lösen wolltest. Dieser Hochmut wird dir nicht verziehen werden.

G) Wer Gott sein will, obgleich er ein Wurm ist, kann nicht einmal ein Mensch sein. Er muss zur Hölle fahren.

H) Ob du dein Leben bestanden hast, wirst du nicht mehr in dieser Welt erfahren.

I) Die Auflösung aller irdischen Rätsel wird im Drüben stattfinden.

J) Mensch, alle Probleme der Welt werden lösbar sein, wenn du das Als Ob der Erlösung akzeptieren wirst. Glaube an das heilige Als Ob, und es wird zur Wirklichkeit. All deine Probleme werden gelöst sein, wenn du glaubst und überzeugt bist, dass sie bereits gelöst sind. Dein Glaube wird das erdachte und erhoffte Als Ob in volles Leben verwandeln.

Wie aber kamen die unlösbaren Probleme in die Welt? Im Reich der Mütter waren sie unbekannt. Was war geschehen?

Kaum hatten schreckenerregende Männerhorden mit Gewalt ihre „Überlagerungskulturen“ über den Mütterreichen errichtet, entstanden unlösbare Probleme. Ab jetzt werden diese zum Schibboleth männlicher Hochkulturen: Männer können alles. Was sie nicht können, kann niemand – außer den Göttern, die von den Männern erfunden und allen Eroberten aufgezwungen wurden.

Alles- und Nichtskönnen: dieser Pendelschlag wird zum Gesetz der zukünftigen Welt omni- und impotenter Männer. Unlösbare Probleme entstehen, wenn Männer die Welt der Mütter verachten und Natur vernichten wollen, um eine bessere zu errichten. Männer wollen Probleme lösen, indem sie Alles zu Nichts und aus dem Nichts ein Neues machen.

Der alte Mensch ist schlecht. Er muss zu einem neuen Menschen werden.

Die alte Geburt des Menschen ist schlecht. Sie muss zur Wieder-Geburt werden.

Die alte Natur ist schlecht. Sie muss zur geistigen Über-Natur werden.

Materie, das Mütterliche, ist schlecht. Sie muss sich dem ätherischen Schöpfer aller Dinge unterwerfen.

Intelligenz, die sich der Natur unterwirft, ist schlecht. Männliche Intelligenz unterwirft Natur und erschafft die Welt nach ihrem Bild.

„Intelligenz – das wichtigste Phänomen im Universum – kann natürliche Grenzen überwinden und die Welt nach ihrem Bilde umgestalten. In der Hand des Menschen hat Intelligenz uns in die Lage versetzt, die Beschränkungen unseres biologischen Erbes zu überwinden und uns selbst in diesem Prozess zu verändern.

Intelligenz verschafft uns nicht nur die Macht, den Planeten zu beherrschen, sondern auch unsere Lebensqualität fortwährend zu verbessern. Mit intelligenten Maschinen können wir all unsere Probleme lösen: die Überwindung von Krankheiten, die erhebliche Verlängerung menschlichen Lebens und die Abschaffung der Armut. Nur, wenn wir mit technologischer Intelligenz unsere Grenzen überschreiten, werden wir mit der Größenordnung von Komplexität umgehen können, die wir benötigen, um unsere Probleme zu lösen.

Die letzte Erfindung der biologischen Evolution führt unweigerlich zur letzten Erfindung, die die Menschheit machen muss: wahrhaft intelligente Maschinen. Die technologische Evolution entwickelt sich Millionen Mal schneller als die biologische.

Das Universum zu erwecken und – indem wir es mit unserer menschlichen Intelligenz in ihrer nichtbiologischen Form durchdringen – über sein Schicksal zu entscheiden, das ist unsere Bestimmung.“ (Ray Kurzweil, „Das Geheimnis des menschlichen Denkens“)

Ray Kurzweil, Erfinder omnipotenter Maschinen, ist zum Propheten und Repräsentanten der westlichen Erlösungsreligion geworden, die er komplett in Erlösungstechnik verwandeln will.

(Schirrmacher, Vordenker deutscher Hysteriemedien, wurde zum Unterpropheten des amerikanischen Oberpropheten. Nach Kant verwandeln sich alle deutschen Denker zu Propheten – hinter säkularen Masken. Wer nicht den Großen Prophetenschein vorweisen und nicht Jahrzehnte vorausschauen kann, hat keine Chancen, weltberühmter deutscher Philosoph – oder Herausgeber der FAZ zu werden.)

Kurzweil verspricht nichts weniger als die Lösung aller menschlichen Probleme, inklusive die Überwindung des Todes und der Endlichkeit. Was Jesus nur mit Kreuzigung, Höllenfahrt und Auferstehung gelang, kann Kurzweil schon lange: mit Hilfe von Maschinen. Der Heiland der Christen schaffte es mit Gottes Hilfe, Kurzweil schafft es mit superschlauen Maschinen.

Die männliche Hochkultur beweist ihre Omnipotenz durch Erfindung eines allmächtigen göttlichen Vaters, den sie im Verlauf der abendländischen Heilsgeschichte peu à peu in Technik transsubstantiieren. Wie Transsubstantiation die wundersame Verwandlung von schnöder Materie in jesuanische Erlösersubstanz, so ist Technik die wundersame Verwandlung schnöder Materie in allmächtige Erlösertechnik.

Doch wo bleibt vor lauter Allmacht die Ohnmacht der Männerkultur?

Allmacht und Ohnmacht sind identisch oder zwei Seiten derselben Medaille. Was aus der Sicht der Gläubigen Allmacht, ist aus der Sicht der Ungläubigen die komplette Ohnmacht. Denn die technische Allmacht realisiert sich nur durch Vernichtung der Natur.

Mit traditionellen Worten: an Kurzweil & Co muss man glauben. Wer den Glauben verweigert, weil er den letzten Rest seiner Wahrnehmungsfähigkeit nicht auf dem Altar der Technik opfern und – gefeit gegen religiöse und technische Heilsversprechungen – nüchtern und verständig bleiben will, sieht nur eins: die unaufhaltsame Vernichtung der Welt, die umso totaler ausfällt, je totaler die Versprechungen der gottgleichen Techniker in den Himmel wachsen.

Wann begann der Prozess der Technisierung der Erlöserreligion?

Schon im Mittelalter, als christliche Alchimisten Gold – oder den Leib Jesu – in ihren Reagenzgläsern zusammenbrauen wollten. Alchimie wurde zur Vorläuferin der modernen Chemie. Francis Bacons Formel: Wissen ist Macht, bedeutete: Heilswissen ist Allmacht durch „Transmutation der Materie“ in Wissenschaft und Technik, mit deren Hilfe man die Erde untertan machen konnte.

Die religiös intonierte Wissenschaft „versprach paradiesische Fülle durch Reichtum, Gesundheit und Überleben nicht erst für die Endzeit, sondern schon jetzt und hier auf dem Wege der wissenschaftlichen Operation, die das Suchen, Erfinden und Bearbeiten aus Heilsbegriffen und Gnadenmitteln der Kirchen zu Techniken und Methoden einer Natur-„Forschung“ machte, die eine Selbsterlösung erstrebte.“ Das Heil der Wissenschaft beruhte in der „Eroberung der Natur durch Meisterung ihrer Prozesse, die dann zum Ziel der modernen Wissenschaft wurde. Sie hat den Typ des rastlos tätigen Forschers geprägt, der den christlichen Heilsweg buchstäblich durch einen Forschungsweg umkehrte, der die verborgenen Kräfte der Stoffe zu lösen und für die Menschen zu nutzen versuchte. Die moderne Naturwissenschaft übernahm von der mittelalterlichen „die Tendenz zur Welterlösung durch Forschung, die in demselben Maße an Kraft gewann, in dem der Erlösungsgedanke der Kirchen zurücktrat.“ (Friedrich Wagner, „Die Wissenschaft und die Gefährdete Welt“)

Das war der so oft missverstandene Prozess der Säkularisation. Je mächtiger die technische Prägung der modernen Welt durch das Credo, je weniger musste man daran glauben. Was man mit Sinnen erfassen, womit man hantieren und Macht über Mensch und Natur erringen kann, daran muss man nicht mehr glauben. Was den Sieg über die Welt errungen hat, hält man für unwiderlegbar wahr.

Hier trat im Westen eine Spaltung ein. Während das messianische Heil in Deutschland zur Ideologie arischer Herrenmenschen wurde, die die Welt durch Ausrotten des Bösen retten wollten, wurde das Heil in Amerika zum wirtschaftlich-technischen Omnipotenzgebaren über die ganze Welt.

Warum wurde die Selbsterlösung durch Technik zur kritiklos hingenommenen Zwangsbeglückung des Westens? Weil sie das Zwangsbeglücken der Welt durch den christlichen Glauben nahtlos weiterführte. Als ob Friedrich Wagner Ray Kurzweil, den technischen Zwangsbeglücker, vorausgeahnt hätte, schrieb er: „Die Wissenschaft bleibt der Retter, ja der Erlöser des Universums.“

Kurzweil: „Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden. Was heute noch Zauberei zu sein scheint, wird vielleicht schon bald Realität sein. Die Menschheit hat eben erst die die ersten Schritte auf dem faszinierenden Weg von der biologischen hin zur technologischen Evolution unternommen.“ Die Maschinen werden die Fähigkeiten der Menschen weit überragen und fähig sein, „Erfahrungen, ja Liebschaften und sogar Gefühle“ auf die Rechner zu übertragen.

Wie christliche Heilsgeschichte zwei gegensätzliche Ziele – Himmel und Hölle –, kennt, so folgt moderne Heilstechnik zwei höchst unterschiedlichen Zwecken: a) dem paradiesischen Heil der Menschen und b) dem höllischen Unheil. Da es keine wissenschaftliche Entdeckung gibt, die nicht auf ihr technisches Gewaltpotential überprüft würde, kann es nicht ausbleiben, dass jede wissenschaftliche Entdeckung zur Konstruktion besonders gefährlicher Waffen benutzt wird, um politischen Gegnern den eigenen Willen aufzuzwingen oder sie in ungeheurer Weise zu beschädigen.

Man nehme die Konstruktion der Atombombe und ihr Abwurf in Hiroshima – angeblich, um Japan zur Beendigung des Krieges zu zwingen. (In Wirklichkeit wusste Truman, dass die Japaner längst geschlagen waren und kurz vor der Kapitulation standen.) Einerseits wurde die Atombombe zum Wundermittel der Moderne. (Man lese nur die damaligen Paradiesvisionen des C.F. von Weizsäcker, die er später – ohne geringste Selbstkritik – ins Gegenteil verkehrte.) Andererseits wurden politische Gegner – sofern sie nicht über dieselben Waffen verfügten – mit der Auslöschung ihrer Existenz bedroht, wenn sie wagten, aufmüpfig und renitent zu werden. Paradies – oder Hölle: das sind die beiden Ziele der modernen Wissenschaft.

„Das Fortschrittsgesetz tritt unverhüllt an die Stelle der Vorsehung, die Wissenschaft an die der Priesterschaft und der Positivismus (die Reduzierung der Philosophie auf Naturwissenschaft) an die der Erlösungslehre mit der Begründung, dass der „gesunde Menschenverstand“ nunmehr durch das Wissenschaftszeitalter ein Paradies erschaffe, das als „Umkehrung des Sündenfalls“ definiert wird“.

Die Überwindung der Sünde und die Rückeroberung des Paradieses waren Kernpunkte des Bacon‘schen Wissenschaftsglaubens. „Eine Theorie, die fürchterliche Maschinen hervorbringt, die alles bändigen und unterjochen, wird ihre Wahrheit unwiderleglich beweisen. Die Kräfte der Menschheit würden in sehr wenigen Händen vereinigt und Eigentum einer Gruppe, die sogar über den Bestand des Planeten bestimmte und durch diese Drohung die ganze Erde terrorisieren könnte“, zitiert Wagner die unglaublich präzisen Voraussagen des französischen Religionsphilosophen Ernest Renan.

Als „wahrhaft unfehlbares Papsttum“ gebe die technische Weltelite der „religiösen Macht erst eigentlich Realität, indem sie statt kraftloser Bannflüche die sehr reale Hölle wissenschaftlicher Waffen entfessele, die durch Präventivterror alles beherrschen könnten.“ So der Franzose.

Kein Zufall, dass bei Kurzweil, wie bei allen fanatischen Technikpropheten, nur die verheißungsvollen Visionen für die Menschheit beschrieben werden. Die schrecklichen Unheilspotentiale werden von ihm unter den Teppich gekehrt. Und das, obgleich er die terroristischen Überwachungsfähigkeiten der NSA längst hätte wahrnehmen müssen.

Solange die Genies von Silicon Valley noch nicht in der Lage sind, jene Wundermaschinen zu liefern, mit denen die Armut der Welt besiegt werden könnte, sieht sich die Weltbank gezwungen, sich der Religionen zu bedienen.

„Die Weltbank hat sich im Kampf gegen Armut Verstärkung geholt. Geistliche Würdenträger wollen mit vereinten spirituellen Kräften die Not abschaffen. Die, die nichts mit Gott am Hut haben, kommen in der neuen Allianz nicht vor.“ Schreibt Dorothea Hahn in der TAZ.

Und was ist es, das Religionen auszeichnet, ein Weltproblem zu lösen, an dem bislang die ganze Menschheit scheiterte? (Abgesehen davon, dass die planetarischen Machthaber dieses Problem gar nicht lösen wollen!)

Schon versuchen sich die Religionen in der Kompetenz der Armutsbekämpfung gegenseitig in den Schatten zu stellen:

„Ruth Messinger, Präsidentin des American Jewish World Service, zitiert Thora-Interpreten, nach denen Armut das schlimmste aller Leiden ist. Neben ihr spricht Mohamed Ashmawey, Chef des Islamic Relief Worldwide, vom Koran. „Niemand kann würdevoll leben, wenn er betteln muss“, sagt er. Die Präsidentin der Catholic Relief Services, Carolyn Woo, zitiert Papst Franziskus, der Armut einen „Skandal“ nennt, und prognostiziert, dass es in ihrer Konfession Kontroversen über die Zusammenarbeit mit der Weltbank geben wird. Vinya Ariyaratne, Generalsekretär der Sarvodaya Shramadana Bewegung in Sri Lanka, spricht von dem buddhistischen Konzept des Teilens – und darüber, wie beide Extreme abgeschafft werden müssen: sowohl die extreme Armut als auch der extreme Konsum.“

Religionen sind in der Lage, Armut zu überwinden – weil es in ihren heiligen Texten steht. Das ist so einleuchtend, wie ein Medikament als Wundermittel gegen Krebs einzusetzen, weil seine Heilwirkung auf dem Beipackzettel behauptet wird.

Religionen sind Weltmeister der propagandistischen Selbstvermarktung. Besonders die Erlösungsreligionen unter ihnen, denen nichts unmöglich ist, weil sie einen allmächtigen Schöpfer im Logo führen. Religionen können mit Engelszungen moralische Fähigkeiten preisen, die sie angeblich Menschen verleihen können. Dummerweise ist es ihnen im Verlauf der Jahrtausende noch nicht geglückt, ihre Propaganda in der Praxis zu beweisen. Im Gegenteil, meist sind Erlöserreligionen besonders tüchtig bei Kreuzzügen, Inquisition und hasserfüllter Intoleranz.

Wie erklären die Religionen diesen beschämenden Tatbestand? Die Menschen seien selber schuld, sagen sie. Sie würden nicht den rechten Glauben aufbringen, um den Menschen adäquate Liebestaten zu erweisen.

Die Medikamente sind also gut – nur die Menschen sind zu schlecht, um sie angemessen auf sich wirken zu lassen? Dann müssten erst neue Menschen gezüchtet werden, damit sie zu den Medikamenten passen?

Erlöserreligionen sind keine moralischen Einrichtungen. Sie fordern Glauben und Unterwerfung. Ihre Moral ist nie eindeutig. Im Dienste ihres Gottes ist alles gut: das Gute und das Böse.

Was die Weltbank übersieht: Religionen haben gar nicht die Absicht, die Probleme der Welt zu lösen. Sie dürfen die Welt nicht grundsätzlich besser machen. Das überlassen sie ihrem Gott im Jenseits. Die Welt ist schlecht und muss schlecht bleiben. Nur Gott selbst darf durch Vernichtung der Welt einen winzigen Teil der Menschheit erlösen. Der Rest ist fürs Feuer.

Ist es dem Neoliberalismus tatsächlich gelungen, die Zahl der Armen zu reduzieren? Es gibt absolute und relative Armut. Statistisch ist nicht zweifelsfrei erwiesen, dass die absolute Armut verringert wurde. Der Weltbankpräsident „spricht über das zurückliegende Vierteljahrhundert, in dem die „extreme Armut“ um die Hälfte reduziert worden sei. Während 1990 zwei Milliarden Menschen in extremer Armut lebten, seien es heute noch eine Milliarde, sagt Kim. Unter „extrem Armen“ versteht die Weltbank Menschen, die mit weniger als 1,25 Dollar pro Tag auskommen müssen. Die Weltbank-Erfolgsmeldung ist umstritten. Kritiker der Statistiken bestreiten, dass die Armut tatsächlich so radikal geschrumpft ist, und sie argumentieren, dass Armut sich nicht auf eine Dollar-Zahl reduzieren lässt. Die Weltbank räumt ein, dass sich das Problem verlagert hat. In weiten Teilen Afrikas hat die extreme Armut zugenommen, in China und Indien registriert sie positive Entwicklungen.“

Selbst wenn die Zahl der absoluten Armut verringert worden wäre, das Problem der relativen Armut ist nicht weniger alarmierend. Es geht um die wachsende Kluft zwischen Reichen und Armen. Reich sein heißt mächtig sein. Die Armen werden immer ohnmächtiger. Während EINPROZENT der Weltbevölkerung mehr als die Hälfte des ganzen Reichtums der Menschheit an sich gerissen hat, haben die Abgehängten keine Chancen mehr, die demokratische Gewaltenteilung zu verteidigen. Geld ist Macht. Je ungleicher die Macht verteilt ist, je bedrohter sind die Demokratien.

Schon leben wir in einer Epoche der weltbeherrschenden Plutokratien, die sich Wundermaschinen und Höllenwaffen unter den Nagel reißen, um der Menschheit mit Zangengriff die Luft abzuschnüren. Wenn Religionen Macht wittern, wollen sie von geschwisterlicher Gleichberechtigung nichts mehr wissen.

„Guru Saraswati sieht keinen Grund, Atheisten zu beteiligen. «Wir arbeiten doch ohnehin für alle», sagt er. Dann fügt er hinzu: «Es ist nicht wichtig, ob du an Gott glaubst. Denn Gott glaubt auf jeden Fall an dich».“

Das alte totalitäre Lied. Gott beglückt alle Menschen. Ob sie wollen oder nicht. Dies entspricht der gegenwärtigen Gesamtregression der Menschheit in die trügerischen Verheißungen der Religion.

Die Weltbank macht sich zum Büttel herrschsüchtiger Priester, die alles versprechen und nichts halten. Der Mammon entlarvt den religiösen Kern seines Heilsversprechens. Wie es geschrieben steht:

„Wer hat, dem wird gegeben werden und er wird Überfluss haben. Dem aber, der nicht hat, wird auch das genommen, was er hat. Den unnützen Knecht stoßet hinaus in die Finsternis, die draußen ist. Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein.“