Hello, Freunde der Arbeit (X),
bald wird es keine Arbeit mehr geben. Nicht mehr als Sündenstrafe, nicht mehr als Talententfaltung und Wahrheitserforschung, die den Einklang mit der Natur suchen. Sünden wird es nicht mehr geben, das Geschöpf hat das verlorene Paradies zurückerobert. Einklang mit der Natur wird überflüssig werden, die alte Natur wird es nicht mehr geben. Der Mensch wird eine neue Natur aus dem Nichts seiner Religion erschaffen.
Siehe, das Alte wird vergehen, sie werden alles neu erfunden haben. Nur noch Roboter wird es geben, die den Menschen überflüssig machen. Roboter werden auch die Flüchtlingsfrage lösen. Gibt es keine Menschen mehr, kann es auch keine Flüchtlinge mehr geben.
Der Mensch löst seine Probleme, indem er seine Gattung abschafft – und die Menschheit schaut zu, applaudiert und bewundert die Menschheitsvernichter als Genies und Despoten der Zukunft.
Ein deutscher Pastorensohn hat die Abschaffung des Menschen vor mehr als 100 Jahren vorausgesehen und ultimativ gefordert.
„Der Mensch ist Etwas, das überwunden werden soll. Was habt ihr gethan, ihn zu überwinden? Was ist der Affe für den Menschen? Ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham. Und ebendas soll der Mensch für den Übermenschen sein: ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham. Ihr habt den Weg vom Wurme zum Menschen gemacht, und Vieles ist in euch noch Wurm. Einst wart ihr Affen, und auch jetzt ist der Mensch mehr Affe, als irgend ein Affe.“ (Also sprach Zarathustra)
Den begnadeten Erfindern der Roboter ist der heutige Mensch ein verächtliches Gelächter und eine schmerzliche Scham. „Der Übermensch ist ein schaffender Mensch. Zum Schaffen gehört immer auch das Vernichten.“
Der heutige Mensch muss vom Erdboden verschwinden. Der Übermensch der Zukunft ist die geniale Maschine, die alle Menschen in den …
… Schatten stellen – und dort begraben wird.
Nietzsche, die Zwote. Nachdem er bereits zum Vordenker der deutschen Schergen geworden war, wird er 80 Jahre nach deutschen Paradiessuchern (mit höllischen Vernichtungsmethoden) zum Philosophen totalitärer amerikanischer Zukunftsterroristen. Das deutsche Verhängnis war europäisch begrenzt, das amerikanische wird die ganze Erde von der Schande des Menschen befreien. Es wird ein globales Purgatorium geben.
Zu den Amerikanern gehören alle globalen Eliteklassen aus Wissenschaft und Technik, alle zukunftsbrünstigen Schreiber und Intellektuellen. Alle Völker und Nationen, die diese Visionen für human, diese desaströse Entwicklung der Menschheit für unaufhaltsam halten.
Die parallelen Ereignisse sind von verblüffender und furchterregender Ähnlichkeit. Im Vorfeld des Dritten Reiches glaubte niemand an die Unheilsäußerungen eines deutschen Führers. „Mein Kampf“? Eine lächerliche Angeberei! Nietzsche? Ein ungewöhnlich scharf- und feinsinniger Selbstfindungsphilosoph, dessen Muskelspiele man aber als martialisches Dekor ignorieren kann.
Silicon Valley? Hier wird das Undenkbare gedacht. Hier wird die Zukunft der Menschheit programmiert. Hier wird die Evolution des Menschen einen Sprung machen.
In Silicon Valley wird die „Singularity-Theorie“ zur maschinellen, futurologischen Realität. Das Einmalige, hier wird’s Ereignis. Das Unbeschreibliche, hier wird’s getan.
„Der „point of singularity“ steht für den Moment, an dem Computer menschliches Verhalten perfekt simulieren können und klug genug sind, um sich selbst zu optimieren. Also für den Moment, von dem an Maschinen intelligenter werden als der Mensch.“ (Karin Finkenzeller in Silicon Valley / ZEIT.de)
Ray Kurzweil, ein Avantgardist der zukünftigen Unvergleichlichkeit, hält demokratische Zustimmung der Menschheit für seine weltbewegenden Veränderungen für überflüssig. Die Geschichte ist unaufhaltsam – und er ist der führende Prophet des Messianischen. Er sieht, was kommen wird, eben dies vollbringt er.
Das ist eine neue Form der Prophetie. Die Propheten des Alten Testaments durften nur schauen und vorhersagen, das Vollbringen des Geschauten hatten sie dem Herrn der Heerscharen zu überlassen. Die neue Prophetengeneration Ω.0 ist komplett. Sie schauen und tun, sie sehen voraus und vollbringen alles in einem Akt. Man sieht, auch die Prophetie kann algorithmisch perfektioniert werden.
Die Heilige Schrift der Zukunft wird mit dem Satz beginnen: der Algorithmus sprach, es werde – und es ward. Was sollte denn werden? Unsterblichkeit soll werden – und also ward Unsterblichkeit. Denkverbote sollen verschwinden – und also verschwanden Denkverbote vom ganzen Erdenrund. Gesunde Kinder sollen gezüchtet werden – ohne Frauen, versteht sich, nur in ethisch hochstehenden Labors – und also wurde der neue Mensch in Reagenzgläsern gezüchtet.
„Kurzweil glaubt, der Mensch sei verpflichtet, Fortschritt durch Technologie ohne Denkverbote zu fördern. Er will, dass gesunde Kinder gezüchtet werden. Und: die Unsterblichkeit erreichen.“
Der neue Mensch ist das Produkt der technophilen Unzucht des Mannes mit seiner Maschine. Platon und Hitler züchteten bereits den neuen Menschen. Da darf Silicon Valley nicht bedeutungslos zurückstehen.
Welche Denkverbote? Demokratische Grundrechte, humane Moral, freie Mitbestimmung der Menschheit an ihrer Zukunft. Wenn die nächste Moderne hereinbricht, wird alles bisher Gültige sein Recht verlieren. Recht ist, was die prophetischen Vollbringer der Zukunft für richtig halten. Wer sich diesem Gesetz widersetzt, wird untergepflügt. Todesstrafe für Zukunftsgegner und Moderneverweigerer.
„Niemand wird diese Entwicklung aufhalten“.
„Überleben wird nur, wer sich auf den technologischen Fortschritt einlässt.“
Kurzweil beschreibt die neue Technologie als „Asteroideneinschlag der Neuzeit.“ Früher waren es Offenbarungen aus der jenseitigen Welt, heute sind es Offenbarungen – aus der jenseitigen Welt. Früher musste man noch glauben. Heute ist Glauben überflüssig. Wer sich dem Fortschritt verweigert, wird eliminiert. Kurzweil, voller Empathie für Menschen, pardon, für Maschinen, will „Computer empathisch machen“:
„Sie sollen uns besser kennen als unsere engsten Freunde, die Antworten auf unsere Fragen wissen, noch ehe wir sie gestellt haben. „Diese Entwicklungen werden unser Leben besser und effizienter machen“, sagt Kurzweil.“
Antworten allwissender Autoritäten, die die Fragen der Kinder überflüssig und Unwissende mundtot machen, nannte man einst Schwarze Pädagogik. In Platons perfektem Staat wurden Menschen, die auf eigenen Fragen und Antworten beharrten, in Umerziehungslager gesteckt oder getötet.
Ein Nerd ist ein „Außenseiter mit überdurchschnittlichem IQ“. Was ist Intelligenz? Unter Psychologen grassiert der famose Spruch: Intelligenz ist, was ein Intelligenztest misst. Sie wissen nicht, was Intelligenz ist, tun aber, als ob sie es wüssten. Sie messen ins Blaue und Undefinierbare.
Messen sie etwas Unbekanntes? Keineswegs. Sie kokettieren nur mit ihrer Unwissenheit. In Wahrheit messen sie, was machtführende Eliten der Welt als Intelligenz – bestimmen! IQ-Tester fragen in ihren bürgerlichen Kreisen nach, was Intelligenz sei. Daraus basteln sie Fragen und Rätsel, die gelöst werden müssen.
Ein Großteil der schulischen Lehrpläne wird schon heute von der Wirtschaft diktiert. Bildung ist zur servilen Ausbildung verkommen. Taugt Bildung als ausgleichender Gerechtigkeitsfaktor? Nein, denn es gibt keine Bildung. Echte Bildung würde man daran erkennen, dass sie die Idiotie der Ausbildung durchschaut. Genau das soll verhindert werden. Intelligenz ist alles, was Ruhm, Reichtum und Erfolg erbringt. Dummheit ist die Eigenschaft der Verlierer der Moderne.
Sind wissenschaftliche Wahrheiten von Verlierern oder Siegern abhängig? Klingt nicht gerade „objektiv“. Also muss die machtbestimmte Definition hinter koketter Unwissenheit versteckt werden.
Intelligenz ist der meistmissbrauchte Begriff der Moderne, die Selbstbeweihräucherung erfolgreicher Klassen, die ihre technischen Machtmethoden als angeborene Schlaumeierei deklarieren. Sokrates wäre für heutige IQ-Forscher ein nichtsnutziger Herumtreiber und querulatorischer Ignorant, der auf die meisten Fragen eines Tests mit den Standardsätzen reagierte: weiß ich auch nicht, würde mich aber brennend interessieren, lasst uns drüber reden.
Es ist die anerkannte und erfolgreiche Intelligentsia gegenwärtiger Führungsklassen, die die Menschheit in den Untergang führen. Intelligent sein heißt, den technischen Fortschritt in den Untergang vorantreiben und geniale Dinge erfinden, mit denen man die Natur zerlegen, die Menschheit an die Leine legen und ne Menge Kohle machen kann.
Intelligenz ist „instrumentelle“, also dienende Vernunft. Wem dient sie? Der weisen Vernunft. Weisheit ist die Kunst, im Einklang mit der Natur zu überleben und ein gutes Leben in Heiterkeit und Frieden zu führen. In diesem Sinn ist moderne Intelligenz die absolute Überlebens- und Lebensdummheit oder die Sucht, unterzugehen, indem man die eigenen Lebensgrundlagen effizient massakriert.
Silicon Valley zieht IQ-Nerds wie Mike Snyder magisch an: „Der 28-Jährige ist ein XXL-Nerd, physisch und gedanklich.“ Dank Snyder „kann ein Großteil des Equipments, das bisher per Spaceshuttle zur Raumstation gebracht werden musste, direkt in der ISS produziert werden. „Das wird die Erforschung des Weltraums komplett verändern!“
Solche fundamentalen Erkenntnisfortschritte könnten das irdische Flüchtlingsproblem entscheidend fördern. Alle Überzähligen werden per Weltraumraketen auf den Mars transportiert, wo sie Genesis II von vorne beginnen können.
Andre Wegner ist eine andre Intelligenzbestie, die Gewaltiges zu äußern weiß: „Wer hierherkommt, ist hungrig, leidenschaftlich, will Verantwortung übernehmen. Ich habe nirgendwo sonst Menschen getroffen, die so offen sind für neue Ideen.“
Satt und selbst-zufrieden sein sind in Silicon Valley antipaulinische Ursünden. Man muss hungern, aber wonach? Nach Verantwortung. Verantwortung aber ist nicht die Fähigkeit, Mitmenschen Rede und Antwort zu stehen. Schon gar nicht dem satten Pöbel. Sondern Macht zu übernehmen, um allzu Neugierigen und Renitenten das Maul zu stopfen.
George Orwell nannte die beliebige Umdefinition traditioneller Begriffe im Dienste des Großen Bruders „Neusprech“. Alle Neusprecher heutiger Regierungen haben ihre Fähigkeiten bei christlichen Theologen gelernt. Die keine Schwierigkeiten haben, den ordinären Buchstaben X in den Geist Y zu transsubstantiieren. Sage mir, oh Moderne, was du hören willst und ich sage dir, wo die göttlichen Offenbarungen schon längst alles im Geiste vorformuliert haben – auch wenn die Buchstaben anders klingen sollten.
Doch wer wird sich kleinlich um Buchstabenkram kümmern, wenn es um Weltherrschaft per geistbegabter Intelligenz geht? In Silicon Valley dominiert die Neusprech-Hermeneutik charismatischer Bibelexegeten. Die höchste Form der Intelligenz wäre das Vollbringen des göttlichen Willens – und wäre der Wille des Höchsten noch so verblendet.
Warum kann Ray Kurzweil kein Dummkopf oder Scharlatan sein? Viele seiner „angeblichen Hirngespinste“ hätten sich als richtig erwiesen. Wer einmal Recht hatte, muss immer Recht haben. Wer in einer Elite-Uni lehrte, muss irrtumslos sein. Wie könnte sie sonst die exorbitanten Studiengebühren rechtfertigen?
Im Seminar der Supernerds werden die Fragen debattiert: „Was passiert, wenn Robotersoldaten Zivilisten töten? Wer ist schuld? Es werden Gruppen gebildet, Argumente gesammelt, vorgetragen. Wie in einem x-beliebigen Hauptseminar an einer x-beliebigen Uni.“
Müssten perfekte Roboter nicht auch schuldig sein können? Doch dann wären sie nicht perfekt. Wer wäre schuld an ihrer mangelhaften Programmierung? Nicht ihre IQ-Schöpfer?
Wer wäre an der Schuldhaftigkeit der Roboter-Erschaffer schuldig? Müsste es nicht der Urschöpfer sein, der alles aus Nichts erschuf? Das geht natürlich zu weit. Schließlich hat der Schöpfer seinen primären Geschöpfen den freien Willen implantiert. Besitzen die perfekten Roboter keinen freien Willen?
Fragen über Fragen. Und wie lautet die Antwort der XXL-Nerds? „Wer ist schuld? Ein Urteil am Ende bleibt aus.“
Mit anderen Worten: niemand ist schuld. Schuldzuweisungen sind von gestern. Wenn niemand schuldig sein kann, sind alle perfekt. Wo bleibt da Verantwortung für Fehler und Irrtümer? Die gibt es nicht mehr.
In Deutschland hat Merkel die persönliche Schuldfähigkeit ausgemerzt. Für alles Gute ist sie zuständig, an allem Bösen sind die politischen Gegner schuld. Diese aparte Regel hat sie von ihrem biblischen Vater. Er ist Urheber alles Guten, die Bösen sind die Urheber alles Missratenen und Verkommenen.
Wie Merkel beherrscht auch Schlauberger Schröder die Kunst des rechtzeitigen Aufspringens auf den Zug der Heilsgeschichte. Nachdem das Volk die Antistimmung gegen die Flüchtlinge gedreht hat, fordert er das legale Einwandern vieler Fremdlinge – damit auch in Zukunft die Renten der Deutschen finanziert werden können. Flüchtlinge sind keine Hilfesuchenden mehr, sondern werden zu bloßen Wirtschaftsfaktoren reduziert. Wer nichts bringt, hat kein Anwesenheitsrecht unter Wirtschaftssiegern.
Welchen Geist müssen die Silicon Valley-Zöglinge lernen und beherrschen? Den Geist, gegen die Natur zu agieren:
„Ein Wasserbüffel schlägt zusammen mit seiner Herde zwei Löwen in die Flucht und rettet ein Junges. Der Dozent, ein Psychologe Mitte 50, sagt: „An diesem Tag hat ein mutiger Büffel den scheinbar natürlichen Lauf der Dinge verändert. Wenn Sie die Welt verändern wollen, müssen Sie so sein wie er!“
Von der Natur soll der Mensch lernen, den scheinbar natürlichen Lauf der Dinge zu verändern? (Ist scheinbar unnatürlich wirklich unnatürlich? Nur so‘ne Frage.)
Jeder Biologe weiß, dass kühnes Mutterverhalten zur Verteidigung der eigenen Jungen in der Tierwelt eine normale Sache ist. Doch klar ist: Silicon Valley lebt vom entschiedenen Kampf gegen die Natur. Ökologisches scheint bei den Zukunftsgewinnlern noch nicht angekommen. Liegt es daran, dass Rechnen und Naturschützen sich ausschließen?
Selbst die linke ökologische TAZ ist besorgt, dass Natur ganz schnell das Kommando übernähme, wenn der Mensch sie nicht daran hindern würde. Wie gut, dass es aufmerksame Menschen gibt, die der Natur die Zähne zeigen:
„Ein bisschen Natur, aber keine Überdosis! Und es war wirklich Zufall, dass ich an dem Tag ein neues Buch zu lesen anfing: „Die Welt ohne uns“ von Alan Weisman. Der Journalist beschreibt, wie schnell die Natur wieder das Kommando übernähme, wenn wir Menschen plötzlich verschwunden wären.“ (TAZ.de)
Entweder Natur – oder wir, das ist hier die Frage. Wer beherrscht wen? Natur muss gezähmt werden, dass der Mensch in Ruhe TV glotzen kann. Auch die TAZ scheint die Eintracht des Menschen mit der Natur für eine fromme Fabel zu halten.
Michel David ist ein anderer Nerd, der es in Berlin nicht aushält. In Berlin gibt es zu viele Radfahrer und zu wenige Menschen, die per Superrolltreppen schnell vorwärts kommen wollen. Die Deutschen haben noch zu viel Raum und zu viel Zeit. Das macht – richtig geraten – träge und satt.
„In Deutschland sind viele Menschen von der Überlegenheit des ‚made in Germany‘ überzeugt. Das macht träge.“ Die Deutschen sind auch viel zu wenig „begeistert“ für Visionen der Zukunft. Offenbar scheint nicht mehr wichtig, zu welchem Zweck der Mensch sich begeistern soll. Begeisterung wird zum Selbstläufer.
Waren die Deutschen vor kurzem nicht auch sehr begeistert – für ihre Begeisterung? „In Kalifornien spielen Bedenken eine Nebenrolle“. Bedenkenträger gegen die deutschen Begeisterten im Reich der Nationalsozialisten endeten gewöhnlich in einem KZ.
Wie werden die KZs der Silicon Valley-Weltherren aussehen? Auf jeden Fall werden sie von Robotern überwacht werden. Sollten die Gefangenen versehentlich eliminiert werden, wird es kein Gericht mehr geben, das die Schuldigen ausfindig machen könnte. Die Kategorie Schuld wird digital ausgerottet werden.
Wie ist denn nun die Meinung der ZEIT-Schreiberin über das Objekt ihrer Begierde? Wie die aller deutschen Prophetenbewunderer. Nach scheinbar kritischen Fragen kennt die Begeisterung für die Begeisterten keine Grenzen mehr.
„Wer sind die Typen, die Zukunftsvisionen anhängen, in denen eine Maschine Gott ersetzt? Die etwas als ein großartiges Versprechen werten, was andere als apokalyptische Bedrohung fürchten? Sicher scheint: An der SU treffen sich Menschen, die in der Digitalisierung die größte Revolution der Menschheitsgeschichte sehen und nicht an morgen denken, sondern an überübermorgen. Wer an der SU ist, wurde andernorts nicht selten belächelt und vielleicht verrückt genannt.“
Maschinen ersetzen Gott. Für die einen ein großartiges Versprechen, für andere eine apokalyptische Bedrohung. Was aber ist es für Karin Finkenzeller? „Alles eine Frage der Perspektive.“
Womit wir wieder bei Nietzsche wären. Wahrheit gibt es keine, alles ist eine Sache der interessierten Perspektive, des subjektiven Willens zur Macht. Die Deutschen haben keine Meinung, was bedeutet, sie beugen sich der Meinung mächtiger Welteliten.
Auch die linke TAZ lässt die Moral von der Realität bestimmen: „Meine These: Die Praxis bestimmt die Moral, nicht umgekehrt.“ So Peter Unfried. Ist die Realität schlecht, muss auch die Moral schlecht sein.
Wenn Moral identisch ist mit der Wirklichkeit, bestimmen die Sieger der Wirklichkeit die Moral. Das ist Hegels Moral des weltbeherrschenden Objektiven Geistes: „Was wirklich ist, ist vernünftig, was vernünftig, ist wirklich.“
Der Wille zur Macht hat die machtkritische Moral verschlungen. Alles ist erlaubt, was der eigenen Machtsteigerung dient. Wenn es keine übereinstimmende, objektive Wahrheit gibt, entscheidet – der Hammer des Willens zur Macht. Ob Wahrheit oder Falschheit: entscheidend ist, was „hinten heraus kommt“, um mit dem Nietzscheaner aus Oggersheim zu reden.
„Wahrheit ist die Art von Irrtum, ohne welche eine bestimmte Art von lebendigen Wesen nicht leben könnte. Der Wert für das Leben entscheidet zuletzt.“
Das ist die Quintessenz der Moderne: wahr ist, was gut ist für das Wirtschaftswachstum. So lautet Merkels neoliberale Ideologie. Was gut ist für die einen, muss schlecht sein für die anderen. Die Letzten beißen die Hunde. Seien es Griechen, Flüchtlinge oder Afrikaner.
Die Segnungen des Fortschritts können nur wenigen Auserwählten zugute kommen. „Die Gattung braucht den Untergang der Missratenen, Schwachen und Degenerierten.“
Pastorensohn und Pastorentochter vollstrecken gehorsam Gottes historischen Heils- und Unheilswillen. Ist das nicht das Gegenteil christlicher Nächstenliebe? Antwort: „Die echte Menschenliebe verlangt das Opfer zum Besten der Gattung – sie ist hart, sie ist voll Selbstüberwindung, weil sie das Menschenopfer braucht.“
Gibt es noch Differenzen zwischen dem Neoliberalismus und Nietzsches Hitler-Philosophie? Eine Winzigkeit. Letztere ermordete ihre Opfer aktiv, der Neoliberalismus lässt verrecken. Das Ergebnis ist das Gleiche. Wenige sind auserwählt, der Rest fährt zur Hölle.
Nach dem zweiten Weltkrieg gelobten die Deutschen, nie mehr Mitläufer zu sein. Weder der Macht noch der Faszination von Lichtgestalten. Jeder sollte mit dem eigenen Kopf denken und urteilen. Heute sind die Deutschen die größten Mitläufer der neoliberalen Allmacht und des technologischen Faschismus der Zukunft.
Frank Schirrmacher war ein Prophet des Propheten Kurzweil. Alle Diekmänner der Nation ziehen durch Silicon Valley und sind begeistert von der Begeisterung. Hauptsache, man glaubt noch an etwas, erklärte Miriam Meckel in der ARD. Der Glauben an sich ist für sie das wundersame Gegenmittel gegen deutsche Sattheit und Trägheit.
Die Deutschen haben sich das Gen zur Größe herausoperieren lassen. Nun überwiegt Mittelmaß, Grenz-Unterschreitung und – sentimentale Hilfsbereitschaft gegen eine Überzahl von Asylbetrügern – so Helmut Markwort im Presseclub. Um potentielle Mitstreiter von Silicon Valley zu werden, müssen wir unseren zaghaft eingeschlagenen Nietzsche-Kurs ohne Wenn und Aber durchziehen:
„Jene ungeheure Energie der Größe gewinnen, um, durch Züchtung und andererseits durch Vernichtung von Millionen Mißratener, den zukünftigen Menschen zu gestalten und nicht zugrunde zu gehen an dem Leid, das man schafft und dessengleichen noch nie da war.“
Die zunehmende Mehrheit der Deutschen scheint Abstand zu gewinnen von barbarischen Vorstellungen nationaler Vormacht und sich darauf zu besinnen, dass sie Menschen unter Menschen sind.
Der ökonomische Oberpriester Rainer Hank von der FAZ verachtet die Gleichheit einer humanen Begegnung und propagiert die Ungleichheit der Größe und Macht. Er ist Sprachrohr deutscher Eliten, die Silicon Valley bewundern und ihre wirtschaftliche Dominanz als Bestätigung ihres Übermenschentums betrachten.
Sollten die apokalyptischen Vorstellungen von Silicon Valley sich weltweit durchsetzen, werden wir ein Weltterrorregime erleben, das eine Summa sein wird aus Platons Idealstaat, Orwells 1984 und Hitlers Höllenregiment.
Zurzeit entwickelt sich Silicon Valley widerstandslos zum globalen Rassismus der Superintelligenten, Genialen und Erfolgreichen, die über die Überflüssigen und Schwachen erbarmungslos hinwegbrettern. Ob sie ihre Opfer direkt füsilieren oder indirekt verhungern und verderben lassen – wen interessiert das noch?
Fortsetzung folgt.