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Die Abgehobenen

Hello, Freunde der Abgehobenen,

Europa zerlegt sich. Das ist eine Gefahr. Doch ohne Zersetzung gibt es keine Erneuerung. Sind Knochen falsch zusammengewachsen, müssen sie gebrochen werden, damit sie problemlos zueinander finden.

Der Staatenbund kommt in die Pubertät, die erste Vorbildphase ist vorüber. Jetzt geht jeder mit jedem in den Clinch. Das ist unangenehm – aber ehrlich, vor allem demokratisch. Bislang wurden Konflikte durch abenteuerliche Einstimmigkeit unter den Teppich gekehrt.

Einstimmigkeit ist demokratiefeindliches Harmoniegeheuchel. Unter der trügerischen Decke der Übereinstimmung bestimmten zumeist die Alphabullen Deutschland und Frankreich, wohin die europäische Reise gehen soll. Öffentliche Debatten wurden keine geführt. „Rolf-Dieter Krause: was dringt durch die Ritzen der Konferenztüren?“

Das Schicksal Europa wird hinter geschlossenen Türen verhandelt. Noch nie wurde ein Treffen der nationalen Matadore auf Phoenix – dem Kanal für Chefredakteure – übertragen. Wie redet Orban mit Merkel, Hollande mit Tsipras, Juncker mit Cameron? Die Unterlagen der TTIP-Verhandlungen dürfen nicht mal Abgeordnete lesen. Und wenn, nur in begrenzter Zeit. Notizen dürfen nicht gemacht werden.

Welche Apparatschiks haben sich solche Unverschämtheiten einfallen lassen? Warum bleiben sie anonym? Warum sind sie nicht längst entlarvt und entlassen? Warum wehren sich die nationalen Parlamentarier nicht gegen diese Zumutungen Brüssels?

Europa hat keine gemeinsame Agora. Was war noch mal das Europäische Parlament? Nur in Sonderfällen halten es die Medien für nötig, detailliert aus Straßburg zu berichten. Auch die nationalen Parlamente werden von Merkel & Kollegen enteignet. In Deutschland wird Merkel von ihren Gläubigen bejubelt, wenn sie mit

festem Schritt und Tritt über alle demokratischen und europäischen Instanzen hinwegtrampelt und – amerikanische Heilsformeln plagiierend – die Prophetin und Sprecherin des Himmels spielt. Die Augen fromm nach oben gerollt: das ist die Übersetzung von: Yes, we can.

Wer ist „wir“? Wer sich Merkels charismatischer Nötigung entzieht, der ist out. Zum rechtgläubigen „Wir“ der „Deutschland-Erwache-Bewegung“ gehört er nicht mehr. Diese Ungerührtheit und Abgehobenheit gehört inzwischen zum Verhaltensrepertoire der Eliten, die mit dem Leben ihrer Untertanen nichts mehr zu tun haben.

Früher wurde solche Abgehobenheit schamhaft oder aus machiavellistischen Gründen versteckt, heute macht der preußisch wirkende Innenminister ostentativ Herbsturlaub auf Mallorca, wenn die Flüchtlingsmisere auf dem Siedepunkt kocht. Als Scharping auf Mallorca mit neuer Gefährtin öffentlich sein neues Liebesleben genoss, waren seine Tage gezählt. Merkels innerliche Kälte und Empathielosigkeit wird von Brigitte Fehrle – Chefredakteurin der BLZ – im Presseclub als einmalige Charakterstärke bewundert.

In Deutschland, das immer frömmer wird, um die nach oben offene Planwirtschaft christlicher Grundwerte pflichtgemäß zu erfüllen, wird nicht zur Kenntnis genommen, dass der christliche Glaube eine unverwechselbare Psychologie entwickelt hat. Freud ist an dieser Verdrängung nicht unschuldig. Er war ein strenger Kritiker der Religion, doch die Grundlagen des abendländischen Charakters verortete er im heidnischen Griechenland. Es gibt bei ihm keinen jesuanischen, johanneischen oder welthassenden Komplex, sondern nur ödipale und narzisstische Belanglosigkeiten. (Narzissmus ist in den unpolitischen Schulen der Seelenklempner zum Gottseibeiuns geworden. Die Medien kupfern ab und also muss das Verwerflichste notorisch narzisstisch sein. Dass Narziss selbst gar nicht narzisstisch war – er wusste nicht, wen er als Spiegelbild im Teich sah – spielt keine Rolle.) Das Böse muss von den Heiden kommen. Die heutigen Therapeuten wurden das, wovor Freud am meisten warnte: Mediziner und Theologen.

Wenn die Menschheit nur eitel wäre, hätte sie das Gröbste bereits hinter sich. Horst-Eberhard Richter, der letzte politische unter den Analytikern, versuchte sein Glück mit dem Buch „Der Gotteskomplex“. Vergeblich, die Medien betrauerten seinen Tod in hymnischen Lobreden, doch seine Erkenntnisse über den Zusammenhang von Psyche, Religion und Politik ignorierten sie kaltlächelnd.

Ist es keine Eitelkeit, stets der Erste, Reichste und Mächtigste werden zu müssen? Nur der Erste ist Sieger, schon die Zweiten zählen nicht: keine Eitelkeit einer winzigen Minderheit, die sich als Herren der Welt betrachtet? Warum werden Zwänge des Kapitalismus nicht als narzisstisch eingestuft, wenn Eitelkeit schlimmer als Menschenhass sein soll? Jeder hat kreativ, risikofreundlich, rücksichtslos und eigensüchtig zu sein – und solche Zwänge sollen reine Petitessen sein?

Die therapeutische Psychologie hat noch nie eine verwertbare demokratische Psychologie entwickelt. Kein Wunder, die Asymmetrie zwischen Patient und Therapeut entstammt der feudalen Klassengesellschaft. Oben die unfehlbaren Autoritäten, unten die wirren Neurotiker. Just so sehen die Edelschreiber ihr Verhältnis zu den pöbelhaften Shitstormern.

Die Analytiker bleiben anonym, ihre Persönlichkeit ist in der Lehranalyse von allen Neurotizismen gereinigt. Bei Meinungsverschiedenheiten haben die immunisierten Ersatzmütter und -väter immer Recht. Jede Kritik des Patienten wird als psychische Deformation abgemeiert. Poppers Wiener Erfahrungen mit Alfred Adler – dem Konkurrenten Freuds – veranlassten ihn, die psychoanalytische Grundsituation als Immunisierungsprozess der psychischen Autoritäten scharf zu kritisieren:

„Der Psychoanalytiker kann jeden Einwand hinweg erklären, indem er zeigt, dass er das Werk der Verdrängung des Kritikers ist. In ähnlicher Weise pflegen die Marxisten jene Ideen ihrer Gegner, die sich von ihren eigenen unterscheiden, durch ihren Klassenvorteil zu erklären.“ (Popper, Die offene Gesellschaft, Bd. 2)

Es gibt Psychoanalytiker, die ihren Patienten verbieten, mit Angehörigen über die Analyse zu sprechen. Man flunkert von gefährlichen Nebenübertragungen. Die wahren Gründe sind Eifersucht und Flucht vor externer Kontrolle. Ein wahrer Gott duldet keine Götter neben sich. Freud verlangte von seinen Patienten, während der Behandlung keine lebenswichtigen Entscheidungen zu treffen. Das wahre Leben blieb ausgesperrt. Wohl benötigt jede Therapie eine Atmosphäre des Vertrauens, doch der Patient muss seine neuen Erkenntnisse permanent im wahren Leben erproben und überprüfen können.

Was Theoretiker des Narzissmus meinen, wenn sie alles Unerwünschte als narzisstisch deklarieren, lässt sich nur theologisch formulieren: die Neurosen der Moderne sind die Charaktereigenschaften unvergleichlicher Individuen, die gottähnlich sein wollen. Sind Individuen unvergleichlich, können sie mit anderen Individuen nicht verglichen werden. Gemeinsame Erfahrungen und hilfreiche Vergleiche in Diagnose und Therapie werden unmöglich. Verfügt jeder nur über seine eigene Perspektive, kann es keine Wissenschaft über den Menschen geben.

Wissenschaften können nur allgemeine Erfahrungen als Gesetze erforschen. In den Geisteswissenschaften kann es strenge Gesetze des Verhaltens nicht geben, denn Menschen sind keine Maschinen. Überprüfbare Kollektiv-Phänomene, die in einer Kultur überzufällig vorkommen, kann es aber sehr wohl geben.

Nehmen wir die Typologie des verlorenen Sohns. Die Furcht vor der Freiheit, die Ursache aller notbedingten Regressionen ins Religiöse, ist die Furcht vor der Rache Gottes oder die Furcht, alleine zu scheitern und in der wüsten Fremde zu verkommen. Die wüste Fremde ist die Welt, in der der Fromme keine bleibende Stadt hat. Denn die zukünftige sucht er. Die Welt ist ein Schweinepferch:

„Da er nun all das Seine verzehrt hatte, ward eine große Teuerung durch dasselbe ganze Land, und er fing an zu darben. Und ging hin und hängte sich an einen Bürger des Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. Und er begehrte seinen Bauch zu füllen mit Trebern, die die Säue aßen; und niemand gab sie ihm. Da schlug er in sich und sprach: Wie viel Tagelöhner hat mein Vater, die Brot die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir und bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße.“

Nur der große Vater ist Garant des guten Lebens in Überfülle – im Jenseits. Menschen, die sich von Gott lösen, werden scheitern. Selbst minderwertigen Tieren wird’s besser gehen als ihnen. Selbstbestimmung in Freiheit ist lebensgefährlich. Nur Abhängigkeit in Ewigkeit erhält den Lohn der Unterwerfung.

Die Psychologie des getreuen, aber risikoarmen Knechtes, der zu korrekt und furchtsam war, um mit dem Kapital seines Herrn zu zocken: sein Herr hält es für sein Recht, hart und ungerecht zu sein. Dennoch müsse der Knecht blind gehorchen. Gehorsam gegen Gott muss bedenkenlos amoralisch sein. Der Kluge fügt sich der Omnipotenz des Himmels:

„Und der dritte kam und sprach: Herr, siehe da, hier ist dein Pfund, welches ich habe im Schweißtuch behalten; ich fürchtete mich vor dir, denn du bist ein harter Mann: du nimmst, was du nicht hingelegt hast, und erntest, was du nicht gesät hast. Er sprach zu ihm: Aus deinem Munde richte ich dich, du Schalk. Wußtest Du, daß ich ein harter Mann bin, nehme, was ich nicht hingelegt habe, und ernte, was ich nicht gesät habe? Warum hast du denn mein Geld nicht in die Wechselbank gegeben? Und wenn ich gekommen wäre, hätte ich’s mit Zinsen erfordert. Und er sprach zu denen, die dabeistanden: Nehmt das Pfund von ihm und gebt es dem, der zehn Pfund hat. Und sie sprachen zu ihm: Herr, hat er doch zehn Pfund. Ich sage euch aber: Wer da hat, dem wird gegeben werden; von dem aber, der nicht hat, wird auch das genommen werden, was er hat. Doch jene meine Feinde, die nicht wollten, daß ich über sie herrschen sollte, bringet her und erwürget sie vor mir.“

Im Auftrag Gottes darf hemmungslos betrogen werden. Gott belohnt die Seinen, und wenn sie noch so sehr gegen Recht und Gerechtigkeit verstießen. Und bestraft die Bösen, auch wenn sie noch so moralisch und menschenfreundlich handelten. Deus lo volt ist die Rechtfertigungsformel für alle Verbrechen im Namen Gottes.

Die Psychologie des ungerechten Haushalters, der aber klug und gottesfürchtig gehandelt hat, weil er seinen Vorteil durch Betrug zu wahren wusste: Mammon ist ungerecht, doch zum eigenen Vorteil muss man ungerecht sein können.

„Darnach sprach er zu dem andern: Du aber, wie viel bist du schuldig? Er sprach: Hundert Malter Weizen. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Brief und schreib achtzig. Und der HERR lobte den ungerechten Haushalter, daß er klüglich gehandelt hatte; denn die Kinder dieser Welt sind klüger als die Kinder des Lichtes in ihrem Geschlecht. Und ich sage euch auch: Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf daß, wenn ihr nun darbet, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.“

Christen sind Fremdlinge in der Welt. Alle, die sich hienieden zu Hause fühlen, sind Abschaum. Liebe deine Nächsten wie dich selbst? Liebe deine Feinde? Im Gegenteil. Meide alle Gottlosen und Fremden wie die Pest, lass sie nicht ins eigene Haus. Ja, grüße sie sie nicht mal. Christen sollen fremdenallergisch, ja -feindlich sein, gleichwohl haben die Kirchen keine Probleme, die jetzige Hilfswelle der Deutschen als spezifisch christliche Tugend zu preisen.

„Und gleichwie sie nicht geachtet haben, daß sie Gott erkenneten, hat sie Gott auch dahingegeben in verkehrten Sinn, zu tun, was nicht taugt, voll alles Ungerechten, Hurerei, Schalkheit, Geizes, Bosheit, voll Neides, Mordes, Haders, List, giftig, Ohrenbläser, Verleumder, Gottesverächter, Frevler, hoffärtig, ruhmredig, Schädliche, den Eltern ungehorsam, Unvernünftige, Treulose, Lieblose, unversöhnlich, unbarmherzig.“

„Nun aber habe ich euch geschrieben, ihr sollt nichts mit ihnen zu schaffen haben, so jemand sich läßt einen Bruder nennen, und ist ein Hurer oder ein Geiziger oder ein Abgöttischer oder ein Lästerer oder ein Trunkenbold oder ein Räuber; mit dem sollt ihr auch nicht essen.“ „So jemand zu euch kommt und bringt diese Lehre nicht, den nehmet nicht ins Haus und grüßet ihn auch nicht. Denn wer ihn grüßt, der macht sich teilhaftig seiner bösen Werke.“

Margot Käßmann, vorbildliche Sünderin, geht besonders skrupellos vor beim Belügen der deutschen Öffentlichkeit mit gefälschten Bibelzitaten. Um die christliche Freude am Kind zu beweisen, zitiert sie in der BAMS Johannes 16, 21:

„Lasst uns doch mal aufhören, Müttern Ratschläge zu geben und stattdessen sagen: Egal, wie du es machst, toll, dass du ein Kind bekommst! Wie heißt es in der Bibel: Es geht um „Freude, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist“! (Joh 16,21) Bleiben Sie behütet.“ (BILD.de)

Allein die Segensformel ist eine Frechheit. Gott behütet nur die Seinen. Der Imperativ an alle, sich behütet zu fühlen, ist ein Hohn. Zudem hat Käßmann nur den Vordersatz des Zitats vergessen: „Wenn die Frau gebiert, hat sie Traurigkeit, weil ihre Stunde gekommen ist.“

Kann Käßmann ordinär lügen? Iwo, sie ist nur kreativ und gottestrunken im Deuten der Schrift.

Schwangerschaft unter Schmerzen ist die Folge des Sündenfalls, der von Urmutter Eva ausgelöst wurde. Die Freude am Kind ist keine Freude um des Kindes willen. Kinder verstärken die Kohorten Gottes auf der Welt im Kampf gegen die Ungläubigen. Seid fruchtbar und mehret euch und machet euch die Erde untertan. Je mehr Kinder die Frommen zeugen, umso besser sind ihre Erfolgschancen im Kampf gegen die Bösen. In Israel gibt es einen wahren Zeugungskampf zwischen frommen Juden und Palästinensern, um die demoskopischen Machtverhältnisse im Land für das eigene Lager zu verbessern.

Käßmann unterschlägt, dass Schwangersein eine furchtbare Strafe für die Frauen sein muss. In der Endzeit wird es unerträglich für Schwangere:

„Weh aber den Schwangeren und Säugerinnen zu der Zeit!“

Merkel ist als gute Christin nicht nur fremd in ihrem sündigen Leib („Fleisch“), in ihrer Familie und Nation, sondern in der ganzen Welt. Ihre eigene Familie muss sie hassen, damit der Herr sie liebt:

„Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist mein nicht wert. Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.“

„Wer sein Leben liebhat, der wird’s verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt haßt, der wird’s erhalten zum ewigen Leben.“

Wie kann Merkel die Ihren lieben, wenn sie ihr ganzes Leben auf Erden hassen muss, um das ewige Leben zu erhalten? Politik machen aber heißt, das Leben der Menschen auf Erden so gut wie nur möglich zu gestalten. Christen hingegen sollen alles unternehmen, um möglichst früh das irdische Leben zu verlassen. Was hat Merkel mit 99,9% ihrer ungläubigen Untertanen zu tun? Deren höllisches Schicksal muss der Pastorentochter gleichgültig sein. Das ist die Kälte und Gleichgültigkeit des Merkel‘schen Charakterpanzers, den ihre Fans als Abgehobenheit und Charakterstärke bestaunen.

Die Gemeinde der Merkel-Gläubigen bewundert die situative Barmherzigkeitsaktion der Kanzlerin, ihre chaotische Gesamtpolitik erwähnt sie zumeist mit keinem Wort. Doch inzwischen melden sich mutige Gesamtdarsteller ihrer Politik, die sich keine religiöse Sentimentalität als politische Solidarität vorgaukeln lassen.

Wolfgang Münchau spricht von der unmoralischen Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Ihr guter Wille sei nichts als politische Kosmetik:

„In der praktischen Politik hingegen versteckte und versteckt sie sich aber in beiden Fällen hinter nationalen deutschen Interessen und unternimmt nur das mindeste, um eine Eskalation der Krise zu verhindern. Das hehre Prinzip überlebt aber nur kosmetisch.“ (Wolfgang Münchau in SPIEGEL.de)

Georg Diez beschreibt das Haus Europa in Aufruhr und kurz vor dem demokratischen Verfall. In Portugal weigert sich der Präsident, der gewählten linken Regierung den Auftrag zur Regierungsbildung zu geben, weil er sich um die Erhaltung neoliberaler Wirtschaftsregeln sorgt. Ein Skandal, dass die deutschen Medien diesen „Vorfall“ mit keiner Silbe erwähnen. Für Merkel scheint der Verfall der EU keine Silbe wert. Was hat sie mit Europa zu tun?

„Präsident Aníbal Cavaco Silva hat sich geweigert, der demokratisch gewählten linken Mehrheit den Auftrag zur Regierungsbildung zu geben und das Land damit in eine Verfassungskrise gestürzt, die Folgen für ganz Europa haben könnte – sein Argument war, dass eine linke Regierung „falsche Signale an die Finanzinstitutionen, Investoren und die Märkte“ senden würde.“ (Georg Diez in SPIEGEL.de)

Ulrike Herrmann warnt in der TAZ vor weiteren Rechtsrucken in Europa. In Ungarn, Polen, Portugal, Frankreich gebe es immer mehr Feindschaft gegen Europa und gegen die weitere Aufnahme von Flüchtlingen. Von Merkel hört man kein einziges kritisches Wörtchen. Von Aktionen, die verfahrene Situation in Europa zu verbessern, ist bei ihr nichts zu sehen. Sie diktiert ihre religiöse Agape-Politik. Wer nicht mitmacht, wird schon sehen, wie Gott ihn bestrafen wird. Das ungerechte Reichtumsgefälle zwischen den Nationen wird immer stärker:

„Diese stabile Ungleichheit passt jedoch nicht zur europäischen Erzählung, die auf „Kohäsion“ und „Konvergenz“ setzt. Der Peripherie wurde versprochen, dass sie aufholen wird. Doch jetzt müssen die osteuropäischen Länder erkennen, dass sie abgehängt bleiben. Die Ungarn haben sich schon radikalisiert, nun folgen die Polen.“ (Ulrike Herrmann in TAZ.de)

Die Eliten Europas heben ab. Sie haben keinen Kontakt mehr zu ihren Bevölkerungen. Ihre abstruse Politik ist Pflichtverletzung und Arbeits-Verweigerung. Die schlimmsten Probleme schieben sie ungerührt vor sich her. Die Klimakatastrophe wird immer schlimmer und wird uns noch unendlich viele Flüchtlinge bescheren. Experten sprechen von 200 Millionen aus afrikanischen Ländern, die unter der Sonne verdorren und verglühen werden.

„Wenn wir das Zwei-Grad-Ziel nicht erreichen, müssen wir mit 200 Millionen Klimaflüchtlingen rechnen, weil sich beispielsweise in Afrika Dürrezonen ausbreiten und Hitzeperioden ungeahnten Ausmaßes entstehen“. (FAZ.NET)

Wie fast alle Christen des Abendlandes glaubte auch Luther, noch zu seinen Lebzeiten werde er das Ende der Welt erleben. Die lutherische Pastorentochter Merkel teilt diesen Glauben. „Unsere Heimat ist der Himmel.“ Merkel erscheint so gefasst, weil sie überzeugt sein muss, als Magd Gottes alles Unheil im Schoße Gottes zu überstehen.

„Liebet nicht die Welt, noch was in der Welt ist.“

Die ersten Christen erkannten die Regierungen dieser Welt nicht an. Rom musste untergehen, damit der Messias kommen konnte. „Für diese Christen hatten bestimmte irdische Bereiche offenbar keine Geltung“, schreibt Manfred Clauss in einem herausragenden und längst überfälligen Buch: „Ein neuer Gott für die alte Welt. Die Geschichte des frühen Christentums.“

Die Herrschaft der irdischen Macht wird von Christen nur pro forma anerkannt. Durch Erscheinen des Christus ist sie bereits zum Tode verurteilt. Wartet nur, wartet noch ein Weilchen. „Das totale Fremdsein in der Welt setzt eine andere Welt voraus, so wird die Rede vom Christen als Himmelsbürger zu einem Stereotyp.

„Der Christ ist ein Fremdling in dieser Welt; er ist ein Bürger des himmlischen Jerusalem“, schreibt Tertullian. Die Welt gehört Gott, die Dinge dieser Welt aber dem Teufel. Je schneller es mit der Welt zu Ende geht, umso schneller betritt man das wahre Vaterland: den Himmel. Um von den kommenden Dingen nicht überrascht zu werden, solle der Christ sich eines „fremdartigen Lebens, einer fremdartigen Lebensführung“ befleißigen. Echte Christen kreuzigen sich selbst in der Welt.

Merkel Interesse für die sündige Welt geht gegen Null. Trefflich beschreibt der apokryphe Jakobusbrief die Psychologie der christlichen Abgehobenheit und Entrücktheit. Die Grundwerte des christlichen Abendlands sind dem Tod geweiht:

„Trachtet nach dem Tode. Wenn ihr euch dem Tode zuwendet, wird er euch die Erwähltheit wissen lassen. Wahrlich, ich sage euch: Niemand wird erlöst werden von denen, die den Tod fürchten. Denn das Gottesreich gehört denen, die getötet werden.“

Um die Wahrheit seines illusionären Glaubens zu beweisen, muss man ihn durch Taten selbst erfüllen. Die Politik Merkels und ihrer KollegInnen ist selbsterfüllende Prophezeiung. Sie drehen an allen Stellschrauben, auf dass das Ende der Geschichte wahr werde. Wenn schon die Hölle eine infame Lüge ist, um die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen: muss wenigsten das Klima auf Erden angeheizt werden, damit die Hölle auf Erden real werde.

Nicht Nächstenliebe oder soziale Maßnahmen waren die wichtigsten Überzeugungsmittel der Christen, schreibt Clauss, sondern die Martyrien. Unter allen Christen haben Märtyrer den höchsten Rang. Gestern hatten wir Allerheiligen. Unter ihnen befinden sich viele Märtyrer, die sich in den Tod stürzten, um das Himmelreich zu gewinnen. Angela will der Liste der Heiligen bald angehören. „An der Bereitschaft zum Tode zeige sich, ob die innere Distanz des Christen zur Welt echt sei.“

„Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib:
Lass fahren dahin, sie haben’s kein’ Gewinn,
Das Reich muss uns doch bleiben.“

Merkels Leib verharrt zwar noch in irdischer Hülle, doch ihr Geist weilt bereits im Himmel. Ihre Märtyrerpolitik beweist: Angelas Abgehobenheit über die Welt ist echt. Längst ist sie dem Irdischen entrückt.