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Arbeit (IX)

Hello, Freunde der Arbeit (IX),

man kann mit der Natur zusammenarbeiten, dann wird sie uns ernähren und erhalten. Michael Braungart spricht von Kreislaufwirtschaft – im Gegensatz zur Linearwirtschaft – oder vom cradle-to-cradle-Konzept, von der Wiege zur Wiege. Man sollte besser sagen: von der Wiege zur Bahre, die wieder zur Wiege wird. Denn Sterben gehört zur Natur, die den Tod in den Dienst des Lebens stellt.

Wer durch Unsterblichkeit den Tod vermeiden will, will die Natur zerstören. Natürlicher Tod ist nicht umweltschädlich. Nur die künstliche Hinrichtung der Natur durch Technik und Naturwissenschaft. Für die Natur gibt es nichts, was sie nicht wieder in ihren Schoß zurücknähme. Doch die gattungsfreundliche Nische, die sie den Menschen zur Verfügung stellte, könnte dabei verloren gehen.

Die Linie der Heilsgeschichte zerstört die Kreislaufphilosophie der Heiden und Griechen. Mit linearer Heilsgeschichte werden wir die Gattung nicht retten. Leider versäumen es die Ökologen, ihre technologischen Rezepte philosophisch zu untermauern und religionskritisch zu verorten.

Es wäre die Sache der Grünen, Braungarts Konzept unter die Menschen zu bringen. Doch ihre denkerische Selbstvergewisserung ist spätestens nach dem Fundi-Realo-Streit verendet. Braungart ist in Deutschland fast unbekannt.

Die Grünen haben keine Kompromisse geschlossen. Unter dem Vorwand der Kompromisse haben sie ihre Kritik am naturschädlichen Kapitalismus verraten. Religion ist für sie zum Extrakt der Ökologie geworden. Schöpfung bewahren ist für sie Kern der Ökologie, als ob der Schöpfer sein Werk nicht selbst

verflucht hätte und am Ende aller Tage aus dem Verkehr ziehen wird.

Das naturnahe Arbeiten ist in der Geschichte des christlichen Abendlands seit Benedikts ora et labora am Boden zerstört. Was hier geschah, bringt Hegel auf die treffliche Formel: „Arbeiten heißt die Welt vernichten oder fluchen.“ Das „oder“ können wir streichen. Mit Arbeiten vollstrecken die Frommen den Fluch ihres Gottes gegen die Welt:

„Und er sprach: Ich will die Menschen, die ich gemacht habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis auf das Vieh und bis auf das Gewürm und bis auf die Vögel unter dem Himmel; denn es reut mich, daß ich sie gemacht habe.“

Ein Gott, der seine wunderbaren Taten bereut – wenn auch bestochen vom lieblichen Duft eines Brandopfers –, hatte wenigstens eine ehrliche Minute. Bei seinen gottähnlichen Geschöpfen kann man von ehrlichem Bereuen ihrer wunderbaren Verfluchungstaten nichts bemerken. Vor hochmütigem Stolz auf ihre genialen Inventionen können sie gar nicht mehr laufen.

Warum verzichtete Gott auf die Vernichtung seines Schöpfungspfuschs? In seiner unendlichen Güte fiel ihm eine wirksamere Strafe ein: er degradierte die Natur zum desaströsen Provisorium, das von seiner finalen Wut täglich vernichtet werden kann. Nur seine launenhafte Gnade hält den Schöpfungsschrott von Sekunde zu Sekunde am Leben.

Jeden Augenblick müssen die Menschen mit dem letzten Inferno rechnen. Seit Noah hängt das Damoklesschwert über der massa perditionis. Jeder Augenblick kann der letzte sein. Das tägliche Warten des amerikanischen Todeskandidaten auf seine Hinrichtung ist das Lebensgefühl des Gläubigen in der sündigen, unzuverlässigen, gefährlichen Natur.

Das Notprogramm auf biblisch:

„Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“

Das Notprogramm steht unter göttlichem Vorbehalt. „Leben hat der Mensch nur durch seinen göttlichen Odem: der ist aber seinem Körper nicht inhärent, und jede Verweigerung dieser flüchtigen Gabe würde den Menschen in seine tote Stofflichkeit zurückwerfen.“ (Gerhard von Rad, „Theologie des Alten Testaments“)

„Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie; du nimmst weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder zu Staub. Du lässest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und du erneuest die Gestalt der Erde.“

Natur benötigt die ununterbrochene Intervention des Gottes. Ein einziger Augenblick ohne seinen göttlichen Odem – und alles wäre dahin. Gottes Bewahrung der Geschöpfe ist kein Vertrauen in das Bewährte und Stabile, sondern eine permanente und hektische Neuschöpfung des Fragilen und Unselbständigen aus dem Nichts. Jeder Augenblick bringt den Tod des Geschaffenen, das durch Neuschöpfung gänzlich wiederbelebt werden muss.

Die Schöpfung muss eine creatio continua sein, denn sie beruht auf einer destructio continua. Schöpfer und Geschöpf dürfen auf ihren Lorbeeren nicht „satt und selbstzufrieden“ ausruhen, ununterbrochen müssen sie am verfallsbedrohten Schöpfungswerk arbeiten, reparieren und erneuern. Natur lebt nicht aus eigener Kompetenz, sondern von der ständigen Sauerstoffbeatmung durch den Großen Sanitäter.

Die Schöpfung ist ein dahinsiechender Organismus in den letzten Zügen, der nur durch den Hauch des Herrn notdürftig am Leben erhalten werden kann. Entzöge Gott sich eine Nanosekunde, schlüge allen Naturwesen das letzte Stündchen. Wie müssen die Geschöpfe zittern und beben, dass Gott die Geduld verlieren und sich angewidert abwenden könnte.

Unter stoischem Einfluss verliehen die Aufklärer der Natur eine größere Stabilität. Aus der natura lapsa – der fehlbaren Natur – wird eine Maschine. Bei Newton ein Uhrwerk, das ständig vom Großen Uhrmacher nachjustiert werden muss. Beim deutschen Leibniz ein vollkommenes Uhrwerk, das vollautomatisch tickert bis in alle Ewigkeit.

Adam Smith glaubte zwar an die Perfektion der selbstregulierten Maschine, doch auf den letzten Notbehelf einer Unsichtbaren Hand will er nicht verzichten. Die Maschine funktioniert, weil die Einzelteile tun, was ihres Amtes ist: peinlich genau sollen sie nur die eigenen – wenn auch egoistischen – Tätigkeiten beachten. Alles andere erledigt die Unsichtbare Hand und harmonisiert die eigennützigen Taten der Menschen zum endgültigen Vorteil des Ganzen.

Die Harmonisierung ihrer rivalisierenden Interessen hat Smith den Menschen nicht zugetraut. Sondern einer göttlichen Instanz übergeben. Streng genommen hat der gutmütige schottische Aufklärer die Autonomie des Menschen verraten. Die Subjekte sollen nicht fähig sein, ihre politischen Gemeinschaftsaufgaben selbst zu lösen. Sie sollen arbeiten, egoistisch und misstrauisch sein gegen den Nächsten, doch der Segen muss von Oben kommen. Ohne göttliche Dauerintervention wäre es dem Menschen unmöglich, den Staat in Ordnung und im Gleichgewicht zu halten.

Bis in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts hatten die nationalen Ökonomien im Gleichgewicht zu sein. Gleichgewicht war das Werk einer statischen, endlichen Maschine. Danach erst kam das monströse Wachsen ins Unendliche, das die endliche Natur auffressen wird.

Merkel kennt keine perfekte Staatsmaschine. Lutherisch glaubt sie noch an die natura lapsa. Den stoischen Sprung in den Glauben an eine selbstregulierende Wirtschaft hat sie nie verstanden. Die Stoa kam nie nach Templin.

Schweigsam lässt sie die erbsündigen Übel der Gesellschaft sich gen Himmel auftürmen. Dann fährt sie verwundert hernieder, redet – nach wohl kalkulierter Stummheit – triviale Sätze, die von ihren brünstigen Anbetern unter den Medien wie Worte des Evangeliums bejauchzt werden. Tatsächlich, sie kennt den Begriff Toleranz. Tatsächlich, wie unmissverständlich sie gegen Demokratiefeinde Stellung beziehen kann. Dann hört sie eine Stunde lang zu und gibt jedem Bittsteller das Gefühl, nur seinetwegen gekommen zu sein.

Nicht demokratische Methoden, Problemanalysen, Thesen und Antithesen stellt sie zur Debatte. Allein löst sie die Probleme durch charismatische Anwesenheit. Die gläubige Meute jubelt, die Kanzlerin hat ihre Gnadenarbeit vollbracht. Die Deutschen glauben an ihre Kanzlerin, von Demokratie haben sie schon lange nichts mehr gehört.

Die Verursacher der Übel durch Problemlösungsverweigerung erscheinen wie Helden auf der Tribüne, waschen sich rein von allen Übeln durch Fremdbeschimpfen wüster Horden und verwandeln sich aus notorischen Versagern in Wunderheiler.

Inzwischen gehört es zur Mutprobe tapferer Demokratieverteidiger, ihre moralische Überlegenheit durch hasserfüllte Aggressionen gegen hasserfüllte Fremdenfeinde unter Beweis zu stellen. Hass soll durch Hass therapiert werden. Man muss seine Integrität durch Aufblasen der Backen und Ausstoßen beleidigender Schimpfworte gegen die Verlierer der Moderne nachweisen. Jene gehören nicht zu uns, sie sind keine wahren Deutschen, sie haben es nicht verdient, im deutschen Wohlstand zu leben. Sollten sie nicht am besten dorthin exportiert werden, woher die Flüchtlinge kommen?

Versager, Kriminelle und sonstige Verirrte sind keine Produkte der Gesellschaft, sondern wurden bei Nacht und Nebel vom bösen Feind abgeworfen.

Eine Gesellschaft, die ihre verworfenen Elemente nicht selbstkritisch als ihre Erzeugnisse anerkennt, verdient es nicht, eine humane zu heißen. Die Gesellschaft polarisiert sich nach dem Muster ihres polarisierenden Glaubens: hie die Guten und Erwählten, dort die verworfenen Satansbraten. „Ihr seid die Dummheit“, schleudern die Unterhalter Joko und Klaas dem Pack im Osten entgegen.

„Die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf haben sich als Humanisten entpuppt. Ein Coming-out genau zur richtigen Zeit“. So steht‘s geschrieben in der ZEIT.

Sie haben sich als Humanisten entpuppt? Was waren sie denn vor der Entpuppung? Hatten sie sich als Menschenfeinde getarnt, um das Publikum zu amüsieren?

Gehört es zur Provokations-Arbeit hiesiger TV-Clowns, als lustige Widergänger Hitlers auf der Bühne zu erscheinen? Ist es ein tief gehütetes Geheimnis, ob Demokraten in einer Demokratie – echte Demokraten sind? Dürfen wir gespannt sein, in welcher aktuellen Rolle sie sich morgen zu erkennen geben?

Muss man gespannt sein, ob die Kanzlerin der verpuppten Demokraten selbst verpuppt ist? Ob sie rechtzeitig ihre Maskerade fallen lässt und das rechte Wort zur rechten Zeit findet? Ach, wie erhebend und anrührend, dass Deutschland sich erinnert: hurra, wir sind eine Demokratie! Wir dürfen unsere Demokratie verteidigen, wir müssen sie nicht im Suff täglicher Sportübertragungen, absurder Vernebelungsgespräche und endloser Spielabende preisgeben.

Plasberg zum Beispiel muss seine Sendung so lange wiederholen, bis sie der Kirche und den Genderexperten gefällt. Keine Debatte mit fremden Kritikern! Sondern eine öffentliche Selbstkritik wie in Maos Sozialismus. Besser wäre es freilich, die Kanzlerin in die Sendung einfliegen zu lassen, damit sie das entscheidende Wort sagen könnte – und der ganze Spuk wäre verschwunden.

Dabei ist Erfreuliches zu berichten. Die Deutschen häuten sich. Sie entdecken ihre Leidenschaft für Moral. Moral war für sie jahrzehntelang verboten. Sie hatten abscheulich egoistisch zu sein, so die Direktiven ihrer Arbeitgeber, die Arbeitgeber heißen, weil Geben seliger ist denn Nehmen. Arbeit-nehmer: was für heillose Abstauber der rastlosen Arbeitgeber.

Der Sieger der Moderne hat rücksichtslos und eigensüchtig zu sein. Und muss die Wirtschaft zum endlosen Wachsen bringen.

Plötzlich entdecken die Deutschen, dass sie Menschen sind und anderen Menschen beistehen können. Nicht aus saurer Pflicht, sondern aus dem kindlichen Furor der Verbundenheit, die ihre unbefangene Humanität entdeckt und sich nicht mehr ausreden lässt. Eine erstaunliche Tatsache. Sollte die Sympathiewelle auch noch politisch werden und nicht zur karitativen Almosenhaltung verkümmern, wäre das Ende des Kapitalismus in Deutschland nahe herbei gekommen.

Und wo bleiben die Industriellen? Warum hört man nicht von ihnen, wie sie den Flüchtlingen helfen wollen? Wo bleiben die glattzüngigen Statements Grillos? Hätten die Reichen nicht erhebliche Möglichkeiten, Arbeitsplätze zu vergeben, Hallen zu errichten und Kindergärten einzurichten?

Nichts hört man von ihnen, den Strategen der Zukunft. Fürs Helfen ist das niedrige Volk zuständig. Im Gegenteil, sie werden misstrauisch, wenn ihre Malocher plötzlich so viel Zeit haben, um sich zu engagieren. Sollten ihre Abhängigen etwa unterfordert sein? Müsste man sie nicht rund um die Uhr unter Arbeitskuratel stellen?

Schon basteln die Wirtschaftsführer an neuen Herausforderungen, die sie Mobilität und Flexibilität nennen. Der Christ ist immer im Dienst und Arbeiten ist Dienst am Wohlstand, dem Geschenk Gottes an die Seinen:

„Zu den neuen Anforderungen gehört, dass er (und sie) nach den klassischen Bürostunden verfügbar ist wie nie zuvor: abends im Wohnzimmer die Präsentation fertigstellen, am Wochenende für den Kunden am Handy erreichbar sein. Teils erwartet das die Firma, teils macht es der Beschäftigte, weil er sich mit seinem Job identifiziert. Aus diesem Mix kann eine ziemlich hohe Belastung entstehen.“ (Süddeutsche.de)

Und wo bleibt der Klerus, der plötzlich so stumm zu sein scheint, weil er mit einer mündigen Gesellschaft nichts anzufangen weiß? Wenn der Mensch zur Bestie wird, dann schlägt die Stunde der Kanzelprediger, die selbst keiner eindeutigen Moral folgen. Wozu wären die Popen noch nötig, wenn sie im Dienst der Machteliten – früher nannte man sie Obrigkeit – nicht die verkommenen Massen durchprügeln könnten? In einer humanen Gesellschaft wären die Popen eine lächerliche Erscheinung.

Und wo bleiben die Sportler, die Lehrer, die Unidozenten, die Künstler und Schriftsteller? Die Tagesschreiber, die noch immer am liebsten über das Böse schreiben? Das Gute kommt ihnen verdächtig vor. Schließlich kennen sie sich. Von Politikern gar nicht zu reden, die unfähig sind, dem Volk zu bescheinigen, dass es die Mächtigen an Verantwortlichkeit übertroffen hat.

Es ist das Volk, das eine neue und verheißungsvolle Stimmung verbreitet. Das räudige Pack wird aufgebauscht und dämonisiert, um das vorbildliche Volk in den Schatten zu stellen. Mit anderen Worten: es könnte spannend werden in Deutschland. Wenn die Deutschen auch noch lernen würden, den heiligen Zirkus ihrer Kanzlerin mit Hohngelächter nach Berlin zurückzubeordern. Jeder Demokrat sollte rot werden vor Scham, wenn er nichts anderes erhaschen wollte als eine huldreiche Geste der Madonnendarstellerin.

Dabei steht die deutsche Demokratie kurz vor dem Abnippeln. Demokratische Methoden sind hierzulande so unbekannt wie Wahlen im Vatikan. Wenn es Defizite gibt, was wäre zu tun? Hören wir den leidenschaftlichen Demokraten Karl Popper:

„Es gibt eigentlich nur zwei Staatsformen: Solche, in denen es möglich ist, die Regierung ohne Blutvergießen durch eine Abstimmung loszuwerden, und solche, in denen das nicht möglich ist. Darauf kommt es an, nicht aber darauf, wie man diese Staatsform benennt. Gewöhnlich nennt man die erste Form „Demokratie“ und die zweite Form „Diktatur“ oder „Tyrannei“. Aber es steht nicht dafür, über Worte zu streiten. Das Entscheidende ist allein die Absetzbarkeit der Regierung, ohne Blutvergießen.“ (SPIEGEL.de)

Das Volk wählt seine Vertreter. Dann beobachtet und überprüft es, in welchem Maß die Vertreter ihre politischen Programme in die Tat umsetzen. Haben sie versagt, müssen sie zum Teufel gejagt werden. Was nicht bedeutet, dass man ihnen nicht eine zweite Chance einräumte, wenn sie glaubwürdig ihre Lernbewegungen in Versuch und Irrtum nachweisen würden.

In Deutschland tritt niemand mehr zurück, niemand wird abgewählt. Seit Jahr und Tag herrschen die gleichen Charaktermasken, die die Übel expandieren ließen – und dennoch an allem unschuldig sein wollen. Merkel betreibt nichts als antiutopische Verweigerungspolitik mit kapitalistischen Scharfmachermethoden. An den Früchten ihrer ökonomischen Eitelkeit und rivalisierenden Fremdbeschädigungen will sie nicht erkannt werden.

Kausale Analysen gibt es nicht mehr. Schuldzuweisungen sind verpönt. Niemand will mehr schuldig sein, niemand will Rechenschaft ablegen, niemand will die Konsequenzen ziehen. Das Gleichnis vom Splitter und Balken hat eine verhängnisvolle Karriere gemacht. Jeder solle erst mal vor der eigenen Türe kehren, bevor er den Balken im Auge der Kanzlerin attackiert.

Doch wir sind nicht im Kindergottesdienst, um mit klerikalen Methoden die Kritik an den zuständigen Gremien niederzumachen. Zwar sind wir alle schuldig, wenn wir die Verantwortungslosen nicht zur Rechenschaft ziehen. Doch unsere subjektive Schuld beseitigt nicht die objektive Schuld der Gewählten und Mächtigen. Wer als Gewählter in der Polis versagt, muss seinen Hut nehmen.

Die Aufforderung zur Selbstkritik hat nur den Sinn, von der Kritik an den Eliteklassen abzulenken. Scheinheilige christliche Moralforderungen dienen der Unterhöhlung der öffentlichen Kontrolle. Mit aller List und Tücke lenkt die mediale Manipulation von den Defiziten der Verantwortungsträger ab.

Der Einzelne wird verhöhnt, wenn er sich als Opfer der Umstände deklariert, anstatt als Alleinverantwortlicher für sein Schicksal einzutreten. Er ist beides: Opfer seiner Umstände und dennoch verantwortlich für sein Schicksal. (Es sei, er ist psychisch so verstümmelt, dass er über keine selbstbestimmte Energie mehr verfügt.)

Schuldzuweisungen sind keine Sündenvorwürfe, sondern rationales Aufzeigen politischer Fehler. Schuld ist keine Schuld vor Gott, sondern Versagen vor dem Citoyen.

Die herrschende Klasse hätte allen Grund, kollektiv das Handtuch zu werfen und sich nach Mallorca zu verabschieden. Seit Jahr und Tag lässt sie das Gemeinwesen durch die dümmste Politik seit Adam und Eva verschandeln. Durch erbarmungslose Ungerechtigkeit und untergangssüchtige Naturzerstörung.

Die Arbeit des Westens ist keine symbiotische Arbeit an der Natur. Sondern Arbeitsgeste in Allmachtspose. Jahwe sprach – und es ward. Dieses Kreieren aus Nichts ist das Ziel der genialen Zukunftsmaschinen. Nur noch reden – und dann geschieht‘s. Davon träumt Silicon Valley.

Noch ist die Kreationsarbeit der Fortschrittlichsten im Stande der Abhängigkeit vom natürlichen Substrat. Sie benötigen seltenen Dreck und rohe Stoffe aus aller Welt, um ihre göttlichen Roboter herzustellen. Das muss anders werden. Ein scharfes, geistbegabtes Kommandowort – und die unfehlbare Maschine hat zu funktionieren und die Welt zu beherrschen.

Wenn Arbeit den Zweck hat, Menschen von ihren demokratischen und humanen Pflichten zu entbinden, wird Arbeit zum faschistischen Akt. Die Zeitgenossen sollen nur noch erwerbsarbeiten. Alles andere gilt als Freizeit-Larifari.

Demokratisches Pflichtenerfüllen ist keine Erwerbsarbeit und dennoch notwendiger als alles Malochen. Der Mensch ist weder homo faber noch homo laborans. Sondern homo sapiens. Der Mensch ist ein zur Weisheit verpflichtetes Wesen. Was ist Weisheit? In Übereinstimmung leben mit der Natur. Ohne Weisheit wird es kein Überleben in der Natur geben. Arbeit muss dienen und darf den Menschen nicht beherrschen.

Das beglückende Leben beginnt, wenn Notwendigkeiten des Überlebens endigen.

Fortsetzung folgt.