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Gottesspiel

Hello, Freunde des Gottesspiels,

endlich kommt als Spiel, was längst zur Realität geworden ist: Godus, das Gottesspiel.

„Viel mehr, als „Godus“ bietet, kann ein Spiel eigentlich nicht liefern. Denn hier sind Sie kein kleines Rädchen im Getriebe, sondern Gott. In der Steinzeit beginnend nehmen Sie ein paar Gläubige und formen mit etwas Geschick daraus eine große Zivilisation.“ (BILD)

Godus ist kein beliebiges Gottesspiel, es ist ein biblisches Spiel, die Heilsgeschichte oder die Geschichte der letzten 2000 Jahre – der Sieg des Christentums über die Welt – als Amüsement.

Vor allem wird die Natur nach Belieben erschaffen – und weggeräumt. Alles streng biblisch: „Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, werdet ihr zu diesem Berge sprechen: Hebe dich hinweg von hier dorthin! Und er wird sich hinwegheben, und nichts wird euch unmöglich sein.“

Nichts wird euch unmöglich sein: das ist das männliche Allmachtsspiel. „Die Hand Gottes (also Ihre) ist bei „Godus“ meist damit beschäftigt, die Landschaft zu verändern. Berge wollen geplättet, Schluchten aufgefüllt werden und gelegentlich teilt man auch mal ein Meer um seinen Anhängern den Weg ins gelobte Land zu weisen.“

Da Gott ein Gott der Liebe sein soll, ist auch das Spiel „extrem liebevoll gestaltet.“ Besonders, wenn man Wunder wirkt. Der Gott des Spiels ist

nicht perfekt, er hat Schwächen. Das Spiel beginnt wohl erst nach dem Sündenfall. Wunder kann man auch nur wirken, wenn man zuvor „Glauben gesammelt hat“.

Wer Glauben sammelt, braucht auch Ungläubige, weil es sonst „auf Dauer etwas langweilig“ wäre. Da haben wir sie auch schon. Sie heißen Astari und sind „hämisch kichernde Anbeter eines anderen, selbstverständlich falschen Gottes. Reicht die eigene Leistung als Gott nicht aus, werden die Anhänger unzufrieden und laufen im schlimmsten Fall sogar zum falschen Glauben über.“

Womit Gute und Böse, Erwählte und Verworfene, ein für alle mal gekennzeichnet wären. Wenn das keine konsequente Leistungsideologie ist, Gott selbst steht unter Leistungszwang! Bringt Gott nicht die versprochene Tarifleistung, fallen seine Anhänger von ihm ab und gehen zum Goldenen Kalb über!

Doch hier hören die Bibelkenntnisse auf. Merke, Gott versagt nie und wenn doch, gilt Paragraf eins. Er versagt deshalb nicht, weil er – wenn er doch versagt – seine Leistung als Verheißung oder Kredit mit unbekanntem Einlösedatum ausgibt. Irgendwann, am Ende aller Tage, wird Gott einlösen, was er versprochen hat – oder auch nicht.

Das Ende des Spiels fehlt im Spiel. Wie auch sonst in der europäischen Wirklichkeit, wenn Franziskus und Käßmann die Lehre von den letzten Dingen unter den Teppich kehren. In Deutschland will man seine Schäfchen nicht mit Himmel und Hölle erschrecken. Die Amerikaner hingegen schämen sich ihrer Bibelkenntnisse nicht. Wie immer lügen Priester wie gedruckt, ihre Schäfchen lassen sich nach Strich und Faden an der Nase herumführen. Das wäre das Gottesspiel in Wirklichkeit.

Die Natur macht den Frommen wie gewohnt ein Strich durch die Rechnung, der Weizen will und will nicht wachsen. Was folgt daraus? „So wird aus dem Gott- ein Geduldsspiel. Oder man investiert in Edelsteine, mit denen man alle Entwicklungen beschleunigen kann“.

Womit wir in der Realität gelandet wären. Keine Geduld mit der hinterwäldlerischen Natur: dafür Geld und Gold einsetzen, inklusive Technik als Beschleunigungsmittel. Damit wird dem trödlerischen Weizen das Einmaleins der kapitalistischen Profitverwertung eingebläut. Merke, im Gottesspiel ist Natur fehl am Platz und muss durch Besseres ersetzt werden: Gold und Edelsteine.

Das entspricht der Beschreibung des Goldenen Jerusalem auf dem Berge, wenn der Messias die neue Schöpfung aus dem Nichts gezaubert haben wird: „Ihre Mauer ist aus Jaspis und die Stadt ist reines Gold, der zweite Grundstein ist ein Saphir, der dritte ein Chalzedon, der vierte ein Smaragd …“ und so weiter in der Palette aller Edelsteine.

Wem gehört die Erde? Ihrem Schöpfer – und seinen Erben, den Frommen, die bereits auf Erden möglichst viel von ihrem künftigen Erbe zusammenraffen sollen. Den kleinen Rest, der ihnen noch nicht gehört, erhalten sie als Endauszahlung im Jüngsten Gericht. Die Gläubigen sind Gläubiger ihres weltlichen Erbes, das sie am Ende der Geschichte mit himmlischem Zins und Zinseszins ausbezahlt bekommen. Das war die Geschichte des Kapitalismus in Kurzform.

Vom Spiel zur Wirklichkeit – die auch nur ein Gottesspiel ist. Die besten Gottesspieler sitzen in Silicon Valley und hassen alle Frauen. Warum erscheinen jetzt erst die kritischen Berichte über Silicon Valley?

Die Medien haben bei den Popen das professionelle Lügen gelernt. Eben waren sie noch die Propheten der Propheten, plötzlich dreht sich der Wind und alle Propheten drehen sich mit. Sie halten sich an das biblische Motto: „der früheren Dinge wird man nicht mehr gedenken.“ Eine exzellente Devise für eine Geschichts-Theologie, die die Geschichte in der Mitte zerschneidet, die Vergangenheit abtötet und ungeschehen macht und nur eine vage Zukunft zulässt.

Die kollektive Biografie der Menschheit wird negiert, an ihre Stelle rückt die Phantasmagorie eines Gottes, der sich durch „geschichtsmächtige Taten“ geoffenbart haben will.

Roger Pogue Harrison ist Professor für Literaturwissenschaft im kalifornischen Stanford. Er muss ein amerikanischer Nestbeschmutzer sein. Seine Kritik in der FAZ ist ätzend:

„Im Silicon Valley behauptet jeder, die Welt verbessern zu wollen. Gemeint ist damit aber nur die optimale Vermarktung einer ewig jugendlichen, regressiven Kultur.“

Seine Überschrift klingt noch frecher: „Verändert die Welt und macht sie flach.“ Womit der technikungläubige Literaturkenner wohl andeuten will, dass die Superfuturologen nichts anderes sind als creationistische Dinosaurier, die an die flache Erde glauben, weil ihr biblischer Mythos es so will. Silicon Valley, das Tal der Flachköpfe.

In den 68er-Debatten kannte man den Begriff „Berufsdefekt“. Der ist mittlerweilen in den Orkus gespült worden. Wer heute Erfolg hat in seinem Job, ist King – und wenn er der größte Scharlatan wäre. In Amerika, dem Neuen Kanaan für Erfolgreiche, ist technische Intelligenz das Zeichen für Erwähltheit.

Technische Intelligenz nennt Horkheimer instrumentelle Vernunft, er hätte auch von politischer Unvernunft reden können. Instrumentelle Vernunft steht für eine Vernunft, „welche die Mittel, nicht jedoch die Ziele des Handelns reflektiert.“

Diese berufsdefekte „Bildung“ oder „Intelligenz“ kennt nur ein Interesse: die technische Beherrschung und Unterwerfung der Natur, identisch mit der Beherrschung und Unterwerfung der Frau. Weib und Natur sind Synonyme.

Auch in Deutschland gibt es keine Bildung mehr, sondern nur noch instrumentelle Ausbildung. Gleichheit der Chancen durch Bildung? Eine Fata Morgana, denn Bildung ist landesweit abgeschafft. Selbst das wissen die Linken nicht mehr.

Die Vergötzung der instrumentellen Vernunft führt zu einer Religion der technischen Intelligenz und zur Abwertung aller gesellschaftlichen und politischen Weisheit. Wenn in den Gazetten die Nobelpreisträger der Wirtschaft aufgefahren werden, um die Brisanz der politische Lage zu deuten, kann das nur bedeuten: es wird ernst, Leute. Jetzt geht’s ans Eingemachte. Wenn die Intelligenzler, die Nobelpreisträger, die Programmierer-Genies anrücken, nehmen alle Probleme Reißaus. Die Zukunft? Eine Aufgabe für Maschinenhersteller, die sie mit links lösen.

Die berufsdefekten Rechner, Tüftler und Risiko-Titanen sind zu Erlösern der Gegenwart geworden. Man muss Google und Microsoft nur machen lassen und durch keine lästigen demokratischen Regeln behindern – und im Nu werden wir im Paradies landen. Jeder Vortrag in Silicon Valley endet mit der biblischen Verheißung: „und das wird die Welt zu einem besseren Ort machen“. (Robert Pogue Harrison in FAZ.NET)

Andere Formulierungen der neuen Frohen Botschaft lauten: „Wollen Sie den Rest Ihres Lebens Zuckerwasser verkaufen, oder wollen Sie eine Chance, die Welt zu verändern?„Nimm nicht nur deinen Platz an der Spitze der Welt ein. Verändere die Welt.“

Selbstredend unterlässt Menschheitsbeglücker Bill Gates in keiner seiner Bergpredigten den Hinweis, seine Hörer müssten die Welt verändern. Gehet hin in alle Welt und machet alle Völker zu Jüngern von Silicon Valley und lehret sie alles halten, was die Golemerfinder ihnen befohlen haben. Denn ihnen ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Nichts wird ihnen unmöglich sein.

Bei Harrison kann man Argumente gegen den technischen Veränderungswahn lesen, die man schon seit 100 Jahren nicht mehr las: Warum soll etwas zwanghaft verändert werden, wenn es sich vielfach bewährt hat? Sollte nicht allein das Schlechte geändert, das Gute aber mit Hauen und Stechen verteidigt werden?

In Amerika schert man sich nicht um solche Petitessen. An jedem neuen Tag, den Gott erschuf, muss sich alles neu erfinden. Tabula rasa mit dem Alten und das ganz Neue aus der Retorte! Wie der alte Adam jeden Tag durch Reue und Buße ersäuft werden soll, so die ganze schnöde irdische Welt, die bekanntlich das Revier des Teufels ist.

Für Popper ist Tabula-rasa-Politik das Zeichen des Faschismus, der alles schon Vorhandene, Gewesene verwirft und alles aus eigener Machtvollkommenheit jungfräulich erschaffen will. „Sowohl Platon als auch Marx träumen von der apokalyptischen Revolution, die die ganze Welt radikal umgestalten wird.“

Und zur Illustration dieser totalitären Säuberung zitiert Popper den französischen Schriftsteller Du Gard: „Alles muss zertrümmert werden. Auf diese Weise müssen wir beginnen. Unsere ganze verdammte Zivilisation hat zu verschwinden, bevor wir auch nur ein bisschen Anständigkeit in die Welt bringen können.“

Harrison beruft sich auf Hannah Arendt, die das bewährte Alte erhalten wissen will:

„Wer die Welt liebte, sie als sein irdisches Heim betrachtete, wem bewusst war, wie viel Mühe und Weitsicht es die eigenen Vorfahren gekostet hatte, ihr Fundament zu sichern, ihre Institutionen zu gründen und ihre Kultur zu gestalten, wer die Welt als den Ort seines säkularen Nachlebens betrachtete, der hatte guten Grund, all denen unheilvolle Neigungen zu unterstellen, die die Strukturen dieser Welt verändern, sie einem womöglich sogar entfremden wollten. Den Preis der unendlichen Umwälzungen der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, dieser „finsteren Zeiten“ mit ihren „politischen Katastrophen, moralischen Desastern und einer erstaunlichen Entwicklung von Kunst und Wissenschaft“, hat Hannah Arendt beschrieben: Wenn man die Welt in permanente Umwälzung zwingt, wenn es gar keine Beständigkeit mehr gibt – dann wird sie unmenschlich.“

Man muss sich mal den folgenden Satz Harrisons auf der Zunge zergehen lassen, um die Idiotie-kratie der technischen Phantasten zu ahnen: „Mit ein paar wenigen Ausnahmen nimmt sich unsere technologische Avantgarde kaum die Zeit, ihr Handeln zu überdenken. Wenn doch, dann entstehen bevorzugt solche Ideen, die Chaos und Unruhe nur befeuern.“

Bis kurz vor seinem Tode wurde Schirrmacher in hiesigen Gazetten in den Himmel gehoben, weil er solche Phantasten zu Göttern erhob. Sascha Lobo, der die BRD großkotzig im Alleingang gegen die Machenschaften der NSA schützen wollte, hat inzwischen Schiffbruch erlitten. Er hat nicht bemerkt, dass Technologie eine Philosophie ist und nur mit Philosophie bekämpft werden kann.

Maschinen können nicht mit Maschinen, nur mit kritischem Denken in die Schranken gewiesen werden. In einem High-Tech-Unternehmen soll es einen technischen Messias gegeben haben, der sich weigerte, den Besuch von Obama zur Kenntnis zu nehmen: Mit der Begründung: „«Ich verändere mehr, als irgendjemand in der Regierung es jemals könnte», sagte er angeblich zu einem Kollegen. Es gibt auf der Welt nicht viele Orte – vielleicht nur einen einzigen –, an denen ein Angestellter erwarten kann, mit so einer absurden Aussage ernst genommen zu werden.“

Es gibt keinen Unterschied zwischen dem marxistischen Sozialismus und dem Hayek‘schen Kapitalismus. Beide Systeme wollen das Vorhandene – das nicht von ihnen stammt – radikal rausreißen und nur die Früchte von ihrem Baum des Lebens akzeptieren. Marx sagte es klipp und klar, auch die Amerikaner lassen keinerlei Zweifel an ihrem biblisch-technischen Totalitarismus. Nur die Europäer schwirren in der Mitte und wissen nicht, was sie tun.

Die Kategorie des Neuen muss ihre alleinseligmachende Heiligkeit verlieren, wenn die Menschheit auf Erden überleben soll. Wie kann sie lernen, das Bewährte vom Nichtbewährten zu scheiden, das Beste zu behalten und nur das Schlechte durch Besseres zu ersetzen, wenn sie alles Gute und Vertraute sich aus dem Herzen reißen muss, um neuen und unsinnigen Schrott zu verinnerlichen?

Alles, was unsere Vorfahren in mühsamer Arbeit und oft gegen schrecklichen Widerstand der Popen an Wertvollem und Wahren erarbeitet haben, soll Makulatur sein? Dieser Hass auf die Vergangenheit ist kollektiver Alzheimer in fortgeschrittenem Stadium.

Vielleicht wird nun klar, warum die Menschheit nicht aus ihrer Geschichte lernen soll und nicht lernen darf. Die ganze Vergangenheit ist Schrott und muss getilgt werden. Die lernfeindlichen Historiker sind Schrott-Archivare. Alles, was sie erzählen, ist null und nichtig. Wozu eigentlich schreiben sie voluminöse Schwarten, wenn alles Haschen nach Wind sein soll? Wozu schreiben deutsche Kommentatoren Appelle gegen Wirrköpfe und Machtbesessene, wenn nichts zu ändern ist? Wenn das lesende Publikum aus Versuch und Irrtum nichts lernen kann?

Es ist der helle Wahnsinn: wie viele Gazetten und Blätter erscheinen jeden Tag, um die Welt zum Nachdenken anzuregen – aber bringen darf dies alles nichts?

Ahnen wir allmählich, was uns in die Apokalypse treibt? Es ist der selbsterfüllende Glaube an die Apokalypse. Wie viel Hass auf unsere Kinder und Kindeskinder steckt in den Selbstmord-Creationen der technischen Bubis, die keinen Kontakt mehr zum prallen Leben ihrer Frauen und Kinder haben?

Lebensuntüchtig, wie sie sind, vergraben sie sich hinter Gottesspielen und Allmachtsträumen, mit denen sie die Welt zwangserlösen wollen. Wer die Welt beglücken will, ohne die Welt zu befragen, ist ein Faschist. Die einen machen es mit Gulag- und KZ-Methoden, die anderen mit Rundumüberwachung, allpräsenten Drohnen und technischem Schnickschnack, der das Leben nicht erleichtert, sondern flächendeckend terrorisiert.

Die Völker allein haben darüber zu entscheiden, wie sie leben wollen, keine aufgeblasenen Jesuaner aus Gottes eigenem Land mit ihren geklonten Kollegen aus aller Welt.

Paulus hat die terroristischen Erlösungsphantasien in einer heiligen Schrift gestochen klar beschrieben. Er sah das Nahen der Zeit für den Frommen, der Herr aller Dinge ist:

„Denn alles ist euer, es sei Welt oder Leben und Tod, es sei Gegenwärtiges oder Zukünftiges: Alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes“. Der Herr werde kommen wie der Dieb in der Nacht und einen neuen Himmel und eine neue Erde bringen. Der Himmel und die Elemente werden in Feuer zerschmelzen, so dass „die Himmel mit gewaltigem Getöse vergehen, die Elemente aber in der Gluthitze sich auflösen und die Erde und ihre Werke gänzlich verbrannt werden.“

Dieses Doppelgesicht der himmlischen Verheißung für Erwählte und des höllischen Gerichts für Verworfene – also die Rückkehr zum Paradies und die Verfluchung ins apokalyptische Feuer – waren die ideologischen Grundlagen:

a) des Sozialismus

b) des technischen Fortschritts und

c) der ganzen Wissenschaftsreligion.

Das Gottesspiel ist die Basis unserer gesamten Gegenwart. Mit Verschlüsselung unsrer Privatsphäre allein werden wir die ungezügelte Macht der Himmel- und Höllentechniker nicht zu Fall bringen.