Kategorien
Tagesmail

Arabische Kultur

Hello, Freunde der arabischen Kultur,

Hisham Melhem hat die arabische Kultur aufgegeben. Der gebürtige Libanese ist der Washingtoner Büroleiter des in Dubai ansässigen Satellitenkanals Al-Arabija sowie Korrespondent der führenden libanesischen Tageszeitung „Annahar“:

„Die arabische Zivilisation ist zusammengebrochen. Zu meinen Lebzeiten wird sie nicht mehr auf die Beine kommen.“

„Die arabische Zivilisation, wie wir sie einmal kannten, gibt es nicht mehr. Alle Hoffnungen der modernen arabischen Geschichte sind enttäuscht worden. Politische Mitwirkung, die Wiederherstellung der Menschenwürde – die Versprechen aus der Blütezeit der arabischen Aufstände sind verweht. Zurückgeblieben sind Bürgerkriege, ethnische, konfessionelle und regionale Konflikte sowie die Wiederkehr eines militaristischen Absolutismus.“ (Hisham Melhem in ZEIT Online)

Nach dem Untergang des Abendlands – der Untergang des Morgenlands? Gibt es eine arabische Kultur außerhalb des Islam? Hat arabische Kultur dem Abendland nicht die griechische Kultur vermittelt, sodass mehrere Aufklärungsbewegungen – von der Übersetzerzentrale im spanischen Toledo über die Renaissance in Italien, England und Frankreich bis ins deutsch-russische Königsberg – die Kunde von der Freiheit in die germanischen Wälder tragen konnten?

Müsste Europa nicht Trauer tragen ob des Niedergangs der prächtigen arabischen Kultur, der das Abendland so viel zu verdanken hat, dass er seine

eigene Intoleranz in ihren religiösen Grundfesten angreifen und soweit schwächen konnte, dass wir heute über die größte Meinungs- und Religionsfreiheit unserer Geschichte gebieten?

Wie nehmen die Deutschen den Untergang des Morgenlands wahr? Mit riesigen Demonstrationen gegen den Islamismus“. Oder ging‘s gegen den Islam? Oder gegen alle Flüchtlinge, Nichtarier, Nichtchristen, Einheimische „mit Migrationshintergrund“? Oder gegen alles, was den Merkelwählern schon lange nicht mehr geheuer ist?

Wird an „Islamisten“ abgeladen, was vor nicht allzu langer Zeit den Juden aufgeladen wurde? Pegida, Pragida, Magida, Hoygida – wie lange noch bis zur Swastika?

Was wollen denn die Unzufriedenen, die keine Extremisten sein wollen? Sie stellen sich keiner Debatte und meiden alle Mikrofone. Laut TAZ sind es „die Generalverbitterten, die zu kurz Gekommenen, die Totalverweigerer dieser Gesellschaft, die hier Dampf ablassen. Asylanten genießen ihrer Meinung nach Vollkomfort, während Deutsche bei der Arbeitsagentur „die Hosen runterlassen“ müssten. Und die ungezählten Salafisten störten den vermeintlichen Bürgerfrieden. Politiker sind generell Volksverräter, Behörden bescheißen nur, und die gleichgeschalteten linken Medien lügen ausschließlich. Sonst würden sie nämlich berichten, dass Ausländer meist kriminell sind, dass Asylanten siebenmal so viel kosten wie Hartz-IV-Empfänger und dass in Deutschland der Dschihad tobt.“ (Michael Bartsch in der TAZ)

Wenn Experten, die gelegentlich das „dumpfe Volk“ verstehen wollen, sonst nichts einfällt, reden sie von Ängsten. Ist damit etwas erklärt? Alle Menschen haben Angst, selbst die Experten.

Woher also die Aufregung über demonstrierende Angsthasen? Menschen mit Ängsten kann medizinisch oder therapeutisch geholfen werden. Warum werden sie von Oberangsthase de Maiziere – das ist der, der auf sein preußisches Mustergesicht so stolz ist – hysterisch zur Minna gemacht?

Haben wir es mit der weltweit bekannten „German Angst“ zu tun? Wovor haben die Deutschen Angst? Sind sie ängstlicher als andere Nationen, die vor Heiterkeit und Lebenslust übersprudeln?

Deutsche Angst ist ein babylonischer Turm an übereinander gestapelten Ängsten. Die Urangst vor der Verdammung verwandelt und konkretisiert sich in Dauerängste einer bedeutungslosen Nation in der Mitte Europas, die oft genug von allen Seiten heimgesucht und zerquetscht wurde:

Die Niederlage des Kaiserreiches gegen den Papst (Canossa); die Niederlage des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation an der Schwelle zur Neuzeit, an der alle europäischen Nachbarn die Welt eroberten, nur nicht die von religiösen Bürgerkriegen geschwächten Deutschen; der 30-jährige Krieg, der fast ganz Deutschland von der Landkarte fegte; zwei verlorene Weltkriege; der Verlust eines gottgleichen Sohnes der Vorsehung.

Deutschland, die zurückgebliebene Nation, muss ständig fürchten, dass ihr die Konkurrenten uneinholbar enteilen. Dass sie heute in manchen Punkten an der Spitze sind, können sie nicht glauben: morgen schon, so fürchten sie, könnte alles vorbei sein.

Deutsche Angst ist Furcht vor der Bedeutungslosigkeit. Einst wollten sie die Messiasse der Welt sein. Morgen könnte die ganze Welt über sie lachen: wo sind sie denn, die deutschen Weltbeglücker? Schaut doch unter Hempels Sofa nach. Kein Tag, an dem deutsche Medien nicht davor warnen, träge auf dem jetzigen Erfolg sitzen zu bleiben und morgen im schwarzen Loch des Universums zu verschwinden. „Schon seid ihr satt geworden“.

Deutsche Angst ist verdeckte Scham, die keine Scham sein darf. Auch gefallene Helden kennen keine Scham. Arische Übermenschen durften keine Angst haben. Deutsche Angst ist Selbstekel, der sich in jene Untugend verbeißt, die in ihrer Übermenschenzeit am striktesten verboten war.

Vor allem ist deutsche Angst deutsche Feigheit, die unfähig ist, ihre Kritik an Gott und der Welt freimütig zu äußern – und deutsche Dummheit, die nicht darüber nachdenken will, was sie missbilligt.

Angst ist die Weigerung, wissen zu wollen, wovor man sich fürchtet. German Angst ist Furcht, sich über sich selbst aufzuklären. Kein Wunder, dass Angst die Einlasspforte der Popen ist, um Weihrauch über die Ängste zu wedeln.

Die tiefste Angst ist die vor der vaterlosen Gesellschaft. Dabei geht es nicht, wie die Mitscherlichs meinten, um den irdischen, sondern um den himmlischen Vater. Das irreparabel religiöse Volk in der Mitte Europas hat Angst, nicht mehr zu den Auserwählten der Heilsgeschichte zu gehören. Daher ihre bigotte Überidentifikation – die sie Philosemitismus zu nennen wagen – mit der israelischen Gesellschaft, um wenigstens stellvertretend oder sekundär auserwählt zu sein.

Nein, den Wettlauf mit den Juden um die finale Auserwähltheit wollen sie auf keinen Fall verlieren. Deshalb klammern sie in Stummheit und kriegen kein kritisch-aufmunterndes Wörtchen heraus. Opfer und Täter konkurrieren noch immer verbissen und verhohlen um den Titel der Lieblinge des himmlischen Vaters, der Besten unter den Völkern. Die deutsch-jüdische Sym- und Antibiose geht in die nächste Runde.

Das ist der Grund, warum die Deutschen die parallelen Existenzängste der Israelis nicht zur Kenntnis nehmen. Die düsteren Analysen von Moshe Zuckermann und Uri Avnery – auch der jüngste TAZ-Artikel von Micha Brumlik war von jeder Hoffnung weit entfernt – müssen verdrängt werden. Hinter dem Wahrnehmungsverbot lauern tief vergrabene antisemitische Unheilswünsche, die mit zwanghaftem Philosemitismus überdeckt werden müssen.

In der christogenen Mitte der Gesellschaft verbirgt sich die Urgiftquelle des Antisemitismus, die auf den Kairos lauert, um alle Dämme zu brechen. Die antisemitischen Krakeeler sind die geringste Gefahr. Sie zeigen sich und sind Angelegenheit der Polizei. Die wahren Untiefen liegen im kollektiven Unbewussten der christlichen Bourgeoisie.

Fehlen noch die Untergangsängste des mächtigsten Staates der Welt, der gerade dabei ist, seinen Status als Demokratie im letzten Moment zu retten. Wenn Dabbelju Bush und Cheney ihre hinausposaunten Menschenrechtsverbrechen nicht vor dem Kadi büßen, wenn Dabbeljus Bruder als Präsidentschaftskandidat sich nicht strikt von seinem Folterbruder distanziert, könnte der Konkurs der amerikanischen Demokratie in der nächsten Regierungsepoche eintreten.

Natürlich ist es eine Frau – Dianne Feinstein –, die momentan alles unternimmt, um ihr Land nicht vor die Hunde gehen zu lassen. Dass der Bericht über CIA-Folter veröffentlicht wird, ist nicht zuletzt ihr Verdienst.

Haben auch Amerikaner Untergangsängste? Und ob. Sie verfügen nur über wirksamere Methoden, die Ängste durch religiösen Pflichtoptimismus unter dem Teppich zu halten. Der Glaubensoptimismus im Neuen Kanaan aber scheint nachzulassen. Die Apokalypsen Hollywoods werden inflationär.

Zum ersten Mal in seiner triumphalen Geschichte beginnt Gottes eigenes Land an seiner herausragenden Sonderrolle zu zweifeln. Es wird Zeit, dass der Herr kommt, damit die Amerikaner von anschwellenden Endzeitängsten nicht überflutet werden.

Auch Putins Kehrtwendung zur russisch-orthodoxen Kirche ist als letztes, verzweifeltes Mittel zu verstehen, um sich in den Hafen des Heils zu retten.

Untergang, wohin man blickt. Doch niemand gibt zu, dass ihm der Arsch auf Grundeis geht. Um das eigene Zittern und Beben zu verbergen, dämonisiert man lieber die rivalisierenden Machtblöcke, als dass man sich auf sich selbst besönne und seine eigenen Ängste unter die Lupe nähme. Wer prophylaktisch den Feind erschlägt, muss nicht fürchten, von ihm erschlagen zu werden. Angst fressen Seele auf. Angefressene Seelen greifen zur Waffe, um ihre Ängste mit Gewalt zu kurieren.

Ängste sind Hauptursachen von Kriegen. Wer mit Ängsten kokettiert, ohne ihnen auf den Grund zu gehen, wird zur globalen Kriegsgefahr – wenn er über menschheitsvernichtende Waffen verfügt.

Das Zeitalter übermächtiger Welt-Angst wird das letzte Zeitalter der Menschheit sein. In der Welt habt ihr Angst, siehe, ich habe die Welt überwunden. Das ist das Heilsrezept einer religiösen Welt, die ihre Angst heilen will, indem sie die Welt vernichtet.

Was sind für Hisham Mehlem die Ursachen seiner „arabischen“ Verzweiflung? Auch er traut sich nicht, seine Religion als potentielle Unheilsquelle zu betrachten. Was die Leugnung der verderblichen Rolle der Religion betrifft, sitzen Christen, Juden und Muslime alle im gleichen Boot. Sie sind überzeugt: illusionäres Heil kann nie in reales Unheil umschlagen. Das walte Gott.

„Religiöser Hass allein ist jedenfalls keine hinreichende Erklärung dafür, dass es entlang einer Front von Basra am Persischen Golf bis nach Beirut am Mittelmeer fast überall zu Blutvergießen zwischen Sunniten und Schiiten kommt. Hier tobt ein geopolitischer Kampf, in dem die schiitische Vormacht Iran und die sunnitische Zentrale Saudi-Arabien (sowie die jeweiligen Stellvertreter beider Staaten) um die Vorherrschaft ringen. … Sehen wir der Wahrheit ins Gesicht: Es gibt nicht den geringsten Beleg dafür, dass sich der politische Islam mit moderner Demokratie versöhnen lässt. Von Afghanistan unter den Taliban bis nach Pakistan und Saudi-Arabien, vom Iran bis in den Sudan existiert keine einzige islamistische Ordnung, die man als demokratisch und gerecht oder einfach nur als Beispiel für ein gut regiertes Gemeinwesen anführen könnte.“ (Hisham Mehlem)

Die arabische Kultur ängstigt sich, vom Westen übermächtigt und zu einer Marionette des amoralischen Kapitalismus degradiert zu werden. Warum haben die Deutschen Angst vor der arabischen Kultur? Weil der Islam dem christlichen Dogma zum Verwechseln ähnlich ist. Das könnten die Deutschen nur begreifen, wenn sie ihre eigene Religion begriffen.

Als touristische Weltmeister, Dichter und Denker sind die Deutschen allem Fremden aufgeschlossen. Doch als bornierte Wirtschaftsegoisten fürchten sie alle Flüchtlinge, die ihr wohl verdientes BIP plündern könnten.

Nüchtern sah der Engländer Rudyard Kipling die unübersteigbare Kluft zwischen Christus und Mohammed:

„Ost ist Ost, West ist West, sie werden nie zueinander kommen“.

Goethe hingegen, Schmidtchen Schleicher unter den kritiklosen Empathie-Poeten, sah im „West-östlichen Divan“ nur eitel Harmonie zwischen beiden Kulturen:

„Wer sich selbst und andere kennt,

Wird auch hier erkennen:

Orient und Okzident

Sind nicht mehr zu trennen.

Obwohl er dezidierter Nichtchrist sein war, erkannte Goethe nicht die unverträgliche Intoleranz beider Erlöserreligionen. Aus ihm sprach kein kritischer Geist der Klassik, aus ihm sprach schon der Geist der Romantik – obgleich er die Romantiker als kranke Bürschchen verachtete.

Die Romantik war gespalten in allesverstehende Welt-Sympathie und rigorose religiöse Weltverachtung. Goethe erkannte nicht, dass zwei unfehlbare Heilsreligionen unverträglich sind. In diesem Sinn ist er ein Vorläufer der blinden multikulturellen Harmoniesucht der Grünen, die den Hass zwischen Okzident und Orient nicht wahrhaben wollten. Allesverstehen heißt für Romantiker und Grüne: alles gut heißen und kritiklos absegnen.

Gutgläubige Blindheit kann keine Konflikte lösen, denn sie begreift nicht, wie sie entstanden sind. Ja, in ihrer gutmeinenden Absicht fühlt sie sich verkannt und getäuscht. Ihre Enttäuschung kann mehr Hass erzeugen als das nüchterne Benennen der Differenzen.

Verstehen darf kritisches Beurteilen nicht ausschließen. Der Angst des Ostens vor dem übermächtig scheinenden Westen entspricht die Angst des aufgeklärt sein wollenden Westens vor dem intoleranten Osten.

Wie konnte es kommen, dass die arabische Kultur, die der christlichen anfänglich haushoch überlegen war, ihr heute in fast allen Dingen hinterher hinkt? Dazu zwei Antworten:

a) Die arabische Philosophie der Frühzeit war ein Erbe der griechischen Kultur, die nach kurzem Aufblühen von despotischen Mullahs mit Stumpf und Stiel ausgerottet wurde. Nicht der kleinste hellenische Virus blieb übrig, um – wie im Westen – die geringsten Ansätze einer Aufklärung zustande zu bringen. Die arabische Kultur versank in einen trancehaften Immobilismus, der erst heute durch viele, sich nach Mündigkeit sehnende Gläubige, in Frage gestellt wird.

b) Zwar hatte auch die katholische Kirche im Westen versucht, die gesamte antike Kultur mit Feuer und Schwert auszulöschen. Doch es gelang ihr nicht. Der Virus des freien Denkens schlich sich in Europa ein und unterhöhlte allmählich die schreckliche Zensur der Kirche. Von Jahrhundert zu Jahrhundert verstärkte sich der Einfluss des emanzipierten Gedankens. Es kam zur verhängnisvollen Synthese zwischen griechischem Wissen und klerikaler Macht: Wissen ist Macht, so nannte Francis Bacon sein revolutionäres Wissenschaftsmotto.

Den Mönchen gelang es, mit Hilfe griechischer Erkenntnis urbiblische Paradiesphantasien nach und nach in Realität zu verwandeln: es entstanden abendländische Technik und Naturwissenschaft, die zur absoluten Überlegenheit des Westens über den Osten führte. Der Schüler überrundete den Lehrer, der in religiöser Apathie versank.

Es handelte sich um Schlaraffen-Phantasien, wie sie sich etwa Irenaeus, Bischof von Lyon, in abnormen Visionen ausmalte: „Es werden Tage kommen, in denen Weinstöcke wachsen werden, jeder mit 10 000 Ästen und an jedem Ast 10 000 Zweige und an einem Zweig 10 000 Schößlinge und an jedem Schößling 10 000 Trauben und an jeder Traube 10 000 Beeren und jede Beere wird 1000 Liter Wein geben. Dementsprechend wird auch der Ertrag der übrigen Baumfrüchte, Samen und Kräuter sein. Und alle Tiere, welche diese von der Erde empfangenen Speisen genießen, werden völlig untertan sein dem Menschen.“

Ähnliche Phantasien brüteten Wunderwaffen aus, die dem Papst und seinen Kohorten ermöglichen sollten, die ganze Welt zu erobern. Die Herrschaft über die ganze Schöpfung war das Ziel der europäischen Wissenschaft. Macht euch die Erde untertan, der Befehl in Genesis sollte mit Maschinen und kreativen Erfindungen verwirklicht werden.

Christliche Wissenschaft sollte den Heilsweg materiell konkretisieren. Verborgene Kräfte in der Natur sollten durch Forschen und Experimentieren „gelöst“ und dem Nutzen der Menschheit zugeführt werden. Das Forschungsziel der alles wissen und beherrschen wollenden Mönche sollte die „Transmutation der Materie“ sein – die in der Kernforschung des 20. Jahrhunderts ihre schreckliche Krönung fand.

Welterlösung durch Forschung: diese nach Allmacht strebende Wissenschaftsdevise wurde in diabolischer Perfektion zur abendländischen Wirklichkeit, die in der Neuzeit den ganzen Planeten zu domestizieren begann.

Mit diesen Methoden versprach Roger Bacon dem Papst die Oberhoheit über die gefährlichen Mongolen und die Weltherrschaft am Ende aller Tage. Der englische Mönch verbürgte sich, „dem Papst die Erde zu Füßen zu legen mit Hilfe neuer Waffen, deren Vision mit dem Ausbruch technischen Allmachtsgefühls als Mittel zur Massenvernichtung ans Licht tritt.“ (Friedrich Wagner, „Die Wissenschaft und die gefährdete Welt“)

Hier stehen wir. Verglichen mit dem westlichen Christentum, das sich in wissenschaftlicher Omnipotenz Mensch und Natur untertan macht, ist der ach so blutrünstige Islam eine geradezu humane Angelegenheit. Heute leidet er unter der aggressiven Zwangsbeglückung des Westens. Seine ultrareligiösen Fanatiker bedienen sich verstärkt spiegelbildlicher Gewaltmuster, um nicht völlig unterzugehen.

Und dennoch: längst ist der Geist der Mündigkeit auch im Islam angekommen. Aus der Distanz muss man die Hoffnungslosigkeit des arabischen Autors nicht teilen: wie viele Menschen sind in der Arabellion auf die Straße gegangen, wie viele haben ihre demokratische Autonomie unter Beweis gestellt!

Zwar scheinen die Kräfte der Despoten übermächtig und der Erfolg der Aufständischen nur mäßig. Und dennoch: der Geist der Freiheit lässt sich nicht mehr aufhalten.