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Tagesmail

Obama und der Papst

Hello, Freunde der Freunde,

wie kann man sich selbst erkennen? Goethe hielt nichts von Grübeln und Herumwühlen im sündigen Innenleben: „Wie kann man sich selbst kennenlernen? Durch Betrachten niemals, wohl aber durch Handeln. Versuche, deine Pflicht zu tun, und du weißt gleich, was an dir ist!“ Man solle seine Taten erkennen, dann wisse man auch, wer man ist.

Obama hält nichts von Goethe. Er will alle Menschen der Welt erkennen, indem er nicht auf deren Taten wartet, sondern die Vorinstanz der Taten, das Innenleben, den Kopf der Menschen durchleuchten will. Sein Geheimdienst will den verborgenen Absichten der Menschen auf die Spur kommen.

Hollywood, Obamas bebilderte Ideenschmiede, weiß, was das bedeutet. Wir gehen herrlichen, verbrecherlosen Zeiten entgegen. Bevor die Menschen zur Tat schreiten können, werden sie bereits von den Häschern der Obrigkeit ermittelt und abgeführt, so der Clou bestimmter Science-non-fiction-Filme. Das Durchleuchten der gefährlichen Bevölkerung werde früher herauskriegen, was der Mensch will, als er selbst es weiß.

Denken ist Probehandeln, sagte Freud. Wenn man weiß, was Menschen denken, weiß man dann auch, was sie tun werden? Nach Freud nicht: nach Prüfung

durch die Kontrollinstanzen kann das geplante Tun genehmigt oder abgelehnt werden. Könnte die NSA das Denken der Menschen im embryonalen Zustand erfassen, wüsste sie – nach Freud – noch nicht, was der Mensch zu tun gedenkt. Hatte er mörderische Gedanken, müsste er sie nicht in Tat umwandeln.

Doch Obama und sein omnipräsenter Apparat halten weder etwas von Goethe noch von Freud. Liegt das daran, dass diese beiden deutsch gesprochen haben und gestorben sind, bevor sie die Segnungen von Silicon Valley kennen lernen konnten? Obama ist Rechtsprofessor, in der juristischen Fakultät werden Goethe und Freud eher selten erwähnt.

Niemand weiß etwas vom Innenleben der NSA. Beschäftigt sie auch Germanisten, Freudianer und Freunde der Weisheit, auch Philosophen genannt? Wir wissen es nicht, obgleich die Menschheit wissen müsste, welche Gedanken und Gefühle das Innenleben der digitalen Spione beherrscht – um sie zu überprüfen und an die Kette zu legen, wenn sie ihre Machtbefugnisse überschreiten.

Von 1689 bis 1755 lebte in der Nähe von Bordeaux ein Baron de Montesquieu, der schon genau wusste, wie man unüberprüfbare Machtkomplexe zu beurteilen hat:

„Demokratie und Aristokratie sind nicht von Natur aus freie Staatsformen. Freiheit ist nur unter maßvollen Regierungen anzutreffen. Eine Erfahrung lehrt, dass jeder Mensch, der Macht hat, dazu neigt, sie zu missbrauchen. Deshalb ist es nötig, dass die Macht der Macht Grenzen setzt. Es gibt in jedem Staat dreierlei Vollmacht: die gesetzgebende Gewalt, die vollziehende und die richterliche. Es gibt keine Freiheit, wenn diese nicht voneinander getrennt sind.“

Inzwischen gibt es mehr als drei Mächte in einer modernen Demokratie, die sich gegenseitig in Schach halten müssten – es aber nicht tun. Neben Legislative, Exekutive und der Judikative gibt es die Ökonomie (Ökolative) und die Überwachungsapparate (Observative), die sich bisher jeder Kontrolle entziehen. Sie sind mächtiger geworden als die drei legalen Mächte der Demokratie zusammen.

Blackrock, ein Vermögensverwaltungs-Gigant, soll die mächtigste Geld-Institution auf der Welt sein. Ihr fast unbekannter Chef verfügt über ein Vielfaches des deutschen National-Etats.

Dennoch ist nicht die Wirtschaft das Gewaltigste auf der Welt, sondern die Wissenschaft, deren Wissen Macht schafft. Wissenschaft und Technik geben dem Geld erst die Instrumente an die Hand, um in Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen – die sich ihnen völlig unterordnen – das Weltzepter zu ergreifen.

Einerseits werden die Nationen immer nationaler und beschäftigen sich am liebsten mit sich selbst, andererseits greifen die Riesenstaaten immer unverhüllter nach der Weltherrschaft. Es geht nicht mehr um separatistische Petitessen, es geht ums Ganze. Wem gehört die Welt?

Die Reichen können reich sein, wie sie wollen, wenn sie nicht über die technischen Methoden verfügen, die man in Amerika den militärisch-technischen Komplex nennt, sind sie den Drohnen und Raketen der regierenden Eliten hilflos ausgeliefert. Die Gewaltigen rüsten zum Finale, sie scharren mit den Hufen, lassen ihre Muskeln spielen, um die schärfsten Rivalen zu beeindrucken und zu schwächen.

Es geht um Alles oder Nichts. Nachdem die Utopie einer friedlichen Weltgemeinschaft von Denkermarionetten der Eliten niedergetrampelt wurde, bleibt nur die Utopie einer gottähnlichen Allmacht. Woran der Westen jahrtausendelang geglaubt hat, das muss doch endlich Realität werden! Glaube ist nichts als die eigene Projektion in die Zukunft, die sich selbsterfüllend bewahrheiten soll.

In Amerika gibt’s keinerlei Illusionen, dass die Welt zur finalen Beute ansteht. Ihnen ist ernst ums heilige Herz, sie hören bereits ihren Messias an die Pforte klopfen. Sie dürfen nicht mehr schlafen und erhöhen die Geschwindigkeit ihres Wachens, dass sie kaum noch zum Atmen kommen. Alles, was sie tun, muss ihr zwanghaftes Augenaufreißen unterstützen: das Geldhecken, ihre Weltmacht unbezwinglich machen, ihre Allgegenwart und Allwissenheit perfektionieren.

„Es naht sich, unabweislich, zögernd, furchtbar wie das Schicksal, die große Aufgabe und Frage: wie soll die Erde als Ganzes verwaltet werden? […] Die Erdregierung ist ein nahes Problem. […] Ich sehe die Gefahr, dass die Weltregierung in die Hände der Mittelmäßigen fällt.“ (Nietzsche)

Natürlich wird die Weltregierung in die Hände der Mittelmäßigen fallen. Genies gab‘s nur in der Geniezeit des Sturm und Drang. Was 150 Jahre später aus ihnen wurde, das haben wir gesehen. Bleibt mir weg mit Genies, sie erfinden noch die Unsterblichkeit und wie man aus Plastikbergen naturidentische Blauwale fabriziert.

Gäbe es nicht so viele Späh- und Guckgenies, was hätten wir für ein feines Leben! Damit es keine Missverständnisse gibt: die Mittelmäßigen sind die Besten, die sich für Genies halten. Man sollte ihnen klar machen, dass auch sie mit Wasser kochen, aber das Wasser so lange kochen lassen, bis der Kessel explodiert und die Küche in die Luft fliegt. Die Besten sind die Ärgsten.

Die geniale SPD will, dass all ihre Mitglieder zu Besten werden und zu den Besten aufsteigen, die sie noch vor kurzem korrekt als Ausbeuter und Blutsauger bezeichneten. Werdet ebenfalls Blutsauger und beutet diejenigen aus, die den Aufstieg nicht schafften und unten im Dreck wühlen. Das ist die Botschaft der Linken in Europa, die sich wundert, dass ihre Führer nur noch interessant sind, wenn sie ihre Liebschaften coram publico auswechseln.

Genau genommen ist die Epoche der Demokratie vorüber. Der weltoberste Demokrat will keine Mächte mehr dulden, die seine eigene Macht überprüfen könnten. Er parliert mit Silberzunge über Verantwortung, indem er seine wachsende Macht über die Völker zementiert. Aus Klugheitsgründen macht er eine Ausnahme bei seinen mächtigen Politfreunden – damit er bei der nächsten Konferenz nicht ignoriert wird –, doch ändern wird er Nichts.

Vor aller Augen spielt er das älteste Spiel der Welt: Teile und Herrsche. Frau Merkel muss sich keine Sorge mehr machen, wohl aber müssen ihre Untertanen, für deren Wohl sie sorgen sollte, dran glauben.

Der Herr mit dem versteinerten Gesicht, das er für preußisch hält, applaudiert dem Weltenherrscher. Er hört auf den adligen Namen de Maiziere. Vor aller Augen der Welt wird die Welt verschaukelt, indem ihre Oberschicht privilegiert wird und sich eher mit dem Weltenherrscher verbunden fühlt als mit ihrem Volk.

Wer nationalisiert sich? Die Horden der Völker. Ihre Besten haben sich längst internationalisiert und klumpen wie Pech und Schwefel.

Obama verspricht fast nichts und fordert uns auf, seinen Machenschaften zu vertrauen. Vertrauen und Glauben ist dasselbe. Eine intakte Demokratie mag vertrauen wie sie will, das Überprüfen der Mächte darf sie nicht lassen, denn jede unkontrollierte Macht ist in der Gefahr, beiläufig abzuheben.

Es ist im Interesse einer demokratisch sein wollenden Macht, dass sie vor Wildwuchs bewahrt werden will. Denn sie kann sich selbst nicht einschätzen. Das Geheimnis guter Freundschaften besteht in der Nüchternheit, dass kein Mensch vollkommen ist und jeder in der Gefahr, seine Grenzen zu übertreten. Jeder Jumping-Springer trainiert darauf, seine Grenzen zu sprengen. Und die Mächtigen sollten sich selbst am Riemen reißen?

Wenn Menschen an einen allmächtigen Gott glauben, dem sie ähnlich sein wollen, dann müssten schon die Alarmglocken schrillen. Die Gottgleichen werden alles unternehmen, ihren Glauben in technische und politische Realität zu transsubstantiieren. Das ist der technische Begriff der Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut des Erlösers. Wenn der Mensch zu diesem Zauberkunststück fähig ist, ist er auch fähig, seine Utopien in Allmachtvorstellungen zu verwandeln.

Wandlung ist der Wandel aller Glaubensstücke in Machtmethoden. Nie hat es schärfere Waffen zur Eroberung der Weltherrschaft gegeben als monotheistische Erlöserreligionen, die aus ihrem Glauben unfehlbare Unterdrückungsinstrumente machten.

Wenn sie nur für sich glaubten, um selig zu werden – warum nicht? Keine Probleme, wenn’s andere nicht tangiert. Genau dies aber geschieht. Ihr Glaube hat die Welt überwunden und überwindet sie jeden Tag gewaltiger und wirkungsvoller. Das ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: ihr Glaube.

Geht’s noch deutlicher, dass der Glaube herrschen will? Nicht im Winkel, nicht auf dem Friedhof, nicht im Beichtstuhl. Sondern vor aller Welt mit aller Macht:

Der Fürst dieser Welt,

wie sau’r er sich stellt,

tut er uns doch nicht;

das macht, er ist gericht’:

ein Wörtlein kann ihn fällen.“ 

Eine wirksamere Machterringungsmethode als den Erlösungsglauben hat die Welt noch nicht gesehen. Dem Erlöser ist alles unterworfen, er ist gesetzt über jede Gewalt und Macht und Kraft und Hoheit.

Wenn Obama mit panoptischer Allgewalt paradiert, teilt er der Welt mit, dass alles seinen Füßen untertan ist. Amerikaner sind besser, sie sind unschlagbar, also müssen sie ihre Überlegenheit ausspielen und die Welt mit Füßen treten. Der angelsächsisch-amerikanische Weg ist auf dem Zenit angekommen. Der bewundernswerteste Mann der Welt ist Inbegriff von Geld und Agape und hört auf den Namen Bill Gates. Der Segen des Herrn ruht auf ihm.

Der Segen des Herrn, der allein macht reich, eignes Mühen tut nichts hinzu. Der Gottlose kann nicht bezahlen. Die Auserwählten gewinnen das Land, die Verfluchten werden vertilgt. Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich gewinnen.

Da es zu den Vorrechten Gottes gehört, seine Kreaturen zu durchleuchten, muss Obama dies auch wollen. „Wozu brauchen wir Nachrichten- oder Geheimdienste, wenn sie nur die Dinge herausbringen, die Sie im „Spiegel“ oder in der „New York Times“ nachlesen können?“, so Obama. Ihre Aufgabe sei herauszufinden, „was die Leute vorhaben, was in ihrem Kopf vorgeht, was sie beabsichtigen“. (FAZ)

Bei der NSA gibt es niemanden, der an den autonomen Menschen glaubt. Die amerikanische Ideologie ist der Skinner‘sche Verhaltensdrill. Was im Kopf oder im Gemüt des Menschen steckt, das muss er ausführen. Einen freien Willen gibt es nicht in der Psychologie des freiesten Landes der Welt. (Damit die Deutschen nicht die einzigen sind, die vom freien Willen geplagt werden, haben hilfreiche Gehirnexperten den Deutschen den freien Willen rausoperiert. Nun sind sie wieder auf amerikanischem Konditionierungsniveau.)

Deshalb wissen sie, was der Mensch tun wird, wenn sie wissen, was sich in seinem Kopfe tut. Eine Korrektur durch freien Willen ist eine alteuropäische Chimäre. In Skinners Zukunftsroman Futurum Zwei gibt’s nur konditionierte Menschenmaschinen. Warum werden in Amerika die Maschinen immer menschlicher? Weil die Menschen immer maschineller werden. Freiheit gibt’s im Schachern und Fuggern, aber nicht in der menschlichen Seele:

„Skinner postuliert, dass es so etwas wie Freiheit im landläufigen Sinne gar nicht gibt: Wir haben kein ›Lexikon der Freiheit‹, in dem steht, was wir tun sollen. Die Frage stellt sich nie. […] Die Frage ist: Können Menschen in Freiheit und Frieden leben? Und die Antwort lautet: Ja, wenn wir eine soziale Struktur schaffen, die die Bedürfnisse aller befriedigt und in der jeder bereit ist, die Regeln zu befolgen, die diese Struktur aufrecht erhalten.“

Gesellschaft wird wie eine Riesenmaschine eingestellt, indem die Einzelnen wie Rädchen ineinander greifen. Wenn die Gesamtgesellschaft zur Allmaschine dressiert ist, gibt es niemanden mehr, der sich fragen müsste, was Gut und Böse ist. Das bestimmen Gesamtmaschine und ihre Maschinisten, die Verhaltenstherapeuten. Der Mensch besteht aus maschinellen Verhaltensgesetzen, die man ihm in der Kindheit konditioniert hat. Nach diesen Mustern verhält er sich sein Leben lang.

Freier Wille, Vernunft – alles europäische Illusionismen von gestern. Die zukünftige amerikanische Gesellschaft wird kein Fehlverhalten mehr kennen. Liegt ein mangelhaftes Verhalten vor, wird es per Überwachung frühzeitig erkannt, repariert oder irreparabel dem Verkehr entzogen.

Vorbild der Skinner‘schen Konditionierung ist die Konditionierung durch Gott oder den Teufel. Entweder ist der Mensch Marionette des Himmels oder der Hölle. Marionette ist er immer. Was Obama Kopf nennt, ist im Neuen Testament das Herz:

„Was aber aus dem Mund herauskommt, das kommt aus dem Herzen hervor, und das verunreinigt den Menschen. Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsches Zeugnis, Lästerung. Das ist es, was den Menschen verunreinigt.“

Nicht der Mensch ist Subjekt seines Tuns, sondern die Sünde – oder der Heilige Geist: „Nun aber vollbringe nicht mehr Ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt. Denn nicht das Gute, das ich will, tue ich, sondern das Böse, das ich nicht will, das führe ich aus. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so vollbringe nicht mehr Ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt. Ich elender Mensch – wer wird mich erlösen?“

Die freieste Gesellschaft der Welt kennt keinen freien Willen. Ihre Menschen sind Maschinen des Guten oder des Bösen. In dieser Welt kann die NSA Schaden von der Gesellschaft wenden, wenn sie rechtzeitig ins Herz der Menschen schaut. Sehen sie in das Herz, wissen sie, was die Maschine zukünftig tun wird.

Vernunft und freien Willen hat Amerika seinen Gesellschaftsrädchen abtrainiert. Wer nicht angepasst mitdreht, der wird aussortiert. „Denn Gott ist es, der in euch sowohl das Wollen als das Vollbringen wirkt um seines Wohlgefallens willen.“ Die ferngesteuerten Menschen sind ausschließlich dazu da, um Gottes Wohlgefallen zu befriedigen. Menschen sind bloße Maschinenteilchen, die Gott zur eigenen Erbauung benötigt – oder sie müssen ausgewechselt werden.

Obama versteht die Sorgen der Deutschen, hatten diese doch in Ostdeutschland schon mal eine Überwachungsmaschinerie. Die war, im Vergleich zur NSA, vorsintflutlich. Nun erhalten die Deutschen von Onkel Obama zum Dank für ihre Nibelungentreue eine nagelneue Überwachung, von der niemand mehr belästigt wird. Je effizienter sie wird, je unsichtbarer wird sie.

Im Schweiße ihrer Duckmäuserei haben die Deutschen sich dieses fabelhafte Allwissenheitsgerät verdient. Die Sprache des Charismatikers aus dem Weißen Haus kennen sie schon lange: von den Predigten der Pfarrer. Wenn einer verspricht, alles zu ändern, obgleich jeder weiß, dass er‘s nicht ändern wird, wenn also einer das Blaue vom Himmel verspricht und jeder weiß, er predigt bigotten Stuss, dann kann das nur ein Vertreter des Jesulein sein.

Die Politik Amerikas ist zur Theologie der Weltbeglückung geworden. Franziskus und Obama werden sich immer ähnlicher. Der Gottesmann ist ein Politiker, der Politiker ein Gottesmann.

Der Papst braucht keine Überwachung seiner Herden. Seine Schäfchen beichten freiwillig. Was sie verheimlichen oder verdrängen, das sieht Gott, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringt.