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Das radikale Böse

Hello, Freunde des radikal Bösen,

jetzt also das Böse. Dann das radikal Böse. Dann der Krieg gegen das Böse. Dann der radikale Krieg gegen das radikal Böse. Endlich landen wir beim wiedergeborenen Christen Dabbelju Bush, der im Namen des Guten das Chaos in Nahost anrichtete, das so böse und unübersichtlich ist, dass es nur mit einem ultimativen Donnerschlag ausradiert werden kann. Mit einem Atomschlag? Mit einem russisch-amerikanischen Atomschlag?

Die Weltpolitik hat ihr Zentrum gefunden. Das Zentrum des planetarischen Endkampfes zwischen Gut und Böse befindet sich – welch Zufall – dort, wo drei Erlösungsreligionen in unausweichlicher Nachbarschaft sich gegenseitig die Kehle zudrücken.

Erlösen heißt, wenigen Menschen ewig nützen, vielen Menschen ewig schaden. Die Ersteren sind die Guten, die anderen die Bösen. Die ersteren laufen in blütenweißem Trikot aufs Feld, die anderen erscheinen in teuflischem Schwarz. Es geht nicht um Punktegewinn in einer Tabelle, es geht um Sein oder Nichtsein.

In Nahost erleben wir Armageddon en miniature, einen Probelauf der Apokalypse auf engstem Raum. Christen und Juden gegen Muslime. Russisch-orthodoxe Christen gegen westliche Protestanten und Katholiken, Schiiten gegen Sunniten, Juden gegen Gojim. Alle Erwählten gegen alle Verworfenen.

Ach woher, um Religionen geht es doch gar nicht. Schon gar nicht um Männergötter gegen weibliche Naturverehrung. Männer, die allmächtige Schöpfer der Natur sein wollen, haben keinerlei politische Interessen an dieser Welt – außer, dieselbe zu beherrschen, zu zerstören, um eine neue an ihre Stelle zu setzen. Das Gute, dieser Satz steht fest, ist stets das Böse, das man auf keinen Fall lässt – aber

als Heiliges ausgibt.

Wer böse sein will, ohne böse zu sein, muss an einen allmächtigen Männergott glauben. In Nahost kämpfen ausnahmslos gute Männer gegen böse, um den Willen eines allmächtigen Gottes zu erfüllen, der ihr eigener Wille ist. Die Weltgeschichte ist das Weltgericht: die Guten richten die Bösen, die die Unverschämtheit besitzen, auch Gute sein zu wollen.

2000 Jahre Abendland und kein Ende der Kreuzzüge und Dschihads. Nur, dass die Abendländer früher ehrlicher waren und Glaubenskrieg Glaubenskrieg nannten. Heute wird das fromme Blutbad mit Erdöl und geopolitischen Tertiärinteressen dekoriert, damit ihre Götter unberührt bleiben.

Es ist wie vor dem Ersten Weltkrieg. Niemand hielt – mit Ausnahme der romantischen Deutschen – den Krieg für möglich. Plötzlich hatten sie ihn. Im Modus des Schlafwandelns schlidderte das christliche Abendland ins Elend von Verdun.

Heute schlafwandeln wir wieder. Die wahren Ursachen der internationalen Spannungen müssen verschwiegen werden, auf dass ihr Gott im Regimente bleibe und sie sich als Erwählte fühlen dürfen. Wir befinden uns in einer religiösen Eskalierungsspirale, die in der bußfertigen Vorbild-Phase der Nachkriegszeit eine kurze Zeit kaltgestellt war, seit Einführung des Neoliberalismus durch Reagan und Thatcher wieder aufgewärmt wurde und sich spätestens seit Dabbelju verselbständigt hat.

Nun rollt die Kugel – und wenn wir sie nicht mit vereinten Kräften einfangen, wird sie ihr Ziel nicht verfehlen.

Der Abstand zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg war nur ein Wimpernschlag. Heute erleben wir eine Friedensphase von erstaunlicher Länge. Es ist nicht so, dass die Menschheit nicht dazu gelernt hätte. Die Frage ist nur: hat sie schon die wahren Ursachen aufgedeckt oder betreibt sie Beschwörungsrhetorik mit unterschwellig wachsender Aggressionsbereitschaft?

Das Grundgesetz der EU sei Solidarität, wagen die Politiker zu deklamieren – ohne den Faktor ihrer unsolidarischen Weltwirtschaft auch nur zu erwähnen. Die amoralische Wirtschaft hat den Westen konditioniert, nicht das folgenlose Privatgedöns von Nächstenliebe und Barmherzigkeit.

Das Christentum verfügt über keine weltprägende Moral. Seine hehre Gottesmoral degradiert die Menschen zu moralischen Krüppeln, damit seine Erlösertruppen nicht brotlos werden. Je länger die kapitalistische Moralfeindschaft die Weltpolitik dominiert, je amoralischer werden die Verhältnisse, je zwangsläufiger nähern wir uns einem planetarischen Waffengang. Hört auf mit eurem Moralgequatsche, wenn ihr nicht gewillt seid, eure Wirtschaft moralisch zu machen.

Der Unterschied zwischen privaten Tugenden und öffentlichen Lastern ist perdu. Er konnte sich nur halten, weil die Abendländer die Kosten dieser Bewusstseinsspaltung in die Kontinente der Heiden exportierten. Inzwischen ist die Welt zusammengewachsen, die Entwicklungsländer haben ihr Selbstbewusstsein zurückgewonnen und schicken die Kollateralschäden der westlichen Ökonomie in die Ursprungsländer zurück.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Moderne fallen die Folgen unserer Politik in voller Breitseite auf uns selbst zurück. Zu dem Re-Export gehören die Flüchtlingsströme, die sich nicht mehr gefallen lassen, den Abfall des westlichen Lebensstils als Gnadengabe zu betrachten.

Das ist die eigentliche narzisstische Kränkung für die Europäer, dass die Folgen ihres Tuns in Form lebender Menschen die Türen Europas eintreten und ihren Platz an der Sonne reklamieren. Wir sind nicht mehr Herren des Geschehens, die früher die guten Folgen ihres Tuns für sich behielten, die schlechten den Schwachen vor die Füße warfen.

Die europäische Moderne lebte von der Spaltung der Folgen ihres Tuns in Erwünschtes, das man für sich behielt und Unerwünschtes, das man den Fremden aufzwang. Dieser machtgestützte Irrsinn ist vorbei. Was wir tun, kommt über unser Haupt. Sei es als hilfesuchende Fremdlinge, sei es als menschenfeindliches Klima, das weder Mauern und Zäune kennt, noch ein Asylverfahren benötigt, um uns immer mehr einzuheizen.

Über Nacht veränderte sich das Klima deutscher Talkshows. Seit Paris verhärten die Gesichter. Das bodenlose Geplapper verebbt und erwägt maskenhaft seine Worte in Erwartung des Unaussprechlichen. Mit Matthias Claudius könnten sie skandieren:

‘s ist Krieg! ‘s ist Krieg!
O Gottes Engel wehre,
Und rede Du darein!
‘s ist leider Krieg –
und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Ein frommer Wunsch, der das Gegenteil erzeugen wird, wenn die Deutschen nicht die wahren Ursachen der Weltkrise analysieren. Wie aber soll das geschehen, wenn alle Ursachen abgeschafft werden?

Ausgerechnet diejenigen, die das Einfache verabscheuen und das Komplexe als Legitimation ihrer Untätigkeit anbeten, erklären die Misere der Welt mit dem Ältesten und Einfachsten: dem Bösen.

Das Böse ist die simpelste Reduktion religiöser Dissonanz. Wenn ein Gott das Universum erschaffen hat – woher dann das Böse? Fachleute sprechen von der Theodizee-Frage: wie kann ein Gott, der allmächtig und liebend zugleich sein soll, gerechtfertigt werden angesichts des Bösen in der Welt?

Gar nicht – oder mit den üblichen Tricks der Gottesgelehrten. Einmal ist er doch nicht ganz allmächtig, nur ein leidender Gott im Werden. Ein ander Mal gab er dem Menschen vorsorglich den freien Willen, damit dieser das Böse erfinden soll, als ob der Schöpfer unfähig gewesen wäre, Freiheit und Gutsein zu verbinden.

Freiheit wird zur Ursache des Bösen. Womit der Allmächtige sich das Böse vom Hals hält und nur noch zuständig sein will für das Gute. Den logischen Hokuspokus halten die meisten Frommen für das Gelbe vom Ei – wenn sie über göttliche „Tiefgründeleien“ überhaupt noch nachdenken.

Tun die meisten aber nicht. Das dogmatische Christentum ist ihnen schnuppe. Was sie unter „Glauben“ verstehen, ist gutsein und sonst nichts. Sollten sie noch eine Familienbibel besitzen, werden sie niemals darin lesen, höchsten das Geburtsdatum des jüngsten Enkels eintragen. Ihr Denken ist bibel- und dogmenlos geworden.

Man könnte es als schein-gläubigen, ja gottlosen Humanismus bezeichnen – wenn da nicht die Kleinigkeit wäre, dass sie einen Gott als jenseitige Rückversicherung immer noch nötig haben. Der aber ähnelt mehr dem Gott der Vernunft oder dem in der Natur als dem rachsüchtigen, menschenerniedrigenden und naturfeindlichen Wesen in der Heiligen Schrift.

Ihr bewusstes Denken mag dogmenlos sein, ihr jahrtausendealtes abendländisches Unbewusstes aber wird noch immer von eingebläuten Verhaltensdogmen der Bibel bestimmt. Je weiter sie sich von ihrem himmlischen Vater entfernen, je stärker schlägt ihr schuldiges Gewissen, dass sie Ihn verraten und verlassen haben. Unterstützt von diversen Zweifeln: könnte am Märchen vom himmlischen Vater, von Himmel und Hölle nicht doch etwas dran sein?

Es scheint statistisch bewiesen, dass die Deutschen, je älter sie werden, je reumütiger in den Schoß der Kirche zurückkehren. Wenigstens einmal im Jahr wollen sie die Aura des Heiligen in der Feier der Geburt ihres Herrn erleben. (Das Datum hat mit der Geburt des Herrn nichts zu tun. Schlaue Priester legten ihre Feier auf ein uraltes heidnisches Fest.)

Das unbewusste Verhaltensritual der westlichen Christianer besteht im Akkumulieren des kollektiven Elends, das ihre Problemlösungskapazitäten übersteigt und notgeborene Gründe liefert, sich einem gnädigen Vater auszuliefern. Die weltliche Politik darf nicht fähig werden, ihre selbstgeschaffenen Konflikte aus eigener Kraft zu lösen. Unbegrenzte Not muss geschaffen werden, damit der Heiland eingeflogen werden darf. Der verlorene Sohn muss Freiheit als Überforderung und Debakel erleben, damit ihn das unemanzipierte Bedürfnis überkommt, zu den Fleischtöpfen des Vaters zurückzukriechen.

Nur nebenbei: die vielgeschmähten Helikoptereltern werden als überfürsorgliche Hyänen dargestellt, die ihre Kinder nicht frei lassen können. Fürsorglichkeit aber kann es gar nicht genug geben. Sie endet erst mit dem Tode der Beteiligten. Jedermann und jedefrau braucht Menschen, die ihn unaufhörlich fürsorglich begleiten.

Was also ist Überfürsorglichkeit? Falsche Fürsorglichkeit, die ihre „Sorgenobjekte“ an sich kettet, ihre Emanzipation verhindert, damit sie ein Leben lang von den Fürsorgern abhängig bleiben. Falsche Fürsorglichkeit ist Abbild der Erlöserfunktion des Gottes gegen seine Geschöpfe, die bis zu ihrem Tode in Demut auf die Gnade ihres Herrn angewiesen bleiben.

Richtige Fürsorge ist freie Zuwendung zueinander, keine zwanghafte Abhängigkeit, die in Herrschen und Beherrschtwerden ausartet. Ein Herr-Knecht-Verhältnis ist zwanghafte Abhängigkeit voneinander. Der Herr ist unfähig, den freien Willen des Knechtes anzuerkennen, der Knecht muss dem Herrn signalisieren, ohne ihn nicht leben zu können.

Amerikanische Kinder können sich nicht früh genug von ihren Eltern lösen. Sie müssen sich lösen, denn der neucalvinistische Hass gegen die eigene Familie darf sich nicht mit allzu großer Liebe gegen das eigene Fleisch und Blut versündigen. Wer Vater oder Mutter, Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.

Liebe zum Erlöser ist unverträglich mit Liebe zu vertrauten Menschen. Nächstenliebe ist keine echte Fürsorge oder empfundene Liebe und beschränkt sich auf äußerliche, situationsbedingte Taten, um die Seligkeit zu gewinnen.

Amerikanische Eltern müssen ihre Kinder so früh wie möglich abstoßen, um ihre eigene Seligkeit nicht zu gefährden. Mit Emanzipation hat solch liebloses Abstoßen nichts zu tun. Das merkt man daran, dass die weit entfernten Kinder den Lebensstil ihrer Eltern akkurat plagiieren.

Erzwungenes Losreißen erzeugt lebenslange Abhängigkeit. Nur so ist die absurde Permanenz des kapitalistischen Systems erklärbar. Eine gedankliche Ablösung kann nicht stattfinden, weil verstoßene Kinder dem Lebensstil der Eltern besonders verpflichtet bleiben. Ihren Autoritäten müssen sie beweisen, dass sie die Regeln des Reich- und Erfolgreichwerdens mühelos beherrschen.

Du kannst nicht loslassen: ist der Standardsatz jeder amerikanischen Serie. Eine Auseinandersetzung des Loslassens findet nicht statt. Eltern und Kinder müssen sich zwanghaft voneinander los-reißen. Die Gründe der kinderfeindlichen Trennung verstehen sie ihr ganzes Leben nicht.

Echte Emanzipation ist ein distanzierter und streitbarer Blick auf die pädagogischen Über-Ich-Gestalten, um sich in Freiheit zu entscheiden, ob man deren Traditionen für richtig hält oder mit Argumenten ablehnt. Das Ziel echter Emanzipation ist die Selbstbestimmung jedes Individuums, das von allen Menschen lernen kann, sich aber von niemandem an die Leine legen lässt.

Der christliche Westen verhält sich wie der verlorene Sohn, der in selbsterfüllender Prophezeiung seine Niederlage herbeiführen muss, damit er zu seinem himmlischen Vater zurückkriechen kann. Die gezielte Niederlage als Selbstentmündigung ist die absolute Katastrophe eines Krieges, auf die das westliche System zusteuert.

Thomas Schmid in der WELT schreibt euphorisch über die Kraft des Bösen, die unser Leben verändere. Der IS sei das absolute Böse:

„Zum anderen zeichnet den IS etwas aus, das wir aus unserer Vorstellungswelt verbannt haben. Er ist keine religiöse Kraft, sondern eine, die sich außerhalb des Universums von Humanität und Mitleid stellt. Er ist eine Kraft des Bösen. Kein Gesprächsangebot, kein Wohlstandsversprechen kommt ihr bei. Unsere zivilen Instrumente versagen dem IS gegenüber. Er spricht nicht, er tötet. Vernichtung ist sein ganzes Wesen“. (WELT.de)

Schmids Böses ist das Böse des christlichen Dogmas. Es hat keine Ursache, ist böse, weil es böse sein will. Es ist lernunfähig und veränderungsresistent und nicht das Produkt einer defizitären Erziehung. Keine unglückliche Kindheit hat es böse gemacht. Aus ungehinderter Freiheit und in diabolischer Freude am Bösesein ist es, wie es ist. Es kann nur in toto vernichtet werden.

Vollständiges Vernichten ist totales Vernichten. Totales Vernichten ist totalitär. Totalitäre Regimes benötigen das absolute Böse zur Rechtfertigung ihres absoluten Liquidierens und Ausrottens.

Im Kampf gegen die christliche Ideologie haben die Aufklärer das Böse abgelehnt. Zeitgenossen, die den Glauben dennoch mit der Vernunft verbinden wollten, entschärften das Böse, indem sie es zum Werkzeug des Guten machten.

Mephisto will stets das Böse und bewirkt immer das Gute. Private Laster werden zu öffentlichen Tugenden. Das Misstrauen gegen den Tauschpartner führt bei Adam Smith zum wirtschaftlichen Egoismus, der zum Wohl der ganzen Nation beitragen muss. Selbst Kant will vom radikalen Bösen nicht lassen und verordnet dem Menschen eine bösartige Natur, um ihn zu konkurrierenden Höchstleistungen zu reizen. In Arkadien würde er vor träger Selbst-Zufriedenheit verkommen.

Seit dem 18. Jahrhundert ist das Böse zum Knecht des Guten geworden. Gott wurde entlastet. Er hat keine Fehler gemacht. Alles, was er erschuf, hat Sinn und Zweck, die man hinter dem Schein des Gegenteils erkennen kann. Gott ist Schöpfer des Guten und des Bösen und siehe, alles war sehr gut:

„Ich erschaffe das Licht und mache das Dunkel, ich bewirke das Heil und schaffe das Unheil. Ich bin der Herr, der das alles vollbringt.“

Doch der Teufel ist ein tausendkünstiger. Äußerlich lässt er sich als Knecht des Guten anheuern, um einen guten Endzweck zu erreichen. In Wirklichkeit übertölpelt er das Gute, stellt die Herr-Knecht-Hierarchie auf den Kopf und degradiert das Gute zu seinem Knecht.

Der kapitalistische Egoismus bläht sich zu einem gesellschaftzerstörenden Moloch. Der nationalsozialistische Heilsbrutalismus gibt sich als rassistisch-ökologische Rettung der Erde. Die Schergen fühlen sich als die Guten, wenn sie das Böse in unerhörter Grausamkeit exekutieren.

Der rehabilitierte Gott entlarvt sich als rehabilitierter Satan. Ein liebender Gott (deus revelatus), der nach Belieben ein böser Gott (deus abscondidus) sein kann, ist ein besonders böser Gott. Denn das Böse kann er als Gutes verkaufen. Theodizee wird zur Satanodizee, zur Rechtfertigung alles Üblen und Verwerflichen. Als Anbeter Gottes wurden die Deutschen zu tätigen Anbetern des Teufels.

Rüdiger Safranski, Weißwascher und Rechtfertiger aller deutschen Genies, hat in seinem Buch „Das Böse“ die heutige Rechtfertigung des Satanischen vorbereitet. Der Untertitel seines Buches heißt „Das Drama der Freiheit“. Es ist wie eine moderne Paraphrase des Gleichnisses vom verlorenen Sohn. „Das Böse gehört zum Drama der menschlichen Freiheit. Es ist der Preis der Freiheit. Der Mensch geht nicht in der Natur auf. Das Bewusstsein kann die Grausamkeit, die Zerstörung wählen um ihrer selbst willen. Die Gründe dafür sind der Abgrund, der sich im Menschen auftut.“

Thomas Schmid kann Safranski in allen Dingen zustimmen. Die deutschen Intellektuellen haben den gegenwärtigen Kurs in den Krieg durch Rechtfertigung des irreversiblen Bösen in die Wege geleitet und ideologisch abgesichert. Gibt es keine Möglichkeit des Entkommens mehr, sollte man das Unabwendbare nicht länger therapeutisch und politisch vermeiden wollen.

Eine friedliche Utopie bleibt für Teufelsbefürworter eine lächerliche Phantasmagorie. Vergeudet eure Energie nicht für sinnlose Friedenspolitik. Tut das Unvermeidliche: euer Schlafwandeln in die Katastrophe soll eine bewusste, ja freiwillige Tat sein – auch wenn ihr keinen freien Willen habt.

Augustin erkannte das Böse des Menschen bereits im Plärren des Neugeborenen. Starb der Säugling ungetauft, entkam er nicht dem Fegefeuer.

Thomas Schmid, ehedem linker Sponti, hat eine deutsche Bilderbuch-Biografie absolviert. Gottlos in der Jugend, kehrt er im Alter reumütig zu Augustin zurück. Seinen satanischen Vater im Himmel darf er irdischer Vernunft zuliebe nicht verlassen und verraten. Darob herrscht große Freude im Himmel:

„Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringet das beste Kleid hervor und tut es ihm an, und gebet ihm einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße, und bringet ein gemästet Kalb her und schlachtet’s; lasset uns essen und fröhlich sein! denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an fröhlich zu sein.“

Die moderne Weltpolitik wird von einer grauenhaften Mythologie bestimmt, deren Glauben an einen guten Gott identisch ist mit dem Glauben an das kreative und fortschrittliche Böse. Ohne Böses kein Gutes in der Welt. Ohne Krieg gegen Mensch und Natur keine futuristische Kultur, kein Fortschritt ins Unendliche und Unsterbliche. Der Mensch muss zum Teufel werden, damit er Gott werden kann. Eltern, schärft euer Gehör. Plärren eure Säuglinge wie der Teufel, erschlagt sie, damit sie als Erwachsene kein Unheil mehr anrichten.

Zu Recht wehren sich Christen gegen den Vorwurf, ein dualistisch-manichäisches System zu sein, in welchem Gott und Teufel gleichstarke Rivalen seien. Bei ihnen sind beide Herren ein Herz und eine Seele. Gott und Teufel wurden austauschbar. Das Glaubensbekenntnis könnte auch so beginnen: Ich glaube an den Teufel, den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden. Die Theologen werden Satanologen. Im Jenseits werden alle Schafe von den Böcken getrennt. Die Schafe sind die Guten, die Böcke die Ungläubigen, Fremden und Bösen. Schaffet die Bösen aus eurer Mitte. Wie könnte ein liebender Gott die Mehrheit seiner Geschöpfe in die Hölle verbannen, wenn er nicht von teuflischer Rachsucht bestimmt wäre?

Das letzte Wort überlassen wir der fulminanten amerikanischen Feministin Barbara Walker:

„Eine „aufgeklärte“ moderne Gesellschaft sollte die Idee vom Teufel längst aufgegeben haben. Laut einer Umfrage „glauben zwei von fünf AmerikanerInnen an den Teufel“ [heute sind es bereits 62%]. Die Lebensfähigkeit des Teufels entspringt seiner Nützlichkeit, Gottes Schuld zu minimieren. „Juden wie Christen haben an der Lehre festgehalten, dass Gott für alles Gute in der Geschichte verantwortlich ist, der Mensch die Schuld an allem Bösen trägt.“ Es war Zweck des Teufelsglaubens, einen Teil der Verantwortung von den schwachen Schultern des Menschen zu nehmen. Der Teufel, nicht Christus, war der wirkliche Sündenbock, der die Last der menschlichen Sünden auf sich nahm.“

Der Glaube der Deutschen an das radikal Böse hat sich in ihrer Unheilsgeschichte niedergeschlagen. Die Siegergeschichte der Amerikaner droht umzuschlagen und ihren Teufelsglauben als Vorbereitung der Apokalypse zu realisieren. Die satanische Gotteslehre des Westens rüstet sich, die Welt im Abgrund des Bösen zu versenken.