Kategorien
Tagesmail

Alles hat keine Zeit XXXVIII

Tagesmail vom 04.11.2020

Alles hat keine Zeit XXXVIII,

wenn Biden gewählt wird, bleiben die Fassaden erhalten, doch die überfällige Revision der westlichen Demokratie fällt flach.

Wenn Trump gewählt wird, gerät die Welt in gefährliches Schlingern, doch die Gegenkräfte der Völker werden sich kaum bremsen lassen – es sei denn durch schreckliche Gewalt.

Wenn Biden gewählt wird, wird Washington das Klimaproblem wieder aufgreifen – doch Grundsätzliches wird nicht geschehen.

Wenn Trump gewählt wird, wird die Natur in rasendem Tempo guillotiniert und das Elend der Welt von den Auserwählten als apokalyptischer Fortschritt gefeiert – doch die Völker werden es sich nicht mehr gefallen lassen.

Wenn Biden gewählt wird, kommt die Weltwirtschaft wieder im Jackett daher – doch die Brutalitäten werden sich gleichbleiben, die Völker werden die Doppelmoral nicht länger ertragen.

Wenn Trump gewählt wird, zeigt die Wirtschaft ihre unersättliche Fratze – doch die Völker werden sich von Phrasen nicht mehr abspeisen lassen.

Wenn Biden gewählt wird, werden sich die Demokratien nicht erneuern, der ruinöse Verfall wird sich beschleunigen, das transatlantische Verhältnis weiter verrotten, der wachsende Konkurrenzdruck alles unter sich begraben. Selbstgerechte Gesichter werden ratlos um sich blicken.

Wenn Trump gewählt wird, müssen Amerika und Europa tun, was sie bislang sträflich vernachlässigt haben: sie müssen ihre desolaten Verhältnisse klären – oder im Dunkel der Geschichte verschwinden.

Wenn Biden gewählt wird, werden die EU-Staaten ungerührt ihrem neoliberalen Kurs folgen und die Götzen Ökonomie & Fortschritt anbeten.

Wenn Trump gewählt wird, bleibt Europa keine andere Wahl, als den Verfall zu beschleunigen – oder dem bisherigen Vorbild (das nur noch Degenerationserscheinungen zeigt) die Gefolgschaft zu verweigern.

Wenn Biden gewählt wird, kommt die Bigotterie mit Bügelfalte wieder zu Ehren.

Wenn Trump gewählt wird, triumphiert die Eigensucht in mephistophelischer Ungeschminktheit und clownesker Amoral.

Kurz: wenn Biden gewählt wird, setzt sich der Abwärtstrend in gewohnter Ehrbarkeitsmaske fort.

Wenn Trump gewählt wird, scheiden sich die Geister. Der Kampf um Alles oder Nichts wird in seine finale Phase kommen.

Die Vorteile des Übels werden die Nachteile des Gewohnten und scheinbar Guten überwiegen und einen kathartischen Weltprozess einleiten.

Es ist die Stunde deutscher Amerikakenner, die sich rühmen, sich im „Maschinenraum“ der USA blind auszukennen. Wenn ihre Korrespondentenzeit vorüber ist, schreiben sie Bücher mit besitzergreifenden Titeln wie: Mein New York, Mein Silicon Valley, Meine Rocky Mountains.

Sie haben das Zentrum der Welt gefunden. Nur bekehrte Sünder sind fähig, das Land der Befreier als Gottes eigenes Land zu würdigen. Nur bekehrte Sünder sehen das Land im Vorschein des ganz Anderen – von dem sie aber nicht reden, sondern in allen trivialen Zahlenkolonnen der Wahlergebnisse nur durchscheinen lassen.

Da fährt einer im Wohnwagen quer über’s Land, um in zufälligen Begegnungen das Exemplarische zu entdecken. Da beschreibt einer seine Familie, als sei sie in ihrer Durchschnittlichkeit die Offenbarung Amerikas. Götterboten wandeln unerkannt auf Erden und wollen wahrgenommen werden. Das Geheimnisvolle hinter dem Alltäglichen will geschaut werden.

Dafür sind deutsche Amerikakenner da, deren Leidenschaft die Prognose ist, eine entfernte Tochter der Prophetie. Sie beschreiben nicht, was ist, sondern was sein könnte. Der prophetische Konjunktiv heiligt die endlosen Zahlenkolonnen der Umfragen und Wahlergebnisse.

Es muss ein erhebendes Gefühl sein, genau dort zu sein, wo Gott das Geschick der nächsten Jahre zusammenrührt. Denn Eschatologie und Apokalypse, die Zentren christlicher Dogmatik, sind im christlichen Deutschland unbekannt.

Erst Corona, die strenge Pädagogin aus China, hat die Pastorentochter an ihr Glaubensbekenntnis erinnert. Sie warnt vor Unheil und Ungemach, Synonymen der Apokalypse, die da kommen soll.

Erneut zeigt sich die Überlegenheit einer aufgeklärten Nation mit religiösem Hintergrund – über eine religiöse Nation mit aufgeklärtem Hintergrund. Über einen Biblizismus, der am Wortsinn der Schrift festhält, kann die frei schwebende historisch-kritische Theologie deutscher Gottesgenies nur heimlich lächeln.

Offiziell sind sie begeistert über Gospelgottesdienste, die jeden kopflastigen Kirchentag mit dem Feuer des Heiligen Geistes in Wallung bringen. Das Wort, sie sollen lassen stahn, gilt nicht mehr im Land des aufrechten Reformators. Heute ist Luther erfolgreich postmodernisiert: das Wort kann uns gestohlen bleiben – oder: was ein Wort ist, bestimmen immer noch wir.

Der Flexibilität ihres Wortes entspricht ihr fluides Rückgrat. Sie buckeln vor allem, was sie für den neuesten Zeitgeist halten. Das neueste Schlagwort der amerikanischen Wissenschaft wird solange angebetet, bis das nächste Schlagwort importiert wird.

Das gilt vor allem für expressive Musik der Wilden aus Amerika, die man im Urtext intonieren muss, um zur Szene zu gehören. Je ekstatischer Töne und Bewegungen, je höher ist der Befreiungsgrad von kapitalistischen Maschinenzwängen. Amerika, Land der Sehnsucht nach immer mehr von Gods own country oder das neue Kanaan, das man in Ehrfurcht durchwandelt, um der leeren Ratio der Deutschen zu entkommen.

Das Triebleben der deutschen Jugend findet nach zwei verlorenen Kriegen kein Äquivalent. Also muss man sich des Trieblebens eines auserwählten Volkes bedienen, um sklavische Wildheit mit börsenhaftem Zocken zu verbinden.

Die erste Studentenbewegung nach dem Krieg war ein Protest gegen die Kluft zwischen Arm und Reich. Das sollte mehr sein als ein kopfgesteuerter Aufstand gegen Ausbeuter. Bewusst artikulierten die Revoluzzer stockend, „verzichteten auf logische Abfolgen und orientieren sich mehr am Sprachgebrauch der neuen Folksingers als am glatten Professorenenglisch.“

Ihr akademisches Desinteresse erkennt man am faschistischen Gerede ihrer Nachfolger, der Hippie-II-Bewegung aus Silicon Valley. Hier sieht man die Faszination des wortlos Elementaren, die sich mit der Coolness algorithmischer Weltherrschaftszwänge paart.

Der Psychoanalytiker Bruno Bettelheim hielt die Aktivsten für krank, diagnostizierte Verfolgungswahn und Ödipus. Ein Philosoph nannte sie „intellektuelle Lumpenproletarier, Lumpenbeatniks und Lumpenagitatoren.“

Über ihre Silicon-Valley- Nachfolger hört man solche abfälligen Urteile heute nicht mehr. Schnell hat die Jugend dazugelernt, den amerikanischen Machtstil übernommen – und beherrscht heute mit Zahlen die Welt. Zuckerberg und Bill Gates wollen die Welt besser machen, indem man sie mit reichlichen Almosen und Maschinen überwacht und beherrscht.

Studentenführer definierten sich als Revolutionäre, die einen „vollständigen Bruch mit der Vergangenheit“ begehen wollten. Sie merkten nicht, dass sie Amerikas älteste utopische Tradition wiederbeleben wollten. Überall im Lande entstanden Hippiekommunen. In Virginia versuchte man, nach Regeln zu leben, die der Behaviorist Skinner in seinem Buch „Walden Two“ aufgestellt hatte. Behaviorismus ist Außenlenkung des Menschen, ohne dass der Gelenkte seine Manipulation bemerkt. Skinner ist der amerikanische Gegentypus zur europäischen Selbsterkenntnis à la Freud.

Was den Hippies nie klar wurde, ist ihre Geprägtheit durch den Calvinismus der ersten Siedler. Deren Prädestination durch Gott entsprach die Determiniertheit durch unbewusste Außenreize. Skinner ist der psychologische Vollstrecker Calvins.

Die Mitglieder der „Messiah’s World Commune“ gaben sich überzeugt, das im Buche Daniel genannte Volk ohne Krankheit, Krieg, Verbrechen und Armut zu sein. Und schon schwärmten sie aus, um mit Daniel das amerikanische Volk zu durchsäuern. Jerry Rubin verdingte sich an der Wallstreet, Timothy Leary sah in der aufkommenden Computerindustrie die wahre Bewusstseinserwartung, Bob Dylan, der ein Lied gegen Wolkenkratzer gesungen hatte, kaufte sich selbst einen.

Die Vergangenheits-Verdrängung der Amerikaner ist zur westlichen Religion geworden. Nicht zurück – immer nach vorne schauen, sich täglich neu erfinden: das amerikanische Credo bestimmt die Bewusstseinslosigkeit der Gegenwart. Das supermoderne Motto ist nur so alt wie das Alte Testament, wo den Gläubigen eingeimpft wird, nicht mehr des Vergangenen zu gedenken.

Golo Mann beginnt seine Schrift „Vom Geist Amerikas“ mit dem Satz:

„Von den Amerikanern heißt es wohl, sie seien eine geschichtslose Nation. In ihrem Ursprung schon liegt ein Sich-Losreißen von der europäischen Vergangenheit – ja von aller Vergangenheit.“ Amerika war das Land der „Jetztzeit“. Geschichte ist Humbug, erklärte Henry Ford.

Bedenkt man, wie historisch die deutsche Bildung war und wie Geschichte zum Datenfach verkommen ist, erkennt man die Unterwürfigkeit der Deutschen gegenüber ihren Besiegern und Befreiern. Wie kann man seine Vergangenheit bewältigen, wenn es keine geben darf, die den Menschen geprägt hat.

Dass man Vergangenheit erforschen muss, um Gegenwart zu verstehen, ist heute zur Lachnummer geworden. Wie könnte Fortschritt sich täglich neu erfinden, wenn er von der Vergangenheit determiniert wäre? Wie kann man sich auf die Spur kommen, wenn man von der Entstehung seiner Person nichts wissen darf?

Die Entwurzelung des christlichen Westens ist nicht nur Verdrängung aller Sünden, sondern Unfähigkeit zur Selbsterkenntnis. Wer sich selbst nicht kennt: wie will der andere verstehen und erkennen?

Heute ist Geschichte zur Folge von Brüchen geworden. Hier liegt eine der elementaren Ursachen des westlichen Antisemitismus auf den Höhen der Bildung. Wie kann ich meine Fehler erkennen, wenn es keine Verbindung zwischen Fehlern meiner Vergangenheit und Gegenwart gibt?

Zwischen Idolisierung und Ablehnung pendelt die deutsche Haltung zu Amerika. Zwischen amerika-philer Trunkenheit und hasserfülltem Antiamerikanismus schwanken die deutschen Dialektiker, die alles zusammenschweißen, was nicht zusammengehört und alles spalten, was sich polar bedingt.

Aufrechte Kritik an Freunden gibt es nicht in deutschen Landen, weder zu Amerika noch zu Israel. Kritik, das belebende Medium zwischen Gleichen und Freien, kennt man nicht im Lande Kants. Wer Kritik übt, ist totalitär, wer kritisiert wird, wird abgekanzelt. Unterschiede zwischen Kritik, Schmähung, Diffamierung oder Beleidigung kennt man hierzulande nicht. Wie konnte der Shitstorm zum dominanten Feedback werden, wenn eine aufgeklärte Gesellschaft kritische Wachsamkeit in gegenseitigem Respekt gelernt hätte. Von Ironie haben wir noch gar nicht gesprochen.

Wie haben sich die medialen Amerikakenner über die „unamerikanischen Umtriebe“ eines Trump erregt – ohne das geringste Bewusstsein, dass Amerika aus zwei Quellen geboren wurde: der Graecophilie englischer Gentlemen und dem Hass auf Demokratie der ersten Calvinisten:

„Auserwähltheit und Vorherbestimmung waren eindeutig undemokratisch. Nichtchristen, Nichtregenerierte blieben draußen vor der Tür. Die Heiligen ließen sich durch Mehrheitsentscheidungen nicht die Hände binden. Puritaner fürchteten die Demokratie als Quelle von Anarchie und Pöbelherrschaft. John Cotton hielt das demokratische System weder für Kirche noch für das Commonwealth geeignet.“ (Gerd Raeithel, Geschichte der nordamerikanischen Kultur)

Hier liegen die Gründe für das undemokratische Wahlsystem der Wahlmänner oder des Prinzips: der Sieger streicht alles ein. Wenn ein Wahlsieger alle Privilegien für sich kassieren würde, wäre er ein Diktator, aber kein gewählter Demokrat, der nach einer bestimmten Zeit seinen Stuhl räumen muss.

Noch heute steckt in den Biblizisten Amerikas eine absolute Abneigung gegen Washington als Sitz der Demokratie und gegen New York als Sitz der UNO, die ein Parlament der Völker sein wollen.

Woher kommt die Kinderverachtung der Gegenwart, die durch Klima-Passivität die Zukunft der Kinder opfert, um das kriminelle Wohlleben nicht beenden zu müssen.

In allen Coronakommandos werden die Kinder – neben den Alten – am schlechtesten behandelt. In der ersten Welle waren die Spielplätze als erste geschlossen. Wie lange schon werden die Schulen vom Klo bis zu den Fenstern vernachlässigt. Es gibt zu wenige Pädagogen, die Lehrpläne sind eine Zumutung, die Entwicklung freier Persönlichkeiten ist inkompatibel mit preußischem Frontaldrill. Was tun die Lehrer in den jetzigen Notzeiten am liebsten? Testen, testen, testen. Nichts Sinnvolles in selbstbestimmter Freiheit beibringen, aber das Nichts in permanenter Pein überprüfen.

„Es reicht. Bis hierher und nicht weiter“: Eltern in Bayern haben einen Brandbrief an das Kultusministerium geschickt, in dem sie ein schulisches „Weiter so“ in der Pandemie verurteilen. Einer der Hauptkritikpunkte: Der Leistungsdruck sei gestiegen, weil Schülerinnen und Schüler deutlich mehr Tests schreiben müssten als vor Corona. „Seit den Sommerferien wird geprüft, was die rote Tinte hergibt – als drohe der Notenschluss binnen Wochenfrist“, heißt es in dem Schreiben.“ (SPIEGEL.de)

Man stelle sich vor, das Kabinett würde in wöchentlichen Tests überprüft werden, ob es über Corona, Klima, moralische Kompetenz das Notwendige weiß. Warum wird die Kanzlerin gelobt, dass sie fachliche Kleinigkeiten beherrscht? Ist es nicht das Mindeste, was man von verantwortlichen Politikern erwarten kann? Dazu käme eine politische Agenda, die das Ziel bestimmt, wofür die Kenntnis der Dinge dienen soll. Die Quartalzeugnisse des Kabinetts wären fürchterlich.

Man kann wahrlich nicht behaupten, den subliminalen Kinderhass der Deutschen hätten sie allein den Amerikanern zu verdanken. Die Geschichte der Deutschen ist eine fortwährende Antwort auf die Frage: hört ihr die Kinder weinen. Was man aber sagen kann, die puritanische Kinderfeindschaft hat die Deutschen in ihrer biblischen Zuchtmanier bestärkt: wen Gott liebt, den dreht er durch die Mangel.

„Das grundlegende Element in der puritanischen Kindererziehung war der Glaube an die Kindsverdammnis. Ein Kind kam grundsätzlich geistig tot zur Welt und musste erst wiedergeboren werden, um das Heil zu gewinnen. Cotton Mather: „Wisset ihr nicht, dass ihr Kinder des Todes, der Hölle und des Zorns seid – von Natur aus?“ (Raeithel)

Im Alter von 12 bis 16 Monaten wurde das Kind abrupt entwöhnt. Die Mutter strich die Brustwarze mit Galle, Senf oder bitterem Wermut ein. Danach begann die eigentliche Erziehungsarbeit, das Brechen des Willens, die Erzeugung von Scham, die Unterdrückung von Zuneigung, die Erziehung zur Distanz. Die frühest mögliche Ablösung durch Weggeben der Kinder in andere Familien, damit die Liebe zum eigenen Fleisch und Blut nicht übermäßig werde. Selbst im Himmel würden die Eltern von den Kindern getrennt.

Wer sich anschaut, wie Kinder heulend in den Kitas abgeliefert werden, kann sich die puritanischen Ursachen dieses Kinderhasses vorstellen. Das sei alles nicht so schlimm, das hätten wir auch überlebt, wiegeln die Erwachsenen ab. Dasselbe sagte jene Generation, der man das Schlagen ihrer Kinder verbot.

Die zwanghafte Ablösung der Kinder folgte jesuanischen Sätzen, die an Feindschaft gegen die Familie nicht mehr zu überbieten sind:

„Ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.“

In Deutschland grassiert die Mär von der christlichen Familie. Das Gegenteil ist richtig. Der Kapitalismus hat die christliche Familienfeindschaft übernommen, um beide Eltern unter sein Joch zu zwingen. Das Kind kann zur Hölle gehen.

Und noch eine Bestrafungsorgie an Kindern durch Erwachsene, die nicht wissen, was sie tun:

„In der Coronapandemie erleben wir in Deutschland eine grundlegende Geringschätzung der Bedürfnisse von Kindern. Sie sind oftmals einfach nur Regelungsgegenstand von Politik, Institutionen und Verwaltungen. Das zeigt sich exemplarisch an vielen Krankenhäusern, die aufgrund der Pandemie ihre Regelungen dahingehend verschärft haben, dass Kinder unter 16 Jahren auch von dem Besuchen ihrer Angehöriger und sogar ihrer Eltern ausgeschlossen werden. Das widerspricht dem Kindeswohlvorrang der UN-Kinderrechtskonvention sowie dem Recht auf regelmäßige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen. Natürlich sehen wir die hohen Anforderungen, denen Krankenhausbetriebe aktuell ausgesetzt sind. Dennoch: Kinder sind keine Menschen zweiter Klasse, und es darf keine generellen Betretungsverbote für Kinder in Krankenhäusern geben.“ (TAZ.de)

Wer Gott folgen will, muss sich von allem Natürlichen losreißen. Warum wohl ist die Umzugsquote in Amerika vergleichsweise so hoch? Warum hört man in amerikanischen Filmen so oft den Satz von Erwachsenen an ihr Kind: Ich hab dich lieb? Immerhin, die Neupuritaner haben dazu gelernt. Doch das Liebhaben muss heute jede Form des Abschiebens mit einer göttlichen Formel überdecken.

Auch Abraham musste sich von seinem gewohnten Leben verabschieden:

„Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein.“

Familiäres Leben als Leben in geliebten Verhältnissen ist mit Kapitalismus unverträglich.

Welche Unterschiede gibt es zwischen amerikanischem und deutschem Christentum?

Trump bekennt seinen archaischen Glauben in aller Öffentlichkeit. Selbst als Pose wäre dies ein klares Bekenntnis. Sein sündiges Leben ist kein Einwand gegen einen Glauben, der vom Vergeben der Sünden und der Sinnlosigkeit der Werke lebt.

Seine deutsche Kollegin verschwindet im Hinterzimmer, um ihr Glaubensbekenntnis abzulegen:

„Ich finde es sehr befreiend, dass man als Christ Fehler machen darf, dass man weiß es gibt etwas Höheres als nur den Menschen.“

Ein Christ darf Fehler machen, um befreiende Gefühle zu erleben. Nicht das Tun des Guten befreit den Menschen, wie alle Philosophien der Autonomie behaupten, sondern das Gegenteil: das Tun des Bösen, um von einer illusorischen Instanz begnadet und befreit zu werden. Christliches Lebens ist Lizenz zum Bösen, um ein befreites Leben zu führen.

Die christliche Moderne befindet sich auf dem Kurs zur höchsten Befreiung – durch Legitimation zur grenzenlosen Sünde.

Nun harren wir des göttlichen Urteils, wer amerikanischer Präsident werden soll: Clown oder Biedermann?

Fortsetzung folgt.