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Unser Land

Hello, Freunde unseres Landes,

This land is your land and this land is my land
From California to the New York island
From the redwood forest to the Gulf Stream waters
This land was made for you and me.” (Woody Guthry)

dann ist das nicht mehr mein Land”. (Angela Merkel)

Ob sie ihren Parteifreund zu Recht kritisiert oder nicht: dies Land ist nicht Merkels Land. Es ist dein Land und mein Land, es ist unser Land.

Merkel auf dem absolutistischen Höhepunkt ihrer charismatischen Macht. Sie hat das Land in Geißelhaft genommen. Die Deutschen beginnen zu zittern, dass Mütterlein über Nacht ihr Bündel packen und in den Kyffhäusern verschwinden könnte. Ganz Deutschland wäre mutterlos, verwaist, würde heulen und zähneklappern:

„Mütterlein, Mütterlein,
könnt‘ es nochmal so wie früher sein,
als du mich mit deiner lieben Hand
geführt durchs Kinderland.

Tag für Tag, Nacht für Nacht
hat dein gutes Auge mich bewacht,
Alles Böse hieltst du fern von mir

und dafür dank ich dir.“ (Gerhard Winkler)

Ganz auf der Seite der neuen, „authentischen, ja leidenschaftlichen“ Kanzlerin der Herzen schreibt Daniela Vates in der BLZ:

„Denn ein Land, das nicht mehr ihres ist, wird Merkel nicht mehr regieren wollen“.

Roland Nelles ist voller Bewunderung für die ursprüngliche Pastorentochter, die sich endlich wieder zum hohen C bekennt. Als ob Christentum

konzentrierte Moral wäre:

„Da spricht nicht die politische Taktikerin, sondern die mitfühlende Pastorentochter aus der Uckermark, eine Politikerin, die sich noch genau daran erinnert, warum ihre Partei das C im Namen trägt. Sie steht damit in einem angenehmen Gegensatz zu Horst Seehofer und seiner CSU, für die Nächstenliebe offenbar eine Tugend ist, die (mehr oder weniger) am eigenen Gartenzaun endet.“

Wir sind in einem schwarzen Loch germanischer Befindlichkeit angekommen. Die Symbiose aus Mutter und Volk hat es geschafft, die gelebte Demokratie brachial zu schleifen und hinter fassadären Verfassungsresten ein zwangsneurotisches Regiment zur gegenseitigen Tröstung einer Nation-in-Ängsten & ihrer alleinregierenden Seelsorgerin der Herzen zu installieren.

Politik wird zur Gehorsamsleistung einer infantilisierten Nation, die es nicht mehr erträgt, ihrer überforderten, sich abrackernden, alleinerziehenden Mutter durch Widerworte überflüssiges Herzeleid zu bereiten. Wenn Mutter sich für ihre Kinder opfert, wäre es Lästerung, ja Muttermord, sich ihren geäußerten, ja nur vermuteten Anordnungen zu widersetzen. Deutschland zittert, wenn Mutter das geringste Zeichen der Überforderung zeigt, weil die Kinder durch Selbstdenken sich sträflich undankbar verhielten. Heil uns, deutscher Mutterkitsch ist zur nationalen Politik geworden.

„Wenn Du noch eine Mutter hast,
so danke Gott und sei zufrieden.
Nicht allen auf dem Erdenrund
ist dieses hohe Glück beschieden.

Und hast Du keine Mutter mehr
und kannst du sie nicht mehr beglücken,
so kannst du doch ihr frühes Grab
mit frischen Blumenkränzen schmücken.“   (Friedrich Wilhelm Kaulisch, 1827 bis 1881)

Ducken unter die selbstlose Mutter, die glühende Kohlen auf die Häupter ihrer Lieben sammelt – oder sich ewig anklagen, weil man die Heilige schuldhaft ins Grab brachte.

Der Nachkriegsfeminismus weniger Karrieristinnen hat versagt. Die ehrgeizige Frau muss sich entweder dem kapitalistischen Chef unterordnen oder zu einem Pendant des allmächtigen Vaters werden: zur heiligen Mutter, die von keiner Kritik behelligt werden darf.

Nein, Merkel ist so allmächtig nicht, dass sie die Alleinschuldige der desolaten Entwicklung wäre. Zu einer Symbiose gehören immer zwei. Nun wäre es an der Zeit, dass die vorbildlichen Helfer auch demokratisch vorbildlich würden und ihrer Kanzlerin – die sich an die Spitze der Hilfsbewegung gesetzt hat, um ihre eigene schandbare Politik der letzten Jahre vergessen zu machen – energisch die Meinung geigen würden. Helfen ist wunderbar, helfen und politisch mitreden und mitentscheiden wäre noch wunderbarer: nämlich lebensnotwendig für eine Demokratie.

Wenn Not am Mann ist, sind die helfenden „Laien“ willkommen. Kaum normalisiert sich der Betrieb, werden die Spontanen wieder hinauskomplimentiert. Bürokraten fühlen sich von wirklichen Demokraten nur belästigt.

Wenn nicht mal Bürokraten den Überblick über die deutschen Hilfsmöglichkeiten haben, wie sollten die Helfer wissen, welche Kapazitäten vorhanden sind, um sie den Migranten zur Verfügung zu stellen? Weder gibt es eine sorgfältige Vorausplanung, noch eine echte Zusammenarbeit der Länder, Kommunen unter Leitung Berlins. Die Helfer werden zu Hilfsbrigaden degradiert. Nur wenn sie sich dreist in alles einmischen, werden sie in Zukunft eine ernsthafte Rolle spielen können.

Merkel nimmt das Land in Geißelhaft: wenn ihr nicht tut, was ich euch sage, ja, wenn ihr nicht mal merkt, was ich denke und fühle, wenn ihr nicht wortlos meine unausgesprochenen Bedürfnisse erfüllt, werde ich mich gewiss vom Acker machen. Ein ungeheurer Vorgang. Die Nation ist – wie von deutschen Romantikern schon vor 200 Jahren gefordert – zu einer einzigen Großen Familie zusammengeschrumpft. Die Herren der Schöpfung sind abhanden gekommen, Mutter regiert allein über die vaterlose Kinderhorde.

Wer hat die Väter abgeschafft? Im Auftrag der politikverdrossenen Gesellschaft hat Mutter die Machos kastriert und in die Pampa getrieben. Als Einzige ist sie übrig geblieben und regiert nun mutterseelenallein das entmannte Land. Nun ade, du mein lieb Vaterland.

Wir sind nicht im Land der Urmütter angekommen, sondern im Gefühlsterror eines weiblichen Antivaters, der die rohe Gewalt des Vaters durch die Macht des aufopfernden Leidens ersetzt hat. Gegen rohe Gewalt kann man sich wehren, gegen die Macht eines stummen, aufopfernden Mutterleidens ist in Deutschland kein Kraut gewachsen. Selig sind, die leiden, wenn sie Gutes tun, denn sie sollen getröstet werden.

Merkels Macht ist politisch kondensierte Religion. Ob Deutschland bewusst glaubt oder nicht: die Nachkommen der nationalsozialistischen Schergen praktizieren ein lupenreines christliches Dogma: Selig seid ihr, wenn die Völker euch nicht verstehen, euch bewundern und schmähen, euer Lohn wird groß sein im Himmel. Selig seid ihr, wenn ihr im Land unbarmherziger Kapitalisten Herz zeigt, denn ihr werdet die Welt beeindrucken und mit der Aura des Heiligen regieren.

Nun haben die Deutschen ihre Utopie: die vollkommene Symbiose trostbedürftiger Kinder & einer eisenharten Mutter, die sich rechtzeitig um die eigene Achse dreht und sich als personifizierte Nächstenliebe präsentiert. Die wüsten Geschäfte der Welt beobachtet sie so lange, bis die Zeit erfüllet ward – und sie sich siegenden Gutmenschen anschließen kann.

Merkels Strategie ist die Kairos-Strategie der Kirchen. Solange sie stark sind, bekämpfen sie die sündige Welt. Müssen sie nachgeben, schließen sie sich – nach einer bestimmten Schamfrist – dem siegenden Zeitgeist an – und werden Menschenrechtler, Demokraten und was das moderne Herz sonst so begehrt.

Solange der Neoliberalismus die Geschäfte des Weltgeistes dominiert, spricht Merkel nur von Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit. Kaum aber rebelliert das Volk gegen die Zwänge der Fremdschädigung und entdeckt seine empathischen Fähigkeiten – schon ist Merkel zur Stelle und ernennt sich zur Herzenskönigin der Nation. Es ist wie im Märchen vom Hasen und dem Igel: Ick bün allhier, sagt Angie, der stachelbewehrte Igel, und lacht sich eins ins Fäustchen über den düpierten Hasen.

Man muss sich einmal die Sätze anschauen, mit denen Merkel in schlitzohriger Nächstenliebe sich das Land unter den Nagel reißt.

„Die Bilder, die um die Welt gingen, waren die Bürgerinnen und Bürger, die am Morgen nach dieser Entscheidung die Menschen in München und anderswo am Bahnhof empfangen haben. Da hat die Welt gesagt, das ist aber eine schöne Geste. Und das kam aus dem Herzen der Menschen. Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land“. (Berliner-Zeitung.de)

Geht es um bloße Gesten, um freundliche Gesichter am Bahnhof? Oder geht es um langfristig solide Integrationsarbeit, damit vielen Flüchtlingen nachhaltig geholfen werden kann?

Hier merkt man, dass Merkel sich am barmherzigen Samariter orientiert, aber nicht an struktureller demokratischer Solidarität. Eine Tat ist noch lange nicht gut, wenn sie ein wenig besser ist als die eiskalte Herzlosigkeit von Popen und Frömmlern. Eine solide und verlässliche Hilfe ist die Solidarität eines ganzen Volkes, das nichts dem schieren Zufall überlässt, sondern der Einrichtung eines flächendeckenden Nothilfesystems und einer nationalen Gesundheitsfürsorge.

In einer Theokratie ist Hilfe das Werk eines unberechenbaren Gottes, der einmal hilft und tausend Mal geschehen lässt. Religion ist Gnade. Eine solidarische Polis ist systemgewordener Wille eines mündigen Volkes.

Merkel – wie alle deutschen Frömmler – hat den Unterschied zwischen einer Theokratie, die sich mit Gesten begnügt, und einer intakten Demokratie, die ihre Moral zu einer verlässlichen Methode entwickelt hat, bis heute nicht verstanden.

„Religionen predigen zwar Brüderlichkeit, Nächstenliebe und Friede unter den Menschen, doch in ihrer prinzipiellen Gleichgültigkeit gegenüber allen sozialen Problemen überließen sie die Menschheit weiter den Geißeln der Zivilisation, der Sklaverei, der wirtschaftlichen Ausbeutung und dem Kriege. (Lewis Mumford, „Die Verwandlungen des Menschen“)

Und nicht nur das. Erlöserreligionen ernähren sich von der Not und dem Elend der Menschen. Geht’s der Menschheit schlecht, stehen die Gnadenbringer bereit. Wo Aas ist, da sammeln sich die bigotten Geier.

„Religionen bedürfen des negativen Ansporns in Gestalt von Leid und Unglück. Sie blühen in Zeiten des Elends, wenn die Lüste und Eitelkeiten der Welt bitter wurden. Doch sie welkten dahin in Zeiten des Wohlstands, in denen die Frommen die negativen Elemente des Lebens überbewerten. Diese Haltung haben sie derart auf die Spitze getrieben, das sie meinen: Eroberer und Tyrannen (nicht zu vergessen die Tycoons), die Leid über die Welt bringen, seien Werkzeuge Gottes zur Erlösung der Menschen, da der Mensch nur durch Leiden lerne.“ (Mumford)

Kaum hat Deutschland ein echtes Problem, stehen Profipopen bereit, um Symbol-Moral und Gesten-Evangelium unter die Menschheit zu bringen. Immer unterstützt von klerikophilen Medien. Bei Plasberg sitzt Käßmann und macht unverhohlen Werbung für ihre Großsekte. In Sondersendungen des BR wird Bischof Bedford-Strohm in schicker Berufskleidung an die Front der Flüchtlingstrecks gekarrt, damit er einem großen Publikum lange Predigten halten kann.

Was tun gegen Angst vor muslimischen Massen, wird Käßmann gefragt. Und antwortet lächelnd: geht in die christlichen Kirchen, dann müsst ihr vor Muslimen keine Angst haben. (Merkel sagt wortwörtlich das Gleiche.) Doch wohin soll man gehen, Frau Käßmann, wenn man Angst vor Christen hat?

„Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht? Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da.“

Als Merkel die vielen Mittelmeer-Flüchtlinge Griechenland und Italien überließ und jegliche Kooperation der EU-Staaten ablehnte, sagte sie dann auch: das ist nicht mein Land?

Weder zahlt Deutschland die versprochenen Entwicklungshilfen noch bekämpft sie die schändliche Schwächung der UN, die kaum noch die riesigen Flüchtlingslager in Jordanien durchfüttern kann.

Das Verbot des bail out wurde auf Drängen der Deutschen in die Wirtschaftsverträge eingefügt: keine Solidarität mit den ökonomisch Schwachen. Ohne die geringste Barmherzigkeit wurden Griechenland, Portugal als faule Mußenationen an die Wand gefahren. Wer sagte da: das ist nicht mein Land?

Merkel öffnet die Grenzen für eine Woche, spuckt die höchsten Töne – wir schaffen das – um über Nacht die Herbeigeeilten mit geschlossenen Schlagbäumen vor den Kopf zu stoßen.

„Wir schaffen das“, zitierte Marietta Slomka ihre Kanzlerin im ZDF, und fuhr fort, der Satz habe eine Ergänzung bekommen: wir schaffen das – aber nicht so. Ein glatter Widerspruch ist eine Ergänzung? Die blamable Unterwerfung unter Orban, den größten Demokratieverächter unter den EU-Chefs – eine Ergänzung?

Inzwischen gibt es schon den Widerruf des Widerrufs. Täglich der neueste Kairos aus Berlin. Nur keine langfristig verlässliche Hilfspolitik, dass die Menschen wissen, woran sie sind. Merkels Politik ist situative Agape, würdig einer gnadenreich-willkürlichen Gottesherrschaft, untauglich für eine rationale Demokratie. Doch von einer Wendehalspolitik will Merkel nichts wissen. Ihr Kurs ist gradlinig wie die Spuren des Maulesels in der Wüste.

Wie konsequent können großspurige Versprechen sein, wenn ihr Adlatus Schäuble von allen Ministerien Einsparungen fordert, um die Flüchtlinge versorgen zu können? Ulrike Herrmann, die den Kurs Merkels noch gestern vehement verteidigte, attackiert Schäuble mit scharfen Worten. Doch Schäuble ist nur das Alter Ego seiner Chefin. Herrmann hätte Merkel kritisieren müssen:

„Schäuble sendet damit ein fatales Signal. Er suggeriert, dass sich Deutschland die Zuwanderer nicht leisten kann. Gratis liefert er die Scheinargumente, mit denen Rechtspopulisten dann Ängste schüren können.“

Merkel betreibt eine perfekte Double-Bind-Politik. Kommet her alle, die ihr mühselig und beladen seid, meine Untertanen werden euch schöne Gesten machen – doch wehe, wenn ihr wirklich kommt, dann steht ihr vor geschlossenen Grenzen. Ein komplettes Tohuwabohu als gradlinige Politstrategie zu verkaufen, das kann nur eine geistbegabte Himmelskönigin.

Es ist so sicher wie das Amen im Gebet, dass Konflikte zwischen neuen und alten Bürgern auftreten werden. Alles ist knapp: Wohnungen, Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten, Kita- und Schulplätze. Wenn alles knapp ist, geht es auf Kosten der Schwachen. Dennoch wird Kapitalismus in der jetzigen Krise nicht zur Diskussion gestellt.

Bei Plasberg hoffte Professor Münkler, einen linken Zuruf mit bloßer Erwähnung des Begriffes „Vulgärmarxismus“ zur Strecke zu bringen. Wer wundert sich, wenn die Medien seit Jahr und Tag nicht müde werden, links und rechts gleich zu setzen?

Unnachgiebig müssen die Reichen zur Kasse gebeten werden. Wenn die ganze Gesellschaft bereit ist, zu teilen, dürfen Wohlhabende nicht abseits stehen. Jeder tue seine Pflicht im Maßstab seines Möglichen. Darüber redet Merkel kein einziges Wort. Sie denkt gar nicht daran, die Gesellschaft zu ändern.

Nach guter deutscher Tradition müssen erst die Einzelnen ihre Menschlichkeit beweisen. Dann kommt lang, lang nichts. Hierauf wieder die Einzelnen. Der irdische Staat ist für Merkel nicht reformierbar, nur Menschen können sich ändern – wenn Gott es will. Dass eine Gesellschaft nichts anderes ist als die Summe aller Einzelpersönlichkeiten, ist für die fromme Augustinerin eine Verniedlichung des Teufels und eine Blasphemie vor Gott.

Doch es gibt kein Entweder–Oder. Der Einzelne kann sich ändern, wenn seine Umgebung sich ändert, die Gesellschaft kann menschlicher werden, wenn die Einzelpersönlichkeiten menschlicher werden. Jeder hat an sich zu arbeiten, dann arbeitet er an der Gesellschaft – und vice versa.

Die Linken wollen immer nur Strukturen verändern, doch die Menschen unverändert lassen, wie sie sind – im Reich der Freiheit werden sie ohnehin zu perfekten Wesen.

Die Rechten wollen, dass jeder vor der eigenen Tür kehrt und die Macht den Besonderen überlässt. Die Welt bleibt böse bis zum Jüngsten Tag.

Woher kommt die Angst vor Fremden, fragt der SPIEGEL einen Sozialpsychologen. Etwa von der Angst der Schwachen, ihr Weniges noch mehr teilen zu müssen – mit noch Schwächeren?

Ach wo, antwortet der Psychologe, der die soziale Realität ignoriert und auf bloße Einbildungen verweist, die er symbolische nennt:

„Ganz oft hört man: Die Flüchtlinge bedrohen den Wohlstand unserer Gemeinde. Oder: Dann finde ich keinen Kita-Platz mehr für mein Kind. Die Menschen fühlen eine große Unsicherheit und versuchen, Erklärungen zu finden. Häufig bleibt unausgesprochen, dass dahinter andere Formen der Bedrohung stehen. In der Psychologie sprechen wir von symbolischer Bedrohung. Die Leute haben den Eindruck: Jetzt geht die deutsche Kultur den Bach runter.“ (SPIEGEL.de)

Ängste der Menschen haben nichts mit ihrer Erziehung, Erfahrung oder Umgebung zu tun? Deformationen sind rein symbolischer Natur: sie kommen aus der Luft geflogen? Hier erhebt sich eine Geisteswissenschaft aus Berührungsangst mit der Wirklichkeit in die Lüfte der Traumtänzer. Für Theologen ist das Böse unerklärbar, aber real. Für Sozialpsychologen ist das Defekte real, aber ohne reelle Ursachen. Das Neurotische ist nichts als irrationale Phantasmagorie.

Therapien als Erforschung realer biografischer Ursachen dürften endgültig den Witzbolden anheim fallen: ach, ich weiß schon, deine unglückliche Kindheit! Auch der Kreationismus des Bible Belt kennt keine reellen Ursachen. Alles ist unerklärlicher Wille Gottes oder des Teufels. Die Kategorie Ursache – oder rationale Schuld – ist aus dem Bereich der magischen Moderne entfernt. Wie die Kreativen ihre technischen Schmankerl aus Nichts erfinden, so erfinden die Bösen das Böse aus Nichts.

Merkel & Untertanen wollen keine mündige Demokratie, sondern streben zurück in eine mittelalterliche Theokratie – mit technischem Fortschritt und grenzenloser Wirtschaft, die bis in den Himmel wachsen. Das Humane, Vernünftige und Irdische: sie bringen es nicht:

„Es ist unmöglich, dass weltliche Kräfte sich selbst ins Gleichgewicht setzen, ein drittes Element, das weltlich und überirdisch zugleich ist, kann allein diese Aufgabe lösen. Geduld, sie wird, sie muss kommen die heilige Zeit des ewigen Friedens, wo das neue Jerusalem die Hauptstadt der Welt sein wird.“ (Novalis, „Die Christenheit oder Europa“)

Merkel hat Recht: eine vitale Demokratie – ist nicht ihr Land.