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Gesinnungsethik

Hello, Freunde der Gesinnungsethik,

gesinnungsethisch müsste man Assad fällen, er ist ein Tyrann, der sein Volk vernichtet. Verantwortungsethisch müsste man ihn stützen, um die schlimmere Menschheitsgeißel IS mit vereinter Kraft zu eliminieren.

Gelegentlich werden in Talkshows die wahren Ursachen der weltpolitischen Probleme flüchtig gestreift – doch niemand greift sie auf, um ihre praktische Relevanz zu untersuchen. Philosophische Urgründe menschlichen Handelns übersteigen die schnell abfließende Auffassungskraft deutscher Moderatoren. Das Publikum darf nicht mit Grundsatzerörterungen gelangweilt werden.

So obsiegen die Tages-Symptome, die tieferen Ursachen hingegen verschwinden im Orkus. Jour-nalisten sind dem Tag verpflichtet, nicht dem Erforschen übertägiger Wahrheit. Dennoch geben die Tagesbeobachter ihre geschichtslosen Sinnenreize als einzig wahre Philosophie aus.

Zwei babylonische Türme der Völker wachsen ins Grenzenlose, drohen einzustürzen und die Menschheit unter sich zu begraben.

Es sind die babylonischen Türme a) gigantischen Reichtums und b) unlösbar scheinender Probleme – die in Deutschland komplex genannt werden. Zu komplex für menschliches Denken und Handeln.

Unbeirrt fährt Weltpolitik fort, archaische Mythen aus dem Bereich unsichtbaren Glaubens in den reellen Bereich des Schauens zu transformieren. Uralte Texte bestimmen die Tagesereignisse der Moderne:

„Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. Da sie nun zogen gen Morgen, fanden sie ein ebenes Land im Lande Sinear, und wohnten daselbst. Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, laß uns Ziegel streichen und brennen! und

nahmen Ziegel zu Stein und Erdharz zu Kalk und sprachen: Wohlauf, laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen, des Spitze bis an den Himmel reiche, daß wir uns einen Namen machen! denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder. Da fuhr der HERR hernieder, daß er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und haben das angefangen zu tun; sie werden nicht ablassen von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. Wohlauf, laßt uns herniederfahren und ihre Sprache daselbst verwirren, daß keiner des andern Sprache verstehe! Also zerstreute sie der HERR von dort in alle Länder, daß sie mußten aufhören die Stadt zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, daß der HERR daselbst verwirrt hatte aller Länder Sprache und sie zerstreut von dort in alle Länder.“

Die UNO ist das Gegenprogramm zum babylonischen Turm der Bibel. Sie will die Sprachenverwirrung der Völker beenden und ihre feindliche Zerstreuung korrigieren. Ergo muss sie von religiös dominierten Staaten beschädigt und demontiert werden. Was sie an Unterstützung zugesagt haben, halten sie nicht ein. Nicht mal Gelder zur schieren Ernährung der Flüchtlinge in riesigen Zeltstädten werden ausbezahlt. Dann wundert sich das christliche Abendland, dass es von Hilfesuchenden überschwemmt und geflutet wird.

a) Wir schaffen das, unsere Hilfe ist nach oben unbegrenzt. Was war nochmal das, liebe Angela?

b) Unser Herz ist weit, unsere Hilfe aber endlich, widersprach Pastor Gauck, stets mit beiden Beinen auf dem Boden stehend.

So reden die Deutschen mit gespaltener Zunge. Ihr Herz ist vernunftlos, ihre Vernunft herzlos.

Wie lautet die abschreckendste Formel für Schwärmergermanen? Mit Maß und Ziel. Schließlich stammt die Formel von dem alten Heiden Aristoteles. Hohe Zeit, dass wir uns restlos von allem Alt- und Neugriechischen befreien. Aristoteles: der Grieche nervt, sagte Schäubles rotbackiger Schwiegersohn, obgleich er von Platons Nachfolger noch nie gehört hatte. Früher waren sie graecomanisch, heute sind sie graecophobisch. Hauptsache, sie kippen von einem Extrem ins andere, damit sie unseren schwäbischen Vordenker Hegel nicht blamieren.

Wenn Deutsche vernünftig sind, gehen sie devot an der Leine ihres lutherischen Arbeitsethos (siehe VW). Wenn sie mal ganz frei sein wollen, machen sie was „ganz Verrücktes.“ Das ganz Verrückte infiltriert inzwischen die Produkte ihrer untertänigen Maloche: das Ergebnis ist dann der ganz verrückte BER in Berlin, die verrückte Elbphilharmonie und andere bayrische MAUT-Absurditäten.

Zwischen Herzensergießungen verlorener Söhne, die von den Schlachtplatten ihres himmlischen Vaters träumen, und den erkalteten Gehirnen ihrer Präzisionsmaschinisten ist für sie nur ein programmierter Druck auf das Knöpfchen. Gerüchten zufolge soll es scharfsinnige Gehirnforscher geben, die unter dem darmähnlich verschlungenen deutschen Großhirn einen Klumpen versteckter Knöpfe verstehen, die sie peu à peu freilegen werden, damit Grillo & Co. die lohnabhängigen Gehirnbesitzer besser programmieren können. Auch die Krankenkassen warten schon sehnlich darauf, ihre Versicherten in ambulante Apps zu verwandeln, damit sie ihre Kostenseite reduzieren können.

Ein weites Feld für hochkreative Start-up-Frischlinge, die es nicht zulassen wollen, dass ihr deutsches Vaterland von Silicon Valley abgehängt wird. Doch Vorsicht, auch Winterkorn wollte das Reich seiner listig lügenden Motoren zur Nummer Eins in der Welt hochpuschen. Mit Kollateralschäden im Bereich hinterwäldlerischer Sensibelchen ist stets zu rechnen. Ende der unfreien Abschweifung.

Wo früher der babylonische Turm stand, steht heute die Welt in Flammen. Was sagt uns das? Wo Gott mit seiner Pranke einmal hinlangte, ist die Welt mit einem unauslöschlichen Siegel gekennzeichnet. Wofür eigentlich bestrafte der Herr seine risikobereiten und wagemutigen Geschöpfe? Dass sie sich einen Namen machen, einen Wolkenkratzer bauen wollten? Wenn das eine Sünde ist, müsste der Herr heute New York sofort in Schutt und Asche legen.

Sind die Frommen nicht gezwungen, ihre Gottgleichheit auch materiell unter Beweis zu stellen? Wenn das anders wäre, dürften die Bewohner aus Gottes eigenem Land dann noch fromm heißen? Horribile dictu. In einer religiös korrekten Predigt erfahren wir, was die himmelschreiende Sünde der frühen Iraker war:

„Weil die Menschen ihre Stadt und den Turm erbauen wollten, „um sich selbst einen Namen zu machen!“ Sie waren narzisstisch und eitel. Sie wollten diese Stadt mit dem (Wehr-)Turm als ihre eigene und nicht Gottes Leistung ansehen. Die Ehre für solche Kulturleistung wollten sie sich selbst und nicht Gott zurechnen. Sie selbst wollten die Erbauer und Schöpfer dieses Monumentalbauwerkes sein und nicht Gott.“

Davon steht nichts im Text, im Gegenteil: schon im Garten Eden sollen die Menschen sich die Erde untertan machen. Eben dies taten sie – und wurden mit einer ungeheuren Strafe belegt. Seitdem sind Menschen und Völker einander verfremdet und verfeindet. Sie verstehen sich nicht, selbst wenn sie die gleiche Sprache sprechen.

Teile und herrsche, das ist die Strategie eines ich-schwachen Gottes, der seine eigenen Geschöpfe stauchen muss, um als einziger Sprachkünstler und Hochhaus-Erbauer in der Welt übrig zu bleiben. Der Herr im Himmel fühlt sich minderwertig, wenn seine Geschöpfe sich nicht im Staube wälzen und alle Wirkungen ihres Tuns dem Vater zuschreiben. Die Menschen sollen sagen: „wir sind unnütze Knechte.“ „Der Gott des Himmels aber wird es gelingen lassen.“ „Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott aber hat das Gedeihen gegeben.“

Der Mensch kann tun und machen, was er will: nur Gott garantiert Erfolg oder Nichterfolg. Der Mensch kann keine Verantwortung für sein Tun übernehmen, die Folgen des Tuns liegen nicht bei ihm. Er muss malochen, weil Arbeit eine Strafe ist, und nicht, weil Arbeit einen Zweck verfolgte, den der Mensch aus eigener Kraft erreichen könnte.

Den erniedrigten Menschen ist es versagt, das Menschenfreundlichste auf Erden zu vollbringen: sie dürfen sich nicht verständigen. Auch wenn sie die gleiche Sprache sprächen, sollen sie doch unentwegt aneinander vorbei reden.

Philosophie war der Versuch heidnischer Völker, die Kluft des Nichtverstehens zwischen den Menschen durch Gespräche zu überwinden. Der mäeutische Dialog ist unvereinbar mit der göttlichen Strafe asozialer Isoliertheit. Solipsismus oder Autismus des heutigen Kapitalismus sind Langzeitfolgen der Strafe eines himmlischen Vaters.

Philosophie und Theologie sind unverträglich – wenn man den Buchstaben der Schrift unverrückbar stehen lässt und ihn nicht hermeneutisch verfälscht. Wer sich freilich in Wunschdeutungen ergeht, darf aus der irreparablen Sprach- und Vertrauensstörung das pfingstliche Wunder heraushören:

„Es waren aber Juden zu Jerusalem wohnend, die waren gottesfürchtige Männer aus allerlei Volk, das unter dem Himmel ist. Da nun diese Stimme geschah, kam die Menge zusammen und wurden bestürzt; denn es hörte ein jeglicher, daß sie mit seiner Sprache redeten. Sie entsetzten sich aber alle, verwunderten sich und sprachen untereinander: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn ein jeglicher seine Sprache, darin wir geboren sind?“

Am Pfingstfest wird die babylonische Sprachverwirrung korrigiert. Aber nur für Erwählte. Nur durch Empfangen des Heiligen Geistes kann der Mensch mit seinem Mitmenschen reden und ihn verstehen. Außerhalb der von Gott selektierten Gemeinde gibt’s nur Mord- und Totschlag durch Nicht- und Missverstehen. Wenn ein Mensch einen anderen versteht, hat nicht er ihn verstanden, sondern Gott hat für ihn verstanden. Wenn aber der Mensch den andern nicht versteht, ist es seine eigene Schuld.

Der Buchstabe ist brutal. Wer ihn durch Deutung humanisieren will, ohne ihn zu entsorgen, gibt seiner Brutalität eine unbegrenzte Zukunft: untergründig, wenn die Kirchen schwach sind; machtpolitisch, wenn sie wieder das Sagen haben.

Jetzt wird verständlich, warum wiedergeborene Christen ungläubigen Demokraten vorwerfen, sie seien gemeinschaftszerstörende BürgerInnen (Böckenförde-Doktrin). Wenn außerhalb des Glaubens kein Verständnis zwischen Subjekt und Subjekt herrschen darf, bedeutet das den Tod der Gemeinschaft. Aus der Perspektive der Frommen sind alle Ungläubigen Feinde der Demokratie.

All dies wird von Theologen geleugnet. Dass ihre Schrift die Menschheit in Erwählte und Verworfene, Erleuchtete und Verstockte, Verständige und Verständnislose spaltet, lassen sie im Dunkeln. Der Heilige Geist, den sie durch Taufe, Gebet, Bekenntnis und Buße empfangen, erhebt sie zur Elite der Gesellschaft. Ohne göttliches Siegel kann es keine Eliten geben.

Auch alle Reichen und Mächtigen sind erwählt, sonst wären sie nicht reich und mächtig geworden. „Gott hat gewollt, dass die Großen groß und die Kleinen klein sind, hieß es in einer Predigt des Jahres 1877.“ „Die große amerikanische Rose könne nur dann zu voller Blüte kommen, erklärte der ältere Rockefeller in einer Sonntagsschulrede, wenn die kleinen Knospen rundum gekappt würden. Damit werde nur das göttliche Gesetz – identisch mit dem Naturgesetz – erfüllt.“ „Nach Andrew Carnegie hätten die Gesetzmäßigkeiten der Zivilisation Geld und Gut in die Hände der Wenigen gelegt; es gebe Bienen und Drohnen; die Bienen garantierten das Überleben der Rasse.“

Für Hayek sind alle Eliten die Begünstigten des Himmels oder der Evolution. Durch unberechenbaren Zufall oder durch Prädestination des Himmels, unabhängig von Leistung und Gerechtigkeit. Gerecht ist, was geschieht. Sonst wäre es nicht geschehen.

Die Menschheit schwimmt in Geld – doch nicht in gerechter Verteilung. EINPROZENT hat soviel zusammengerafft wie der Rest der Gattung zusammen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Medikament und Gift? „Die Dosis machts, dass ein Ding kein Gift sei“, heißt es bei Paracelsus. Die ungleich dosierten Geldmassen rund um den Globus haben längst den Charakter des Nützlichen und Heilsamen verloren. Sie werden zum globalen Gift, welches das Zusammenleben der Nationen zerstört.

Selbst wenn es keine Verhungernden mehr gäbe: die klaffende Differenz zwischen Arm und Reich würde die Armen zu Ohnmächtigen verurteilen, die von den Machtdirektiven der Reichen abhingen. Wohl und Wehe von 99% der Menschheit hängen ab von den Launen einer Nano-Minderheit. Macht- und Geldeliten zerstören die Demokratie.

„Die reichsten Amerikaner werden jedes Jahr reicher. Um unter die Top 400 der „Forbes-Liste“ zu kommen, braucht man 2015 ein Vermögen von 1,7 Milliarden Dollar. Ganz oben im Ranking: Bill Gates. Doch auch Donald Trump ist dabei.“ (SPIEGEL.de)

Würde die biblische Aussage stimmen, dass es ohne Erleuchtung keinen Geist der Verständigung gibt, wäre jeder Ungläubige eine Monade, die rundum gegen die Welt verpanzert wäre. Jeder spräche seine eigene Sprache und verstände kein einziges Wort seiner Mitmenschen. Schlimmer noch: sie hätten den Eindruck, sie verstünden sich, obgleich sie ständig aneinander vorbei redeten. Dies ist der Standpunkt des philosophischen Solipsismus, der nicht weiß, dass er ein Spätprodukt des babylonischen Mythos ist.

„Die gesamte Welt bin im Grunde ich allein und außer mir ist nichts anderes existent und die gesamte Schöpfung habe ich selbst gemacht“ (Schopenhauer)

„Ich bin nicht ein Ich neben anderen Ichen, sondern das alleinige Ich: Ich bin einzig“ (Max Stirner)

Die postmoderne Philosophie der Gegenwart ist nur ein Ableger des Stirner‘schen Solipsismus. Sie leugnet jede objektive Wahrheit und alle allgemeinen Begriffe. Frank Sinatras Song zieht ein solipsistisches Fazit:

„Die Bilanz zeigt: Ich habe einstecken müssen –
Aber ich hab‘ es auf meine Weise getan. Ja, auf meine Weise.“

Wenn niemand von niemandem lernen kann, muss jeder seinen eigenen Weg gehen. Eigen nicht im Sinne autonomer Denkleistung, sondern als solipsistische Vereinzelung, die – das ist das Makabre im Kapitalismus – in völliger Uniformierung des Lebens verendet. Das war der moderne Turm des Reichtums und der monadenhaften Isolierung der Einzelnen.

Den zweiten Turm sehen wir im Nahost-Konflikt. Es ist ein Turm aller ungelösten Probleme der Menschheit, besonders des Westens. Bei Maischberger wurde über das Syrien-Debakel debattiert; chaotisch, atomistisch und alles vernebelnd wie immer. Der SPIEGEL: „Doch letztlich ging es um weit mehr, nämlich um Krieg und Frieden, Geostrategie und Zeitgeschichte, Realpolitik und Moral.“

Man könnte die Liste der ungelösten Probleme erweitern. Im Nahost-Konflikt geht es um hasserfüllte Rivalität totalitärer Religionen, um Demokratie oder Theokratie, Heuchelei oder Redlichkeit, Selbstbestimmung der Völker oder Diktatur, die Unredlichkeit des Westens, der die Probleme durch seine militaristischen und wirtschaftlichen Interventionen verursacht hat und die jetzigen Folgen der Katastrophe nicht tragen will. Das Ganze ist so überdeterminiert und verwirrend, dass hunderte von Aspekten heruntergerasselt werden. Doch niemand macht sich die Mühe, zu sortieren, zu klären und Wichtiges von weniger Wichtigem zu sondern.

Die Talkshows haben nicht die Aufgabe, aufzuklären, sondern durch Komplexitätssteigerung die Menschen zur Dummheit zu verurteilen. Die Medien haben als Vierte Gewalt versagt. Wer solch höllische Wortkaskaden als „Bildungsauftrag“ durchgehen lässt, muss Debattieren mit Teufelsgeplärr verwechseln.

Soll der Westen gemeinsam gegen Assad und IS vorgehen? Oder mit Assad gegen den IS – um ihn später selbst davonzujagen? Die Last der Flüchtlinge wird täglich größer. Was heißt es, dem Problem an die Wurzel zu gehen? Darf man mit dem Schlächter seines Volkes verhandeln? Muss man selbst mit dem Teufel verhandeln, wenn man die Chance hat, etwas zu verbessern?

Mitten in der Debatte fielen die Weber‘schen Begriffe von der Gesinnungs- und Verantwortungsethik. Wer nur seiner reinen Gesinnung folgt: will der wirklich die harte Realität verändern? Will er nur seine weiße Weste feiern? Wer in der bösen Realität moralische Bedenken ignoriert: kann der Verantwortung für seine „zynische“ Strategie übernehmen? Was überhaupt ist Gesinnungsethik? Hat Max Weber auf Kant gezielt? Ist seine Verantwortungsethik nicht eine ethische Verbrämung des wilhelminischen Machtdenkens, das auch Max Weber infiziert hatte?

„Wir müssen uns klarmachen, daß alles ethisch orientierte Handeln unter zwei voneinander grundverschiedenen, unaustragbar gegensätzlichen Maximen stehen kann: es kann ‚gesinnungsethisch‘ oder ‚verantwortungsethisch‘ orientiert sein. Nicht daß Gesinnungsethik mit Verantwortungslosigkeit und Verantwortungsethik mit Gesinnungslosigkeit identisch wäre. Davon ist natürlich keine Rede. Aber es ist ein abgrundtiefer Gegensatz, ob man unter der gesinnungsethischen Maxime handelt – religiös geredet: ‚Der Christ tut recht und stellt den Erfolg Gott anheim – oder unter der verantwortungsethischen: daß man für die (voraussehbaren) Folgen seines Handelns aufzukommen hat.“ (Max Weber)

Hier wird klar, dass Weber sich nicht auf Kants kategorischen Imperativ bezieht. Kants Gesinnung war kein Gegensatz zur Verantwortung. Der Königsberger war noch restlos überzeugt, dass sich das Gute auf lange Sicht durchsetzen wird. Gesinnung war Verantwortung, wenn auch nicht immer auf den ersten Blick sichtbar. Man müsse einen langen Atem aufbringen, um die Früchte seiner Werke zu sehen. Möglicherweise erst in der Unendlichkeit.

Webers Verantwortungsethik ist eine Polemik gegen die christliche Trennung von menschlichem Säen und göttlichem Gedeihen. Gegen die unterwürfige Heteronomie der Gläubigen, alles fatalistisch dem Willen Gottes zu überlassen. Es gibt keine Differenz zwischen Kant und Weber, zwischen Gesinnung und Verantwortung. Wer nur auf Wirkungen abzielt, ohne Moral zu berücksichtigen, der hat jede Verantwortung verwirkt. Der will schieren Erfolg, aber keine Chance, sich und anderen Rechenschaft über sein Tun abzulegen. Er ist Solipsist der Macht, kein Demokrat, der seiner Polis – ja der ganzen Menschheit – sein Tun und Lassen begründen könnte. Wer einer folgenlosen Moral huldigt, bleibt unmoralisch und wäre er noch so vernarrt in seine unbefleckte Innerlichkeit.

Nehmt Gesinnung und Verantwortung zusammen und ihr werdet Autonomie erhalten.

Der Westen hat das Syrienproblem so lange zu einem babylonischen Turm akkumulieren lassen, dass dieser uns bereits zu erschlagen droht. Jede Alternative erscheint wie eine Wahl zwischen Pest und Cholera.

Eins aber wäre das Gebot der Stunde: die Mächtigen der Welt müssen öffentlich miteinander streiten, damit die Völker sich ein Urteil bilden können. Nur redlich erarbeitete Verständigung – ohne Vermittlung des Heiligen Geistes – kann die Nationen einer verantwortlichen Lösung näher bringen.