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Natur brüllt! LXXXIX

Tagesmail vom 17.06.2024

Natur brüllt! LXXXIX,

wer – wie die Grünen – als unauffällig-pompöse Weltenretter startete, hat heute Mühe, heimlich, still und leise die Bühne zu verlassen.

Die Liebhaber der Natur wollten bei ihrem Antritt nichts weniger als internationalen Zusammenschluss ähnlich denkender Naturretter.

„Von den Indianer-Traditionen Nordamerikas über die Eskimos und die buddhistischen Mönche Nordamerikas. Über die Eskimos und die buddhistischen Mönche Asiens bis hinein in die Sowjetunion, wo ganz besonders eine „grüne Literatur“ geschrieben wird, die in ihrem Kern um die Erhaltung von Flüssen und Tieren und Wäldern kämpft. Und mit einem stärkeren Rauslassen entsteht wieder der Nährboden fürs Poetische. Grüne haben Sinn für Poesie. Sie lesen auf ihren politischen Versammlungen Gedichte vor, und falls einer es lächerlich finden sollte, so sagt er es nicht, Gefühlslyrik darf wieder sein.“

In Nachkriegsdeutschland war Natur ein heikles Thema. Die Nationalsozialisten waren rassistische Naturgläubige. Wie konnte man sich da unauffällig einer alles schaffenden Natur nähern, ohne sich mit den Vätern zu verunreinigen?

„So rücken wir zusammen in Wohngemeinschaften, abends in kleinen Gruppen, erdhockend oder im Gras, sind gern still miteinander – und stehen zusammen in Schweigeminuten; Schweigestunden, Stille als Sehnsucht gegen den Lärm des Getriebes, als Möglichkeit für Sammlung im Innern.“ (Alle Zitate aus: Manon Maren-Grisebach, Philosophie der Grünen)

Klingt das nicht mehr nach pietistischen Zirkeln als nach tatkräftiger Politik, um die Welt zu retten?

„Naturgefühle. Zaghaft bahnen sie sich einen neuen Weg durch uns. Wir leiden mit der ölverklebten Möwe wie mit dem durch Insektenmittel vergifteten Häher. Das Gefühl der Einheit von Mensch und Natur ist verlorengegangen, von Schuld überlagert. … Aber die Sehnsucht danach ist geblieben und eine Hoffnung, nicht ganz abgetrennt zu werden von dem, was man einmal „Mutter Natur“ nannte.“

Ist das romantische Regression in germanische Wälder – oder aufgeklärter Aktivismus, um Stimmungen in aufgeklärte Realität zu übersetzen?

Also besser zurückhaltend sein und nicht auf Karl Marx, sondern auf Ernst Bloch setzen:

„Die Grünen bilden eine Partei der Hoffnung auf Leben. Traum und Geheimnis. Phantasie und Meditation wollen wir aufnehmen in unserer Mitte und das Empfinden von der Gleichrangigkeit der Menschen untereinander, nicht der Gleichheit, aber des gleichen Wertes (von daher unser Grundsatz des Sozialen).“

In der religiösen Trias Glaube, Liebe, Hoffnung, hatte Hoffnung den ungünstigsten Stand. Das wollte Bloch vermeiden, seine Hoffnung gründete auf der Zuversicht eines Marxisten, dem berechenbaren Geschichtsglauben nicht untreu zu werden.

Was für Christen Gott, war für Marxisten die unerschütterliche Gewissheit, der berechenbaren Heilsgeschichte der Materie zu folgen. Was das Sein prophezeite, wird es auch todsicher – mit Hilfe des Bewusstseins – erreichen.

Warum hat fast jeder das Gefühl, dass die Grünen mit politischer Macht wenig anfangen können? Als ob sie darauf warteten, dass höhere Mächte eingreifen, um die niedere in den Griff zu kriegen?

„Grüne wollen keine Macht. Und doch wollen sie politisch etwas bewirken, hier und jetzt etwas verändern, deshalb müssen sie an diesem Machttrieb teilnehmen, auch wenn sie ihn fürchten wie der Teufel das Weihwasser oder besser: wie die Engel das Sündigen. Ebenso suspekt ist den Grünen jegliche Hierarchie.“

Sind diese Grünen wirklich auf Erden angekommen oder sind sie moderne Jenseitsgläubige mit engelgleicher Moral, die auf Erden nichts ausrichten können?

Je genauer man hinschaut, je mehr wird man in dieser Vermutung bestätigt:

„Ganz klar gesagt: Grüne wenden keine Gewalt an. Nur mit konsequenter Ablehnung von Gewalt stehen unsere Fundamente: Auch die Mittel, mit denen wir unsere politischen Ziele erreichen wollen, können gewaltlos sein. Immer wieder haben wir den „gewaltlosen Widerstand“ betont, den „zivilen Ungehorsam“.“

An dieser Stelle darf die Bergpredigt nicht fehlen. Und siehe da:

„Du sollst deinem Bruder nicht zürnen. Wie steht’s mit unseren „christlichen“ Parteien? In dieser Hinsicht werden sie von den Grünen weit in den moralischen wie religiösen Schatten gestellt. Kein Pazifismus kann ihnen radikal genug sein. Daher erstreben die Grünen auch ein Verbot von Kriegsspielzeug, und eines der Gewalt- und Kriegsverherrlichung in Literatur und Medien. Keine Durchsetzung von staatlichen Entscheidungen mittels Gewalt.“

Hier hat die Schreiberin – einst Vorsitzende der Grünen – das noch heute bekannte Motto vergessen: „Schöpfung bewahren“. (1. Mose 2, 15)

Die bibelschwachen Grünen haben die Tücken der Heiligen Schrift vergessen: wenn Gott spricht, ist ihm logische Eindeutigkeit schnuppe.

Im dritten Kapitel schreibt der Schöpfer:

„Und zum Mann sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. 18 Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. 19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde wirst, davon du genommen bist. Denn Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.“

Wer hat hier die Schöpfung versaut? Gott oder Mensch – der Schöpfer oder der Teufel?

Wenn es der Teufel war, müsste der Mensch gegen Gottes Widersacher, wenn es Gott selbst war, gegen den Schöpfer höchstpersönlich ankämpfen. Woher sollte er die Kraft haben, gegen Gott selbst anzutreten?

Der Mensch ist eine Marionette des Schöpfers, die der Allmächtige nach Belieben herumkommandiert und ihm alle Schuld seiner maladen Schöpfung nach Belieben in die Schuhe schieben kann.

Ergo will die Schreiberin alle teuflischen Übel radikal beseitigen.

„Erst einmal sind die Forderungen der Grünen negativer Art: keine Atomkraftwerke, keine neuen Medien, d.h. keine vermehrten Telekommunikationsformen, keine Gentechnologie im Humanbereich, keine zusätzlichen Straßen, Flughäfen, Deich- und Kanalbauten, keine Großindustrien, keine Tierfabriken.“

Nein, die Grünen sind nicht technikfeindlich, sie wollen nur nicht die ursprüngliche Natur zerstören. Dabei berufen sie sich auf die griechischen Heiden:

„Technik ist ein Herstellen von Dingen durch den Menschen, im Unterschied zum Entstehen und Wachsen der Dinge durch die Natur. Bei Aristoteles heißt Techne: herstellen, machen.“

Gottlob sind auch die griechischen Heiden, sonst so bewundert, der naturfeindlichen Technik verfallen.

Wetten, dass fast kein Neugermane diese religiösen Überzeugungen der Grünen kennt?

Inzwischen werden ihre Programme möglicherweise anders formuliert sein. Doch das ändert nichts daran, dass sie noch immer – unbewusst – das christliche Gründerklima vertreten.

Wie alle deutschen Parteien sind die Grünen christlich geprägt, doch eine Auseinandersetzung mit der biblia sacra suchst du vergeblich.

Das trifft nicht nur auf die Grünen und die Adenauerpartei zu, sondern auch auf alle anderen. Auch auf die einstige Proletenpartei, die vom Atheismus des Karl Marx schon längst abgefallen war. Selbst auf die AfD, deren Fremdenfeindlichkeit auf dem Kampf gegen den falschen Glauben der Flüchtlinge beruht.

Deutschland will auf keinen Fall gottlos werden, doch der nationale Gottesglaube soll unterirdisch bleiben – damit niemand auf die Idee kommt, den deutschen Gott anzuklagen.

Also alles Schein. Deutschland hat keine festen Grundsätze, die auf ihrem eigenen Mist gewachsen wären. Alles schwimmt, alles glitzert in vielen Farben, Genaues weiß niemand.

Warum gibt es diesen fanatischen Kompromiss-Glauben der Deutschen? Weil es doch nicht so schwer sein kann, verwandte Überzeugungen miteinander zu verklammern.

Wenn Lutheraner und Katholiken sich zur praktischen Politik versöhnen konnten, so wird es doch auch Calvinisten, Methodisten, Mennoniten gelingen, sich die Hand zu geben. Das Vorbild Amerikas hat den Westen geprägt.

So wandeln sie über die Heide und beten ihren Gott an. Immer in der Hoffnung, die Öffentlichkeit werde ihr frühes Image vergessen haben. Hat man es denn nicht geschafft, sich in die Realität zu integrieren? War das keine eminente Leistung?

Gewiss doch, Baerbock ist einmal pazifistisch, ein ander Mal droht sie mit schrecklichen Waffen. Von den Medien wird sie kräftig getadelt – und doch kann sie zwischen Staatsraison und idealer Politik wechseln, wie sie will, immer in der Hoffnung auf ein gutes Endergebnis.

Damit setzt sie Merkels Almosengeben konsequent fort. Gewiss, es gibt Schwierigkeiten, aber wir sind überzeugt: das schaffen wir – mit Gottes Hilfe.

Diesen Scheinpazifismus müssen die Deutschen wohl für eine kulturelle Leistung halten, weshalb ausgerechnet Baerbock und Roth für die Ausbreitung der deutschen Kultur zuständig wurden.

Wie wird diese Kompetenz begründet?

„Dass Kultur sich nützlich zu machen habe, zeigt sich nicht zuletzt an der Euphorie für die »Agentur für Internationale Museumskooperation« – sie soll dabei helfen, deutsche Kultur im Ausland zu vermarkten.“ (SPIEGEL.de)

In Reinschrift: Kultur soll von grünen Politikerinnen, die harmlos und friedlich daherkommen, in der Welt vermarktet werden, also dem Marktgeschehen zugeführt werden.

Das ist noch schlimmer als bei Hayek, der überhaupt keine Kultur kennt, die er ernst nehmen müsste. Was nicht wissenschaftliche Wirtschaft ist, kann vernachlässigt werden.

Kennen die führenden Damen der Grünen den Papst der Neoliberalen überhaupt? Ist Kultur für sie etwas, das mit Profit nichts zu tun haben kann?

Kultur muss etwas Pazifistisches sein, weshalb die Grünen, um ihren Niedergang zu stoppen, ihre Partei durch Nichtstun schützen wollen:

„Kurz vor der Europawahl, berichtet meine Kollegin Melanie Amann in ihrem aktuellen Leitartikel, habe ihr eine führende Person der Grünen gesagt, worum sich die Partei gerade bemühe: »Wir strengen uns an, nicht anstrengend zu sein.« Während die Liberalen selbst auf Kosten des Ampelfriedens keinen Deut von ihren Grundsätzen abweichen, herrscht am anderen Ende der Koalition vorauseilender, dabei aber vergeblicher Pragmatismus, analysiert Melanie: Derweil sagen die Grünen Ja zur Aufweichung von Klimazielen, zur EU-Asylrechtsreform, zum Erhalt klimaschädlicher Ökosubventionen, sogar eine Aussetzung des Lieferkettengesetzes wird plötzlich diskutiert – aber es reicht nicht, wird auch nie reichen, sondern verstärkt die Abstiegsspirale.“ (SPIEGEL.de)

Sie wollen nicht mehr anstrengend sein, weshalb sie gar nichts mehr tun. Absurder geht’s nicht. Das ist das selbstverfertigte k.o. jeder grünen Politik.

Doch die Grünen sind nicht die Einzigen, die sich aufs Nichtstun verlegen. Heribert Prantl hat den Bundespräsidenten auf frischer Tat ertappt:

„Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat im Oktober 2022 in seiner damaligen Rede zur Lage der Nation erklärt, dass man angesichts des Ukraine-Krieges „alte Träume“ begraben müsse; er meinte „Gorbatschows Traum vom gemeinsamen Haus Europa“. Ich habe mich damals gefragt, ob man sich diesen Traum, auch wenn es heute ein sehr ferner Traum ist, von einem Putin nehmen lassen darf. Ich frage mich das auch heute: Braucht Europa in bitterer Zeit nicht auch Visionen, nicht auch eine Utopie? Braucht Europa nicht ein – wenn auch ganz fernes – Ziel? Das Nahziel muss der Waffenstillstand in der Ukraine sein.“ (Sueddeutsche.de)

Sinnvolle Ziele dürften überhaupt nie aufgegeben werden, auch wenn man sich doppelt anstrengen muss, um sie zu erreichen. Zwar müsste man sich mehr Zeit lassen, was aber nicht bedeutet: was zu weit entfernt ist, muss eliminiert werden. Haben wir etwas schon eine humane Welt erreicht? Sollen wir deshalb alle humanen Ziele streichen?

Und das Ärgste: dann müssten ganz neue Ziele festgelegt werden – gleichzeitig die alten wortlos vom Tisch gefegt werden. Dummheit, lass nach!

Als kulturelle Spitze der Deutschen gilt Goethe, er soll in der ganzen Welt die beste Seite der Deutschen darstellen: die demokratische und humane. Dabei war er in Wirklichkeit das Gegenteil von beiden.

Im Dritten Reich sollte er die Überlegenheit der deutschen Kultur beweisen. 1943 wurde er von Goebbels in die antisemitische Propaganda eingespannt. „Einige seiner judenfeindlichen Äußerungen zielten auf Trennung von Christen und Juden.“ (Wilson, Der faustische Pakt)

Erst in der Nachkriegszeit wurde Goethes angeblich demokratiefreundliche Gesinnung ruchbar – und musste schleunigst den neuen politischen Verhältnissen angepasst werden.

„Aus Goethe, dem Gegner der Demokratie, wurde nach 1945 ein Leuchtturm demokratischer Gesinnung, aus dem lavierenden Nationalisten wurde ein entschiedener Apostel der Völkerverständigung. Die Alliierten und die Nachkriegsdeutschen missbrauchten Goethe für die Sache der Freiheit und Menschenrechte kaum weniger als die Nazis für Krieg und Nationalismus. Das brennende Thema Judenfeindlichkeit wurde nach 45 weitgehend verschwiegen und wurde erst in den 70er und 80er Jahren zu dem Prüfstein einer neuen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus.

Im jetzigen Kampf gegen Antisemitismus wird Goethe nicht einmal erwähnt. Wer traut sich schon, die Spitze der deutschen Kultur in die Niederungen des Holocaust zu ziehen? Das zeigt die ganze Seriosität des Kampfes gegen die Judenfeindschaft.

Fortsetzung folgt.