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Alles hat keine Zeit C

Tagesmail vom 05.04.2021

Alles hat keine Zeit C,

„Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erinnert daran, dass Ostern das Fest der Auferstehung ist. Weltweit feierten Christen an diesem Wochenende den Sieg des Lebens über den Tod.“ (Bayerischer-Rundfunk.de)

Wird der oberste Demokrat zum obersten Popen, dürfen selbst Gottlose den Sieg des Lebens über den Tod feiern – wenn sie von allen guten Geistern verlassen sind. Der Tod ist ein integraler Bestandteil des Lebens und der Natur, wer ihn überwindet, vernichtet beide. „Ohne den Tod gibt es keine Erneuerung.“

Vielen Dank für Ihre salbungsvollen Todeswünsche, Mr. President. Verglichen mit diesen ist die Pandemie ein Juckreiz. Gemeinsam stirbt es sich besser. Kollektiv abtreten („völkisch“ hieß das vor kurzem), war schon immer ein Herzenswunsch der Deutschen. Also denn: ade, du verruchte Welt, Sie, Herr Steinmeier, haben den Vortritt.

Es darf gefragt werden, ob Sie sich mit Ihren frommen Wünschen noch auf dem Boden der Verfassung befinden?

Aber gewiss doch, antwortete Bellevue – fiktiv. Noch nie von der Präambel gehört?

„Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen … hat sich das deutsche Volk …“

Das deutsche Volk hat gar nichts. Es wurde überhaupt nicht gefragt. Mit faustdicken Lügen beginnt unsere Verfassung. Wenn schon das Fundament von Anfang an zerrüttet war, kann man sich nur wundern, wie lange es zur Erkenntnis gedauert hat: Deutschland ist ein „failed state“. Lügen haben nicht nur kurze Beine, sondern auch morsche Knochen. Corona gibt ihnen den letzten Stoß.

„Historisch gesehen ist der Gottesbezug in der Präambel des Grundgesetzes ein Novum in der deutschen Verfassungsgeschichte. Weder die Paulskirchenverfassung von 1849 noch die Weimarer Verfassung von 1919 enthielten in Präambel oder Text einen Gottesbezug. Die Aufnahme der „Verantwortung des Volkes vor Gott“ – und somit vor einer weiteren Autorität als der des eigenen Volkes allein – wird in der Regel durch die kurz zuvor erfolgten Wirren im „Dritten Reich“ (Zeit des Nationalsozialismus) erklärt. Dieser sogenannten Verantwortungsklausel wird in der heutigen Verfassungswirklichkeit allerdings kaum unmittelbare rechtliche Relevanz zugesprochen.“

Kaum unmittelbar? Wie wär‘s mit „vielleicht, eventuell, möglicherweise“? So morsch wünscht man sich die verbalen Ecksteine, auf denen eine stabile Demokratie erbaut ist. Es kommt noch besser. Ein Gottesbezug kommt daher in bestem Kirchenlatein:

„Gemeinhin wird hierbei zwischen der invocatio dei ‚Anrufung Gottes‘, und der nominatio dei ‚Nennung Gottes‘, unterschieden. Während bei der nominatio dei Gott in der Verfassung lediglich genannt wird, wird im Falle einer invocatio dei die Verfassung im Namen Gottes erlassen.“

Was liegt denn nun vor? Eine Anrufung – oder eine bloße Nennung? Wer will das wissen? Wird Verantwortung vor Gott nun in direktem Gespräch mit Ihm ausgehandelt – oder in bloßem Selbstgespräch und der Mensch behauptet dreist, dass er im Namen Gottes spreche?

Hinweg mit diesen Kinderfragen. Um solche Kleinigkeiten kümmert sich kein juristischer Talarträger im Namen des Herrn. Noch immer wissen wir nicht, was ein Gottesbezug ist, aber nun erfahren wir, wie er einst begründet wurde:

„Historisch sollte die Einfügung des Gottesbezuges in das deutsche Grundgesetz vor allem den Unterschied zum Totalitarismus des nationalsozialistischen Staates markieren. Der Gottesbezug werde dabei nicht als religiöse Inbezugnahme verstanden, sondern als Absage an ein totalitäres Staatssystem. Der Staat ist danach nicht die höchste und letzte Instanz im Sinne eines Hobbes’schen Leviathans. Auch das Staatsvolk in seiner Funktion als verfassungsgebende Gewalt soll an die naturrechtlichen, vor- und überstaatlichen Grundlagen des Staates gebunden sein. Eine völlige Bindungslosigkeit gibt es demnach auch im Akt der Verfassungsgebung nicht.“

Das Unterholz wird immer undurchdringlicher. Wird hier im Ernst behauptet, der NS-Staat sei ein Gebilde ohne „Gottesbezug“ gewesen?

Dann muss Friedrich Heer (und unzählige andere Historiker) unter Halluzinationen gelitten haben, als er schrieb:

„Die Brandbomben des Feindes erfüllen die Funktion , gottgewollte Esse zu sein, in der Gott sein Volk schmiedet: «Dass sich dieser gewaltige, die Welt erschütternde Prozess unter Leid und Schmerzen vollzieht, entspricht dem ewigen Gesetz einer Vorsehung, die nicht nur alles Große im Kampf entstehen, sondern sogar den einzelnen Erdenbürger unter Schmerzen das Licht der Welt erblicken lässt.» Dass Millionen deutscher Christen, Katholiken und Protestanten, die auf Hitlers Schlachtfeldern bluten, leiden und elend sterben, wird auch von ihren Kirchen nur dieser Trost mitgegeben: dass ihr Leiden eine Prüfung durch einen gnädigen Gott ist, dass ihr Tod eine Opfertod für Volk und Vaterland und die Rettung des Abendlandes sei. «Je größer deshalb auch heute die Sorgen sind, umso größer wird dereinst der Allmächtige die Leistung derjenigen wägen, beurteilen und belohnen , die gegenüber einer Welt von Feinden ihre Fahne in treuen Händen hielten und unverzagt vorwärtstrugen. Was immer diese Zeit an Mühen, Blut und Tränen fordert: hinter all dem steht Gott selbst mit seinem Willen und seinem Gebot.»“

Fast täglich sprach der Führer von der Vorsehung, vom Herrgott. Hat ER ihn – den bedeutungslosen unbekannten Ausländer, die gescheiterte Existenz – tatsächlich auserwählt, kann er Seiner gefühlten Erwählung wirklich sicher sein?

Nach überstandenem Stauffenberg-Attentat war er „erschüttert von seiner „wunderbaren Errettung“ (Wunder im wahrsten Sinne des Wortes):

„Ich bin vielleicht kein sogenanntes Kirchenlicht – ein Frömmling, das bin ich nicht. Aber in meinem Innern bin ich doch ein frommer Mensch, d.h. ich glaube, dass, wer den Naturgesetzen, die ein Gott geschaffen hat, entsprechend auf dieser Welt tapfer kämpft und nie kapituliert – dass der dann auch vom Gesetzgeber nicht im Stich gelassen wird, sondern dass er endlich doch den Segen der Vorsehung bekommt. Nach meiner heutigen Errettung aus der Todesgefahr bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass es mir bewusst ist, nun auch unsere gemeinsame große Sache zu einem glücklichen Abschluss zu bringen.“

„Wenn eine große Nation wie die deutsche fanatisch ihre Pflicht erfüllt, ganz gleich, ob gute oder schlechte Zeiten kommen, dann wird am Ende der allmächtige Herrgott seinen Segen nicht versagen.“

Als die Lage fast schon aussichtslos erscheint, erfährt er vom Tode Roosevelts. Wieder ist ein Wunder geschehen: „Das Wunder der Vorsehung“ wiederholt sich. So wie der der Tod der Zarin Elisabeth Friedrich den Großen rettete, so wird jetzt der Tod Roosevelts den Führer retten.“

Krieg ist Heilszeit, in ihr wird der Heilssieg errungen. „Der Allmächtige wird der gerechte Richter sein. Unsere Aufgabe ist es, unsere Pflicht so zu erfüllen, dass wir vor ihm als dem Schöpfer aller Welt nach dem von ihm gegebenen Gesetzes des Kampfes um das Dasein bestehen vermögen.“

„Mein Kampf“ ist der Kampf Gottes, in dessen Diensten der Sohn der Vorsehung steht. „Wenn die Vorsehung das Leben als Preis demjenigen schenkt, der es am tapfersten erkämpft und verteidigt, dann wird unser Volk die Gnade vor demjenigen finden, der als gerechter Richter zu allen Zeiten immer noch dem den Sieg gab, der seiner am meisten würdig war. In diesem Kampf um Sein oder Nichtsein wird am Ende Deutschland siegen.“ (Alle Zitate aus Friedrich Heer: „Der Glaube des Adolf Hitler“)

Dass die Nachkriegsverfassung der Demokratie sich vom NS-Staat ausgerechnet durch einen Gottesbezug unterscheiden will, ist, wie soll man sagen, der helle Wahnsinn. Nicht weniger wahnhaft, als Poseners Behauptungen:

„Zweitens waren die Nazis keine Freunde des Christentums, wofür stellvertretend Dietrich Bonhoeffer und Clemens August Kardinal von Galen als Zeugen aufgerufen seien.“ (WELT.de)

Zwei Männer sollen der Beweis dafür sein, dass das 1000-jährige, das Dritte Reich, nicht christlich gewesen sein kann? Das ist so einleuchtend wie die historische Behauptung:

„Darum nennt Hannes Stein die Verkündung der mosaischen Gebote, die für alle gelten, vom König bis zur Dienstmagd, die „Erfindung der Demokratie“. Auch das mag, wie Hazonys Erfindung der Nation, unhistorisch sein, aber wer das Neue würdigen will, das mit Moses in die Geschichte eintritt, darf es nicht, wie Assmann, auf den Gegensatz „tolerant – intolerant“ reduzieren.“

„Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten. Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.“

Sind das demokratische Gesetze, die von einem allmächtigen Gott erlassen werden, der die Schuld der Väter an seinen Kindern und Enkeln heimsucht? Der Gnade übt an denen, die an Ihn glauben? Der Rache übt an denen, die nicht an Ihn glauben? Das ist keine Demokratie, das ist theokratische Despotie.

Eine Demokratie erkennt man nicht an Gesetzen, die für alle gelten, sondern von allen oder vom Volk erlassen, vom selben Volk überprüft und durch Gerichte des Volkes geahndet werden. In allen Dingen ist das Volk autonom, Theokratien sind theonom. Dass die Polis von Athen mit keiner Silbe erwähnt wird, kann nur bedeuten: der Einfluss der Griechen soll endgültig vom Erdboden verschwinden.

Noch horrender ist die Behauptung, die Deutschen im Dritten Reich seien keine Christen gewesen. Waren sie nicht blutrünstig- antisemitisch? Hätten sie so judenhassend sein können ohne lutherisches und katholisches Erbe eines „eliminatorischen Antisemitismus“?

Mit einer Dreistigkeit ohnegleichen haben die Kirchen der Nachkriegszeit ihre Euphorie über Hitler ins Gegenteil verkehrt. Nie gab es kaltblütigere Lügeninstitutionen als die deutschen Jünger Jesu.

Jesus hatte die jüdischen Händler aus dem Tempel gejagt. Hitler fühlte sich als Vollender des jesuanischen Judenhasses. „So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich der Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.“

Luthers glühender Judenhass wälzt sich, ungeschwächt durch die Jahrhunderte, nicht nur in den Werken der wichtigsten Denker und Literaten bis zu Hitler fort:

„Hitler wird tatsächlich als „zweiter Luther“ gefeiert, seine religiös-politische Sprache und Predigt wird als wirkmächtigstes Sprachwerk seit Martin Luther bezeichnet. Nicht nur „Deutsche Christen“ wollen das Evangelium vom Judentum säubern. Johanneisch sieht Hitler die Weltgeschichte als einen Kampf des Lichts gegen die böse Welt, gegen die Juden, die allzeit gegen das Licht kämpfen.“ (ebenda)

Und ganz Deutschland folgt dem johanneischen Sirenengesang. Carl Friedrich von Weizsäcker, glühender Hitlergläubiger, sprach von der Ausgießung des Heiligen Geistes über das ganze Volk.

„Ich sage: Mein christliches Gefühl weist mich hin auf meinen Herrn und Heiland als Kämpfer. Er weist mich hin auf den Mann, der einst einsam, nur von wenigen Anhängern umgeben, diese Juden erkannte und zum Kampf gegen sie aufrief, und der, wahrhaftiger Gott, nicht der Größte war als Dulder, sondern der Größte als Streiter.“

Als ecclesia militans zelebrierte Hitler seine völkische Bewegung: in glänzenden Prozessionen, mit machtvollen Predigten und in ökumenischer Eintracht der Konfessionen:

„In unseren Reihen dulden wir keinen, der die Gedanken des Christentums verletzt, ihn bekämpft oder sich als Erbfeind des Christentums provoziert. Diese unsere Bewegung ist tatsächlich christlich. Wir sind erfüllt vom Wunsch, dass Katholiken und Protestanten sich einander finden mögen in der tiefen Not unseres eigenen Volkes.“ Denn der Nationalsozialismus ist nichts anderes als ein „faktisches Messiastum“, er ist hemmungslos eschatologisch.“ (In Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich)

Hitler war für die Deutschen die Erfüllung ihrer uralten Endsiegvisionen über ihre westlichen und östlichen Feinde. Der Führer war der wiedergekehrte Herr der Geschichte. Wie hätte ein kollektives Fieber das ganze Volk ergreifen können, wenn die Sehnsucht nach finaler Genugtuung nicht das ganze Volk im Innersten ergriffen hätte? Hitlers Parteitagsreden waren Paraphrasen des Johannesevangeliums, übersetzt in deutsche Wirklichkeit, realisiert von einem unbekannten Weltkriegsteilnehmer, der seine Not in wunderbarer Weise überlebt hatte.

„Wenn wir uns hier treffen, dann erfüllt uns all das Wunderbare dieses Zusammenkommens. Nicht jeder von euch sieht mich, und nicht jeden von euch sehe ich. Aber ich fühle euch, und ihr fühlt mich. Es ist der Glaube an unser Volk, der uns kleine Menschen groß macht, der uns arme Menschen reich gemacht hat, der uns wankende, mutlose, ängstliche Menschen tapfer und mutig gemacht hat, der uns Irrende sehend machte und uns zusammenführte.“ (ebenda)

Das war pures Evangelium in eschatologisch-politischer Übersetzung. Diese Sprache hatten die Deutschen seit Jahrhunderten verinnerlicht. Nun durften sie plötzlich schauen, woran sie bislang nur geglaubt hatten.

Hitler verachtete die Kirchen, nicht das Evangelium – mit Ausnahme der prachtvollen Machtdarstellung der vatikanischen Kirche. Die Kirchen hätten die reine Lehre verraten und sich zu Kriechern entwickelt. Dennoch hielt er seine Hand über viele pädophil angeklagte Priester. Nur wenn sie – was kaum vorkam – sich der Partei widersetzten, wurden sie fällig. Der Vatikan bewunderte den Nationalsozialismus  als christliches Bollwerk gegen den gottlosen Bolschewismus.

Die wichtigsten katholischen und protestantischen Theologen waren begeisterte Hitleranhänger:

„Katholische Theologen entdeckten zu Recht zahlreiche Verwandtschaften zwischen der NS-Ideologie und dem Katholizismus: Joseph Lortz, Michael Schmaus und Karl Adam. Natur und Gnade, Hakenkreuz und Kreuz, die Kirche unterwirft sich der „Natur“, dem NS-Regime, und überhöht dessen tapferen Kampf durch ihre Sakramente und Segnungen bis zum bitteren Ende.“ (Heer, Gottes erste Liebe)

Womit nebenbei klar ist, dass Hitlers Naturbegriff fast nichts gemein hatte mit der Natur des Kosmos. Bis heute haben die Grünen Angst, die Vorfahren ihrer Ökologiebewegung könnte man bei den Nazis verorten. Eben dies ist der Grund, warum sie auf jede Geschichte ihrer Bewegung verzichten – und prompt den Kirchen auf den Leim gingen mit dem Slogan: Schöpfung bewahren.

Was die traditionelle Kirche von den Grünen hält, entlarvt ein katholischer Theologe:

„Also, mit Mutter Natur habe ich es nicht so, denn die Natur ist eine gefallene Schöpfung, durch die Erbsünde. Man könnte natürlich sagen: Corona ist eine Folge der Erbsünde. Wer katholisch ist, braucht keine Grünen mehr.“ (WELT.de)

Was für katholische Theologen zutrifft, trifft auch für die führenden evangelischen Theologen zu: auf Immanuel Hirsch, Gerhard Kittel, Paul Althaus, Friedrich Gogarten.

Für den Alttestamentler Kittel war die NS-Bewegung „eine religiöse Erneuerung und genau deshalb wurde er Mitglied der NSDAP. Selbst viele Mitglieder der Bekennenden Kirche teilten vielfach die antikommunistische und antijüdische Einstellung der Nazis. Zwar hatten sie etwas gegen die Einmischung der Partei in innerkirchliche Angelegenheiten, nichts jedoch gegen die nationalsozialistische  Politik im Allgemeinen.“

Kittel proklamierte einen arischen, statt einen jüdischen Jesus. „Die Juden hätten ihr fremdes Blut, ihren fremden Geist dem deutschen Volk injiziert, was zur Dekadenz geführt habe. Die Juden hätten immer nur nach Macht über die Völker gegiert: «Immer ist das Ziel: die Macht über die Welt … Immer, zu allen Zeiten, ob im Ersten oder im Zwanzigsten Jahrhundert, ist Weltjudentum Traum der alleinigen Weltherrschaft im Diesseits und im Jenseits.»“ (Ericksen, Theologen unter Hitler)

Immanuel Hirsch war einer der fanatischsten Anhänger des Führers. Der wolle nichts anderes, als den Willen Gottes zu exekutieren, welcher sich in der Geschichte offenbare.

„Politisch ist jede Nation verloren, die sich zurücklehnt und ihres Schicksals harrt. Jetzt sei nicht die Zeit, in Liebe zu zerfließen (wie Tolstoi predigte), sondern es sei Zeit für ein starkes, kühnes, mutiges und aggressives Handeln. «Wir waren ein Weltvolk, ein adeliges Volk, vielleicht das blühendste und beste von allen. Wir stehen in der Gefahr, erniedrigt, als Volk vernichtet zu werden.»“

Für den Schweizer Karl Barth gab es keine Offenbarung Gottes in der Geschichte, Gott blieb stets der „ganz Andere“. Hirsch kämpfte gegen Karl Barth. Für ihn wirkt Gott mitten in der Geschichte, er nimmt Einfluss auf das menschliche Schicksal, der Mensch könne ihn durch ein aufrechtes Gewissen erkennen. Damit lasse sich Gottes Einflussnahme auf die Geschichte erkennen. Die Kirche werde Schaden nehmen, wenn sie sich von der gloriosen Wende der deutschen Politik entfernt halte. Die Kirche sollte ihre Bindungen an das deutsche Volk stärken. Durch Übereinstimmung der Kirche mit der Einheit des Volkes und der Anerkennung des Führerprinzips gemäß der neuen politischen Werte.“

Hirsch propagierte die Akzeptanz der Ungleichheit und eine „neue Auslese der Tüchtigen“.

Hirsch war Anhänger der lutherischen Zweireiche-Lehre. Das gestattete ihm, eine Politik zu akzeptieren, die nicht gerade im Geist der Sanftmut daherkam. Politik in der civitas diaboli könne nicht sündenfrei sein. (Auch Merkel ist Anhängerin dieser lutherischen Zweireichelehre. Politik der Nächstenliebe als singuläre Almosen, der standardisierte Rest kann des Teufels sein. Etwas, was mutterfixierte Medien bis heute nicht verstanden haben.)

Im Bewusstsein vor Gott: welcher Gott ist hier gemeint? Der christliche, der Naturgott Spinozas, der Gott der Vernunft, der Gott Hayeks, identisch mit der Evolution?

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Ist das kein absoluter Widerspruch zum Bewusstsein vor Gott, dem sich das Volk im Zweifelsfall unterordnen müsste?

„Unbestritten ist aber auch, dass der historische Gesetzgeber mit der Anrufung Gottes ein christliches Gottesbild verband. Eine christlich fundierte Auslegung des Grundgesetzes folge hieraus jedoch nicht. Der „Präambel-Gott“ wird heute aufgrund des demographischen Wandels und der religiös-weltanschaulichen Pluralisierung der Gesellschaft nicht mehr mit dem christlichen Gott verbunden, sondern als offenes Symbol für die dem Staat vorausliegende „letzte sittliche Kraft“ verstanden.“

Verfassungsrechtler lavieren wie moderne Theologen: sie interpretieren ihre Texte im Sog des Zeitgeistes. Der Text wird nicht schulgerecht zerlegt und zur Veränderung vorgeschlagen, er wird willkürlich gedeutet. Jeder kann ihn verstehen, wie er will. Auf dieser Fata Morgana ruht unser Gemeinwesen. Es wankt und schwankt im Rhythmus der Zeitstürme, denen es hilflos ausgesetzt ist.

Doch der Gottesbezug der Deutschen steht unter dem Schutz des Großen Bruders jenseits des Atlantiks. Die Unabhängigkeitserklärung des jungen Amerika berief sich auf den englischen Philosophen John Locke,

„… der die Gleichheit der Menschen, einschließlich der Gleichheit der Geschlechter, aus Genesis (1,26 ff. EU), dem Ausgangstext der theologischen Imago-Dei-Lehre, ableitete.“

Die schauen wir uns doch glatt an:
„Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“

Das ist ein göttliches Ermächtigungsgesetz zur totalen Eroberung der Natur – ohne Rücksicht auf Verluste. Sind Menschen, die einem allmächtigen Gott gleich werden sollen, Demokraten? Kann dieser Gott als totalitärer Herrscher eine gewählte demokratische Regierung sein? Unfassbare Absurditäten, die ihr Unwesen ungestört bis heute treiben.

Immerhin: die Amerikaner waren noch so graecophil, dass sie die demokratischen Elemente Athens der Theokratie gegenüberstellten. In gewissen Zeiten dominiert die Demokratie, unter Trump ist sie wieder einmal zu Gottes Regiment zurückgekehrt. Der Kampf ist noch lange nicht beendet.

In Deutschland gibt es dieselben Elemente, doch niemand durchschaut das ewige Hin und Her zwischen der Macht des Volkes und der Macht des Jenseits. Mein Reich ist nicht von dieser Welt, erklärte der Messias. Doch er unterdrückte die Fortsetzung seines Satzes: … aber über diese Welt. Die zukünftige Stadt im Himmel, die sie suchen, soll die Stadt auf Erden ihres apokalyptischen Weges führen.

Eine europäische Nation gab es, die dem englisch-amerikanischen Vorbild nicht folgte. John Locke war dem Lande Voltaires nicht aufgeklärt genug:

„Die Französische Revolution Ende des 18. Jahrhunderts löste die Menschen- und Bürgerrechte aus ihrer theologischen Verwurzelung und ersetzte sie durch die utilitaristische Lehre vom „gemeinsamen Nutzen“ (utilité commune).“

Hier liegt der tiefste Grund der getrennten Herzen von Merkel und Macron. Die Franzosen sind den frommen Deutschen zu laizistisch. Die lutherische Nation will aufgeklärt, aber dennoch christlich bleiben. Die Kirche muss allpräsent den nationalen Segen spenden. Ohne diesen Einfluss des Klerus hätte Merkel nie die Chance gehabt, sich beim Volk beliebt zu machen. Jetzt freilich geht es bergab mit Kirche und Pastorentochter.

Nach neuesten Gerüchten aus den himmlischen Gefilden muss Angela aus der Gnade gefallen sein. Gott hat sein Gefallen an seiner Lieblingstochter verloren. Auch Merkel hat diese Botschaft vernommen. Doch sie ist in Trotz versunken. Zum ersten Mal macht sie, was sie will. In wenigen Monaten ist Feierabend für sie. Dann werden sie schon sehen, diese Deutschen, was sie an ihr verloren haben.

 

Fortsetzung folgt.