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Die ERDE und wir. XVIII

Tagesmail vom 04.10.2024

Die ERDE und wir. XVIII,

Was steht uns bevor? Die Katharsis, die eine neue Menschheit gebiert?

Oder das Tribunal der Endzeit, in dem alles in Glut und Feuer verglüht und das erhoffte Reich des Jenseits gebiert?

Menschen werden immer kränker, erkennen die Gründe ihres Krankseins immer weniger. Sie sind müde und kraftlos.

„Nichts möge der Christ in dieser Welt liebevoll besitzen, kein Vergnügen soll er an vergänglichen Dingen suchen“, schrieb einst ein Bischof über die Verfallszeit Roms.

Es war die Frühzeit der Christen, die über das römische Reich hergefallen waren und die triumphalen Monumente des riesigen Reiches zerstört hatten.

Erinnern wir uns noch jener Zeiten, die der damaligen politischen Herrschaft das Ende prophezeit hatte, um sich vorzubereiten auf das endgültige Aus der Geschichte?

Das Aus der Geschichte – welch unfasslicher Begriff! Alles, was der homo sapiens auf Erden erfunden hatte, sollte an ein unwiderrufliches Ende gelangen? War das Schicksal einer evolutionären Gattung für immer beschlossen worden?

Wer konnte die Verwegenheit aufbringen, der intelligentesten Menschheit aller Zeiten das Kreuz zu zeigen – oder das Aus?

Halt! Es war ja gar kein endgültiges Ende. Es war das unerhörte Gegenteil: die Menschheit wartete auf die Auffahrt ins Jenseitige, auf die Erhöhung ins Unerhörte.

Es war eine Religion über Roma aeterna gekommen, die nicht nur dem Irdischen das Ende des Spiels zeigte, sondern zugleich das genaue Gegenteil: das übersinnliche Reich der Auserwählten.

Die Menschheit war keine Einheit, sie war keine Gattung der Gleichen. Universelle Gesetze – gleiche für alle – gab es nicht. Was den einen bevorstand, war das Gegenteil für die anderen. Am Ende stand die ewige Trennung.

Sippen wurden getrennt, Familien zerschnitten, Reiche zertrümmert. Was der Mensch erschaffen hatte, um ein sinnvolles Leben zu führen, wurde zu Sack und Asche: Christen waren über die Welt gekommen, um sie zu spalten und eine neue zu verkündigen.

„Das Ziel des Christen blieb die Vereinigung mit Gott. Da diese auf Erden nicht leicht zu erreichen war, predigten manche Kirchenväter ein fremdartiges Leben, eine fremdartige Lebensführung.
Dazu gehörten asketische Praktiken wie das Fasten, das Auf-der-Erde-Schlafen, Nachtwachen, das sich Lossagen von der Heimat, von den Verwandten, Gütern oder Besitz. Das fassten sie zusammen mit den Worten: „Sie kreuzigen sich selbst in der Welt.“ Bereits auf Erden fühlten sie sich als Bürger einer anderen Welt.“ (Clauss, Die Geschichte des frühen Christentums)

Die Deutschen suchen zurzeit ihre Heimat noch auf Erden. Gibt es einen einzigen Film ohne die heimliche Szene der Verliebten: komm mit mir, wir gehen nach Portugal, dort wartet das Glück auf uns. In den Gazetten siehst du die schönsten Dörfer Spaniens oder der kroatischen Inseln.

Es sind verdeckte Formen der Todessehnsucht. Der Tod war das Tor zum Jenseits. Das Elend lag im Irdischen. Nun musste das eigentliche Leben beginnen:

„Trachtet nach dem Tode! Wenn ihr euch dem Tode zuwendet, wird er euch die Erwähltheit wissen lassen. Niemand wird erlöst werden von denen, die den Tod fürchten. Denn das Gottesreich gehört denen, die getötet werden.“

Soll das eine Beschreibung der Moderne sein? Ist die Gegenwart nicht ausgehungert nach lebenslangem Glück?

Merkwürdig, dass eine lebensgierige Generation Inbegriff einer endgültigen Todessehnsucht sein soll!

Ist das Verlangen nach dem Mars, nach dem unermesslichen Universum nichts als versteckte Begier nach dem ewigen Tod – den ich aus meinem Leben verdränge?

Schon von exklusiver Nekrophilie gehört?

„Exklusive Nekrophilie: Menschen, die ausschließlich an sexuellen Aktivitäten mit Leichen interessiert sind und sich von lebenden Partnern überhaupt nicht sexuell angezogen fühlen. Anders als bei Kategorie neun leben diese Menschen mitunter, ohne jemals einen Menschen zu töten oder mit einer Leiche intim zu werden.“

Wenn wir nackte Leichen sehen, werden wir sexuell erregt? Also – müssen wir Leichen produzieren, dass wir uns „im Leben noch spüren“. Was sind wir für ein humanes Geschlecht! Uns gebührt ein ewiges Leben im Jenseits!

Was war das wichtigste Überzeugungsmittel der Christen, um die Römer für ihre Religion zu begeistern?

„Es war weder Nächstenliebe noch soziale Maßnahmen, es waren Martyrien.“

„Märtyrer … sind Menschen, die um des Bekenntnisses ihres Glaubens willen leiden und dafür den Tod erdulden.“

Ich bekenne meinen Glauben, indem ich den Tod für ihn erdulde?? Waren die Römer solche Unmenschen, dass sie dieses Zeugnis verlangten? Oder glaubten die Christen, dass die Römer solche barbarischen Gelüste hatten?

Was wissen wir von den Grundlagen unseres Abendlands mit seinen kostbaren Werten? Auf diesem nekrophilen Boden soll unsere Moderne erbaut worden sein? Da lacht sich ein Herr Musk ins Fäustchen.

Hat das Ganze etwas mit Judentum oder mit Christentum zu tun? Sind die beiden Religionen im Grunde zum Verwechseln ähnlich? War Paulus nicht ein scharfer Kritiker des erstarrten Judentums?

Sind Christen nicht deshalb so judenfeindlich, weil sie ihnen ähneln? Sind die Reibereien zwischen diesen Religionen nicht die Konflikte zwischen Jakob und Esau? Ertragen wir uns so schwer, weil wir uns so ähnlich sind?

Was sagt der Wissenschaftler?

„Das Märtyrertum, der Wunsch, für den Glauben in den Tod zu gehen, ist eine von vielen Hinterlassenschaften des Judentums an die aus seiner Mitte entstandenen christlichen Gemeinschaften. Die jüdische Existenz war, trotz einiger Ausnahmen unter David und Salomon im 10. oder den Makkabäern im 2. Jahrhundert vor Chr. in politischer Hinsicht unbedeutend. Stets stand man im Schatten größerer und mächtigerer Nachbarn. So waren es besonders die politischen Niederlagen, die sich dem Gedächtnis einprägten. Im ersten Makkabäerbuch (um 100 v.Chr.) findet sich ein Bericht über die vielen, die lieber sterben wollten, als unreines Opferfleisch zu essen. Auch die Darstellung des Flavius Josephus ist voller Beispiele von Juden, die bereit waren, ihr Leben für ihren Glauben hinzugeben. „Es ist selbstverständlich für alle Juden,“ schreibt er, „gleich von ihrer Geburt an die heiligen Schriften zu schätzen … Und wenn notwendig, freiwillig für sie zu sterben.“ (ebenda)

„Im christlichen Himmel erwartete den Märtyrer „die Belohnung mit der engelhaften Substanz der Ewigkeit, das Bürgerrecht, die himmlische Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit. Je härter die Qualen auf Erden ausfallen, desto glücklicher ist der Märtyrer im Himmel … Frauen überwinden als Märtyrer mit der Welt zugleich ihr Geschlecht.“

Damit ist die Herrschaft des weiblichen Geschlechts über die Begierde des Mannes vorbei. Das Regiment Evas, der ersten Sünderin der Weltgeschichte, ist beendet.

Verstehen wir allmählich die verborgene Logik der Femizide? Der unterdrückte Mann will sich endlich von der Übermacht der Frau und ihren Reizen befreien? Alles Böse ist im Weib konzentriert, das man nur für praktische Tätigkeiten tolerieren muss. Wenn aber die Geschichte ans Ende kommt, ist es aus mit der Frau.

Der gemeinsame Feind von Juden und Christen waren die Heiden, vor allem die aus Athen. Doch Feinde, die man in gewissen Punkten beneidete:

Der Schritt zum freiwilligen Tod „sollte in Würde und Gleichmut vollzogen werden und nicht im Affekt, aus Hass auf das Leben. Außerdem sollte es ein schöner Tod sein, der das Leben des Menschen beendete: Das Vorbild in dieser Hinsicht war Sokrates. Von einem schönen Tod konnte man bei den Hinrichtungsarten für die Christen nicht ausgehen. Dennoch galt es als hohes Lob, wenn in den Märtyrerakten vermerkt wurde, sie seien wie stoische Weise gestorben.“

In christlichen Ländern ist der freiwillige Tod des Menschen eine schlimme Sünde am Leben. In den autonomen Heidenländern ist der Mensch Herr über sich selbst, im Leben wie im Tod.

Sokrates war zum Tod verurteilt worden, aber aus falschen Gründen. Dennoch akzeptierte Sokrates den Urteilsspruch des Volkes:

„In dem ihm zustehenden Schlusswort betonte Sokrates noch einmal die Ungerechtigkeit der Verurteilung und beschuldigte die Ankläger der Bosheit, nahm das Urteil aber ausdrücklich an und äußerte nach Platons Überlieferung: „Vielleicht musste dies alles so kommen, und ich glaube, es ist die rechte Fügung.“[44] Diejenigen Geschworenen, die ihn hatten freisprechen wollen, suchte er mit Ausführungen über die wenig schrecklichen Folgen des Todes zu beruhigen. Er bat sie, für die Aufklärung seiner Söhne auf die Weise zu sorgen, die er selbst den Athenern gegenüber praktiziert hatte: „Aber schon ist es Zeit, dass wir gehen – ich um zu sterben, ihr um zu leben: wer aber von uns den besseren Weg beschreitet, das weiß niemand, es sei denn der Gott.“[45]

Von Sokrates hört man heute kein einziges Wort, viel aber von dem unschuldig Gekreuzigten auf Golgatha.

Und dennoch war Sokrates das geheime Vorbild der Märtyrer.

Der wahre Geburtstag der Märtyrer war – ihr Todestag. Für autonome Menschen stand alles auf dem Kopf und steht es heute noch immer.

Schlussfrage: sind die gegenwärtigen kriegerischen Krisen nicht die Folgen theokratischer Erlöserreligionen, die keine Toleranz kennen und in allen Dingen unfehlbar sein wollen? Israel hat sich mit jenen christlichen Ländern verflochten, die ihnen am ähnlichsten scheinen.

Auf der anderen Seite stehen jene intoleranten Muslime, die es nicht ertragen, dass andere Religionen so unfehlbar sein wollen wie sie selbst.

Lessing war jener Aufklärer, der seinen aufgeklärten Freund Mendelsohn zum Vorbild des Nathan des Weisen wählte.

Bis heute ist Nathan der Weise nicht zum Vorbild der deutschen Juden und Christen geworden. Ist das kein schreckliches Verbrechen an der Freundschaft zwischen vernünftigen Juden und rationalen Christen?

Die Deutschen sind wieder im Mittelalter versunken. Sie haben keine Ahnung von aufgeklärtem Humanismus und sind eifrig dabei, Märtyrer zu schaffen.

Fortsetzung folgt.