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Tagesmail

Sonntag, 23. Dezember 2012 – Biografie des Baumes

Hello, Freunde des Glaubens,

an Weihnachten schwimmen die Gazetten in Glauben. Woran geglaubt wird, ist unerheblich.

Die Beschneidung beruht auf dem Glauben, dass junge Männer und Knaben eines Stückes ihrer Vorhaut beraubt werden müssen, um ihre Tauglichkeit für die Streitkräfte Gottes zu nachzuweisen. 70% aller Deutschen lehnen das Beschneidungsgesetz ab, das gerade vom Bundestag mit großer Mehrheit verabschiedet wurde.

Es war eine sichtbarlich von oben erleuchtete Debatte. Der heilige Geist wehte durchs Plenum und rüttelte an den Gitterstäben des Fraktionszwangs, hinter denen gewöhnlich das Gewissen der Abgeordneten vor sich hin darbt. Den gottlosen Massen zeigten die Gewählten, was eine Gewissensharke ist. Die Zuschauer der Zeremonie „erstaunten alle und waren ratlos und sagten einer zum andern: Was soll das bedeuten? Andere aber spotteten und sagten. Sie sind voll süßen Weines.“

Sind wir etwa der Gosse verantwortlich? trotzten die Abgeordneten untereinander. Gibt es bei uns etwa ein imperatives Mandat? Das wäre noch schöner, dass in unserer Demokratie das Volk entscheiden dürfte. Nicht mit uns, solange wir im imperatorischen Mandat dem Himmel unterstellt sind. (Infratest-Umfrage im SPIEGEL)

Der SPIEGEL ist endgültig unter die Glaubenswächter gegangen und beantwortet die Frage, wozu der Mensch Gott braucht, mit dem lapidaren Satz: weil Religion eine Zivilisation zusammenhält. Woher Chefredakteur Mascolo das weiß, hat er

nicht verraten.

Aus der Bibel kann er’s nicht haben. In keiner Konkordanz (Bibelregister) steht der Begriff Zivilisation. Auch nicht Gesellschaft. Vielleicht gucken wir mal unter Volk? Der Geist Gottes wird doch nicht schon wieder völkisch sein? „Heil dem Volk, dessen Gott der Herr ist, der Nation, die er sich zu eigen erwählt hat“.

So nationalistisch verengt denken die weltläufigen Hamburger nicht. Der Gott des SPIEGEL rettet gleich die ganze Zivilisation. Eine tröstliche Botschaft nach den vielen Apokalypsen der letzten Tage. Ist denn das zyno-phile Magazin zur Freiheit in Verantwortung übergegangen? Zur Utopie? Zum Glauben an die Menschheit?

Religion ist Glauben, doch Glauben ist heute alles. Menschen zu finden, die keinen Glauben hätten, ist schier unmöglich. Wenn alle flächendeckend glauben, weshalb die vielen Ermahnungen, nun endlich zu glauben?

Es gibt nur eine Religion, nur einen Glauben, obgleich alle ihren „höchst persönlichen“ Glauben haben wollen. Mit der herrschenden Religion, dem herrschenden Glauben hat der höchst persönliche Glaube niiiiieee etwas zu tun. Wo käme man als moderner Mensch hin, sich von Popen den Glauben vorschreiben zu lassen?

Dass die subjektivsten Gläubigen der Weltgeschichte die objektivste, zur Struktur der Moderne gewordene, von jedem Glaubensbekenntnis abgelöste Form der Religion unterstützen, ist ein merkwürdig Ding. Doch so merkwürdig nun auch wieder nicht. Wenn Glaube Berge versetzt, ist es den Bergen irgendwann mal egal, ob hinter dem Versetzen noch Glauben steht oder eine zur Struktur gewordene Naturfeindschaft.

Bonhoeffer sprach vom religionslosen Credo, Dorothee Sölle vom Gott-ist-tot-Christentum, weil sie beim frommen Bloch gelesen hatte, Atheisten seien die besten Christen. Atheist zu sein genügt heute nicht mehr, um bester Christ zu werden. Wenn Christsein bedeutet, die Natur zur Strecke zu bringen – Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte werden nicht vergehen – dann wäre der beste Christ ein Wirtschaftsmagnat, ein Naturwissenschaftler oder ein Ingenieur, der die letzten Ressourcen der Natur raubt und alles dazu beiträgt, dass der Permafrost in Sibirien auftaut, um dort gespeicherte Methanmassen in die Atmosphäre zu pusten und die Menschheit zu ersticken.

Bekenntnisse sind wie Schall und Rauch. Wen interessierts, woran Faust glaubt, wenn er denn nur an sich glaubt, um mit Hilfe eines servilen Teufels keinen einzigen Augenblick zu erleben, zu dem er sagen könnte: verweile doch, du bist so schön? Das Schlimmste, was ein faustischer Deutscher erleben kann, ist, dass er sich auf dem Faulbette ausstreckt und erleben würde, was Glück bedeutet.

Glücksangst ist der Grund, gar nicht erst vom Glück zu kosten, damit man nicht naschsüchtig wird – und am Ende seinem Chef den ganzen Bettel vor die Füße wirft.

Wenn Atheisten die besten Christen sind, dann wären Christen die besten Atheisten? Weswegen zanken sie sich dann ständig, wenn sie eine kapitalistische Ökumene bilden und alle an denselben Zinseszins denken? Alle pflegen sie denselben Lebensstil, schauen täglich auf den Dax, malochen das ganze Jahr wie Berserker, und erwarten an Weihnachten von ihrer Familie – ihrem ganzen Lebensglück – das Gefühl von Stille und Geborgenheit: was soll die Geklonten noch voneinander trennen? Dass es etwas Höheres gibt als den Menschen?

Solange der Mensch sich als Master of Universe gibt, ist die Frage durch die Praxis beantwortet. Der Glaube muss den Taten entnommen werden. Was nicht operativ nachgewiesen werden kann, ist inexistent. Verschont uns mit euren Glaubensbekenntnissen. Sagt, was ihr tut und wir wissen, was ihr glaubt.

Als der Bergprediger die Taten der Menschen für unwesentlich erklärte und nur auf die verborgenen Gedanken schaute, läutete er paradoxerweise jenen Prozess ein, an dessen Ende Glaubensbekenntnisse überflüssig geworden sind und nur noch die Taten zählen. Leider hat sich das noch nicht herumgesprochen, weshalb alle „Christsein“ tun und machen, aber niemand an diesen Taten erkannt werden will.

Der moderne Mensch lebt von der Identitätsverweigerung. Seine Taten sollen neutral und objektiv sein, mit seinem wahren Menschsein nichts zu tun haben. Seine Glaubensvorstellungen sind so verschwommen, nichts ausschließend, mit allem vereinbar, eine ständige Große Koalition aus Allem oder Nichts, durch nichts widerlegbar, durch alles verifizierbar, dass er wie Hase und Igel immer sagen kann: Ick bün allhier – oder nicht.

Adam, wo bist du? Rumpelstilzchen wollte nicht geortet, nicht durchschaut, nicht identifiziert werden, weshalb es seinen Namen verweigerte. Seitdem der Mensch den Lebewesen Namen geben durfte, waren sie genau so, wie sie benamset wurden. Gott verweigert seinen Namen, um nicht dingfest gemacht zu werden.

Heute sagt jeder seinen Namen, aber weder aus seinen Taten, noch aus seinen Meinungen und Glaubensvorstellungen will er hochgerechnet werden. Was man tun muss, muss man tun, weil jeder es tun muss. Was hat das mit mir zu tun? Was man glaubt, ist so unscharf, dass jeder dasselbe glauben könnte, ohne dass er als unvergleichliches Individuum unangenehm auffallen könnte. Gleichgültig, was wir glauben oder tun, uns gibt’s eigentlich nicht. Wir sind nicht belangbar.

In einer ARTE-Doku erzählten Wissenschaftler mit messianischer Begeisterung über neue Generationen von Denkmaschinen, an denen sie arbeiteten, die eines Tages die Menschheit mit überlegener Intelligenz unterjochen könnten. Kein Funke einer Andeutung, dass man solche Entwicklungen dadurch verhindern könnte, indem man den Bau solcher Monstermaschinen schlicht und einfach einstellt.

Mensch ist Mitakteur einer Entwicklung, an deren objektivem Verlauf er zugleich völlig unschuldig ist. Die Entwicklung würde ohne persönliche Beteiligung keinen Deut anders verlaufen. Autor und Beobachter in einem – aber immer ohne Haftung.

Genau das ist die Definition des Menschen in der Heilsgeschichte. Der Mensch soll Coautor Gottes beim Erlösungswerk des Menschen, gleichzeitig aber völlig belanglos sein, denn der Herr erledigt alles allein. Wofür man Verantwortung übernehmen soll, wenn es gar nichts gibt, wofür man zuständig ist, diese Frage hat Pastor Gauck noch nicht beantwortet. Kunststück, er hat sie noch gar nicht gestellt.

Wie eng Atheisten und Gläubige in wilder Ehe zusammenleben, zeigt der Artikel des katholischen Theologen Jan-Heiner Tück in der NZZ.

Tück will einen Dialog zwischen denen, die sich nichts zu sagen haben, weil sie ohnehin dasselbe glauben: Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben. Oder für Atheisten: Herr, ich zweifle, hilf meinem Glauben. Der beste Glaube ist der mit einer zünftigen Prise Zweifel. Erst Zweifel machen den faden Glauben genießbar.

Das war so bei Josef Ratzinger, bei seinem besten Freund Habermas. Das ist so bei all jenen religiös Unmusikalischen wie Gumbrecht, die am liebsten über Segen nachdenken, den sie als Großvater ihrer Familie spenden wollen. Es gibt keine Differenz mehr zwischen sonen und solchen.

Der junge Schelling benutzte gern das Wort Indifferenz, um Gott und Natur irgendwie zur Deckung zu bringen. Die Gläubigen zweifeln an ihrem Gott, die Gottlosen an ihrem Nichtgott und schon sind sie indifferent Gläubige zueinander und fast schon gleichen Glaubens.

Die Gläubigen sollen von ihrer Gottprotzerei runterkommen, die andern von ihrer Gottlosenprotzerei. Wenn sie identisch geworden sind, wenn der Feuerbachianer niederkniet, um anzubeten, und der Dogmatiker frech ins All ruft: Gott, wo versteckst du dich?, dann haben sie die günstigste Ausgangsposition, um ein gehaltvolles Streitgespräch, pardon, einen meditativen Dialog zu führen.

Rahner betrachtete Nichtchristen nicht als verlorene Kinder des Glaubens, sondern als Noch-Nicht-Christen. Was hätte er gesagt, wenn man ihn umgekehrt als Noch-nicht-Gottlosen angesprochen hätte? Bei solch harmonistischen Voraussetzungen kann man sich überflüssige Streitigkeiten sparen. Es genügt, zu beten, dass der andere noch zur rechten Einsicht kommen möge.

Schaffen wir die überflüssigen Atheisten ab und nennen sie anonyme Christen. Auch anonyme Alkoholiker haben den Suff schon immer gehasst, man hatte es ihnen nur nicht gesagt.

Ein gläubiger Mensch von Rang – wie ein ordentlicher Theologieprofessor – hat alle Untiefen der Ungläubigkeit schon im pubertierenden Alter „ausgesessen“. Vermutlich auf dieselbe Art und Weise, wie kühne Priesteranwärter das Böse bestehen, indem sie im Laufschritt und mit verbundenen Augen das Bordell durchhasten. Feindberührung braucht man wie einen Ritterschlag. Herr, du hast mich in die Versuchung hinein und unbeschädigt wieder herausgeführt.

Es ist eine vornehmere Art des Glaubens und Unglaubens, die sich hier auftut: die irritierende. Irritationen geben allem Fürwahr- oder Nichtfürwahrhalten erst das erotisch vibrierende Flair. Da Irren und Zweifeln Einflüsterungen des Teufels sind, muss man wie Faust zugeben, dass erst der Teufel die Existenz Gottes so sexy macht. Was wäre der Herr ohne seinen besten Mitarbeiter, der sich als sein Gegner beschimpfen lassen muss, obgleich er die irritierenden und zweifelnden Menschen scharenweise dem Erlöser in die Arme treibt?

 

Gestatten, mein Name ist Baum. Interessieren sie sich für meine Biografie? Da hat man noch nicht mal Tiere als biografiefähig anerkannt, will man jetzt Pflanzen in den Rang von einmaligen Persönlichkeiten erheben? Genügt es nicht, dass Esoteriker Bäume umarmen und Singles mit ihren Balkongeranien kommunizieren?

Ute Scheub stellt in der TAZ das Buch von David Suzuki und Wayne Grady vor: „Der Baum, eine Biografie.“ Die meisten Bäume sind erheblich älter als wir, haben trotz verwurzelter Immobilität mehr von der Weltgeschichte gesehen, sind klüger, weiser und altruistischer als wir uns denken können. Galt die ganze Zeit nicht auch für Pflanzen, wie darwinistisch es zuginge in Feld und Wald? Wie die verschiedenen Spezies sich gegenseitig die Butter vom Brot nehmen, sich umschlingen, erwürgen und erdrosseln würden? Und nun dies:

Bäume kommunizieren miteinander über die Luft und ihre Wurzeln, sie machen regelrechte Deals aus – schickst du mir Zucker, schicke ich dir Wasser – und helfen sich gegenseitig in einer Gemeinschaft des Überlebens. Ein Baum warnt etwa mit biochemischen Signalen seinen Nachbarkollegen, wenn er von Insekten angefressen wird.“

Eine gesunde Pflanze sei gar eine effizient arbeitende biochemische Fabrik, so der Autor. Muss es gleich eine Fabrik sein, würde sich die Pflanze über dieses zweifelhafte Kompliment freuen?

Doch wie auch immer, wer hätte gedacht, dass die Natur ökologisch denken und sich selbst ein Vorbild sein kann? Bäume sprechen miteinander, sie helfen und nützen sich gegenseitig. (Ute Scheub in der TAZ über „Der Baum. Eine Biografie“)

 

Politiker haben biblische Lieblingsstellen. Die Arbeitswütigen unter ihnen bevorzugen gern den Text über die faulen Lilien, die Symbole der Jungfräulichkeit, des Friedens, der platonischen Liebe und Vergänglichkeit.

„Betrachtet die Lilien des Feldes, wie sie wachsen. Sie arbeiten nicht und spinnen nicht, ich aber sage euch, dass auch Salomo in all seiner Pracht nicht gekleidet war wie eine von diesen. Darum sollt ihr euch nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen oder was werden wir trinken und womit werden wir uns kleiden? Denn nach all diesen Dingen trachten die Heiden. Euer himmlischer Vater weiß ja, dass ihr all dieser Dinge bedürft. Suchet vielmehr zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit, dann werden euch alle diese Dinge hinzugefügt werden.“

Wer dem wortwörtlichen Schein des Textes folgen wollte, landete unter den Brücken von Paris. Ist dies nicht der schärfste Gegensatz zur Stelle: Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen?

Gemach, liebe Bibelleser. Es ist nur die Berichtigung einer falschen Rangreihe. Zuerst soll man sein Reich und seine Gerechtigkeit suchen, dann ist gegen Arbeiten nichts einzuwenden, im Gegenteil.

Interessant aber die Bewertung der Natur als Revier müßig-untätiger Tiere und Pflanzen. Haben wir eben nicht vom erstaunlichen Arbeitsleben eines Baumes gehört, der sogar mit einer Fabrik verglichen wurde?

Erneut nimmt die Frohe Botschaft den irdischen Wesen die Fähigkeit zur autonomen Lebensgestaltung und sagt: ohne Gott wäre alles sofort tot. Dabei ist es so, dass die Bäume arbeiten, kooperieren, sich verständigen und auf keine überirdischen Patriarchen angewiesen sind, die ihre Gnadenwirkungen dadurch erschleichen, dass sie die Natur zu einer unselbständigen und lebensunfähigen – Frau machen.

So wie Männer jahrhundertelang das Weib als kindlich-unreifes Wesen betrachteten, das ohne robuste Assistenz der Männer krepiert wäre, so degradiert der Schöpfer seine Geschöpfe zu ewig abhängigen und unmündigen Vasallen.

Nein, es geht nicht um das Ende des Arbeitens, wie Claudia Roth ihre Lieblingsstelle paradiesisch missdeutet, es geht um die Anbetung des eifersüchtigen Gottes, ohne den auf Erden nichts funktionieren darf. Natürlich müssen Menschen malochen. Allein, ohne Segen von oben nützt es nicht.

Es geht um Gott als Garanten des Gelingens. Tut, was ihr wollt, doch anerkennt: ohne Mich läuft nichts. ICH gebe das Gedeihen und Gelingen. „Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott aber hat das Gedeihen gegeben. Somit ist weder der etwas, welcher pflanzt, noch der, welcher begießt, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.“

Natürlich muss im Schweiße des Angesichts geschuftet werden als ewige Strafe für den Fall. Doch alle Maloche ist umsonst ohne den gütigen Blick des Himmels auf die Bemühungen seiner Gläubigen, die man daran erkennt, dass sie mehr Erfolg haben als die Ungläubigen.

Wer diesen Satz verstanden hat, hat die amerikanische Erfolgsideologie und den Zwang zum Erfolg verstanden. Erfolg ist Signum der Erwähltheit.

Auch Heiden wollen erfolgreich sein, doch letztlich werden sie scheitern. Nur auf dem Werk gläubiger Hände ruht der Segen des Vaters. Nicht nur, dass Arbeit an sich nichts bringt ohne das Gedeihen von oben, die ganze Natur wäre wertlos, wenn nicht die omnipotente Übernatur alles in die Hände nähme.

Bei den Heiden, den Germanen wird die Welt als Urbaum Yggdrasil hymnisch gepriesen. Die ganze Welt funktioniert nach dem perfekten Vorbild des Baumes. Gelegentlich weiß das noch der althebräische Psalmist, wenn er singt: „Wohl dem Mann, der nicht wandelt im Rate der Gottlosen der ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit.“

Doch die letzten Reste einer heidnischen Naturbewunderung sterben ab. Die Natur wird zur leeren und hohlen Kulisse für das höherwertige Spektakel des theatrum dei, auf dem es nur um Heil und Unheil der Auserwählten geht, nicht mehr um die zyklische Beständigkeit und die stetige Zuverlässigkeit der Natur, die auf Interventionen von oben verzichten kann.

Je mehr sich die übernatürliche Heilsgeschichte ins Irdische einmischt, je mehr wird Natur zur wertlosen Dekorationsmasse, die man nur um des Theaterdonners willen einsetzt. Wenn der Mensch bestraft werden muss, muss die Natur auch immer dran glauben. Sie steht in unauflöslicher Sippenhaftung mit dem sündigen Menschen.

„Und alle Bäume des Feldes sollen merken, daß ich, Jahwe, einen hohen Baum erniedrigt und einen niedrigen Baum erhöht, einen frischen Baum dürr gemacht und einen dürren Baum zur Blüte gebracht habe: ich, Jahwe, habe es gesagt und getan.“ Wer sich erniedrigt, wird erhöht, wer sich erhöht, wird erniedrigt.

Für Jahwe ist Natur nur Requisitenkammer. Er benutzt sie, um allein seine Größe zu verherrlichen, seine Wut und seinen Zorn zu demonstrieren. Sie selbst ist von keinem Interesse.

Die Natur braucht den Menschen nicht? Im Gegenteil, sie ist nur um seinetwillen erschaffen worden. Ohne Mensch wäre die Natur nicht vorhanden.

Selbst auf hohe und stolz aufragende Zedern des Libanon ist der Schöpfer eifersüchtig und macht sie platt, wenn’s ihm gerade beliebt. „Empor das Niedrige und herunter das Hohe.“ Gott erträgt keine stolze, sich selbst ernährende Natur. Deswegen erschleicht er sich den Titel des allmächtigen Erschaffers der Natur, um seine Minderwertigkeiten zu kompensieren.

(Auch die israelische Besatzungspolitik in Palästina ist noch von alttestamentarischen Vernichtungsstrategien geprägt, wenn sie mit Vorliebe uralte Olivenbäume der Palästinenser zerstört: Rache an den Gojim durch Vernichten ihrer natürlichen Umwelt, von der sie sich ernähren.)

Im Neuen Testament keine Spur anders. Jesus vernichtet einen Feigenbaum, weil dieser sich erdreistet, zur Unzeit keine Früchte zu tragen, obgleich es dem Herrn grade danach gelüstet.

Die ganze Offenbarung ist eine einzige apokalyptische Folter der Natur, um die Menschen mit höllischen Strafen zu bestrafen. „Wehe der Erde und dem Meer.“

Erst, wenn der alte Sündenschrott vollständig vernichtet ist, erscheint das ganz Andere: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde, denn der erste Himmel und die erste Erde sind verschwunden und das Meer ist nicht mehr.“

In der Welt dieses glühenden Hasses gegen die Natur gibt es nur Biografien der Ebenbilder Gottes als Protokolle des Glaubens und des Unglaubens. Bäume und Pflanzen sind Materialien fürs Feuer.