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Arbeit (I)

Hello, Freunde der Arbeit (I),

Arbeit schuf den Menschen nach ihrem Bilde, nach ihrem Bilde schuf sie ihn. Arbeit war der Vater, Natur die Mutter des Menschen. Auf die Mutter kommt es nicht an, sie ist nur Stoff. Der arbeitende Vater hat den Menschen erschaffen.

Minderwertiger Stoff ist Materie. Materie kommt von Mater, der Mutter. Es wird Zeit für den Vater, der Geist hat, dass er sich über die nichtswürdige Materie erhebt. Geist ist mehr wert als materieller Stoff. Fortschritt und Kreativität der Männer haben nur ein Ziel: die Abschaffung der Frauen und Mütter.

„Die Arbeit ist die Quelle alles Reichtums. Sie ist dies neben der Natur, die ihr den Stoff liefert, den sie in Reichtum verwandelt. Aber sie ist noch unendlich mehr als dies. Sie ist die erste Grundbedingung menschlichen Lebens, und zwar in einem solchen Grade, dass wir in gewissem Sinn sagen müssen: Sie hat den Menschen selbst geschaffen. (Engels)

Der Kapitalismus ist eine Religion der Arbeit für die einen: für die Arbeitenden. Und eine Religion der anderen: die sich den Wert der Arbeit unrechtmäßig aneignen. Die Arbeitenden werden um den Wert ihrer Arbeit betrogen. Die Aneigner tun, als arbeiteten sie. Ihre Arbeit besteht darin, in Luxusjets rund um den Planeten zu düsen und bei Wein, Weib (aber ohne Gesang) ihre globalen Machtnetze zu verknüpfen und zu erweitern. Und Gesetze und Mechanismen aushecken, mit denen man die Malocher legal um den Wert ihrer Arbeit betrügen kann.

Die Französische Revolution war unvollständig. Mit Hilfe des Volkes erhob sich der bürgerliche Dritte Stand gegen Adel und Klerus. Als sie die Macht erobert hatten, verriegelten sie die Tür hinter sich und verhielten sich zum Volk wie Adel und Klerus sich zu ihm verhalten hatten: im Schein der Legalität

saugten sie den Vierten Stand bis auf die Knochen aus.

Die nächste Revolution muss die Bourgeoisie in die Mangel nehmen, wie diese den Adel und seine klerikalen Bodyguards in die Mangel genommen hatte.

Als der Vierte Stand sich minimale Rechte und einen kümmerlichen Wohlstand erkämpft hatte, traktierten alle Stände der hochentwickelten Nationen die von ihnen eroberten Kolonialländer, wie die oberen Klassen einst die unteren traktiert hatten. Die Letzten beißen die Hunde.

Bis heute beruhen Wohlstand und Reichtum des mächtigen Westens auf der Ausplünderung abhängiger und schwächerer Länder. Die globalisierte Wirtschaft ist zur Freistil-Arena der Starken geworden, die ihre alles bedrohende Willkür als Freiheit propagieren. Freiheit ist zur Berechtigung der Starken geworden, alle Schwächeren unbedenklich auf die Matte zu legen und ihnen mit demokratischen Gesetzen das Maul zu stopfen.

Prüfen Sie Ihr Wissen (Lieblingskategorie der Medien in sensationsarmen Urlaubswochen): was ist der Unterschied zwischen einer sozialistischen Planwirtschaft – und einer kapitalistischen Planlos-Demokratie?

Keiner, mit einem kleinen Unterschied. Im Sozialismus beherrschte der Staat die Wirtschaft, im Kapitalismus ist es umgekehrt. Das Ergebnis ist das gleiche. Nur Letzteres ist effektiver, weil die Starken auch den Staat beherrschen.

In diesem Sinne musste Merkel, Überlebende des Sozialismus, keinen Deut umdenken. Im Sozialismus gehörten die privilegierten Kasners (Familie Merkels) zur kaum behelligten geistigen Führungsschicht – des eschatologischen Marxismus.

Die Legende will, dass die Kirche in der DDR drangsaliert worden sei. Im Gegenteil: das Christentum war für die Honeckers nichts als eine Embryonalausgabe des Marxismus.

Im Westen gehört Pastor Kasners tüchtige Tochter zur frei flottierenden Führungsschicht – des eschatologischen Kapitalismus. Dort fuhr der Zug der Geschichte ins Reich der Freiheit (vorher wurden die Ausbeuter massakriert), hier fährt der Zug in den Himmel der EINPROZENT (die Ausgebeuteten werden schon auf Erden lebendig gesotten.)

Eine Konvergenz der Systeme war ausgeschlossen: beide Systeme waren konvergent bis auf die Knochen. In beiden Systemen herrschte Arbeitsreligion. Arbeit für die Doofen, Arbeitsprofit für die Cleveren. Die Cleveren des Kapitalismus tragen teure Anzüge mit Krawatten und Manschetten (in letzter Zeit ohne), die Cleveren des Sozialismus trugen Ledermäntel mit Brechtmützen. (Gibt’s immer noch – in grau 15 Euro.)

Der Kapitalismus ist eine verhängnisvolle Synthese vieler abendländischer Philosophie-Elemente. Über Jahrhunderte mendelte er sich mit Hilfe von Privilegien, überlegener Bildung, Machtwissen, politischer Raffinesse zum prächtig ausgereiften Neoliberalismus der Gegenwart.

a) Umwandlung obligater Schulden in eine Schuldreligion. Schuld vor Gott ist, wer Schulden hat. Gott vergibt alle Schuld – nur keine Schulden. Es gilt die Devise des Herrn: Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet. Merkel richtet nicht. Leidenschaftslos exekutiert sie Regeln der Evolution. Manche sprechen von kalt, aber nein, ihr Herzchen blutet. Wenn sie an Griechenland denkt in der Nacht, ist sie um den Schlaf gebracht. Die Welt ist schlecht, weiß Angela. Wer aber ist sie, dass sie dies ändern dürfte? Das Schlechte hat ein göttliches Verfallsdatum. Die Magd des Herrn sorgt dafür, dass das Datum nicht hinausgezögert werde.

b) Machiavaelli und Mandeville: was gut ist für die eigene Macht und den eigenen Sparstrumpf, ist auch gut für die Moral. Das Schlechte ist das Gute für Fortschritt und Kapitalakkumulation. Alles andere ist Privatsache. Die Moral des Kammerdieners ist nicht die des Herren und Eigentümers.

c) Seid fruchtbar, mehret euch, machet euch die Erde untertan. Die Ehre der Natur besteht darin, von der Krone der Schöpfung wie eine Auster ausgelutscht zu werden. Ist sie ausgelutscht, wird sie weggeworfen. Eine neue muss hergezaubert werden.

d) Die Heilsgeschichte ist eine himmlische Dallas-Intrige. Der Patriarch und Gründer der Weltfirma muss die unfreundliche Übernahme seines Familienunternehmens seitens seines schärfsten Rivalen rückgängig machen. Selbst ist er zu alt und schwach und muss all seine Hoffnung auf seinen Sohn setzen, der für die Rettung des VATERs und seines degenerierten Besitzes schwer bluten muss. Doch Ende gut, alles gut. Übernatürliches schlägt Natürliches. Göttliche Lynchjustiz veranstaltet eine finale Abrechnung. Alle Schurken der Tragödie werden geworfelt. Die kleine Schar der Getreuen wird mit geretteten Himmels-Immobilien in Gold und Edelsteinen fürstlich belohnt.

e) Motor der Heilsgeschichte ist Arbeit, eine Strafe für rebellische Geschöpfe, die es wagten, dem Alten ähnlich zu werden. („Der Mensch ist worden wie unsereiner“.) Mit Arbeit wird Natur überwältigt und bis aufs Mark abgesaugt. Danach weggeworfen. Mit Arbeit ernährt sich der Mensch und kreiert seine Kultur und Zivilisation. Kreativität des Menschen ist der Kern seiner Gottähnlichkeit. Fast aus dem Nichts erschafft der Mensch alles Wertvolle dank seiner Arbeit.

„So werden wir herausfinden, dass man in den meisten Fällen 99 Hundertstel ganz dem Konto der Arbeit zuschreiben muss. Es ist also die Arbeit, die dem Boden den größten Teil seines Wertes verleiht.“ (Locke) Natur ist fast wertlos, die Tätigkeit des Menschen verleiht seinen Produkten den wahren Wert.

Physiokraten, die erste ökonomische Schule aus Frankreich, setzte alles auf die alleinige Produktivität der Natur (physis). Die englischen Frühkapitalisten hielten nichts von der Natur und verlegten allen Wert in die Arbeit des Menschen. Die Arbeitsökonomie der Calvinisten setzt sich gegen die Franzosen durch. Marx – in seiner Frühzeit noch von Schellings Naturphilosophie geprägt – verrät die Natur und geht zur angelsächsischen Arbeitswerttheorie über.

Arbeit hat zwei Funktionen: a) sie muss den Menschen ernähren und b) sie muss des Menschen Gottähnlichkeit durch creatio ex nihilo beweisen.

Um Arbeit zu erleichtern und die Natur effektiver in die Knie zu zwingen, hat der Mensch die Maschine erfunden. „Aber gerade die Veränderung der Natur durch den Menschen, nicht die Natur als solche allein, ist die wesentlichste und nächste Grundlage des menschlichen Denkens.“ (Engels)

Warum gab es auch im realen Sozialismus keinen Umweltschutz? Weil Marx und Engels ihre frühe Naturnähe der calvinistischen Arbeit opferten. „Dieser Kommunismus ist als vollendeter Naturalismus Humanismus“: aus dieser wohl klingenden Formel wurde nichts. Sollte sie wahr gewesen sein, musste der spätere Materialismus zum Anti-Humanismus werden, denn er verriet seinen Naturalismus.

Im gesamten Westen gibt es keine einzige naturnahe Ökonomie. Die Wirtschaft der Moderne ist zur schrecklichsten Waffe der Hab- und Machtgierigen gegen die Natur geworden. Liest man Wirtschaftsberichte, so gibt es nur ein grenzenloses Wirtschaftswachstum, obgleich Wirtschaft die Natur längst ausgebeint hat.

Ökonomen scheinen den Begriff Ökologie nicht zu kennen. Ein Ökonom, der auf sich hält, ist ein moderner huomo universale, der am besten weiß, was dem modernen Menschen frommt. In Psychologie, Pädagogik, Verträglichkeit von Familie und Maloche, Anthropologie, Zukunft, Macht, Asyl- und Flüchtlingsfragen oder der Bedürfniswelt des Menschen: der Mensch hat unendliche Bedürfnisse, muss Zukunft forsch und risikofreundlich angehen, ist rational-egoistisch, handelt immer gewinnorientiert. Klimafragen kann er ignorieren. Denn er glaubt an die überlegene Weisheit des Marktes, die mit der Kinderstubenmoral des einfältigen Menschen nichts zu tun hat. Sollte es Probleme auf dem unendlichen Weg in die Zukunft geben: der Mensch wird sie mit Technik und sacro egoismo lösen.

Auch bei Marx ist der Mensch besser als die Natur. Das reibt sich gewaltig mit der Überzeugung, der Mensch sei Teil der Natur, aber kein Wesen, das Natur mit Geist überflügle. Das Sein bestimmt das Bewusstsein? Das gilt nur für Politik und Revolution, aber nicht für die Arbeitswelt. An dieser unvermuteten Stelle erhält der Mensch seinen naturüberlegenen Geist zurück: der Mensch hat Ideen, die Natur nicht:

„Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war.“

Beim Malochen hat der Mensch Ideen, beim Denken, Politisieren, Argumentieren, sind diese Ideen nichts als Überbau, abhängige Produkte seiner wirtschaftlichen Machtinteressen. Der Sozialismus war keine Alternative zum Kapitalismus. Er wollte nur den Profit der Gesellschaft gerechter verteilen. Alles andere war naturfeindlich, arbeitswütig und zwanghaft kreativ wie sein Antipode.

„Als Dsi Gung durch die Gegend nördlich des Han-Flusses kam, sah er einen alten Mann, der in seinem Gemüsegarten beschäftigt war. Er hatte Gräben gezogen zur Bewässerung. Er stieg selbst in den Brunnen hinunter und brachte in seinen Armen ein Gefäß voll Wasser herauf, das er ausgoss. Er mühte sich aufs äußerste ab und brachte doch wenig zustande. Dsi Gung sprach: Da gibt es eine Einrichtung, mit der man an einem Tag hundert Gräben bewässern kann. Man nimmt einen hölzernen Hebelarm, der hinten beschwert und vorne leicht ist. Man nennt das einen Ziehbrunnen. Da stieg dem Alten der Ärger ins Gesicht und er sagte lachend: Ich habe meinen Lehrer sagen hören: Wenn einer Maschinen benutzt, so betreibt er alle seine Geschäfte maschinenmäßig; wer seine Geschäfte maschinenmäßig betreibt, der bekommt ein Maschinenherz. Wenn einer aber ein Maschinenherz in der Brust hat, dem geht die reine Einfalt verloren. Bei wem die reine Einfalt hin ist, der wird ungewiss in den Regungen seines Geistes. Ungewissheit in den Regungen des Geistes ist etwas, das sich mit dem wahren Sinn nicht verträgt. Nicht dass ich solche Dinge nicht kennte, ich schäme mich, sie anzuwenden.“ (Dschuang Dsi)

In Europa hat sich das maschinenmäßige Herz durchgesetzt. Die Maschine wurde zur Wunderwaffe des Westens in der Eroberung der Welt. Die Maschine wurde zum Geschöpf des Menschen, wie der Mensch Geschöpf des Gottes ist. Exemplarisch abzulesen an der Figur des sagenhaften Golems.

Der Golem war „ein von Weisen mittels Buchstabenmystik aus Lehm gebildetes stummes menschenähnliches Wesen, das oft gewaltige Größe und Kraft besitzt und Aufträge ausführen kann. Im Talmud wird die Erschaffung Adams in der Weise beschrieben, dass er wie ein Golem aus einem formlosen Brocken gestaltet worden sei. Wie er werden alle Golems als aus Lehm geformt beschrieben, und zwar als Schöpfung derer, die als besonders heilig gelten, da ihnen in ihrer Nähe zu Gott seine Weisheit und Kräfte mitgeteilt worden seien. Freilich reichte auch die Erschaffung eines Golems nicht an die Schöpfung heran: Golems werden in der Regel als zum Sprechen unfähig beschrieben.“

Die Golems der Moderne nennt man Roboter, denen man Denken und Sprechen beibringen will. Würde das gelingen, wären sie menschen- und damit gottgleich. „Auch eine Frau, die noch kein Kind empfangen hat, wird als Golem bezeichnet“ – womit die Frauenfeindlichkeit der Urmaschine bewiesen ist. (Wiki)

In der frühen Moderne wurde der mythologische Golem zur Idee einer Menschmaschine, die in der Gegenwart zur Realität wurde. Die künstliche Menschmaschine wurde zur Uridee des intelligenten Computers, der den Menschen in allen Funktionen und Fähigkeiten überwinden soll.

Im Erfinden von Intelligenzmaschinen will der Mensch sich trans-zendieren, er will seine Grenzen überschreiten. „Der Mensch will die ihm von der Natur gesetzten Grenzen niederringen. Dass er damit im Begriffe steht, zum „Übermenschen“ zu werden, scheint uns evident. Der Mensch als Übermensch respektiert die Schranken der Natur nicht. Damit ist er nicht nur Usurpator der Natur, sondern auch seiner eigenen Evolution. Und damit allerdings Mitenscheidender über Sein und Nichtsein der Menschenwelt.“ (Biologe Hans Mislin in: Zum Problem des Übermenschen in der gegenwärtigen Biologie)

Sein oder Nichtsein der Natur: das ist heut die Frage. Von der Arbeit zum Übermenschen – das ist die Entwicklung des Menschen, der mit Arbeit nicht nur sein Leben fristen, sondern seine Gottähnlichkeit feiern will. Sollte diese Gottähnlichkeit gefährlich sein, wird aus dem auratischen Wesen eine Spottgeburt aus Dreck und Feuer, ja ein dem Tode geweihter Scharlatan.

Wäre der Mann in der Lage, aus Dreck und Feuer ein lebendiges Wesen zu schaffen, hätte er die Frau überflüssig gemacht. Der alte Geschlechterkampf endete mit der totalen Überlegenheit des Mannes und dem Untergang der Frau. Kein Wunder, dass solche frauenfeindlichen Ziele in einer Männerreligion als Glaubenssätze angebetet werden.

Auch außerhalb der Religion finden wir männliche Angst vor der Frau. Der Mann muss die Frau erniedrigen, weil er sie für überlegen hält:

„Wie gut, dass Frauen bei uns weniger Rechte haben. Andernfalls wären sie uns überlegen.“ (Seneca)

Beim griechischen Dramatiker Aischylos lesen wir, dass nicht die Frau die Erzeugerin des Kindes ist:

„Die man Mutter heißt, ist nicht die Zeugerin des Kindes,

Sie ist nur Amme des frischgesetzten Keims.

Ich gebe euch gleich den Beweis, dass Vaterschaft auch ohne Mutter sein kann:

Als lebendiges Zeugnis steht vor euch die Tochter des Zeus (Athene)

Kein dunkler Weiberschoß hat sie gebildet, und doch ist sie so herrlich geschaffen wie kein Götterkind.“

Maschinen sollten nicht nur die Frau, sondern auch harte und unwürdige Arbeit abschaffen. Müsste nicht bei jeder Generation neuer genialer Maschinen die Arbeitszeit der Menschen immer weiter reduziert werden?

Marxens Reich der Freiheit war eine vollmechanisierte Gesellschaft, in welcher der befreite Mensch nur wenige Stunden am Tag arbeiten sollte. Den Rest des Tages konnte er der Muße widmen. Über Muße wollte Marx nicht viele Worte verlieren. Sein verhasster Schwiegersohn Paul Lafargue hatte ein marx-kritisches Buch geschrieben: „Das Recht auf Faulheit.“

Faulheit ist nicht Muße und Muße kein Müßiggang, sondern frei gewählte Tätigkeit, in welcher der Mensch sich finden und seine Fähigkeiten entwickeln kann.

Für Lafargue war die Maschine die Erlöserin der Menschheit. Der Kapitalismus erschuf ständig bessere Maschinen – und zerschlug doch ihre paradiesischen Möglichkeiten in gewalttätiger Profitgier. Traf das nicht auch auf die Arbeitsreligion des Marxismus zu? Kein sozialistisches Lehrbuch, in dem nicht die paulinische Drohung stünde: wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. Todesstrafe für Arbeitsverweigerer und unliebsame Arbeitslose, denen man einen Hang zur Faulenzerei unterstellen darf – damit man sie guten Gewissens abstrafen kann.

Aus diesem paulinischen Geist sind die Hartz4-Gesetze gemacht, die die staatlichen Almosenempfänger als Insassen eines Freiluftgefängnisses definieren. Wer nicht peinlich genau Termine ein hält, wird erbarmungslos bestraft. Wie viele Jugendliche müssen auf der Straße verwahrlosen, weil Atheist Schröder Arbeitspolitik in   neutestamentlicher Gnadenlosigkeit betrieb.

Aristoteles hatte Marxens Reich der Freiheit mittels vieler Maschinen schon vorweggenommen: „Wenn jedes Werkzeug auf Befehl oder auch vorausahnend das ihm zukommende Werk verrichten könnte, wie des Dädalus‘ Meisterwerke sich von selbst bewegten, oder die Dreifüße des Hephaistos aus eigenem Antrieb an die heilige Arbeit gingen, wenn so die Webschiffchen von selbst webten, dann bräuchte der Werkmeister keinen Gehilfen, die Herren keine Sklaven.

Für Lafargue war der Traum des Aristoteles längst Realität geworden – und dennoch war das Paradies nicht eingetreten:

„Der Traum des Aristoteles ist heute Wirklichkeit geworden. Unsere Maschinen verrichten feurigen Atems, mit stählernen, unermüdlichen Gliedern, mit wunderbarer, unerschöpflicher Zeugungskraft, gelehrig von selbst ihre heilige Arbeit; und doch bleibt der Geist der großen Philosophen des Kapitalismus beherrscht vom Vorurteil des Lohnsystems, der schlimmsten Sklaverei. Sie begreifen noch nicht, daß die Maschine der Erlöser der Menschheit ist, der Gott, der den Menschen von den schmutzigen Künsten und der Lohnarbeit loskaufen, der Gott, der ihnen Muße und Freiheit bringen wird.“

Lafargue hatte sein schmales Büchlein bereits im Jahre 1883 geschrieben. Fast anderthalb Jahrhunderte später sind die Maschinen des Spätkapitalismus noch ungleich genialer und perfekter – und dennoch arbeiten die Menschen immer länger. Nicht nur Männer, auch Frauen werden zunehmend dem Diktat einer unwürdigen Maloche unterzogen.

Muße ist zum Fremdwort geworden. Familien werden zerstört. Wer arbeiten will, um zu leben, gilt als Feind der westlichen Ökonomie. Die Religion der Arbeit ist zur ecclesia triumphans der Welt geworden.

Wie ist dieser Wahnsinn zu erklären?

Fortsetzung folgt.