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Deutschland und Russland

Hello, Freunde des Untergangs,

müssen die Deutschen erst untergehen, bevor sie wieder auferstehen dürfen? So sah es Oswald Spengler in seinem legendären Werk „Der Untergang des Abendlandes“.

Spengler kannte den Mechanismus der Taufe. In der Taufe muss der Zögling untergehen, der alte Adam muss absterben, bevor der wiedergeborene Mensch aus der reinigenden Flut – wie die Menschheit nach der Sintflut in der Gestalt des Noah – ans Licht aufsteigen darf.

Vieles in Deutschland ist ersatzlos untergangswürdig. Bei Günter Jauch werden unwidersprochen rassistische Nazi-Thesen – der Hang zur Gewalt sei angeboren – verkündet. Die Jauch-Redaktion ist unfähig – oder unwillens –, ausgewiesene Experten zum Thema Jugend-Kriminalität ausfindig zu machen. Jauch benutzte einen grausam-hoffnungslosen Krimi als Vorlauf-Motivator für seine Sendung, in der nur empirische Falschheiten verbreitet wurden. Behauptet Kriminologe Pfeiffer in BILD:

Es stimme nicht, dass Jugendkriminalität zunehme, auch die Brutalität jugendlicher Menschen habe abgenommen.

Das wäre der Bankrott der Öffentlich-Rechtlichen als Bildungseinrichtung, für die das Publikum kirchensteuermäßig zahlen muss. TV-Priester Jauch produziert just jene Phänomene, die er als Beleg für Lügenvorlagen seiner reißerischen Unterhaltungssendung benötigt. 

Markus Lanz ist ein eitler Hanswurst, Günter Jauch – in der Maske

des biedermännischen Zeitbeobachters – ist ein Brandstifter, eine Gefahr fürs Gemeinwesen.

Schröder hat beschlossen, den Rest seines Lebens mit der Dauerfeier seines 70. Geburtstags als staatlich anerkannter Hofnarr und nützlicher Idiot seiner bewunderten Leistungsträger zu verbringen. (SPIEGEL Online) Nach Hörensagen plant er gar einen Escort-Dienst: Miet Dir einen Schröder. Geeignet für alle betrieblichen Jubiläen und zur Feier außerordentlicher Parvenue-Buckeleien.

Harter Schnitt: hier werden die Leistungsträger selbst zu Hofnarren eines noch Stärkeren, den sie bewundern und beneiden, denn er tut, was er will und sein Wille ist sein Himmelreich. Die EINPROZENT der Welteliten rückt zusammen und rüstet für den planetarischen Endkampf. Die „Herren der Erde“ stecken ihre Claims und Sonderrechte ab.

„Niemand hat heute mehr den Mut zu Sonderrechten, zu Herrschaftsrechten, zu einem Ehrfurchtsgefühl vor sich und seinesgleichen.“ (Nietzsche)

Doch, die EINPROZENT hat den Mut zu Sonder- und Herrschaftsrechten. Die hiesigen Seinesgleichen treffen sich bei ihrem neuen Alpha-Tier in St. Peterburg. Die konkurrierenden Seinesgleichen jenseits des Atlantiks schauen missmutig und nörgeln:

„Es wäre „eine unangemessene Botschaft, wenn die wichtigsten Geschäftsleute nach Russland reisen, um bei solchen Ereignissen hochkarätige Auftritte mit russischen Regierungsvertretern zu haben“, sagte eine Sprecherin des Weißen Hauses.“ (Claus Hecking in SPIEGEL Online)

Die Welt wird neu aufgeteilt, die unzuverlässigen Deutschen wechseln das Lager. Vorerst auf der emotionalen und metaphysischen Ebene. Die Deutschen sollten in der sibirischen Taiga nicht fremd gehen, giftet Amerika. Eifersucht im Weißen Haus über die befremdliche deutsch-russische Affäre.

Deutschland nabelt sich von Amerikas Über-Ich ab und sucht sich ein neues in Russland. Da könnte das alte, sitzengelassene Über-Ich noch ganz ganz böse werden.

Der Charme der Neuen Welt vergeht wie das Charisma seines Präsidenten. Dass CDU-Missfelder von jetzt auf morgen den Amerikanern einen Korb gab und einen fliegenden russophilen Wechsel vornahm, beweist, dass riesige Sympathieströme von den USA abgezogen und nach Russland transferiert werden.

Mit ihrer unbearbeiteten Vergangenheit kommen auch reaktionäre Gefühle gegen Schwarze in der verruchten deutschen Seele hoch. Schwante den deutschen Neoariern nicht von vorneherein, dass von „Negern“ als Führungskräften nicht viel zu erwarten sei? Und siehste, die Ahnungen der Neugermanen trogen nicht. Putin jedenfalls ist kein Schwarzer.

Natürlich wiederholt sich die Geschichte, solange sie nicht begriffen wird. Nicht in imitierender Empirie, aber in Grundströmungen. Wie stark diese historischen Es-Elemente werden können, hängt davon ab, wie stark wir sie werden lassen. Dies wiederum hängt von unserer historischen Selbsterkenntnis ab.

Wenn wir nicht wissen wollen, was geschehen ist, werden wir nicht erkennen, was sich wiederholt. Was wir nicht erkennen, werden wir auch nicht verhindern.

Oswald Spengler hasste die Demokratie und den Liberalismus des Westens. Deutschland sollte illiberal und undemokratisch werden. Der natürliche Bündnispartner für diese antiwestlichen Ideen konnte nur Russland sein. Russen und Germanen seien wesensverwandt:

„Ich habe bis jetzt von Russland geschwiegen; mit Absicht, denn hier trennen sich nicht zwei Völker, sondern zwei Welten. Die Russen sind überhaupt kein Volk wie das deutsche und englische, sie enthalten die Möglichkeiten vieler Völker der Zukunft in sich, wie die Germanen der Karolingerzeit. Das Russentum ist das Versprechen einer kommenden Kultur, während die Abendschatten über dem Westen länger und länger werden.“ (Oswald Spengler)

Deutschland werde untergehen, weil es sich zu sehr an den Westen gekettet hatte. Diesen Fehler hatte Russland nicht gemacht. Seine ursprüngliche, von keinen importierten Ideen geschwächte Kraft und Unbefangenheit versprach eine kraftvolle Zukunft. Die Deutschen sollten sich von den Weststaaten lösen und sich mit den jugendlichen Elementen der Russen zusammentun, die mehr Zukunft versprechen als die abgelebten der westlichen Heuchelstaaten.

Dieselbe Situation heute. Amerika befindet sich im Niedergang und entlarvt seine systemische Heuchelei: einerseits Demokratie und Solidarität mit allen anderen Demokratien. Andererseits unverblümte faschistische Allmachtsphantasien mit Gängelung aller Partner. Gleichberechtigte Freunde gibt es für Amerikaner nicht.

Die Deutschen haben die Epoche des Internets und der Intelligenzmaschinen verschlafen, liegen nun an der Kette von Google, Facebook und Apple und werden rund um die Uhr von NSA-Freunden ausgespäht.

Jetzt erst wachen die Deutschen auf und schauen sich nach möglichen Partnern um. Wie‘s der Zufall will, fällt ihr Blick auf die blutjunge machthungrige und ehrgeizige russische Scheindemokratie. Der eurasisch erweiterte Machtblock könnte die Vormacht der USA in die Schranken weisen.

Oswald Spenglers Pessimismus hat die kollektive Stimmung der Nachkriegsdeutschen nicht wenig beeinflusst. Was viele nicht wissen: selbst bei Linken, die an den automatischen Fortschritt ins Reich der Freiheit glauben müssen. Doch hinter den Kulissen sah‘s anders aus.

Die Frankfurter Schule, prägende Kraft der 68er und aller postmarxistischen Linken, wurde, je länger Adorno und Horkheimer die Entwicklung der Bonner Republik betrachteten, zunehmend von düsteren Ahnungen heimgesucht. Lukacs nannte seine Frankfurter Rivalen „Grandhotel Abgrund“.

Es gibt kein richtiges Leben im falschen; das Ganze ist das Unwahre: kann man mit solch religiöser Verdüsterung noch Hoffnung hegen – außer auf eine Intervention durch Engel, an die nur der kindliche Hoffnungsexperte Ernst Bloch glauben durfte?

Auch Adorno glaubte an das Licht von drüben, aber nur in paradox formulierten Sätzen. Selbst dem Untergangspropheten Spengler konnte Adorno etwas abgewinnen:

„Was Kultur ist, trägt die Spur des Todes – das zu verleugnen, bliebe ohnmächtig vor Spengler, der von den Geheimnissen der Kultur kaum weniger ausgeplaudert hat als Hitler von denen der Propaganda.“ (Adorno in „Prismen“)

Der Tod Gottes, an den sie glauben, indem sie nicht glauben, bestimmt bis heute die innerste Stimmung der Deutschen. Eher sagen sie mit Schopenhauer – dem großen Vorbild des alten Horkheimer –, dass Optimismus eine ruchlose Denkungsart sei, als dass sie mit dem standardisierten Optimismus ihrer amerikanischen Freunde sympathisieren könnten.

Die Amerikaner kennen keine Untergangssehnsucht, pardon, kennen sie doch. Aber die Apokalypse ist für sie nur ein vorübergehender Zustand, der für Erwählte mit ewiger Seligkeit im neuen Kanaan enden wird.

Diese Glaubenszuversicht, diese unerschütterliche Zuversicht in die eigene Erwählung: das ist den Deutschen mit dem Aufkommen nationalen Wohlstands in der frühwilhelminischen Zeit abhanden gekommen. Deshalb ihre ständige Griesgrämigkeit, ihre kaum verhüllte depressive Grundstimmung und ihre penetrante Bedenkenträgerei.

Anfänglich wurde der Glaubensverlust von politischen Erfolgen und militantem Hurrageschrei ausgeglichen. Als zwei verlorene Weltkriege diese Kompensation zerstörten, stieg und fiel das psychische Gesamtwohl der Deutschen mit der Kurve des BSPs. Geht es ihnen wirtschaftlich gut, sind sie zufrieden, aber nur äußerlich. Innerlich hadern sie mit Gott und der Welt, ohne die Gründe ihres Haderns zu kennen.

Um ihre Hohlheit und Leere zu übertünchen, borgten sie sich bei den Amerikanern ein wenig Zukunftszuversicht, die sich bei ihnen aber nur auf Wirtschaft, bei den Amerikanern hingegen auf Glauben gründet, der mit wirtschaftlichem Erfolg identisch ist.

Je mehr Amerikas Anziehungskraft verblasst, je mehr brauchen die Deutschen einen neuen Halt. Anstatt nun ihr eigenes Seelenleben zu erforschen und den Halt im menschenverbindenden Logos zu suchen, schielen sie schon wieder nach außen, woher ihnen Hilfe kommen soll. Diesmal soll sie aus dem Osten kommen.

Zwischen Orient und Okzident schwanken die labilen Geschöpfe der Mitte hin und her. Die Amerikaner werden entsorgt, die Russen sollen ihre Nachfolger werden. Und siehe: auch hier wiederholt sich die Geschichte:

„Es ist für mich keine Frage, daß deutsche und russische Menschlichkeit einander näher sind, als die russische und die französische, und unvergleichlich näher, als die deutsche und die lateinische; dass hier größere Möglichkeiten der Verständigung bestehen, als zwischen dem, was wir Humanität nennen, und der Gassenmenschlichkeit der Romanen. Denn es ist klar, daß eine Humanität mit religiösem Vorzeichen, die auf christlicher Weichheit und Demut, auf Leid und Mitleid beruht, einer andern näher ist, die von je im Zeichen menschlich weltbürgerlicher Bildung stand, als einer dritten, die vielmehr ein politisches Geschrei ist.“

Hier spricht jener Thomas Mann, der in frühen Jahren ein Gegner der Weimarer Demokratie war, die für ihn ein dekadentes westliches Produkt darstellte, gegen das er mit seinen „Betrachtungen eines Unpolitischen“ zu Felde zog. Konträr zu seinem Bruder Heinrich, der ein leidenschaftlicher frankophiler Linker und Demokrat war.

Der Bruderzwist war der stellvertretende Zwist einer ganzen Nation. Erst in den 30er Jahren machte der berühmte Nobelpreisträger eine Wendung zum demokratischen Humanismus.

Dass bei dem antidemokratischen Thomas die Motive des Leids und Mitleids, der Weichheit und Demut, im Vordergrund stehen, darf nicht verwundern. Bei einem selbstmitleidigem Volk wie den Deutschen sind sie die komplementäre Gegenseite ihres stets präsenten Kriegsgeschreis. Aus tiefer Not schrei ich zu Dir, ach Herr, erschlage alle meine Feinde und präsentiere sie mir zum Frühstück.

Thomas Mann stützte sich in seiner bewundernden Bewertung der russischen Seele auf die Schriftsteller Puschkin, Turgenjew und Tolstoi. Die Deutschen sind das eigentlich humane Volk, denn sie sind das „problematische“, das wahrhaft gebildete. Als Volk sind die Deutschen aristokratisch (demokratisch ist die „individualistische Masse“), sie sind eine „mythische und metaphysische Persönlichkeit“. Der westlichen Demokratie stellt Mann das „gute und biedere Wort Volksstaat gegenüber.“ „Der Mensch ist nicht nur ein soziales, sondern auch ein metaphysisches Wesen; der Deutsche zuerst.“

Den Satz Dostojewskis: „Ein echter, ein ganzer Russe werden, heißt vielleicht nur, ein Bruder aller Menschen werden, ein Allmensch, wenn Sie wollen,“ kommentierte Thomas Mann so:

„Ist das Nationale und das Menschliche, ist der menschliche Sinn des Nationalen je auf deutschere Art verstanden und ausgesprochen worden, als es hier durch den größten russischen Moralisten geschieht? Die Entstehungsgeschichte deutscher und russischer Humanität – ist nicht auch sie dieselbe – eine Leidenschaft nämlich?“

Russland und Deutschland gehören zusammen. Besonders, wenn man aus dem Westen die „unverschämten“ Worte hört: „The world is rapidly becoming english!“ (Über Nacht wurde die Welt englisch.)

Bei Mann hören wir viel demokratiefeindliches Denken, das bei ihm identisch ist mit Ablehnung des amerikanischen Kapitalismus. Auch heute gibt es in Deutschland und Russland kapitalismuskritische bis -feindliche Grundströmungen, die beide Länder emotional verbinden.

Doch der Protest gegen eine inhumane Wirtschaft wächst in beiden Ländern nicht auf rationalem und demokratischem Boden, sondern auf dem Humus eines Erlöser-Glaubens, der seine Versprechungen erst im Himmel einlösen wird. Solange bleibt auf Erden alles beim Alten. In Russland ist der christliche Glaube noch immer stark, in Deutschland wird er wieder stärker. (Nicht zu verwechseln mit Kirchentreue).

Klingt es nicht gut, wenn Thomas Mann von Menschlichkeit redet? Vorsicht, jede Epoche versteht ihre Begriffe anders. Man muss genau hinschauen:

„Menschlich denken und betrachten heißt unpolitisch denken und betrachten, ein Satz, mit dem man freilich sofort in schärfsten Widerspruch zur Demokratie gerät“.

Dieses „unpolitische Denken“ zerstörte die Politik der Weimarer Republik und bereitete das Feld für überpolitische NS-Erlöser.

Der gewandelte Thomas Mann musste bei Nacht und Nebel über die süddeutsche Grenze in die Schweiz fliehen, bevor er auf abenteuerlichen Wegen nach Amerika emigrierte. Eine NSA gab es damals noch nicht. Doch vor dem McCarthy-Tribunal musste Bertold Brecht sich rechtfertigen, ob er ein Kommunist sei. Heute wüsste das allwissende Auge Gottes die Antwort besser als der Dichter selbst.

Nachkriegsdeutschland wurde von den Amerikanern als Frontstaat gegen das sozialistische Reich des Bösen konzipiert.

Heute beginnt ein neues Kapitel: die Deutschen beginnen mit den postsozialistischen Russen, die nach einem kleinen Interregnum wieder böse werden, eine heiße Affäre.

Einer Mesalliance a trois wird sich Amerika verweigern – mit unvorhersehbaren Folgen.