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Sonntag, 16. Dezember 2012 – Wolf im Schafspelz

Hello, Freunde der Eliten,

steigt auf – zu den Eliten! Sagen die Proleten, die zu den Eliten aufgestiegen sind. Aufsteiger und Eliten sind Vorbilder: Schröder, Fischer, Clement, Schily, die vielen Grünen, die zuerst die Industrie bekämpften, jetzt deren Profit vermehren.

Abgesehen von der Moral: die Eliten werden immer mehr zu technischen Rohrkrepierern. Stuttgart 21, Berliner Flughafen, Hamburger Elbchaussee, wer kann sich noch an das Maut-Desaster erinnern, Thyssen, Siemens, Bosch, die nicht halten können, was sie versprechen. In der Deutschen Bank eine kaum zu überschauende Zahl von Strafverfahren wegen Betrugs, Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Manipulation des Zinses.

Steigt auf und ihr werdet automatisch Vorbild. Holger Schmale, BLZ, hat Eins und Eins zusammengerechnet.

Im schwäbischen Musterland sind die Grünen zu Dreisterne-Vorbildern aufgestiegen. Da wurde vorbildlich eine Volksabstimmung abgehalten, doch das Volk wurde vorbildlich belogen. Alle wussten, dass die Kosten getürkt waren und das Projekt viel teurer werden würde. Nun musste die Bahn zugeben, dass die Zahlen falsch waren.

Das schert den besonders vorbildlichen Landesvater Kretschmann, Mitglied des Zentralrats der Katholiken, kein bisschen. Denen, die vor höheren Kosten gewarnt hätten, hätte das Volk eben nicht geglaubt, weshalb die Abstimmung korrekt gewesen sei – oder vorbildlich verlogen, was für den Landesvater dasselbe ist.

Eine Volksabstimmung ist für den eifrigen Wallfahrtsbesucher Kretschmann eine Glaubensabstimmung. Wem glaubt ihr – vorbildlichen Lügnern oder unglaubwürdigen Wahrheitsfanatikern? Politik ist endlich auf den Hund oder auf den Glauben gekommen. Stephan Hebel in der BLZ.  

 

Wie viel Selbstkritik gibt’s eigentlich bei den Medien? Als vor Jahren in der Dabbelju-Zeit der Fall El Masri durch die Gazetten ging, war sich die Springer-Presse durchweg einig, dass der bärtige deutsche Muslim ein verruchter Terrorist sein muss. Kritik an der Folterpolitik der CIA galt als amerikafeindlich.

Nun ist der schwer traumatisierte Mann vom obersten Gericht Europas rehabilitiert worden. Hat sich BILD entschuldigt? Hat die WELT öffentlich bereut? Priesterliche und mediale Vermittler haben eins gemeinsam: sie sind immer unschuldig. Sollten sie mal nicht Recht haben, gilt § 1: sie haben immer Recht.

 

Nicht nur deutsche Medien, auch die gesamte amerikanische Gesellschaft ist unfehlbar und rein. An ihr ist kein Böses. Gibt es trotzdem Böses, kommt es von außen oder unten. „Das Böse hat Einzug gehalten bei uns“, sagte der zuständige Gouverneur von Newtown. Eigentlich hätte in der Adventszeit der Messias Einzug halten müssen. Da muss ihm sein Erzrivale zuvorgekommen sein.

Christ und Antichrist sind ohnehin kaum zu unterscheiden, man kann sie leicht verwechseln. Das liegt daran, dass die christliche Botschaft keine trennscharfe und kategorische Moral kennt, sondern nur beliebige Seligkeitsstrategien. „Sehet zu, dass euch niemand irreführe. Denn viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: Ich bin der Christus und werden viele irreführen.“

Wenn sie wirklich an ihren Taten zu erkennen wären, wäre der ganze Mumpitz von trügerischem Pelz und konträrem Inhalt überflüssig. „Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe!“ Kein Wunder, dass das Image des Wolfes bei deutschen Geißlein in den Keller gerutscht ist.

Das Böse tarnt sich als Gutes. Der Wolf kommt als Schaf, es ist das einzige Tier, das vom guten Hirten nicht madig gemacht wird. Wölfe, Schlangen, Schweine, Hunde, die meisten Tiere sind unrein und müssen aussortiert werden.

Das Böse muss sich als Gutes tarnen und die Enttarnungsarbeit des kostümierten Bösen gehört zu den wesentlichen Aufgaben der Hierokratie. Die schnüffelt nach dem Motto: was am ähnlichsten, ist am verdächtigsten. Nach dieser griffigen Devise hat Luther kurzerhand alle Päpste, die aussahen wie schlichte Hirten mit dem Lämmlein, zu leibhaftigen Antichristen erklärt. Je ähnlicher, umso verruchter.

Das nennt Freud Narzissmus der geringen Differenz. Man weiß, dass Sekten am meisten Sekten hassen, die ihnen gleichen. Auch bei linken Gruppen hasste man am meisten diejenigen, die den Namen Marx auch fehlerfrei buchstabieren konnten. Inzwischen kann man lechts und rinks nicht mehr velwechsern, weil es Links und Rechts gar nicht mehr gibt und alles in der Mitte bürgerlich kuschelt.

Dass das Gute sich als Böses tarnt, darauf kommt man nicht mal dann, wenn Provokateure die Heiligtümer des Bürgertums angreifen, um die besten Eigenschaften der Kultur zu retten. Die Wahrhaftigkeit, das Authentische oder das Natürliche. Oft spielt man den Spießern das Gegenteil ihres gezeigten Verhaltens vor, um anzuprangern, was die Philister gern zu verstecken pflegen.

Als die Kyniker auf der Straße miteinander schweinigelten, prangerten sie die Verlogenheit der Normalos an, die die natürlichsten Dinge der Welt aus falschen Schamgründen zu verstecken pflegten. Hermann Nitsch, Wiener Aktionskünstler, veranstaltete gerne Blutbäder mit geschlachteten Tieren, um der Gesellschaft ihr Schlachterverhältnis zu Tieren vor Augen zu führen. Die moderne Kunst ist ohne dieses Phänomen gar nicht zu verstehen.

Nachdem am Anfang der Neuzeit – nach langen mittelalterlichen Verboten, den Sündenkrüppel als schönen Menschen darzustellen – die Wiederbegegnung mit dem griechischen Schönen dazu führte, das Schöne, Wahre und Gute in athletischer Vollendung zu zeigen, schlug im 19. Jahrhundert das Perfekte ins Gegenteil um. Hegel war noch Bewunderer des klassischen Schönen, sein Schüler Rosenberg schrieb als Erster eine Ästhetik des Hässlichen.

Man wollte das Schöne durch Aufdecken des verborgenen Hässlichen von innen her reinigen und den Schein des Schönen zum Sein des Schönen verwesentlichen. Dasselbe auf dem Gebiet der Moral. Lieber authentisch verrucht und böse als verlogen moralisch und menschenfreundlich.

Das begann bei Marquis de Sade, der aus Ehrlichkeitsgründen den Teufel auf Gottes Thron setzte und Gott wegen irreparabler Heuchelei zum Teufel jagte. Ja, so schweinisch und amoralisch sind wir wirklich, wie ich es in meinen Büchern beschreibe, war die satanisch Frohe Botschaft des Märtyrers der natürlichen Unverstelltheit, die Nietzsche 100 Jahre später in philosophische Sätze von höchster stilistischer Eleganz goss.

Auch die NS-Schergen gehören in die Reihe der provokativen Bösendarsteller, die durch Entlarven des heuchlerischen Bösen der westlichen Demokratien das Gute, Wahre und Schöne in der Welt stärken wollten. So böse seid ihr wirklich, wie wir Böses tun, attackierten sie den Westen. Zu unserer Ehrlichkeit seid ihr nicht fähig, dazu gehört Charakter und die Fähigkeit, den Hass der Welt auszuhalten. Wir sind besser als ihr, weil wir uns nicht scheuen, zu sein, wie wir uns zeigen. Wir stehen zu unsrem Bösen, im Gegensatz zu euch, die ihr immer nur Menschenrechtsphrasen drechselt.

Das sollte besonders den amerikanischen Präsidenten Wilson treffen, der vor Versailles von Versöhnung und Menschenrechten troff, doch in den konkreten Verhandlungen sich von Franzosen und Engländern über den Tisch ziehen ließ und deren Politik der Demütigung und der überbordenden Rache absegnete. Die Deutschen hatten Wilsons Sirenengesängen vertraut und deswegen dem Waffenstillstand zugestimmt.

Als sie wie geprügelte Hunde davon schlichen – selbst der berühmte Ökonom Keynes kritisierte aufs schärfste das Verhalten seiner und der französischen Regierung – war das Hasspotential der Deutschen derart angereichert, dass nur noch eine allesvernichtende Vergeltung die Schmach der Deutschen wiedergutmachen konnte. Der Zweite Weltkrieg begann am Ende des Ersten.

Versailles war Wasser auf die Mühlen der Deutschen Bewegung, die ohnehin nie etwas von den hohen Idealen der westlich universellen Moral hielt. Eine allgemeine Liebe zur ganzen Menschheit? Zu „Hottentotten und Zulukaffern“ genau so wie zu seinen Nachbarn und Volksgenossen?

Die neutestamentarische Formel „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, wurde auf dem „Nächsten“ akzentuiert. Allgemeine Menschenliebe war abstrakt, kalt und überforderte die Liebesfähigkeit der Menschen.

War die christliche Ethik universell oder partikular? Zuerst wollte der Herr seine Botschaft nur seinem jüdischen Volk bringen und nicht den heidnischen Schweinen und Hunden vorwerfen. Als die Juden den seltsamen Messias ablehnten, gab es eine korrektive Weichenstellung. Ab jetzt hieß es: geht hin in alle Welt und prediget allen Völkern.

Die Adressaten wurden universell, aber nur aus Werbegründen. Im Prinzip blieb die wahre Gemeinde immer die partikulare Schar der a priori Erwählten. Die allgemein klingende Botschaft hatte den eingebauten Selektionsfilter, nur diejenigen aus der Gesamtmenge auszusuchen, die Gott im Voraus erwählt hatte. „Wir stammen von Gott. Wer Gott erkennt, hört auf uns, wer nicht von Gott stammt, hört nicht auf uns. Daran erkennen wir den Geist der Wahrheit – und den Geist des Trugs.“ ( Neues Testament > 1. Johannes 4,6 / http://www.way2god.org/de/bibel/1_johannes/4/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/1_johannes/4/“>1.Joh. 4,6)

Das Christentum ist eine partikulare Ethik unter dem Etikett einer universellen. Vor Gott sind alle Menschen gleich – in der Sünde, aber alle ungleich – in der Erwählung.

Die Nazis unterstellten allen christlichen Nationen, dass sie unisono die Juden hassten, dies aus Heuchelei aber nicht zugeben, geschweige in die Tat umsetzen würden. Aus Wahrhaftigkeitsgründen mussten sie zu Bösen werden und die Juden vernichten, weil die Heuchelnationen im Westen nicht den Mumm dazu hatten. Sie vollbrachten das Werk des Judas, der im Auftrag Gottes den Herrn verraten musste, wohlwissend, dass er – obgleich nur Marionette des Himmels – zum größten Bösewicht aller Zeiten avancieren würde.

Aus Gehorsamsgründen das Bös-Scheinende, aber Wirklich-Gute tun, das war die Ethik der angeblichen deutschen Zyniker. Lieber vor der Welt verkannt werden und die Rolle des Judas auf sich nehmen, als den Gehorsam gegen Gottes Willen verweigern. Das war der Sinn der Himmler-Rede: bei allem äußerlich Bösen sind wir innerlich anständig geblieben.

Die Deutschen waren Schafe im Wolfspelz, das genaue Gegenteil von Zynikern. Wenn Wölfe im Schafspelz falsche Propheten sind, waren – rein biblisch betrachtet – die Nationalsozialisten die wahren Propheten und echten Jünger Jesu. Sie waren Gesinnungstäter, die ihren christlichen Gehorsam lieber unter der Maske des Bösen versteckten als sich dem Willen des Herrn zu verweigern. Sie opferten ihren guten Leumund vor der Welt, um vor Gott wirklich gut zu sein. Das Spiel der Auserwählung spielten sie bis zum Exzess. Der wahrhaft Auserwählte scheut nicht einmal die Rolle des Verworfenen, um seine Auserwähltheit nachzuweisen.

Das umgekehrte Spiel ist das Spiel der Amerikaner. Sie sind im normalen Leben Schafe im Schafspelz. Sollten sich gelegentlich Wölfe darunter befinden, so haben sich dieselben hinter dem Schafspelz versteckt. Wie hätte man sie entlarven können?

Der Amokläufer war ein perfektes Schäfchen, still, unauffällig, intelligent – aber zu isoliert. Wer sich in Amerika isoliert, hat was zu verbergen. An dieser Stelle schien der Wolf durch das löchrige Lammfell hindurch. Hätte man dies als geübte Wolfenttarnungsnation nicht bemerken müssen? Das nächste Sicherheits-Überprüfungsprogramm der CIA wird alle Isolierten mit einem roten Warndreieck versehen.

Schon vor Jahren wies der Psychologe Hofstätter auf die unterschiedlichen Bewertungen von Einsamkeit in Deutschland und in Amerika hin. In Deutschland waren (sind es immer noch?) Einsamkeit und Freiheit von höchstem geistigem Rang. Gelehrte, Weise, Forscher, Dichter und Denker: die deutschen Ich-Ideale sind Nachfolger der gottsuchenden Eremiten, die in der Masse der Verlorenen nicht zu sich kommen. Sie müssen allein sein vor Gott, um das Wesen der Dinge zu ergründen.

Diese europäischen Eigenschaften sind den Amerikanern verdächtig. Hier muss die Rundumkontrolle der christlichen Gemeinde zur Kontrolle der politischen Gemeinde erweitert werden. Hier gibt es keine massa perditionis (Masse der Verlorenen), in Amerika hat die Gemeinde der Heiligen die heidnische Masse aufgesaugt. Wer sich aus der Herde zurückzieht, kann nur ein versteckter Wolf sein, der in seiner verruchten Höhle den Schafspelz auszieht, um seinen wölfischen Neigungen nachzugehen.

Da die Amerikaner eine wiedergeborene Nation sind, kann es unter ihnen keinen Wolf geben. Gibt es wider Erwarten doch einen, muss das Böse von außen importiert sein: „Das Böse hat Einzug gehalten.“ Das Gute ist amerikanischer Standard, das Böse ist Ausnahme und erklärungsbedürftig.

Bei Deutschen umgekehrt: das radikal Böse lauert in allen, das Gute ist Ausnahme und erklärungs-pflichtig. Das Gute steht immer unter Ideologieverdacht. Welcher Wolf steckt hinter dem Lammgetue?

Bei den Deutschen sehen wir noch immer die letzten Reste der NS- und Nietzsche-Gesinnung: die Besten, die wahren Guten sind die Bösen. Wer gut sein will, macht sich und andern nur was vor. In Wahrheit ist der Gute ein Böser, der seine Bosheit nicht erkennt oder verstecken will.

Da die amerikanische Gesellschaft gut ist, kann sie am Entstehen des Bösen nicht schuldig sein. Jede Frage: wie konnte das Böse in unserer Mitte geschehen, ist eine Scheinfrage. Das Böse konnte in der Mitte der Gesellschaft nicht entstehen. Es musste aus weit entfernten Alienplaneten oder aus dem verruchten Alteuropa kommen.

Amerika ist wie der allmächtige Gott. Bei allem Guten in der Welt hat es seine Finger im Spiel, an allem Bösen ist es unschuldig.

Die deutschen Berichte über das Massaker haben sich die amerikanische Innensicht fast vollständig zu eigen gemacht. Wohl steht in dekorativen Lettern überall die grundsätzlich klingende Frage: Wie konnte dies geschehen? Woher das Böse? Doch die Frage ist nur Betroffenheits-Dekoration.

Wer so penetrant fragt, weiß von vorneherein, dass die Frage mit menschlicher Vernunft nicht zu beantworten ist. Schon wer es versucht, ist ein Blasphemiker am Geheimnis Gottes, wie Deutschlands Hauptpastor Peter Hahne definitiv befindet. Per definitionem ist das Böse unerklärlich und somit das „Asyl der Ignoranz“, das absolute Gegenteil zum Erforschen der kausalen Ursachen mit Hilfe weltlicher Vernunft.

Kann man das Böse verstehen? Wenn man Verstand und alle irdischen Kausalitäten für inkompetent erklärt, kann man es nie verstehen. Man soll es ja auch nicht verstehen.

Hier tut sich eine Entmischung der kapitalistischen Gesellschaft auf. Während die ökonomischen Gesetze alles unveränderliche Kausalgesetze sind, gibt es im außer-ökonomischen Bereich überhaupt keine Kausalitäten mehr. Im menschlichen Bereich schwimmen Gutes und Böses wie in einer gallertartigen Ursuppe durcheinander.

Das Gute ist eine akausale Frucht des Glaubens, das Böse ein akausales giftiges Gewächs der Hölle. Himmel und Hölle haben in Amerika das Leben mit irdischen Ursachen und Wirkungen aufgesogen. Es gibt nur noch Wunder der himmlischen und der höllischen Art.

Für Barbara Hans im SPIEGEL sind alle Erklärungen der kausalen Art – es geschah etwas, weil es Ursachen hatte – von vorneherein falsch. Solche kausalen Erklärungen sind immer falsch, weil sie zu einfach sind. Wahre Erklärungen müssen komplex sein, dass kein Mensch sie verstehen kann. Vor allem, dass es keine politischen, pädagogischen oder – horribile dictu – theologischen Schlussfolgerungen geben kann. Was die einen komplex nennen, nennt Peter Hahne ein Geheimnis.

Dann werden von der Autorin verschiedene mögliche Ursachen durchgespielt, doch wir wissen: es ist alles Haschen nach Wind. Das Böse entzieht sich dem profanen Verstand. Die wahre Ursache der bösen Tat liegt – im Bösen des Täters. An seiner ekelerregenden Armseligkeit, Macht über Ohnmächtige zu haben. An seinen ekelerregenden Allmachts- und Ohnmachtsphantasien.

Wenn Mediziner die Krebstumore ihrer Patienten mit solchen Hasstiraden beschimpfen würden, wären sie auf der Stelle entlassen. Im psychischen Bereich kann man alle Erklärungsversuche verhöhnen, um seine Unfähigkeit beim Verstehen abzusichern. Schuld ist der Schuldige, weil er schuldig war und schuldig sein wollte.

Noch immer müssen die Deutschen beweisen, dass sie das Böse hassen wie die Pest, um zu zeigen, dass sie Hitler & Co besiegt haben und dass sie keine klammheimliche Sympathie mit dem Bösen hegen. Die ersten Breivik-Berichte im SPIEGEL strotzten nur so vor Abscheu vor dem zweibeinigen Satan.

Das Böse in Deutschland erklären, heißt, es mit Schaum vor dem Mund lächerlich machen und es in die unterste Hölle wünschen. Erklären heißt bei ihnen, das Böse zu entschuldigen. Also suspendieren sie das Verstehen, um das Böse noch immer zu bestrafen. Es ist wie eine verbale Lynchjustiz aus sicherem Abstand. Hitler und Himmler erklären sie immer noch dadurch, dass sie jedes Erklären für fluchwürdig erklären.

Böse sein, heißt unerklärlich sein. Je mehr sie sich dem Unerklärbaren unterstellen, je mehr wollen sie die Vergangenheit bewältigt haben. Alle psychologischen, soziologischen und historischen Erklärungsmethoden sind von der deutschen Intelligentsia längst entsorgt. Womit soll noch erklärt werden? Es gibt nichts mehr zu erklären.

Was bleibt? Gottähnlich haben die Täter sich selbst aus dem Nichts erschaffen. Aus freiem Willen entschlossen sie sich zum Bösen, genau so gut hätten sie sich zum Guten entscheiden können. Gründe sind abgeschafft.

Die westlichen Gesellschaften machen ihre Kinder zu Teufel-Opfern, damit sie als Täter andere zu Nachfolge-Opfern machen. Täter-Opfer müssen dämonisiert werden wie im Mittelalter, wo man viele Teufeltypen zur Verfügung hatte, um jede Untaten individuell zu „erklären“.

Ein gängiger Topos, die Täter für alleinschuldig zu halten, ist der Satz: Wie viele junge Menschen befinden sich in gleicher Situation wie der Täter und bleiben dennoch unschuldig. Das sagen gerade jene, die Wert auf die unvergleichliche Individualität der Menschen im liberalen Kapitalismus legen. Schon ist das „individuum est ineffabile“ (das Individuum ist unvergleichlich) aus dem Instrumentenkasten der Erklärungslosen verschwunden.

Unter dem Vorwand der Empathie für die Ermordeten wird der Täter zu einem monströsen Alien erklärt. Die nächsten Opfer des nächsten Amoklaufs dürfen sich schon jetzt bei den empathischen Erklärungsverweigerern bedanken. Denn wirkungsvolle, auf Selbstkritik der Gesellschaft basierende Folgerungen zur Prophylaxe des Elends wird es mit Sicherheit keine geben.

(Barabara Hans im SPIEGEL über Psychogramme von Schulattentätern)

Das ist der Fluch der unverstandenen bösen Tat, dass sie fortzeugend Böses muss gebären. Jede unterlassene Kritik an einer Gesellschaft, die solche Opfer regelmäßig braucht zur Ventilierung ihres mentalen Überdrucks, wird weitere Opfer nach sich ziehen.

Selbst wenn alle Gewehre eingestampft wären, die Waffen einer menschenfeindlichen Religion schneiden schärfer ins Herz als alle Schwerter zusammen: „Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes.“ ( Neues Testament > Hebräer 4,12 / http://www.way2god.org/de/bibel/hebraeer/4/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/hebraeer/4/“>Hebr.4,12)

Die meisten Berichte über die schreckliche Untat hätten die deutschen Schreiber kurz halten können: „Wieder einmal hat Luzifer zugeschlagen. Hier hilft nur Beten und vorbeugendes Dingfestmachen der Bösen durch die CIA. Die Gesellschaft braucht dringend vatikanische Exorzisten zur Behandlung der vom Teufel Besessenen.“

Das Mittelalter hat uns wieder mit Haut und Haar. Was ist der Unterschied zwischen Mittelalter und Neuzeit? Im Mittelalter gab‘s weniger Heuchelei.