Kategorien
Tagesmail

Die ERDE und wir. XIX

Tagesmail vom 07.10.2024

Die ERDE und wir. XIX,

„Keine Armut. Kein Hunger. Gesundheit und Wohlergehen. Hochwertige Bildung. Gleichheit der Geschlechter. Sauberes Wasser und Sanitär-Einrichtungen. Bezahlbare und saubere Energie. Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum. Industrie, Innovation und Infrastruktur. Weniger Ungleichheiten. Nachhaltige Städte und Gemeinden. Nachhaltiger Konsum und Produktion. Maßnahmen zum Klimaschutz. Leben unter Wasser. Leben an Land. Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen. Partnerschaften zur Erreichung der Ziele.“ (SPIEGEL.de)

Ein einziges Ziel in der Liste vergessen und wir wären im Paradies: kein Kapitalismus.

Wer Schwierigkeiten hat, den Kapitalismus zu definieren, sollte das Verzeichnis auf den Kopf stellen, dann lebte er – in der Gegenwart.

Wer die Liste erstellt hat, kann auf keinen Fall ein Kapitalist sein. Denn Neoliberale haben keine Ziele, die sie als Ideale verunglimpfen: Ideale anzustreben, würde jede Vernunft überfordern.

Die Vernunft der Ökonomie ist ein Naturgesetz. Naturgesetze sind ideenlose Maschinisten der Natur, unfähig, dem Menschen zu zeigen, wie er die Diktatur der Mechanik durchbrechen und ein humanes Reich auf Erden errichten kann.

„Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde. 2 Furcht und Schrecken vor euch sei über allen Tieren auf Erden und über allen Vögeln unter dem Himmel, über allem, was auf dem Erdboden wimmelt, und über allen Fischen im Meer; in eure Hände seien sie gegeben. 3 Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut habe ich’s euch alles gegeben. “

„Dies ist die Entwicklung der menschlichen Dinge; erst waren die Wälder, dann die Hütten, dann die Städte und zuletzt die Akademien. Zuerst fühlen die Menschen das Notwendige, dann achten sie auf das Nützliche, darauf bemerken sie das Bequeme, weiterhin erfreuen sie sich am Gefälligen, später verdirbt sie der Luxus, schließlich werden sie toll und zerstören die Erde.“ (Giambattista Vico)

Jetzt müssten wir Luxus-Listen aufstellen. Wer dieses Geschäft beherrscht und nicht mehr weiß, was er besitzt und vor Reichtum schier explodiert, der müsste radikal gestrichen werden: zuerst die Milliardäre.

Milliardäre sind die unbekanntesten Wesen der Welt. Was sie besitzen oder noch nicht besitzen, aber dringend besitzen wollten, das weiß niemand, nicht einmal sie selbst.

„Für ihr Buch „Crazy Rich. Die geheime Welt der Superreichen“ hat Friedrichs mit einigen sehr reichen Deutschen gesprochen. Interessanterweise „drängen aber selbst Superreiche in die Mittelschicht“ und verwiesen darauf, dass andere Milliardäre ja wesentlich vermögender seien, so Friedrichs. Erst langsam setze auch bei den Menschen, die per Privatjet und Yacht reisen, ein „Bewusstseinswandel“ wegen des Klimawandels an. Gesellschaftlich relevant findet die Autorin, dass es kaum Informationen über Superreiche gibt, der Staat erhebe die entsprechenden Daten nicht. Insofern fehle für eine breite Debatte über den großen Reichtum die wichtige Datengrundlage.“ (SWR.de)

Am meisten Macht über die Erde hat der, über den man am wenigsten weiß. Womit klar sein dürfte, wen die KI am sorgfältigsten unter die Lupe nehmen wird. Der trostlose und armseligste Mensch ist der bekannteste, und transparenteste.

Damit können wir Fortschritt genauer definieren. Fortschritt ist die Trennung der Menschheit in Bekannte, die nur jämmerliche Transparenz zu bieten haben – und in Unbekannte, die fast alles haben, aber nichts zeigen.

Demokratie war das Gegenteil dieser Spaltung in machtlose Bekannte und mächtige Unbekannte.

Alle Menschen hatten so transparent zu sein, dass ihre Macht eingeschätzt und vom Demos kontrolliert werden kann.

Auf der Spur der immer vollkommeneren Demokratie befinden wir uns demnach nicht. Kein vernünftiger Mensch interessiert sich für den Kapitalismus als Zerstörer der Demokratie. Der Weg der kapitalistischen Völker geht nicht in eine unbekannte Fremde, sondern in einen Alltag, der uns längst bekannt ist und anwidert.

Das ist der eine Strang, der uns den Hals zuschnürt und gewöhnlich Naturgesetz heißt. Der andere Strang heißt ebenfalls Natur und lässt es sich gefallen, von unserer Habgier gefressen zu werden.

Naturgesetze und Naturinhalte sind es, die uns als Naturfeinde an die Wand stellen.

Doch die Feindschaft dauert nur eine bestimmte Zeit, dann ertönt der himmlische Gong auf Zion: das Ende der Zeit ist gekommen.

Das Ende ist nur für jene ein Schrecken, die keine jenseitige Hilfe kennen. Die anderen, deren Verbindungen bis ins Jenseits reichen, werden den Nöten des Irdischen mit Leichtigkeit entkommen.

„Der HERR ist ein Gott des Rechts. Wohl allen, die auf ihn harren! 19 Du Volk Zions, das in Jerusalem wohnt, du wirst nicht weinen! Er wird dir gnädig sein, wenn du rufst. Er wird dir antworten, sobald er’s hört. 20 Und der Herr wird euch in Trübsal Brot und in Ängsten Wasser geben.“

Wer im Triumph in Zion einziehen wird, hat das Spiel der Heilszeit gewonnen.

In Amerika Milliardäre, in Israel das auserwählte Volk. In gewissen Ländern sind beide Faktoren identisch, in frommen Ländern sind es allein die Auserwählten, die den goldenen Schlüssel für die Pforte Zion erhalten.

In den USA etwa sind die Reichsten auch die Erwähltesten, in Israel geht es allein um die Zugehörigkeit zum auserwählten Volk. Reichtümer sind weniger wichtig.

Die Amerikaner, die bei der Besiedlung des Neuen Kontinents sich selbst als das neue Volk der Juden definierten, um das alte auszuschalten, entwickelten den Glauben, das alte Volk werde eines Tages den neuen Auserwähltheitsglauben der Amerikaner übernehmen und mit den neuen Erwählten als siegreiches Volk in Zion einziehen.

Doch was, wenn die alten Erwählten störrisch sind und sich weigern, dem neuen Glauben der Christen zu folgen?

Jetzt sind wir in der Gegenwart angekommen. Das brisante Verhältnis zwischen Jerusalem und Washington ist ein geheimes Rangeln zwischen denen, die glauben, sie seien die neuen Erwählten – und denen, die sie als alte Erwählte überholt haben.

Nun haben die Alt-Erwählten nur noch die Wahl, sich dem neuen Glauben der Amerikaner oder als ganzes Volk den Christen zu unterwerfen – oder sie werden in den Abgrund fahren.

Wenn sie störrisch werden gegenüber den Amerikanern, wird es dort einen fürchterlichen Judenhass geben, denn jene werden sich bösartig hintergangen fühlen.

Nun aber leben wir in Zeiten, in denen heilsgeschichtliche Glaubenssätze als Geheimnisse behandelt werden. Die meisten, selbst wenn sie fromm sind und fleißig beten, wissen nicht, was geschieht.

Biden z.B. müsste Netanjahu eine schallende Ohrfeige verpassen, weil der Herr auf Zion tut, was er will, denn seine Ultras haben ihm eingebleut, dass sie allein über sich bestimmen – und kein machtgeiler Amerikaner könne ihnen Vorschriften machen.

Biden, schwankend zwischen demokratischen Völkerrechten, amerikanischer Frömmigkeit als neuem auserwähltem Volk und dem wirklichen Volk der Juden auf neuem-uraltem Terrain, weiß nicht, was er tun soll.

Christen aus Europa wissen noch weniger als die bibeltreuen Amerikaner und neigen mehr den Völkerrechten zu, weshalb Macron davor warnte, Netanjahu neue Waffen zu liefern. Der beschimpfte ihn sofort mit den Worten, er solle sich schämen.

Der Fromme, im Dienst seiner Ultras, und im Fieber eines finalen zionistischen Triumphs, sieht sich bereits als Sieger der Heilsgeschichte, der dem apokalyptischen Signal folgt: Jetzt oder Nie.

Im Westen fürchtet er keine Gegner mehr und ist überzeugt, dass Trump gewinnen wird. Der wird keine Probleme sehen, Jahwe, dem Allmächtigen, durch Heil oder Unheil zu folgen.

Noch wenige Wochen, dann werden wir es erfahren. Was aber denkt die lachende Harris? Nach ihrem atmosphärischen Durchbruch zog sie sich erst ins Ominöse und Schillernde zurück. Doch inzwischen entlarvt sie sich als Anhängerin der klima-schädlichen Gas- und Ölindustrie. (SPIEGEL.de)

Der wüste Frechdachs und die lachende Neukandidatin, von der man anfänglich viel Erfrischendes erwartet hatte: wer wird gewinnen?

In Amerika ist alles unklar, in Israel ist alles unklar, in Europa desgleichen. Der ungläubige Rest der Welt wartet und hofft auf den Untergang des arroganten Westens.

Aus Sicht Netanjahus ist Antisemitismus das wachsende Übel der Christenwelt, das den arroganten Juden zeigen soll, wo der wirkliche Schlüssel zu Zion hängt. Doch hier stock ich schon, wer hilft mir weiter fort?

Immer wenn die militärischen Verwüstungen im Nahen Osten steigen, steigt in Europa, besonders in Deutschland, der giftige Strom des Antisemitismus. Sollte man da nicht auf die nächstliegende Idee kommen, der angebliche Antisemitismus sei in Wirklichkeit nichts anderes als Hass auf völkerrechtswidrige Politjuden – und kein uralter biblischer Antisemitismus?

Aber hierzulande wird diagnostiziert, dass sich die Balken biegen. Antisemitismus ist keine Krankheit, die man quantitativ untersuchen kann.

Die religiösen Experten müssen morgens nur in die Zeitungen schauen – und wissen Bescheid.

Hören wir die Stimme von Roman Bronfmann, einem Mitglied der linken Meretz-Partei:

„Wie lässt sich der Hass, der uns vor allem aus den entwickelten europäischen Staaten entgegenschlägt, erklären? Auch diesmal hat die israelische Regierung wieder die Antisemitismus-Karte gezückt und Israels treueste Wortführer erhielten den Auftrag, in die weite Welt zu ziehen. Es ist jedoch an der Zeit, dass die Israelische Öffentlichkeit aufwacht und aufhört, an das Märchen zu glauben, das ihnen ihre Regierung auftischt.

Das Gerede vom ewigen Opfer liefert keine befriedigende Antwort auf die Frage, warum dies gerade jetzt geschieht: warum haben plötzlich alle Antisemiten bzw. Israelhasser die Köpfe erhoben und angefangen, ihre Hassparolen zu skandieren? Es muss Schluss sein mit dem Gejammer nach dem Motto: „Die ganze Welt ist gegen uns.“

Es ist an der Zeit, den Tatsachen nicht länger auszuweichen und sich die einfache, bittere Wahrheit einzugestehen: in den Augen der Welt hat Israel seine Legitimation verloren, und dass es so gekommen ist, haben wir uns selbst zuzuschreiben, War der Antisemitismus bisher unter politischen Extremisten anzutreffen, so sorgt Israel mit seiner Politik der grausamen Besatzung dafür, dass sich die antisemitische Stimmung ausbreitet und dass sie auch noch weiter angefacht wird.“ (In Haaretz, 19. November 2003)

Herr Schuster muss nur den Finger in die Luft halten, um irrtumslose Diagnosen zu erstellen. Kein Deutscher Scheinexperte kann hier mithalten.

Fortsetzung folgt.