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Wahlverweigerung

Hello, Freunde Weimars,

der Hass der Gelehrten und Intellektuellen auf die Demokratie hat die Weimarer Republik zerstört. So weit sind wir noch nicht, doch auch Hass beginnt im Kleinen: in der Enttäuschung, die zur Gleichgültigkeit führt. Zur Abneigung. Zur Allergie. Zum Ekel. Wie weit ist’s jetzt noch zum Hass?

Wählst du, wurde der Schauspieler Moritz Bleibtreu gefragt.

Natürlich nicht.

Warum?

Entweder mach ich etwas ganz oder gar nicht.

Ist das Leben des Schauspielers etwas Ganzes? Perfektes? Und dennoch lebt er?

Demokratie ist eine Suchbewegung, eine Suche nach dem würdigsten Leben der Menschen. Perfekt ist Demokratie nicht, aber lernend kann sie perfekter werden.

Ist Bleibtreu eine Ausnahme unter den „sehr berühmten“ Menschen? Viele seiner KollegInnen werben für das Gegenteil: Menschen, geht wählen. Ihre Worte klingen wie eine Aufforderung zum Mitleid. Erbarmt euch der armen buckligen Magd Demokratie. Die Magd gibt nichts her, man muss sie bedauern, man muss gut zu ihr sein.

Welche Reaktion ist schlimmer? Aufruf zur Mitleidspose oder Nachruf auf die Unvollendete?

Bleibtreu geht schon lange nicht mehr zum Wählen. „Wahlrecht? Da zuckt Moritz Bleibtreu nur verdrossen die Achseln: Ich glaube nicht an die parlamentarische Demokratie“, erklärte er

2012 in einem Interview mit einer österreichischen Zeitung. Und in der aktuellen „Gala“ sagt er: „Ich war noch nie wählen, weil mich die Politik noch nie überzeugen konnte.“ (Hamburger Morgenpost)

Die Politik muss ihn überzeugen? Vielleicht kniet diese unansehnliche Dame vor ihm nieder und fleht ihn an: Oh, großer Schauspieler, wie kann ich dich überzeugen? Was muss ich tun, dass du mein Bettchen teilst? Ich weiß ja, dass ich nicht schön und begehrenswert bin. Mehr als langweiligen Hausfrauensex kann ich nicht bieten. Doch wenn man an mich glaubt, werde ich zur rasenden Liebesgöttin.
Glauben war das falsche Stichwort: „Ich glaube nicht an die parlamentarische Demokratie“, wies der Riesenschauspieler sie schnöde zurück. Das brach ihr vollends das Herz. „Denk an Weimar“, konnte sie ihm gerade noch zurufen, bevor sie ihr kärgliches Leben in Deutschland aushauchte.

Faschismus ist für mich, wenn enttäuschte Liberale und enttäuschte Sozialisten sich zu etwas Neuem zusammenfinden. Daraus entsteht, was man konservative Revolution nennt“, sprach Armin Mohler, einst Privatsekretär Ernst Jüngers, der ein großes Buch über die Konservative Revolution geschrieben hat.

War Moritz Bleibtreu ein Sozialist, der enttäuscht wurde und nun etwas Neues will? Nicht mehr die alte, schäbige Tante Demokratie? Dann gehört er zur wachsenden Zahl konservativer Revolutionäre, die ihren Kampf gegen die nichtswürdige Demokratie führen. Sie leben mit dem Kopf im Himmel, sodass irdische Verhältnisse ihnen nicht mehr genügen. 
Früher hätte man sie Idealisten genannt. Idealisten folgen einer Idee, die so perfekt ist, dass keine Realität sie „abbilden“ kann.

Als die Klugen und Gelehrten die Weimarer Republik zu Grabe trugen, sprach man von konservativer Revolution. Das ist eine Revolution von oben gegen alle Nachfolgebewegungen der Französischen Revolution und gegen die Dominanz des Pöbels. War die Konservative Revolution eine Vorbereiterin des Nationalsozialismus? Ein Bestandteil des Hitlerismus?

Wer Armin Mohlers Buch liest, dem ergeht es, wie es einem fast immer ergeht, wenn man ein nachkriegsdeutsches Buch liest: vor lauter Bäumen sieht man den Wald nicht mehr. Da werden Begriffe auf einen Haufen geworfen, dass sich einem Gehirn und Magen drehen. Sie sprechen gern von Pluralismus, meinen aber Wirrwarr und Resterampenmentalität. Je mehr Begriffe übereinander, desto weniger Durchblick. Das ist der Sinn deutscher Schulen und Hochschulen.

Gab es mal eine Umfrage auf der Straße, was Faschismus sei? Ob das Dritte Reich Faschismus  oder Totalitarismus war? Und was der Unterschied zwischen beiden Begriffen sein soll?
Alles unbeantwortbar, selbst für Experten. Grade für Experten. Ein deutscher Experte ist ein Mensch, der überzeugend nachweisen kann, dass es auf keinem Gebiet Experten geben kann, die zur korrektiven Praxis beitragen können. Bildung hat in Deutschland die Funktion, vom Lernen abzuhalten oder Lernen und Erkennen für unmöglich zu erklären.

Das ist eine alte deutsche Tugend: Bildung muss sich selbst für unbrauchbar und ungültig erklären, denn sie steht unter dem Ruch weltlicher Weisheit. Die Welt ist Tummelplatz der Heiden, die die göttliche Weisheit der Christen nur verhöhnen. Weltliche Weisheit steht gegen göttliche Weisheit, die, als sie sich entschloss, vom Himmel herniederzusteigen und auf Erden zu landen, aller weltlichen Weisheit das Genick zu brechen drohte. Was ihr so gut gelang, dass das deutsche Bildungssystem ein sich selbst zersetzendes Lernen ist. Oder ein Double Bind: lernt Kinder, doch wehe, ihr lernt.

Bildung gibt es heute nicht mehr. In den letzten Jahrzehnten glaubte man noch dran, dass in Hochschulen wahre Bildung verbreitet wird. (Was wahre Bildung ist? Soll das eine Frage sein? Bildung ist Denken mit dem eigenen Kopf  was sonst?) Also schickte man möglichst viele junge Menschen zur Uni, um das Benützen des eigenen Kopfes zu lernen.

Natürlich lernten sie nicht selbständiges Denken, sondern erwarben instrumentelle Erkenntnisse, mit denen sie ihren Aufstieg planen konnten. Heute sind so viele aufgestiegen, dass die Plattform unterm Himmel übervoll ist und Philosophieprofessor Nida-Rümelin (SPD) schon wieder ins Horn tutet: Vorwärts Genossen, wir müssen zurück. Es gebe zu viele Akademiker, der ganze Mittelbau der Industrie mit Facharbeitern sei am Veröden. Also wieder mehr Handwerker und nicht mehr so viele Kopfwerker. Wobei man es den Kopfwerkern gar nicht ansah, dass sie ihren Kopf benutzen konnten  ohne „Leitung eines andern.“

Ums Selberdenken ging es ohnehin nie. Seit der rasanten Industrialisierung Deutschlands ist Bildung ein mit Kenntnissen voll gepackter Tornister, um wirtschaftlichen Erfolg zu erwerben. Was muss ich können, um einen Investor in fünf Minuten zu beeindrucken? Wer diese Frage schlüssig in Wort und Tat beantworten kann, der ist gebildet und für höhere Salons gerüstet.

Seit Gott übers Abendland gekommen ist, muss der Mensch lernen, nichts zu lernen. Er muss tun, als ob er lernte. In Wirklichkeit muss er allem Gelernten tief misstrauen. Der Welt Weisheit ist vor Gott eine Torheit. Ein echter Abendländer ist ein Weiser, der wie ein Tor daherkommt  weil er einer ist.
Ein deutscher Gelehrter ist ein Widerspruch in sich. Oh, er weiß mehr als Jauch und Gottschalk zusammen, aber er denkt nicht. Zumindest nicht mit dem eigenen Kopf. Seine Kenntnisse bleiben im jungfräulichen Zustand, sie werden nicht lustvoll benutzt.

Über der abendländischen Bildung stand das große Entweder-Oder: Jerusalem oder Athen? Was hat Jerusalem mit Athen zu tun  hatte Tertullian aggressiv in die Runde gefragt. Dummerweise wurde das Entweder-Oder zu einem Sowohl-Als auch, sodass kein Schüler mehr durchblickte, was denn nun richtig sei. Lernen und Erkennen oder doof bleiben um Christi willen?

Ein deutscher Schüler muss täglich die Frage beantworten: was ist die Diagonale aus Entweder-Oder und Sowohl-Als auch? Die gewollte Konfusion hat sich bis heute nicht geändert. Man lernt, um mit Bildung seine Ignoranz zu tarnen. Man denkt mit den Köpfen der anderen, um dem Schicksal Mollaths zu entgehen.
Die Wissenschaft weiß immer mehr  doch ihr Wissen stellt sie der NSA und allen militärisch-technischen Komplexen rund um den Globus zur Verfügung  die das Wissen nutzen, um anderen Leuten das Sehen, Hören und Denken auszutreiben.

Jauch & Gottschalk  zwei Ministranten gegen den Rest der Welt  sind so weise, dass sie gegen die Weisheit aller Deutschen antraten. Sie sollten die Frage lösen: Was ist schwerer? Das Gesamtgewicht des Publikums oder das Gewicht einer Million Pennies?
Das ist noch harmlos. Der Chef von Cern  jener Superrennbahn, wo Elektronen so schnell aufeinander prallen, damit wir herauskriegen, wie die Welt entstanden ist  behauptete neulich: nun wüssten wir, dass es am Anfang einen Gott gegeben haben muss. Damit wüssten wir aber noch nicht, was vor Gott gewesen sei. Nicht einmal er sei in dieser Frage weitergekommen.      

Da muss jeder Theologe bleich werden, was Physiker wissen und sie noch immer glauben müssen. Auch die höchste Mathematik lässt sich nicht lumpen und will Gott bewiesen haben. Mit Hilfe der Modallogik zweiter Stufe hat der deutsche Mathematiker Gödel (Gödel = der kleine Gott) die Existenz Gottes einwandfrei bewiesen.
„Aber was ist Gott überhaupt für ein Ding, rein logisch gesehen? Gödel definierte ihn als ein Wesen, das alle positiven Eigenschaften auf sich vereint. Und was ist eine positive Eigenschaft? Dazu sagte Gödel nicht viel.“
Wenn das kein exakter Beweis ist für alle, die von Modallogik der ersten bis letzten Stufe keinen blassen Dunst haben! (Tobias Hürter im SPIEGEL)

Was würde Luther dazu sagen, für den Gott eine Personalunion aus Gott & Teufel war? Gott müsste demnach alle positiven und negativen Eigenschaften auf sich vereinen. Kunststück, hat er doch alle Eigenschaften höchstselbst erfunden. Okay, das sollen Gödel und Luther unter sich ausmachen.

Kehren wir auf den Boden der Tatsachen zurück und gehen zu den ersten Mönchen des Abendlands, die zwar lernen, zugleich aber den paulinischen Ekel am Denken verinnerlichen sollten. Die Lehrer des 5. bis 7. Jahrhunderts suchen ihre Schüler so gut wie möglich von jeder Bildung „abzuziehen, welche zu sehr die weltliche Überlieferung pflegt“. So stehts bei Marrou, Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum:
„Das abendländische Mönchtum entwickelt sich in derselben Atmosphäre der Bildungsaskese wie das des Orients. Der Mönch muss die Welt, ihre Eitelkeiten, ihre Reichtümer fliehen, und zu ihnen gehört auch die Bildung. Sowie es einem Bischof einfällt, zuviel Sorgfalt auf den Unterricht in der Grammatik zu legen, erregt er Ärgernis und wird scharf zur Ordnung gerufen“, wie es Gregor der Große nicht selten bewies.
Was geschieht hier? Hier werden die Fundamente der abendländischen Schizophrenie gelegt. Lernt, aber bleibt töricht und widersprecht euren Autoritäten nicht.

Diese Erzeugung des gespaltenen Irreseins muss man sich genau anschauen. Zuerst sieht in der mittelalterlichen Schule alles aus wie in der antiken. Man beginnt mit dem Alphabet. „Aber während der antike Schüler langsam in seiner genau durchdachten Stufenfolge begrifflicher Analyse der Reihe nach alle Bestandteile der Lektüre lernte, wird in der Klosterschule das Kind unmittelbar mit dem heiligen Text in Berührung gebracht.“ Der Lehrer schreibt den Text an die Tafel und der kleine Sünder muss ihn  auswendig lernen. „Er lernt nicht lesen an und für sich“, sondern lernt nur die Anfangsbuchstaben, um den Rest des Textes aus dem Gedächtnis herzuplappern.

„Wie weit sind wir hier von dem griechischen oder lateinischen Schullehrer entfernt“. Dort mussten die Schüler lesen lernen, sodass sie alle Texte entschlüsseln konnten. Christliche Schüler benötigen Anfangserkenntnisse oder Ahnungen, den Rest müssen sie sich zusammenreimen. Immer unter der Beobachtung unfehlbarer Priester, die aufpassen, dass die Schüler nicht ins eigene Denken kommen und naseweise Fragen stellen. Das verstehst du nicht, klingt es heute noch in vielen Kinderstuben. Werde erst so alt wie ich, dann wird dir das Fragen vergangen sein.

Gegen die unfehlbare Autorität heiliger Texte kommt kein germanisches Kleinhirn an. Wer sich genau beobachtet, wird sofort verstehen, wie aus normalen Schulen so viele Analphabeten kommen können, ohne dass die Lehrer es bemerkten, aber auch nicht bemerken wollen. Analphabeten sind Erben jener Auswendiglerner, die ahnen, was in einem Text stehen könnte, weil sie es zuvor geschickt von anderen erfragt haben.

Wer heute feuilletonistische Texte liest, macht es ganz genauso wie die Schüler der mittelalterlichen Klosterschule. Man liest kurz drüber, erkennt das geschwollene Kirchenlatein  und dreht ab. „Liebling“, fragt die Liebste, „was steht denn heute in der FAZ?“ „Ach, nur dummes Zeug“, murrt der Denker des Hauses, der nicht weiß, wen er mehr verfluchen soll: sich, den Leser, der nichts verstanden hat  oder den Edelschreiber, der so tut, als ob er etwas wüsste, aber mit hochgestochenen Begriffen nur seine Ignoranz überdeckt.

Mit anderen Worten, wir leben noch immer bildungsmäßig im Mittelalter. Der Aufwand an beschriebenem Papier ist umgekehrt proportional zum Verständnis der Schreiber und Leser. Kein Wunder, dass Theologen alle 10 Jahre den Inhalt ihrer heiligen Schrift neu deuten dürfen und alle anderen, die ihren exegetischen Künsten nicht folgen, für Zurückgebliebene halten. Wer sich die Mühe macht, seine Bibel selbst zu lesen und dem nächsten Seelenhirten unter die Nase zu reiben, wird als buchstabengläubiger Vollpfosten bezeichnet.

Die Deutschen haben nie richtig lesen gelernt, weshalb sie den Text der Texte meiden wie der Teufel das Weihwasser. Sie raten, ahnen und vermuten  wissen tun sie nichts. Aber auch Wissen genügt nicht. Das Winken muss denkerisch eingefangen werden.
Das ist der heutige Zustand politischer Mündigkeit. Man kann zwar lesen, um zu wissen, dass man Politikern nicht trauen darf, doch die unzufriedenen BürgerInnen misstrauen ihrem eigenen Misstrauen. Eigentlich glauben sie nicht, dass sie Recht haben könnten gegen die Autoritäten. Was sie sich aber niemals zugeben werden. Das hat eine freudlos-lernunlustige Gesellschaft hervorgebracht, die nichts überprüfen kann, weil sie ihren eigenen Ressentiments nicht traut.

Eine mündige Gesellschaft, die ihren eigenen Kenntnissen trauen dürfte und fähig wäre, Ahndungen von Gewissheiten, Halbwissen von Wissen zu unterscheiden, die hätte das Sprechtheater der Politiker schon längst zum Teufel gejagt. So aber kann man sich seiner Sache nie sicher sein und fürchtet, in öffentlichen Debatten blamiert zu werden.

Das unsichere Lesen umfasst auch das Denken. Die gröbsten Widersprüche der Eliten werden nicht wahrgenommen und zurückgemeldet. Beispiele aus einer TV-Doku von Tilman Jens mit dem Titel: Koalition der Frommen. Der Ex-Bundesrichter Grimm wird befragt, ob es nicht ungerecht sei, dass Muslime nicht die selben Privilegien wie die christlichen Kirchen hätten. Antwort Grimms: es ist ungerecht  aber richtig.

Keine Nachfrage. Jedes Kind lernt, dass nur richtig sein kann, was tugendhaft und moralisch ist. Nun soll richtig sein, was ungerecht ist?
Mitten im Recht tut sich Unrecht auf. Doch kein analphabetischer Denker darf den Widerspruch bemerken und den Richter für einen Hohlkopf halten. Im Gegenteil: der flagrante Widerspruch wird zum Zeichen höherer Wahrheit, die Hinz und Kunz nicht mehr verstehen.

Desgleichen mit dem durchgepeitschten Beschneidungsgesetz. Nach wie vor, so Grimm, sei Beschneidung eine Körperverletzung. Aber hier müsse aus historischen Gründen von einer Strafverfolgung Abstand genommen werden.
Wie bitte? Das Völkerverbrechen an den Juden wurde erst möglich, weil selbsternannte Herrenmenschen sich über Gesetze hinwegsetzten oder demokratische Gesetze innerhalb weniger Wochen vom Tisch wischten. Und nun soll die Lehre aus dem Holocaust ausgerechnet die Missachtung der Gesetze sein?

Das verstehe, wer will oder über übermenschliche Wahrheiten verfügt. Der intakte Menschenverstand wird hier in bester Absicht ad absurdum geführt. Was man nicht versteht, hat man zu glauben. Glauben soll man, was absurd ist.

Das hat unmittelbare politische Folgen. Wer die Wirklichkeit nicht lesen kann, muss warten, bis Katastrophen eintreten, damit er endlich über radikale Veränderungen nachdenkt. Warum ist das Publikum bei größten Skandalen so indifferent? Weil es die Realität nicht lesen kann. Wer nicht hören will, muss fühlen. Die Langzeitfolgen politischer Weichenstellungen werden nicht gesehen, weil man seinen eigenen Gedanken nicht traut.

Mit der Wahlverweigerung der Eliten beginnt die konservative Revolution. Es ist der Widerstand der Eliten gegen die Herrschaft des Volkes. Bereits durch technische und wirtschaftliche Instrumente sind die Mechanismen der Demokratie hochgradig beschädigt. Das genügt den Leistungsträgern nicht. Sie wollen mitten auf dem Marktplatz der Demokratie den Respekt versagen. Meine Stimme kriegt ihr nicht, sagen sie den Politikern und sehen nicht, dass Wahlverweigerung nur einer Schicht nützt: den nichtgewählten Eliten.

Völlig sinnlos, den Gang zur Urne mit einem heiligen Kirchgang zu vergleichen. Demokratisch wählen heißt, sich regelmäßig in alle öffentlichen Belange einmischen und nicht nur alle Jubeljahre ein Kreuzchen machen.
Die konservative Revolution ist die allmähliche Entmachtung des Volkes durch Schichten, die sich für gebildet und wissend halten. Merkwürdigerweise hat sich herausgestellt, dass die Experten selbst keine Ahnung haben von den Folgen jener wirtschaftlichen und technischen Prozesse, die sie selbst in Gang setzen. Die Gebildeten verstecken sich in Fachnischen und haben den Überblick übers Ganze verloren.

Vernunft und Wissen halten sie für untauglich im Kampf gegen inhumane Faktoren. Bei ihnen walten Evolution und eherne Geschichtsgesetze.

Wenn Wissen und Denken nicht helfen, sind wir bei Paulus gestrandet, der die Weisheit der Welt durch die Torheit Gottes ausrotten lässt. „Gott schafft, dass die Weisen abziehen müssen und ihr Wissen zur Narrheit wird“.

Warum soll der Mensch sein Gehirn martern, wenn sein Denken nichts bewirkt? Wenn das heilige Motto gilt: der Mensch denkt, Gott lenkt?