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Tagesmail

Montag, 30. Januar 2012 – Manifest

Hello, Freunde der Mütter,

wiederum hat Mutter Merkel alle an die Wand gespielt und das Konkurrenzspiel im Dschungel der Gefühle gewonnen. Die vielen männlichen Kakerlaken, die sie täglich verspeisen muss, die mediale Gülle der Medien, das substanzlose Gezicke der hübscheren Rivalinnen, die alle nur „verzweifelt, bemüht, verstellt“ wirken und „massive Geltungsbedürfnisse haben, sonst nichts“. Sie allein hat alle Männer von Koch über Öttinger bis Wulff gehabt, vernascht und ausgespuckt.

Merkel, „durchtrainiert, eine Kämpferin“, „strahlt Würde aus“, und wirkt stets so, als sei ihr Job „genau das, worauf sie ihr Leben lang aus“ war. Vor nix ekelt sie sich, sie scherzt mit jedem, wirkt immer ausgeglichen, knutscht Sarko, lässt sich von Chirac die biedere Mutterhand küssen. Sie ist immer ganz da, ganz im Moment, die „Big Mama“ des Dschungelcamps in Berlin.

Selbst bösen Moderatoren und Schreiberlingen fällt nichts mehr zu ihr ein. Wo andere nur authentisch posieren, präsentiert Brigitte Nielsen Merkel die „große Kunst, im Politikdschungel selbstbestimmt zu sein. Das macht sie zur wahren Königin.“

Freuet euch, ihr uniform aussehenden Brüder, eure Zeit ist abgelaufen. Ihr seid überfordert, macht euch von hinnen, schiebt verbissen die Kinderwägen und schluckt brav eure Globuli. Die Mütter übernehmen wieder.

Das Matriarchat hat euch 7000 Jahre Vorsprung gelassen, um zu beweisen, was ihr könnt. Außer einer dämlichen Hochkultur, die Natur und Mensch schändet und allen wohlmeinenden Menschen die Schamröte ins Gesicht treibt, habt ihr nichts zustande gebracht. Macht Platz, ihr

Erstlinge der Schöpfung. Die Gehilfinnen kommen, die euch aus ihren Rippen schneiden. 

Zwischen folgenden beiden Welten bewegen sich die Frauen der Welt: Die ukrainische Frauengruppe Femen protestiert unter vollem Körpereinsatz gegen den weißrussischen Diktator, die Erniedrigung der Frauen zu Sexmaschinen in ihrer Heimat und gegen die Geldmagnaten in Davos.

In Saudi-Arabien hingegen herrscht die perfekte Männerdespotie. Zu schwarzen Geistern vermummt, in totaler ästhetischer Nichtpräsenz, dürfen die Frauen nicht mal ins Stadion. Bisher durften sie keinen Führerschein machen. Nicht mal ihre Männer kennen sie ohne Abaja und Nikab, die tiefschwarze Robe und den schwarzen Gesichtsschleier, der die dämonische Glut ihrer verführerischen Augen verbirgt.

Man sieht sie nicht, man hört sie nicht. Wie können ihre Männer sie überhaupt erkennen? Würde man ihnen eine fremde Frau „unterschieben“ (woher nur diese eindeutige Metapher?), sie würden nichts bemerken.

Saudische Geisterfrauen haben noch kein Ich, sind verwechselbar, ohne Individualität, anonym und werden auf diverse Funktionen reduziert. Eben, sie sind das, was westliche Männer täglich produzieren: Roboter und Maschinen. Wenn die realen Weiber schon aufmüpfig werden, muss man sich um vollwertigen, pflegeleichten und wartungskommoden Ersatz kümmern.

Woher kommt die totale Erniedrigung des Weibes zur Nutzware? Etwa aus dem Koran? Iwo: Da steht nirgendwo, dass Männer und Frauen keinen Kontakt haben dürfen, dass sie sich schwarz verkleiden müssen. „Warum tun sie es dann? So haben sie es immer getan“. Geht’s noch, Herr Böhm? Steht etwa das Gegenteil, die weibliche Selbstbestimmung, im Koran?

Muss überhaupt irgendwas in einem heiligen Buch stehen, damit es Gesetzeskraft erhält oder vernünftig und lebenswert ist? Sind Religionen nur Offenbarungen unbegrenzter Menschenliebe? Schaut euch ihre Heils-Geschichten an: haben sie der Menschheit in vielen Jahrtausenden Frieden und Glück gebracht?

Wie lange gibt’s schon die großen Religionen? Was haben sie erreicht? Wer zieht Zwischenbilanz? Wer schaut in die sakralen Soll- und Habenbücher? Nur keine einzige Frage stellen, wenn’s um das Heilige geht! Nur alles mit der Mauer der Liebe umzingeln, die alles erträgt, alles glaubt, alles hofft und alles erduldet.

Bei solchen Vorschriften, die ultimativ vorschreiben, wie sie selbst behandelt werden wollen – ja müssen, wenn man nicht ins Fegefeuer will –, darf man sich über den desolaten Zustand der gegenwärtigen Religionen, besonders der westlichen, nicht wundern. Da wollte ein Mann ein Frauenversteher sein, doch als er an das erste Warndreieck kam, auf dem geschrieben stand: Religion, betreten verboten, ging er leise weinend zurück – in seine prächtig funktionierende Maschinenwelt.

Die war nicht schwarz verhüllt, sondern blinkte, glitzerte und leuchtete in allen Farben des Verführerischen. Wenn ein deutscher Mann zärtliche Augen bekommt, denkt er an das gepolsterte Vehikel, das ihn sanft durchs Leben trägt. Man könnte auch vom lebenslangen Hotel Mama auf vier Rädern sprechen. Ob seine Liebe vom motorisierten Fetisch erwidert wird, darf, bis zum Beweis des Gegenteils, bezweifelt werden. 

Hannes Koch gehört zu den Chefökonomen der TAZ und spiegelt die Zerrissenheit seiner Redaktion in Wirtschaftsfragen wider. In Davos habe sich gezeigt, wie der Zeitgeist sich gedreht habe. Man trägt un peu Marx unter den Nadelstreifen. Selbst ein heilsgewisser Trierer hat solche Freunde nicht verdient.

Das mit dem Wachstum sei schwierig. „Kritik am Wirtschaftswachstum ist eine Luxusdebatte.“ Die Menschen in den Schwellenländern wollten sie nicht, solange ihre Grundbedürfnisse nicht erfüllt seien. Halten zu Gnaden, Sir: s’ist keine Luxusdebatte, sondern eine existentielle, eine Debatte um Leben und Tod.

Das wissen Chinesen und Inder so gut wie wir, ja besser und schmerzlicher, weil sie nicht derart im Zerwürfnis mit der Natur leben wie eingeborene Schöpfungsbewahrer. Ein Blick in die Schriften der bezaubernd klaren Arundhati Roy beweist, dass ärmere Kulturen im Einholwahn nicht suizidaler und verblendeter sein müssen als westliche Wohlstandsfürsten, die das Wort Natur nicht mehr buchstabieren können.

Im Gegenteil. Bei gerechter Verteilung könnten alle Menschen reichlich von dem leben, was das Land insgesamt an „Werteschöpfung“ zu bieten hat. Das gilt für die ganze Menschheit, die, selbst bei gerechter Teilung, wesentlich mehr produziert, als sie zum Leben nötig hat. Völlig unsinnig, das „Versprechen der Teilhabe für alle“ von einem obligaten Wachstum abhängig zu machen.

Wenn wir uns schweren Herzens zur Stagnation entschlössen, so Koch, müssten wir einen neuen Gesellschaftsvertrag schließen, der ausschließen würde, dass Monopolgiganten den überproportionalen Reibach in ihre Kanäle leiten.

Das war Hannes Koch Nr. 1, jetzt erwidert Kontrahent Koch Nr. 2: „Aber will man in einer müden, langsamen Gesellschaft leben?“ Was nämlich, wenn es durch mangelndes Wachstum zu wenige Stellen für junge Nachwuchskräfte gäbe?

 

1. Eine Gesellschaft, die nicht mehr leben kann ohne Maloche, Beschleunigung, Wirtschaft und Wachstum ist zum Tode durch Selbstüberhitzung und Vernichtung der Natur verurteilt. Das Ziel der Bewegung ist Ruhe, das Ziel der Arbeit ist Muße, das Ziel des Daseins ist die heitere Meeresstille der Seele.

2. Die Menschheit muss sich zusammensetzen und gemeinsam herausfinden, was sie global produzieren muss, um jeden Erdenbürger satt, ausgeglichen und zufrieden zu machen.

3. Was die Menschheit in kollektiver Arbeit produziert, muss in kollektiver Gerechtigkeit verteilt werden. Auftürmen sinnloser Reichtümer in wenigen Händen gehört der tumben Vorgeschichte des Menschen an.

4. Das wäre das Ende der dynamischen Geschichte und der Beginn der statischen, die Grenzen der Natur respektierenden Geschichte.

5. Der bislang verfemte Begriff der Statik wird zum Schlüsselbegriff der Ökonomie einer in Natur und Humanität angekommenen Weltgesellschaft.

6. Der Sinn des Lebens besteht im Leben, das zur schönen regelmäßigen Gewohnheit werden kann, in der die Wiederholung des Gleichen nicht als Tyrannei des Alten und die Gier nach ständig Neuem nicht als Erlösung vom minderwertigen und sündigen Alten empfunden wird.

Ein erfülltes Leben führen, heißt nicht, unaufhörlich tun und machen, um Überflüssiges und Verderbliches zu produzieren, besinnungslos treiben und hetzen, und werden müssen, was man nie werden wollte. Ohne Droge Wirtschaft ist die Menschheit lebensunfähig geworden. Sie hat panische Angst vor einem äußerlich unbeweglichen, auf der Stelle tretenden, von außengelenkten Zwängen befreiten müßigen Leben.

Muße ist kein leerer Müßiggang. Niemand ist zu geistigem Stillstand verpflichtet. Wirtschaftlich statisch, doch geistig dynamisch muss das Lernziel des Menschen sein. Lernt von den Tieren, die euch voraus sind. Gibt es Tiere, die sich langweilen? Die Wirtschaftsdroge, die er hasst, braucht der zwanghaft Malochende zur inneren Stabilisierung.

Wer hasst, woran er hängt, ist neurotisch. Ist die Krankheit fortgeschritten, nennt man sie Wahn, Paranoia oder – Fortschrittskultur. Fortschrittskultur im unkorrigierbaren, blinden und verstockten Stadium nennt man Krankheit zum Tode.

7. Wir brauchen keinen neuen Gesellschaftsvertrag, überhaupt wenig Neues. Zumeist ist das Neue nur ein weiterer Sargnagel für eine lebensmüde Gesellschaft, die umso gefährdeter ist, je dynamischer und hektischer sie sich gebärdet.

Das bewährte Alte müssen wir retten und recyceln, das wir aus Lustangst- und Paradiesverbotsgründen verworfen haben, obgleich wir es unseren Kindern noch immer als Norm und hehre Leitlinie vorhalten.

8. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit: nur diese Kleinigkeiten brauchen wir. Oder die wirkliche Realisierung der Französischen Revolution auf dem ganzen Erdball. In diesem Sinn kann es keinen denkenden Menschen geben, der nicht Franzose werden sollte.

9. Die notwendige Arbeit, um alle Menschen gut und ausreichend zu ernähren, wird gleichmäßig unter der Menschheit verteilt. Es wird mehr Kandidaten geben, die sich um die Beschäftigung reißen, als jene, die sich vorstellen können, ihr Leben musizierend, mit Kindern spielend, mit Alten plaudernd, philosophierend, fröhlich dichtend und trachtend, ohne Gegnerschaft mit der Natur lebend und webend, hüpfend, springend, Salsa tanzend, im Lehnstuhl sitzend und freudig zuguckend, lesend und schreibend, kochend und futternd, zärtlich und orgiastisch mit den Liebsten, flanierend – auf keinen Fall joggernd – durch die Welt gehen, zu verbringen.

10. Nur eine wahrheitsfähige, lebenswillige, lebenslustige Menschheit wird die nötige Reife besitzen, Natur und Mensch leben zu lassen. Wahrheit ist die Fähigkeit, sich dauerhaft auf Erden einzurichten. Wer Wahrheit verwirft, verwirft die Zukunft der Menschheit.

11. Leben kann man nur, wenn man den Tod als befriedeten Zieleinlauf eines lebenssatten Daseins begrüßt. Ohne ihn als Ersatz für ein liebloses, sorge- und angstbestimmtes Leben krankhaft herbeizusehnen – und dennoch wie die Pest zu fürchten.

12. Sinn des Lebens ist das Leben auf Erden. Wer hier keine bleibende Stadt sucht, sondern die goldene Stadt im Jenseits, muss sich den Vorwurf machen, der Erde untreu zu sein. Religionen müssen, wie alle Sinnentwürfe, sich vor dem Forum der Menschheit verantworten.

Glaubenssysteme sind nicht immun gegen Überprüfungen. Sie berufen sich auf ein privates Fürwahrhalten, doch sie meinen Politik und Herrschaft über die Welt. Ihr Glaube kann kein Vorwand sein, der Welt zu fluchen und eine verbrannte Erde zu hinterlassen. Weltverfluchende Religionen müssen sich von Grund auf runderneuern, wollen sie in gleichberechtigter Gemeinschaft mit allen Lebewesen die planetarische Heimat des homo sapiens sichern und für alle Kreaturen lebenswert halten.

Jeder Glaube, jede tiefgründige Philosophie, alle Lebens- und Gedankenentwürfe sind willkommen, die sich daran beteiligen, das Glück der Menschen hienieden zu schaffen.

13. Bleibet der Erde treu, Brüder und Schwestern. Sagte Zarathustra. Doch ohne Willen zur Macht. Sondern mit Willen zur Vernunft, die identisch ist mit Eros, der Leidenschaft für das schöne, ekstatische, stille, suchende, findende, wilde, sanfte, berauschende und befriedete Leben.

14. Das ist kein Traum, keine Schwärmerei. Sondern  Mindestbedingung für den Fortbestand der Gattung. Das beste und gelingendste Leben ist zur absoluten Voraussetzung des Überlebens geworden.