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Tagesmail

Sonntag, 01. April 2012 – Stille und Dunkelheit

Hello, Freunde der Dunkelheit,

Neuseeland und Australien knipsen die Lichter aus, um ein Zeichen für den Klimaschutz zu setzen. Viele Städte folgen dem Beispiel der beiden Länder. Auch in Berlin, Köln und in Dresden wurde für Stunden die Dominanz des künstlichen Lichtes gebrochen.

Aus der Sicht von Weltraumfahrern wird die Erde auch in der Nacht nicht dunkel. Wie eine überdimensionale Leuchtkugel dreht sich der Planet durch den Weltenraum. Die Nacht wird zum Tag. Die Dunkelheit soll besiegt, sie soll ausgerottet werden.

Der Weg in die Hochkulturen, der Weg der männlichen Machtübernahme über das Mütterliche, ist der Weg aus dem Dunklen ins Licht. Die gleißende Sonne wird zum höchsten männlichen Symbol des Guten, der schattige, dunkle Mond bleibt Göttin der Mutter.

Heilige Plätze der Hindus waren Höhlen, die die Yoni der Großen Mutter darstellten. Das Dunkle, die Höhle, ist der Schoß der Mutter, aus dem die Kinder ins Licht kriechen, um Männern in die Hände zu fallen: Frauenärzten, Kinderärzten, die grelle Lampen benötigen, um fehlendes Sonnenlicht zu ersetzen, damit sie Skalpelle und Maschinen bedienen können.

Schon im Sonnengesang des Echnaton wird das Helle zum Heilen, das Dunkle zum Tödlich-Verderblichen. In Ägypten, der ersten Hochkultur neben dem Zweistromland, beginnt die Ur-Kluft, die Spaltung der Natur, in der sich

polare Harmonie verwandelt in die einseitige Macht eines bevorzugten Pols, der sich dem minderwertigen Pol unterwirft.

Franz von Assisi, der sogenannte Freund der Natur, der Vögel so sehr liebt, dass er ihnen die Frohe Botschaft predigt, dass sie nicht verloren gehen, hat eine christliche Version eines Sonnengesangs gedichtet, in dem er alles preist und lobt – bis er Wehe ruft über diejenigen, die in Todessünden sterben, während die Frommen ohne Schmerzen dahinscheiden. Die Kluft Echnatons hat sich christlich verfestigt.

Bei Platon müssen Erkenntnisbegierige aus der Mutterhöhle, dem Ort der Gefangenschaft, aufwärts ins väterliche Licht streben, vom dem sie sich nicht mehr trennen wollen, doch sie müssen. Sie müssen zurück ins Schattenreich, um ihren angeketteten Geschwistern die Botschaft vom Licht zu bringen und sie aus dem Bereich der Täuschungen zu befreien. Die setzen sich zur Wehr, widerstreben und halten die erleuchteten Boten für Geblendete und Verrückte. Doch auch sie müssen.

Vollendete Staaten, männliche Utopien, sind Einrichtungen der Sonne, die der Wirkung der lichtdurchfluteten Erneuerung misstrauen und mit Gewalt nachhelfen.

Anders bei Aristoteles, der die Sonne als Prinzip der Liebe darstellt, die sich selbst nicht mehr bewegen muss, weil sie den vollkommenen Zustand der Stille und des Stillstands erreicht hat und den Rest des Kosmos allein durch Eros bewegt.

Das Universum ist ein Liebesgeschehen, in dem die Stille der Vollendung herrscht. Selbst die Skeptiker sprechen von der Meeresstille der Seele, um das Ziel menschlicher Weisheit zu beschreiben.

Weisheit kommt von Weiß-heit, Weiß steht für Helligkeit und wird der Gegner der Dunkelheit. Aus Polaritäten werden Rangverhältnisse, die inkompatibel sein müssen.

Licht und Gewalt gehen oft Hand in Hand, grelles Licht ist eine Foltermethode. Je wärmer das Klima, je unbarmherziger wird die Sonne, die die Erde verbrennt. Das Feuer ist ein Sprössling der Sonne und Zeichen für Erneuerung.

Die Menschheit will eine verbrannte Erde, aus Sehnsucht nach Erneuerung und Wiedergeburt. Aber nicht durch den dunklen Mutterschoß, sondern durch das überhelle Licht der zweiten Natur, die von Männern hergestellt wird, um die erste Natur hinter sich in Asche zu legen. „Der Herr, dein Gott, ist ein verzehrend Feuer“ ( Altes Testament > 5. Mose 4,24 / http://www.way2god.org/de/bibel/5_mose/4/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/5_mose/4/“>5.Mose 4,24). „Und es fiel Feuer vom Himmel und verzehrte die Verworfenen“. Die Verbrennung eines Ketzers hieß Autodafe: Akt des Glaubens.

Der Dominikaner Tommaso Campanella entwirft eine katholisch-platonische Utopie mit Herrschaft der Weisen und Priester, Weibergemeinschaft und kommunistischer „Besitzlosigkeit“ (das ist ein polemischer Begriff: wenn alles allen gehört, sind alle Besitzer von allem), die er Citta del Sole nennt: Sonnenstadt.

Marx muss bei ihm abgeschrieben haben, als er seine eigene Utopie – die er nicht gern „auspinselte“, wie Adorno zu sagen pflegte – beschrieb, denn die klingt fast identisch mit Campanellas Satz: „In der Sonnenstadt sind die öffentlichen Dienste, Künste, Handwerke und Arbeiten unter alle verteilt, sodass auf den Einzelnen kaum vier Stunden treffen, die er zu arbeiten hat. Die übrige Zeit kann er mit angenehmem Studium, Disputieren, Erzählen, Schreiben, Spaziergehen, geistigen und körperlichen Übungen und mit Vergnügen zubringen.“ („Sonnenstaat„)

Am Jüngsten Tag wird das Licht endgültig über die Dunkelheit obsiegen. „Und es wird keine Nacht mehr geben, und sie bedürfen nicht des Lichtes einer Lampe noch des Lichtes der Sonne; denn Gott der Herr wir über ihnen leuchten und sie werden herrschen in alle Ewigkeit.“ ( Neues Testament > Offenbarung 22,5 / http://www.way2god.org/de/bibel/offenbarung/22/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/offenbarung/22/“>Offb. 22,5) Gott wird zur eigentlichen Sonne. Selbst die kosmische Sonne muss abtreten, weil sie eine minderwertige Konkurrenz war.

Im Lichte Gottes werden sie herrschen in alle Ewigkeit. Hier entlarvt sich der Kern des Lichtreichs, es geht um ewiges Herrschen und Unterdrücken dessen, das sich der totalen, totalitären Despotie des Lichts nicht beugen will.

Damit ist die Genesis aufgehoben, in der Licht und Finsternis fast ausgependelt waren: „Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war, und Gott schied das Licht von der Finsternis.“ Von der Finsternis hieß es nicht, dass sie gut war, aber so schlecht kann sie nicht gewesen sein, denn laut Abschlusszeugnis war alles sehr gut.

Doch nicht mehr lange. Die Finsternis macht teuflische Karriere und wird zum Terrain des Finsterlings. „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen.“ ( Neues Testament > Johannes 1,5 / http://www.way2god.org/de/bibel/johannes/1/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/johannes/1/“>Joh. 1,5)

Hier sehen wir den dualistisch-irreversiblen Knacks. Das Licht will die Finsternis von seiner Heilsqualität überzeugen, doch es funktioniert nicht mehr. Das Finstere ist aus dem Bereich der Lichtherrschaft ausgebrochen und hat seinen eigenen Laden eröffnet.

Ab jetzt herrscht immerwährender High Noon: das unversöhnliche Amerika wird im Geiste seiner Wildwestfilme geboren. Kampf des Hellen und Guten gegen den Düsteren-Bösen. Gottes eigenes Land ist im Reich des allgegenwärtigen Lichtes angekommen. New York und die Riesenstädte sind stolz, dass in ihren Straßenschluchten nie das Licht erlöscht, der Moloch nie schläft und Dunkelheit verabscheut.

Dunkel und finster ist es im Bereich der Verlorenen, von denen es heißt: sie werden in die Finsternis gestoßen, die draussen ist.“ Du bist draußen, ist das Vernichtungsurteil auf Amerikanisch. Du bist out, sagte Madoff zu jenen, denen er den Segen seiner erschwindelten Reichtümer nicht gönnte.

Die Hölle ist das ewige Feuer, das nichts mehr erneuert, aber auch nichts mehr gnädig vernichtet, der Kontrolle der Männer entglitten ist und sich selbst ermächtigt. Das höllische Feuer ist entsorgungsresisent, dem atomaren Feuer analog, das in Ewigkeit seine Umgebung verseucht.

Die Hölle ist der Allmacht des Schöpfers entronnen, der sich als hilfloser Zauberlehrling seiner Schöpfung für immer geschlagen geben muss. Der Mono-Theismus, die anfängliche Alleinherrschaft des Gottes, entartet zum finalen Dualismus: das Reich des Teufels, das unterirdische Feuer, macht sich selbständig und wird für ewige Zeiten das Gegenreich des Himmels. Aus der besiegten Mutter-Höhle wird die unbesiegbare Satanshölle.

Es ist der absolute Bankrott des Mannes, dem seine Allmacht über den Kopf wuchs und der die Gewalten, die er rief, nicht mehr bändigen kann. Am Ende der Tage ist Gott nicht mehr alles in allem. Die Ewigkeit ist zwiegespalten, Gott kann nur eine winzige Minderheit retten, die meisten seiner Geschöpfe verliert er an seinen Widersacher, der mitnichten am Kreuz besiegt wurde, sondern sein Reich erst begründen und befestigen kann.

Die Hölle wird zum Symbol des geschlagenen omnipotenten Mannes, der die ungeheuren Mächte, die er mit seinem Genie ins Leben rief, nicht mehr in die Flasche zurückzwingen kann, aus der sie geschlüpft waren. Sein eigener Geist ist ihm als Ungeist über den Kopf gewachsen.

Wäre Gott allmächtig, könnte er das ewige Höllenfeuer in seine Gewalt bringen, wenn er es für richtig hielte. Tut er’s nicht, wäre seine Allmacht das Zeichen einer unermesslichen Rache an seinen Geschöpfen, die er nicht zur Läuterung vorübergehend bestraft – „das Gold, das du kaufst, muss in Feuer gehärtet werden“ ( Neues Testament > Offenbarung 3,18 / http://www.way2god.org/de/bibel/offenbarung/3/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/offenbarung/3/“>Offbg. 3,18) –, sondern die er endlos bestrafen muss, um der Rache und Strafe willen. Seine Allmacht wäre identisch mit unstillbarer Allrache.

Gegen diese grässliche Gottesvorstellung wehrten sich in frühen Zeiten manche östliche Kirchenväter, die noch an einem Gott der Liebe festhalten wollten, der zwar straft, aber nur aus pädagogischen Gründen, um an einem unbekannten Tag alle verirrten Schafe wieder gnädig zu sich zu nehmen. Die Theologen sprechen von der Wiederbringung aller (Apokatastasis panton) und berufen sich auf Neues Testament > Apostelgeschichte 3,21 / http://www.way2god.org/de/bibel/apostelgeschichte/3/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/apostelgeschichte/3/“>Apg. 3,21: „…bis zu den Zeiten der Wiederherstellung alles dessen, was Gott durch den Mund seiner Propheten geredet hat“.

Origenes und Clemens von Alexandria, noch aufgewachsen im Geist griechischer Philosophie, lehnten die Vorstellung einer ewigen Rache als unwürdig eines liebenden Gottes ab. Auch Hieronymus teilte die milde Meinung seiner beiden Kollegen, doch die Wendung ins Gegenteil zeichnet sich bei ihm schon ab. Er lehnte es ab, diese versöhnliche Botschaft den Gläubigen mitzuteilen, damit sie aus Furcht vor der Hölle nicht sündigten.

Erst der westliche Augustin verwarf radikal die Verwöhnungspädagogik, diese billige Gnade, diese Weichei-Theologie. Er begründete die ewige Strafe, die endlose Hölle und prägte mit diesem unversöhnlichen Geist der Rache die abendländische Theologie, mit der unzählige Geschlechter von Kindesbeinen an mit Höllenstrafen gepeinigt wurden.

Die schwarze Pädagogik, die modernen Totalitarismen wären nicht denkbar ohne Augustins ewiger Hölle, die sich auf Neues Testament > Matthäus 25,46 / http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/25/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/25/“>Matth. 25,46 bezieht: „Und diese werden in die ewige Strafe gehen, die Gerechten aber in das ewige Leben.“ Das hatte bereits Daniel im Angebot an die Welt: „Und viele von denen, die schlafen im Erdenstaube, werden erwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu Schmach, zu ewigem Abscheu.“ ( Altes Testament > Daniel 12,2 / http://www.way2god.org/de/bibel/daniel/12/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/daniel/12/“>Dan. 12,2)

Wer an Höllen glaubt, wer mit Höllen droht, stellt früher oder später selber Höllen her. Wovor Menschen sich fürchten, geben sie an andere weiter, damit sie ihre Furcht reduzieren und bewältigen können.

Mit Origenes’ Allversöhnung und Rückkehr der missratenen Schöpfung zum integren Ursprung hatte sich zum letzten Mal die griechische Idee der natürlichen Wiederkehr des Gleichen durchgesetzt, wenn auch mit einer ziemlichen Geschichtsbeule im Zyklus.

Ab Augustin setzt sich endgültig die lineare Zeitvorstellung durch. Der Kreis, den Griechen die vollendete Bewegung nannten, musste abtreten und der Linie weichen, die direkt in ein illusorisches Heil und ein reales Verderben führt. Es ist die Linie der Moderne, des Fortschritts, des Wachstums, des Unendlichkeitswahns.

Nietzsche stemmt sich noch einmal dagegen und will „zurück“ zur griechischen Wiederkehr des Gleichen. Doch er spricht von Wiederkunft, als wartete er auf die Wiederkunft des Übermenschen als Messias. Löwith deutet Nietzsches Zarathustra als „antichristliche Bergpredigt“. Doch er sei gescheitert, weil er den Kreis wollte und dennoch am linearen Fortschritt festhielt.

Das war bereits die Grundidee Hegels, der Hellas und das Karfreitagsgeschehen synthetisieren wollte. Auch Nazischergen wollten die platonische Politeia mit dem Dritten Reich Joachim di Fiores zur Einheit verschmelzen. Alles vergeblich, die Erde kann sich mit keinem Himmel versöhnen, der die Erde lüstern als Nachtisch betrachtet. Es gibt keine Quadratur des Kreises und keine Linearisierung des Zirkels.

Die faschistische Dominanz des Lichts muss gebrochen werden. Natur ist Licht und Dunkel, Tag und Nacht. Wer den Tag will ohne Nacht, hat sich nicht nur um den Schlaf gebracht.

Die Entwicklung der Völker, des Einzelnen, darf keine lineare Sackgasse in die ewige Glut sein. Eben das ist die Vorstellung des abendländischen Heils als Fortschritt in die Tyrannei des ewigen Lichts.

Wer je gesehen hat, wie bei öffentlichen TV-Galas die Stars aus dem Dunkel des Hintergrunds ins gleißende Scheinwerferlicht der Hauptbühne hervorkommen, kann die Worte des Propheten nachvollziehen, der über sein Volk schrieb: „Das Volk, das im Finstern wandelt, siehet ein großes Licht; die im Lande des Dunkels wohnen, über ihnen strahlt ein Licht auf.“ ( Altes Testament > Jesaja 9,1 / http://www.way2god.org/de/bibel/jesaja/9/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/jesaja/9/“>Jes. 9,1)

Auf dieses Wort beruft sich auch der Galiläer, der seine Gläubigen ins Licht führen will, identisch mit der Endherrschaft über die Welt. Im Terror des Lichtes darf nicht mehr geschlafen werden. Die vegetativen Grundbedürfnisse des Menschen werden vom Lichtträger gescholten und abgemahnt, der seinen Jüngern vorwirft, in der Stunde der Anfechtung nicht mit ihm zu wachen.

Ab jetzt ist Wachen erforderlich, um nicht in Sünde zu fallen: „Wachet und betet, dass ihr nicht in Versuchung kommt.“ ( Neues Testament > Matthäus 26,41 / http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/26/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/26/“>Matth. 26,41) Auch die törichten Jungfrauen können nicht wachen, verpassen die Ankunft des Herrn und werden von ihm fürchterlich bestraft: „Ich kenne euch nicht, darum wachet. Denn ihr wisst weder Tag noch die Stunde.“ Vom Herrn nicht gekannt zu werden, ist gleich der Höllenstrafe.

Die ganze abendländische Geschichte mit beschleunigtem Fortschritt und selbsterfüllenden Prophezeiungen ist nichts als Warten auf den Erlöser im Modus unbegrenzten Wachens. Den endlichen natürlichen Bedürfnissen wird der Kampf angesagt, um unendliche übernatürliche an ihre Stelle zu setzen. Wer im Rhythmus von Tag und Nacht sich des Lebens freuen will, verhält sich gotteslästerlich.

Wir bekennen uns zum Volk, das aus dem Dunklen ins Licht strebt, schrieb Goethe. Es war das Motto, das der Ideengeber Hitlers, Houston Stewart Chamberlain, in sein Werk „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“ als Kernsatz aufnahm, das zum Standardwerk des modernen Antisemitismus wurde. Klar, wenn das jüdische und das deutsche Volk gleichzeitig aus dem Dunklen ans Licht streben, kann nur eines den Wettstreit gewinnen. Wenn man sich seines Sieges nicht sicher ist, muss man die Rivalen vor dem Countdown aus dem Rennen nehmen.

Man kann den Vorgang des Erkennens in gewisser Hinsicht als Gang zum Licht bezeichnen. Wenn aber das Licht die wohlige, sichere und nährende Dunkelheit des mütterlichen Schoßes zu diskriminieren beginnt, wenn Einsicht in die Natur die Natur aufspaltet und den Tag auf Kosten der Nacht auf den Thron der Macht setzen will, dann wird aus Einsicht männliche Selbstilluminierung.

Der Gang des Erkennens kommt aus der Geburtshöhle und strebt ans helle Tageslicht. Doch dann kehrt er regelmäßig zur Ruhe und Stille der Nacht zurück, wo er seine Kräfte erneuert und ausgeschlafen seinem Tageswerk nachkommen kann.

Wer immer nur ins Helle und Weiße schaut, wird schneeblind und verliert sein Augenlicht. Wenn ein Bestandteil der Natur sich absolut setzt und den Rest der Natur verwirft, wird die anfängliche Erkenntnis zur Verblendung, zur Blindheit unter dem unerbittlichen Terror des Lichts.

Wahres Erkennen ist in Einklangkommen mit der Natur, nicht ihre Atomisierung und Fragmentierung – um sie zur leichten Beute zu nehmen.

Die Aufklärung nannte sich Epoche des Lichts, die der Versuchung noch nicht widerstehen konnte, das Dunkle als Minderwertiges zu verachten. Doch die Nacht ist mit dem Tag auf gleicher Augenhöhe. Sokrates verharrte eine ganze Nacht lang auf der Stelle, versunken über ein denkerisches Problem.

Mütter sind nicht erkenntnisfeindlich, Eva war es, die nach dem Baum der Erkenntnis langte.

Die Romantiker pendelten vom Licht aufgeklärten Denkens ins Dunkel der Gefühle und eines intuitiven Empfindens. Novalis schrieb seine Hymnen an die Nacht. Doch der Einseitigkeit des Lichts setzten die Romantiker die Einseitigkeit des Dunkels entgegen.

So wenig Denken ohne Gefühl rational ist, sowenig ist Fühlen ohne Denken eine intuitive Offenbarung. Kopfmenschen verachten Bauchmenschen, Scharfsinnige die tiefsinnigen Schwarmgeister, wer zwei und zwei addieren kann, gilt als logische Maschine, wer Gefühle zeigt, als sentimentaler Tropf.

Seit Hegels synthetische Wundermaschine zerbrach, suhlen sich die Deutschen wohlig in wirren Widersprüchen, die keine Synthesen sind und in Synthesen, die sich kratzen und beißen. Was sich nicht reimt, wird poetisch und überschwänglich aneinandergefesselt, was zusammengehört, wird ätzend zerrissen.

Je bizarrer die Einfälle, je entzückter sind die Rezensenten, je klarer und schlüssiger die Analysen und Folgerungen, umso mehr werden sie als erschütternde Eindeutigkeiten verdammt. Von denen, die nie Recht haben wollen, aber alle Rechthaber am liebsten am postmodernen Galgen aufknüpfen würden.

Zum guten Schluss ein Artikel übers Stillen, wo es den vereinigten Männern wieder einmal gelang, ihre übernatürlich-geistigen Erkenntnisse den Frauen aufzuzwingen und es nicht den Kindern überlassen wollen, wann sie die Mutter-Höhle freiwillig verlassen und aus der Meeresstille der mütterlichen Dyade – die als Stilldemenz verächtlich gemacht wird – ins Reich des lärmenden Vaters aufbrechen wollen.

Der Planet ist nicht nur rund um die Uhr in gleißendes Licht getaucht, er bebt zunehmend von lärmenden Orgien. Was die Dominanz des Lichts für Sehschwache, ist die Dominanz des Dröhnens für Hörgeschädigte geworden.

Wenn uns Sehen und Hören gründlich vergangen sein werden, sind wir endlich reif für die Wiederkunft des Herrn.